Finanzieren und Stabilisieren - was lokale Kreditinstitute für die Wirtschaft leisten

Dr. Karl-Peter Schackmann-Fallis, Foto: DSGV

Die deutschen Verbundinstitute haben die von mittelständischen Unternehmen geprägte hiesige Wirtschaft in den vergangenen zwanzig Jahren, also auch in der Zeit seit Ausbruch der Finanzkrise gleichmäßig und verlässlich mit Krediten versorgt. Diese statistisch nachweisbare stabilisierende Wirkung auf die Volkswirtschaft nimmt der Autor als Ausgangspunkt für sein Plädoyer für die adäquate Ausgestaltung des Regulierungsrahmens für kleine und mittlere Institute. Die Grundlagen dafür sieht er mit dem von der EU-Kommission erarbeiteten Bankenpaket gelegt, erstmals registriert er konkrete Ansätze von Proportionalität in der Regulierung europäischer Banken und Sparkassen und echte Chancen auf eine administrative Entlastung von kleinen, wenig komplexen Instituten. Von dem laufenden Gesetzgebungsverfahren in Brüssel erhofft er sich nun die Ergänzung des Single Rule Book um ein nach Größe oder Systemrelevanz gestaffeltes Regulierungsregime. (Red.)

Investitionsmittel sind eine ganz wesentliche Voraussetzung dafür, dass Unternehmer ihre Geschäftsideen umsetzen können. Ob für Modernisierungen, Expansionen oder neue Produkte - alles benötigt am Ende des Tages Kapital, und zwar oft mehr, als im Unternehmen zur Verfügung steht. Für Selbstständige und Unternehmen sind Kredite das Mittel der Wahl, um ihren Fremdfinanzierungsbedarf zu decken. Das gilt europaweit.

Deutschland stellt hier keine Ausnahme dar. Besonders ist jedoch, dass Deutschland in den wirtschaftlich schwierigen Zeiten nach dem Lehman-Kollaps nicht zu denjenigen Ländern gehörte, in denen man eine Kreditklemme beobachten konnte. Im Gegenteil. Gab es an anderer Stelle Kreditverknappungen, haben in Deutschland die kreditwirtschaftlichen Verbünde aus Sparkassen und Volks- und Raiffeisenbanken den Kredithahn offen gehalten.

Beitrag zur Stabilisierung des Kreditangebots

So haben insbesondere die Sparkassen seit Beginn der Finanzkrise zur Stabilisierung des Kreditangebots in Deutschland beigetragen. Vom dritten Quartal 2007 - der Zeit der Insolvenz von Northern Rock - bis Ende 2010, als das deutsche Bruttoinlandsprodukt auf Gesamtjahressicht ins positive Terrain zurückkehrte, konnten Sparkassen den Anteil an der Kreditvergabe an Unternehmen und Selbstständige um 1,6 Prozentpunkte auf 24,1 Prozent ausbauen. Heutzutage liegt der Anteil mit rund 29,7 Prozent sogar nochmals höher. Die Großbanken, deren Anteil im Jahr 2007 noch 15,2 Prozent betrug, haben dagegen an Terrain verloren. Mittlerweile liegt deren Anteil unter 12 Prozent.

Blickt man auf die Veränderungsraten der Kreditvergabe wird deutlich, dass die kreditwirtschaftlichen Verbünde eine kontinuierlichere Geschäftspolitik an den Tag gelegt haben als Großbanken und Zweigstellen ausländischer Banken.

Zusammengefasst: Lokale und regionale Kreditinstitute wie Sparkassen und Volksbanken finanzieren und stabilisieren, sie wirken regionalen Unterschieden entgegen und helfen, Ausschläge in der volkswirtschaftlichen Entwicklung zu glätten. Das macht sie für eine Volkswirtschaft wie die deutsche so wertvoll.

Das Credo ist daher: Wer die Vielfalt im Bankenmarkt stärkt und damit ermöglicht, dass die kreditwirtschaftlichen Verbünde ihre Aufgaben gut erfüllen können, dient unmittelbar der volkswirtschaftlichen Entwicklung, und damit Wachstum und Innovation.

Vielfalt im europäischen Bankenmarkt in Gefahr

Diese angestrebte Vielfalt gerät jedoch zunehmend in Gefahr. Die Zahl der in Deutschland aktiven Kreditinstitute hat sich seit 1990 auf aktuell 1 823 Institute mehr als halbiert. Ein Trend, der sich nun in den letzten Jahren auch auf europäischer Ebene abzeichnet und weiter anhalten dürfte. Insbesondere für kleinere und mittlere Banken ist der Druck zur Konsolidierung vor dem Hintergrund des anhaltenden Niedrigzinses und der Digitalisierung der Finanzbranche in den letzten Jahren gestiegen. Zudem trifft die zunehmende - und teils überbordende - Regulatorik diese Institute besonders hart.

