Faktor-Rotation: zusätzliche Diversifikation zur Risiko-Rendite-Optimierung

Hamed Mustafa, Foto: BlackRock

Die Chancen am Kapitalmarkt durch Diversifizierung der Portfolios zu nutzen, gehört für den Autor gewissermaßen zu Standard, schützt aber nicht vor unerwünschten Einflüssen von Konjunktur-, Inflations- Liquiditäts- und Zinsentwicklungen auf die Aktien- als auch Anleihenmärkte. Um diesen Widrigkeiten zu begegnen und möglichst in gutem wie in schlechtem Marktumfeld eine Outperformance zu erreichen, verweist er auf fünf Stil-Faktoren, von denen er sich am Kapitalmarkt einen nachweislichen Mehrwert verspricht, und zwar eine geringere Unternehmensgröße, hohe Unternehmensqualität sowie niedrige Bewertung, geringe Schwankungsbreite und positive Kursdynamik von Aktien. Im aktuellen Marktumfeld hält er Quality-Aktien für besonders aussichtsreich, setzt auf ein Untergewicht des Faktors Größe und stuft die Positionierungen bei Volatilität, Bewertung und Kursdynamik als neutral ein. (Red.)

Angesichts tendenziell niedrigerer Marktrenditen, erhöhter Volatilität und veränderter Korrelationsmuster sind Investoren mehr denn je darauf bedacht, ihre Portfolios möglichst breit aufzustellen. Durch eine hohe Diversifizierung wollen sie Chancen am Kapitalmarkt möglichst umfassend nutzen und somit die Risiko-Rendite-Profile ihrer Portfolios weiter optimieren. Dieser Ansatz ist richtig und wichtig.

Ebenso entscheidend ist, eine wirkliche Diversifizierung sicherzustellen. Beispielsweise können Konjunktur-, Inflations-, Liquiditäts- und Zinsentwicklungen sowohl Aktien- als auch Anleihenmärkte prägen. Das war unter anderem Mitte Dezember 2018 zu beobachten, als die US-Notenbank ihren geldpolitischen Kurs skizzierte, woraufhin sowohl Aktien als auch Anleihen nachgaben. Insofern führt eine bloße Aufteilung des Portfolios auf verschiedene Anlageklassen nicht unbedingt zu einer optimalen Streuung.

Stil-Faktoren als Renditetreiber

Im Hinblick auf die Optimierung von Risiko-Rendite-Profilen bringen Stil-Faktoren einen entscheidenden Mehrwert ins Portfolio. In der akademischen Forschung haben sich fünf Stil-Faktoren herauskristallisiert, die am Kapitalmarkt als positive Renditetreiber wirken und langfristig Bestand haben: geringere Unternehmensgröße (Size) und hohe Unternehmensqualität (Quality) sowie niedrige Bewertung (Value), geringe Schwankungsbreite (Minimum Volatility) und positive Kursdynamik (Momentum) von Aktien. Diese lassen sich auf drei Ursachen zurückführen: Einige kompensieren Investoren für höhere Risiken. Andere beruhen auf strukturellen Ursachen, etwa Marktregeln oder Anlagebeschränkungen von Investoren.

Aus der damit verbundenen Unzugänglichkeit gewisser Marktsegmente für bestimmte Gruppen ergeben sich Chancen für Investoren mit größeren Anlagefreiheiten. Und schließlich gibt es Stil-Faktoren, die auf dem Anlegerverhalten beruhen - zum Beispiel Herdentrieben oder Panikverkäufen. Dies schafft Opportunitäten für Investoren mit Sichtweisen abseits des Mainstreams.

Faktor-Chancen dynamisch nutzen

Analysen zeigen, dass alle fünf genannten Stil-Faktoren im Vergleich zum breiten Markt langfristige Mehrrenditen erzielen können. Allerdings wirken die Faktoren abhängig vom Marktzyklus nicht immer in gleichem Maße. Insofern ist die richtige Kombination auf Basis regelmäßiger, umfassender Analysen für den Anlageerfolg entscheidend.

Wie sich Stil-Faktoren idealerweise kombinieren lassen, wird in der akademischen Forschung lebhaft diskutiert. An den beiden äußeren Enden des Meinungsspektrums kristallisieren sich zwei Ansätze heraus: zum einen die statische Aufteilung des Vermögens, sodass jeder Faktor unabhängig vom Marktumfeld stets das gleiche Gewicht im Portfolio hat. Zum anderen der Versuch, Faktoren zu timen, also dem Marktumfeld entsprechend den jeweils richtigen Zeitpunkt zum Ein- beziehungsweise Ausstieg zu erwischen und so im Rahmen einer Faktor-Rotationsstrategie zu einer dynamischen Allokation zu gelangen.

Die Effizienz dieser beiden Ansätze lässt sich gewissermaßen durch einen Mittelweg weiter optimieren. Dieser besteht aus einer strategischen Gleichgewichtung der einzelnen Faktoren und wird entsprechend der Marktsignale um taktische Schwerpunkte ergänzt, wobei zu jeder Zeit in alle Faktoren investiert wird. Ein solcher Ansatz bietet zwei potenzielle Ertragsquellen: erstens langfristige statische Faktorprämien im Rahmen eines breit aufgestellten Portfolios und zweitens Erträge, die sich aus den taktischen Schwerpunkten ergeben.

Um das Renditepotenzial einzelner Faktoren im jeweiligen Marktumfeld zu bewerten, sollten Investoren auf vier Parameter schauen:

- Konjunkturumfeld, verbunden mit der Frage: Hat der entsprechende Faktor in einem solchen Umfeld historisch betrachtet gute Renditen geliefert?

