Finanzinstitute: Mit stabilen Mitarbeitern dem digitalen Wandel begegnen

Dr. Reiner Brüggestrat, Foto: Hamburger Volksbank

Zur Fusion im Jahr 2007 startete die Hamburger Volksbank (hervorgegangen aus der Hamburger Bank und der Volksbank Hamburg) eine Zusammenarbeit mit einem externen Institut, das die Mitarbeiter durch psychologische Beratung fit für den Wandel in dem Kreditinstitut machen sollte. Laut Autoren ist dadurch eine bis jetzt andauernde Kooperation entstanden, da sich Kreditinstitute mittlerweile in einem steten Wandel befinden und von vielen Seiten unter Druck stehen. Vor allem die Transformation hin zur agilen Organisationsstruktur und zur Digitalisierung kann einige Mitarbeiter überfordern oder zumindest verunsichern. Veränderungszyklen werden immer kürzer, die Anforderungen an Mitarbeiter immer höher. Verunsicherte Mitarbeiter bringen jedoch nicht die Leistung, die sie könnten. Somit kann eine externe Beratung nach Meinung der Autoren vor allem in solch disruptiven Zeiten zur Effizienzsteigerung in einem Kreditinstitut beitragen. (Red.)

Die Finanzbranche unterliegt einem radikalen Wandel: Die Digitalisierung von Produkten und Dienstleistungen, das Niedrigzinsumfeld, geopolitische Umwälzungen und internationale Regulatoren beeinflussen die Arbeit der Geldinstitute und erfordern innovative Handlungs- und Managementstrategien.

Um wettbewerbsfähig zu bleiben, brauchen die Banken engagierte, gut ausgebildete Fachkräfte. Diese sollen dazu beitragen, interne und externe Prozesse neu zu gestalten, um in einem herausfordernden Umfeld nachhaltig erfolgreich wirtschaften zu können. Sie müssen Kundenwünsche, die die Digitalisierung und eine sich stetig verändernde Bankenlandschaft mit starkem Wettbewerbsdruck mit sich bringt, erkennen und umsetzen, im Null-Zins-Umfeld neue Geschäftsmodelle entwickeln und bei Umstrukturierungen und Stellenabbau psychisch stabil bleiben.

Dabei entwickelt sich vor allem der demografische Wandel zu einer Herausforderung für die traditionellen Kreditinstitute. Während immer mehr erfahrene Mitarbeiter ausscheiden, zieht es die neue Generation gut ausgebildeter Spezialisten nicht mehr unbedingt in klassische Finanzunternehmen. Das Image der Bankenbranche ist durch die Finanzkrise angekratzt, zudem werden neue Berufe und Arbeitgeber wie Fintechs als attraktiver bewertet, da sie neben start-upähnlichen Strukturen mit flachen Hierarchien zahlreiche Zusatzangebote zum Gehalt und eine Work-Life-Balance versprechen.

Hamburger Volksbank im Wandel

Viele Banken haben ihre HR-Prozesse auf die veränderten Anforderungen ausgerichtet. Auch für die Hamburger Volksbank ist der Wandel nichts Neues. Um diesem positiv zu begegnen, hat das Unternehmen, das aus dem Zusammenschluss der Hamburger Bank und der Volksbank Hamburg hervorgegangen ist, schon im Fusionsjahr 2007 mit dem Fürstenberg Institut ein systemisches Beratungsunternehmen verpflichtet, die Change-Prozesse unterstützend zu begleiten.

Die Verschmelzung zur Hamburger Volksbank bedingte, dass zukünftig Menschen unter einem Dach zusammenarbeiten sollten, die bisher zwei völlig verschiedene Unternehmenskulturen kannten. Ziel der Beratung war es, Mitarbeiter und Führungskräfte dabei zu unterstützen, trotz aller Unterschiedlichkeit ihres bisherigen beruflichen Umfeldes - bei einem traditionell orientierten Haus auf der einen und einem eher vitalen Institut auf der anderen Seite - optimal zusammenzuwachsen.

Um mögliche Spannungen in der Belegschaft bereits im Vorfeld zu antizipieren, kam es damals zu einer Zusammenarbeit mit dem Beratungsinstitut. Stillstand durch Unsicherheiten und unnötige Konflikte im Fusionsprozess sollten so minimiert werden.

Aus dem einstigen Ziel, ein Angebot zu schaffen, welches psychisch belastete Mitarbeiter im Veränderungsprozess auffangen und frühzeitig unterstützen kann, ist über die Jahre eine dauerhafte Zusammenarbeit geworden.

Skepsis in der Einführungsphase

Anfangs stieß das Angebot in der Belegschaft durchaus auch auf Skepsis. Vermutlich gab es in einigen Köpfen den Gedanken, man zeige Schwäche, wenn man das Beratungsangebot annehme. Diese Stimmen seien aber schnell verstummt.