Der Rückgang der Zahl an Kreditinstituten muss daher auch als Warnsignal verstanden werden. Die Politik muss den aufsichtsrechtlichen Rahmen so gestalten, dass Vielfalt und regionale Ausrichtung erhalten bleiben. Regulierung muss gerade für risikoarme Kreditinstitute mit einfachem Geschäftsmodell einen angemessenen Handlungsrahmen bieten.

Europäische Basel-Umsetzung in den Startlöchern

Ein erster richtiger Schritt in diese Richtung wurde mit dem im November 2016 durch die EU-Kommission (KOM) vorgelegten Bankenpaket (unter anderem CRR II / CRD V) getan. Mit diesem Paket konnten erstmals konkrete Ansätze von Proportionalität in der Regulierung europäischer Banken und Sparkassen etabliert und administrative Entlastungen von kleinen, wenig komplexen Instituten erreicht werden. Das Gesetzgebungsverfahren zum Bankenpaket befindet sich derzeit in Brüssel auf der Zielgeraden. Die finalen Gesetze werden bis Sommer 2019 veröffentlicht und sind grundsätzlich ab Mitte 2021 anzuwenden.

Gleichzeitig befindet sich die europäische Umsetzung des Pakets zur Finalisierung von Basel III bereits in den Startlöchern. Mit diesem Paket, das der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht im Dezember 2017 veröffentlichte, sollen regulatorische Initiativen, die nach der Finanzkrise ergriffenen wurden, weitgehend abgeschlossen werden. Mit diesem zweiten großen Paket der internationalen Bankenregulierung der letzten zehn Jahre werden nun im Wesentlichen die Standards zur Risikomessung überarbeitet. Davon hängt letztlich ab, wie viel Eigenkapital Banken vorhalten müssen. Beim ersten "Basel III"-Paket aus dem Jahr 2010 hat man den Schwerpunkt unter anderem auf die Verbesserung der Qualität und Quantität des von Banken vorgehaltenen Eigenkapitals gelegt.

Die legislative Umsetzung der neuen Standards in Europa wird die regulatorische Agenda für die kommenden Jahre bestimmen. Die neuen Vorgaben aus Basel werden für deutsche Institute über eine erneute Änderung der EU-Bankenverordnung beziehungsweise -richtlinie (CRR-III-/CRD-VI) in europäisches Recht umgesetzt werden. Bereits im Frühjahr 2018 hat die KOM eine erste Sondierung zu Auswirkungen und Implementierungshürden des neuen Basel-Paketes durchgeführt.

Zudem wurde im zweiten Halbjahr 2018 mit ausgewählten Instituten europaweit eine Auswirkungsstudie durchgeführt. Deren Ergebnisse werden die Grundlage für den im ersten Halbjahr 2020 avisierten Legislativvorschlag zum CRR-III/CRD-VI-Paket bilden. Sollte der Gesetzgebungsprozess wie beim Bankenpaket verlaufen, dürften die Institute wohl frühestens Ende 2022 darüber Klarheit haben, wie die europäische Basel III-Variante ausgestaltet sein wird.

Abkehr von dem Ansatz des Single Rule Book

Dabei bedroht die regulatorische Unsicherheit alle Institute in Europa. Grundsätzlich ist das Basel-III-Rahmenwerk für große, international tätige Banken zugeschnitten. Für diese Banken soll das Rahmenwerk global einheitliche Standards festlegen, ein "Level Playing Field" schaffen und damit die Finanzmarktstabilität sichern. Diese grundlegende Ausrichtung von Basel III ist durchaus richtig und wichtig, denn sie schafft die Voraussetzungen, Regulierungsarbitrage einzugrenzen. Die Internationalisierung in der Bankenregulierung birgt jedoch gleichzeitig die Gefahr, durch Orientierung an kapitalmarktbasierten Finanzmärkten und Strukturmerkmalen von Großbanken Institute mit anderen Geschäftsmodellen und Größenklassen aus den Augen zu verlieren.

So wird durch die Umsetzung der neuen Baseler Vorgaben die Regulierungslast nicht nur für die großen, sondern gerade auch für kleinere und mittelgroße Institute in ganz Europa weiter erhöht. Hintergrund ist, dass das neue Basel-Paket insbesondere eine umfassende Überarbeitung des Kreditrisiko-Standardansatzes (KSA) enthält. Der KSA wird derzeit von kleinen und mittelgroßen Instituten für die Eigenmittelunterlegung von Kreditrisiken angewandt, da damit die regulatorischen Anforderungen in vertretbarer Zeit und mit vertretbarem Aufwand erfüllt werden können.