- Bewertung: Ist der Faktor im historischen Vergleich günstig oder hoch bewertet?

- Relative Stärke: Gibt es einen Trend, der die positive Entwicklung des Faktors unterstützt?

- Streuung, beziehungsweise die Frage: Wie robust ist das Umfeld in Bezug auf den Faktor?

Je mehr dieser Signale in die Allokationsentscheidung einfließen, umso robuster fallen die Ergebnisse aus.

Um eine angemessene Diversifikation zu gewährleisten und Chancen umfassend zu nutzen, sollten Rotationsstrategien stets alle fünf eingangs genannten Stil-Faktoren im Portfolio berücksichtigen. Unter dem Risiko-Rendite-Aspekt hat es sich bewährt, diese Faktoren mit mindestens fünf und maximal 35 Prozent im Portfolio zu gewichten. Denn ein solcher Ansatz kann langfristig höhere risikobereinigte Renditen erzielen als der breite Markt und andere Anlagestrategien, zum Beispiel gleichgewichtete Portfolios oder statische Allokationen.

Outperformance bei steigenden wie auch fallenden Märkten

Der Grund dafür ist, dass die taktische Adjustierung sowohl in steigenden als auch in fallenden Märkten eine Outperformance ermöglicht. Bei anderen Ansätzen ist dieses Potenzial häufig auf einen der beiden genannten Fälle beschränkt. Zudem zeigen Analysen, dass die Mehrrendite von Faktor-Rotationsstrategien weitgehend unkorreliert zur Outperformance aktiver Portfoliomanager ist.

Diese Ergebnisse verdeutlichen die vielfältigen Möglichkeiten zum Einsatz von Faktor-Rotationsstrategien. Investoren, die neben aktiv gemanagten Portfolios und indexnahen Strategien auch auf Faktor-Rotationsstrategien setzen, erweitern ihr Instrumentarium. Damit können sie Portfolios noch effizienter gestalten, Risiko-Rendite-Verhältnisse optimieren, Kosten sparen, Portfolios für schwierige Marktphasen robuster aufstellen und noch vielfältigere Renditequellen nutzen.

Quality-Faktor aktuell besonders aussichtsreich

Im aktuellen Marktumfeld sind Quality-Aktien nach besonders aussichtsreich. Die relative Stärke des Quality-Faktors hat zwar leicht nachgelassen, bleibt aber ebenso wie die Bewertung auf Cashflow-Basis attraktiv. Zudem spricht der anhaltende konjunkturelle Abschwung dafür, diesen eher defensiven Faktor überzugewichten.

Im Gegensatz dazu legen die Signale ein Untergewicht des Faktors Size nahe. Denn zum einen wird er vom aktuellen Konjunkturumfeld nicht unterstützt. Zum anderen haben sich die relative Stärke und die Bewertung auf Cashflow-Basis verschlechtert.

Neutrale Positionierungen bieten sich bei Minimum Volatility, Momentum und Value an. Auf den ersteren, defensiven Faktor wirkt das aktuelle Konjunkturumfeld zwar günstig und die relative Stärke hat sich verbessert. Jedoch lässt die Bewertung zu wünschen übrig. Momentum-Aktien bleiben hoch bewertet, die größere relative Stärke gleicht dies nicht aus. In Bezug auf Value ist das Konjunkturumfeld nachteilig, zudem hat die relative Stärke zuletzt weiter abgenommen. Die attraktivere Bewertung kann dies nicht aufwiegen.

Besonders effiziente Umsetzung mit ETFs

In der Vergangenheit war die Möglichkeit, Renditetreiber in Form von Stil-Faktoren gezielt zu nutzen, großen institutionellen Investoren mit umfangreichen Anlagesystemen vorbehalten. Inzwischen machen entsprechende börsennotierte Indexfonds - sogenannte Smart-Beta-ETFs - Faktor-Rotationsstrategien einem breiteren Publikum von institutionellen Investoren und darüber hinaus auch weiteren Anlegergruppen zugänglich. Beispielsweise bietet Black-Rock iShares ETFs auf die Faktoren Size, Quality, Value, Minimum Volatility und Momentum an. Diese ermöglichen wahlweise Zugang zum globalen Aktienmarkt oder zu einzelnen Regionen wie USA, Europa und Schwellenländer. Hinzu kommen grundlegendes Research zu Faktor-Rotationsstrategien sowie aktuelle Einschätzungen zu den einzelnen Stil-Faktoren, die bei der Umsetzung von Rotationsstrategien hilfreich sind.

Aufgrund des besonders effizienten Zugangs über ETFs und der vielfältigen Einsatzmöglichkeiten nutzen Investoren Faktor-Rotationsstrategien immer stärker. Generell sind Faktorstrategien einer der Bereiche im Asset Management, die besonders dynamisch wachsen. In den vergangenen Jahren belief sich das organische Wachstum auf durchschnittlich rund elf Prozent pro Jahr, während es branchenweit im niedrigen einstelligen Prozentbereich lag. Es ist davon auszugehen, dass diese hohe Dynamik anhalten wird oder sich sogar weiter beschleunigt - nicht zuletzt, weil Investoren vermehrt auf Transparenz und Kosten achten.

Hamed Mustafa Leiter Institutional Sales Deutschland im Bereich ETF und Index Investing, BlackRock, Frankfurt am Main
Hamed Mustafa , Leiter Institutional Sales Deutschland im Bereich ETF und Index Investing, BlackRock, Frankfurt am Main
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