Künftig soll der KSA jedoch auch für die Bemessung einer Untergrenze für die Anwender interner Modelle herangezogen werden, sodass die aktuelle Überarbeitung des KSA durch den Baseler Ausschuss eine deutliche Erhöhung der Granularität und damit der Komplexität des KSA vorsieht.

Die EU hat sich mit dem Ziel einer europaweiten Harmonisierung der Bankenregulierung bisher einem Single-Rule-Book-Ansatz verschrieben. Damit gelten grundsätzlich für alle Institute - unabhängig von der Größe oder dem Risiko - die gleichen aufsichtlichen Regelungen. Bei einer Fortführung der 1 : 1-Umsetzung der Baseler Standards in europäisches Recht würden damit die für große, international tätige Banken geschaffenen Regeln auf alle Institute - selbst die kleinste Sparkasse oder Genossenschaftsbank - durchschlagen. Das sollte verhindert werden.

Dabei richtet sich die Kritik nicht gegen die Verschärfung der Regulierung als solche. Problematisch sind die Aufwände, die erforderlich sind, um die Anforderungen zu erfüllen und nachzuweisen, dass sie erfüllt wurden. Höhere IT- und Compliance-Kosten führen in großen Teilen zu Fixkosten, die kleine und mittlere Institute überproportional belasten - also insbesondere jene Banken, für die die Implementierung interner Modelle zu aufwendig ist und für die der Ansatz zur Bemessung der Kreditrisiken weniger komplex sein sollte. Zudem ist die Vielzahl an Regulierungsmaßnahmen auf internationaler, europäischer und deutscher Ebene selbst für Aufsichtsexperten kaum noch in ihrer Gänze zu durchdringen. Für kleine Institute ist die Regulierungsflut kaum mehr zu bewältigen; sie werden "too small to comply".

Die neuen Vorschriften aus Basel in Gänze werden letztlich ein weiteres Hindernis für kleinere Banken darstellen, die einen erheblichen Anteil zur Finanzierung der Wirtschaft in vielen EU-Ländern beitragen. Statt die internationalen Vorgaben ungefiltert zu übernehmen, sollte im gesamtwirtschaftlichen Interesse die Bankenregulierung die richtigen Akzente setzen: eine adäquate Regulierung, die nach Geschäftsmodell, Risikogehalt der Geschäfte und systemischem Risiko der Institute differenziert. In Bezug auf kleinere Institute muss daher im Zuge der europäischen Gesetzgebung dem Proportionalitätsprinzip noch konsequenter Rechnung getragen werden.

Adäquate Ausgestaltung des Regulierungsrahmens erforderlich

Die administrativen Entlastungen der CRR II sind dabei eine Basis, auf der aufgebaut werden kann. Allerdings darf nicht übersehen werden, dass mit den Änderungen aus Basel die vorgesehenen Erleichterungen der CRR "over-ruled" werden. Es reicht daher nicht aus, den bisherigen "One-size-fitsall"-Ansatz weiterzuverfolgen, angepasst um geringere Meldewesen- und Offenlegungsvorschriften für kleinere Institute.

Stattdessen ist jetzt - zehn Jahre nach der Finanzkrise und fünf Jahre nach Implementierung der CRR - der richtige Zeitpunkt, um grundsätzlich über die Ausgestaltung der Bankenregulierung in Europa zu diskutieren und das Single Rule Book auf den Prüfstand zu stellen.

Dabei stehen die Mindestkapital- und Mindestliquiditätsanforderungen nicht im Fokus. Stattdessen geht es um ein systematisches und intelligentes Betrachten solcher Regelungen, die das "Too-small-to-comply"-Phänomen begünstigen.

Zudem muss aber die europäische Bankenregulierung auch den Belangen europäischer Banken stärkere Beachtung schenken. Der globale Ansatz aus Basel nimmt wenig Rücksicht auf nationale Belange. Die Struktur des deutschen Bankenmarktes mit seinem Dreisäulensystem und der Stabilität der Kreditvergabe während der Finanzkrise zeigen jedoch, dass eine Ausblendung solcher Besonderheiten unter Stabilitätsaspekten nicht angebracht ist.

Europäische Besonderheiten bei der Regulierung berücksichtigen

So weist das europäische Bankensystem Besonderheiten - im Vergleich zu anderen Jurisdiktionen - auf, die angemessen in der Regulierung berücksichtigt werden müssen. So ist beispielsweise in der CRR der KMU-Unterstützungsfaktor verankert. Er sichert eine geringere Eigenkapitalunterlegung von KMU-Krediten. Sie haben im internationalen Vergleich geringere Ausfallraten. Das ist statistisch nachgewiesen und daher gerechtfertigt. Auch die regulatorische Gleichstellung von Verbünden lokal verankerter Kreditinstitute mit Konzernstrukturen ist mit Blick auf Effizienz und Stabilität der Finanzmärkte gerechtfertigt.

Die Bankenregulierung hat und muss weiterhin die Besonderheiten der jeweiligen historisch gewachsenen Bankensysteme berücksichtigen. Ein hundertprozentiges "Basel-compliant" ist nur im Hinblick auf die großen, internationalen Institute gerechtfertigt, auf die das Baseler Rahmenwerk tatsächlich ausgerichtet ist.

Dass eine differenziertere Regulierung und Finanzmarktstabilität sich nicht ausschließen, zeigt ein Blick über den Tellerrand. So zeigt das vom Baseler Ausschuss mitbegründete Financial Stability Institute in einer Untersuchung aus dem Jahr 20171) verschiedene Proportionalitätsansätze in der Regulierung sechs wesentlicher Jurisdiktionen2) auf.

Um Institute zu definieren, die ein proportionales Rahmenwerk anwenden dürfen, werden danach unterschiedlichste Kriterien wie Größe, Geschäftsmodell oder Geschäftsaktivitäten herangezogen. Eine volle Anwendung der Baseler Standards wird in der Regel bei Instituten ab einer Größe von zwanzig bis dreißig Milliarden Euro Bilanzsumme oder für große, internationale Banken gefordert. Alternative Vorgaben für kleinere Institute stehen häufig im Einklang - sind aber nicht deckungsgleich - mit Baseler Vorgaben.

Ein weiterer interessanter Ansatz ist das im Juli 2018 durch die FINMA gestartete und derzeit in der Pilotphase befindliche Schweizer "Kleinbankenregime". Dieses steht kleinen Banken offen, die deutlich überdurchschnittlich mit Kapital und Liquidität ausgestattet sind und keine sonstigen besonders erhöhten Risiken aufweisen. Bei Erfüllung der Eingangsvoraussetzungen sind regulatorische Befreiungen und Erleichterungen3) vorgesehen. Der Umfang der prudenziellen Anforderungen an solche Kreditinstitute kann so erheblich reduziert werden, ohne dass das Schutzniveau insgesamt gesenkt wird.

Die Sparkassen-Finanzgruppe ist in Deutschland ein tragender Pfeiler der Kreditversorgung insbesondere für zahlreiche Unternehmen "vor Ort". In der Finanzkrise hat die Gruppe ihre tragende Rolle als Finanzierungspartner unter Beweis gestellt. Um dieser auch in Zukunft gerecht werden zu können, ist ein adäquater regulatorischer Rahmen unerlässlich.

Der "One-size-fits-all"-Ansatz in der EU hat dabei in den letzten Jahren seine Schattenseiten gezeigt. Insofern ist es erfreulich, dass mit der CRR II der Proportionalitätsgedanke in der europäischen Bankenregulierung Eingang findet und Elemente einer stärkeren Differenzierung der regulatorischen Anforderungen verankert werden.

Um regulatorisch bedingte Veränderungen von Marktstrukturen zukünftig zu verhindern, muss aber das Single Rule Book um ein nach Größe oder Systemrelevanz gestaffeltes Regulierungsregime ergänzt werden. Schließlich wird mit der Basel-Umsetzung die Bankenregulierung des nächsten Jahrzehnts festgelegt.

Fußnoten

1) Financial Stability Institute (FSI), Proportionality in banking regulation: a cross-country comparison, veröffentlicht 2. August 2017, www.bis.org.

2) Brasilien, Europäische Union (EU), Hong Kong SAR, Japan, Schweiz und Vereinigte Staaten von Amerika (USA).

3) Verzicht auf Berechnung der NSFR und risikogewichtete Aktiva; Berechnung einer vereinfachten Leverage Ratio; vereinfachte Kapital- und Liquiditätsplanung, Offenlegung von Key Metrics, Erleichterungen bei den Outsourcing-Regelungen. Weitere Erleichterungen in den Bereichen Operationelle Risiken, Corporate Governance und Risikoverteilungsvorschriften (Derivate). Künftige Anpassungen von Basel III sollen nicht nachgezogen werden.

Dr. Karl-Peter Schackmann-Fallis Geschäftsführendes Vorstandsmitglied, Deutscher Sparkassen- und Giroverband, DSGV, Berlin
Dr. Karl-Peter Schackmann-Fallis , Geschäftsführendes Vorstandsmitglied , Deutscher Sparkassen- und Giroverband e.V., DSGV, Berlin

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