Die Implementierung des Angebots bei den Mitarbeitern der Hamburger Sparkasse wurde in der Anfangsphase aktiv durch das Institut unterstützt. So gab es eine Informationsveranstaltung in der Bank, auf der sich Berater vorstellten und die Mitarbeiter mit dem Angebot vertraut machten. Sicherlich hat dieser Schritt dazu beigetragen, erste Hemmschwellen gegenüber dem neuen Beratungsangebot abzubauen.

Durch persönliche Präsenz, Informationsmaterial und die Möglichkeit, das Institut und seine Mitarbeiter unabhängig von einer Beratung vorab kennenzulernen, indem Vorträge oder Austauschtreffen besucht werden konnten, wurde anfängliche Skepsis weiter abgebaut und das Vertrauen darin gestärkt, dass anonym bleibt, was in einer Beratung besprochen wird.

Für das Management der Hamburger Volksbank ist klar: Psychische Stabilität ist ein wichtiger Leistungsfaktor, der zusätzlich zu anderen Gesundheitsangeboten, wie gemeinsame sportliche Aktivitäten oder die kosten lose Belieferung der Belegschaft mit frischem Obst, im Blick behalten werden muss. Was im Einzelnen in den Beratungen besprochen wird, ist dabei für das Unternehmen nicht relevant. Was zählt, ist das Ergebnis: Geht es dem Mitarbeiter besser, nachdem er bei der Beratung war? Neben der rein menschlichen Komponente spielt dabei natürlich auch der wirtschaftliche Aspekt eine Rolle. Stabiles Personal hat ein geringeres Risiko für Ausfallzeiten als verunsicherte Beschäftigte und dürfte auch höhere Motivationswerte aufweisen, was sich am Ende auch in einer höheren Produktivität niederschlagen kann.

Nachhaltige Erfolge auf verschiedenen Ebenen

Um den Nutzen nachvollziehen zu können, wurden vor der Zusammenarbeit Erfolgsfaktoren definiert. Als Messgrößen dienten neben der Mitarbeiterzufriedenheit auch die Anzahl der Beratungen. So wurde festgelegt, dass sofern ab dem zweiten Jahr weniger als 5 Prozent der Mitarbeiter und Führungskräfte oder mehr als 15 Prozent das Beratungsangebot nutzen, etwas an dem Angebot modifiziert werden müsste. Seit vielen Jahren liegt die Nutzungsrate jedoch stabil bei 8 bis 12 Prozent, ein guter Wert für die Branche. Diese Zahl wird transparent im Unternehmen kommuniziert, stets verbunden mit der Haltung: "Wir machen euch ein Angebot und unterstützen euch auf dem Weg zu mehr psychischer Stabilität."

Die Auswertung bestimmter anonymisierter Kennzahlen, die das beratende Institut dem Management der Bank einmal im Jahr bereitstellt, kann dabei ein wertvoller zusätzlicher Seismograf für die Stimmung in der Belegschaft des Unternehmens sein.

Professionelle Beratung als Entlastung der Führung

Für Führungskräfte bietet eine externe Beratung einen weiteren Mehrwert: Es entlastet sie in ihrer Führungsarbeit. Wenn Konflikte innerhalb des Teams oder unter einzelnen Mitarbeitern und dem Vorgesetzten auftreten, können diese mithilfe einer professionellen Beratung oftmals schneller aufgelöst werden. Entscheidend ist, dass die Zusammenarbeit im Dreieck Bank - Mitarbeiter - Dienstleister funktioniert.

Besonders in herausfordernden Situationen im Führungsalltag, zum Beispiel beim Umgang mit suchtauffälligen oder privat stark belasteten Mitarbeitern, können entsprechende Berater eine entscheidende Stütze für das Führungsteam sein und kennen effektive Wege, solche Krisen zu meistern. Bei Bedarf leisten entsprechende Beratungsunternehmen konkrete Hilfsangebote, wie die schnelle Vermittlung eines Therapieplatzes, ohne lange Wartezeiten für den betroffenen Mitarbeiter.

War die Zusammenarbeit mit der Hamburger Volksbank und dem Fürstenberg Institut zunächst auf zwei bis drei Jahre und damit rein auf den Fusionsprozess angelegt, ist daraus eine kontinuierliche Zusammenarbeit gewachsen. Mittlerweile unterstützt das Institut die Hamburger Volksbank seit mehr als zehn Jahren immer wieder mit Workshops und Weiterbildungsangeboten zu aktuellen Themen. Mitarbeiter und deren Familienangehörige vertrauen der Möglichkeit der externen Begleitung. In individuellen Beratungsgesprächen mit qualifizierten Fachberatern werden berufliche, private und gesundheitliche Probleme dem Arbeitgeber gegenüber anonym gelöst. Blieben zunächst die Beratungsschwerpunkte gleichbleibend im Drittelmix "Gesundheits-, Familien- und Arbeitsplatzgründe", ist seit zwei Jahren ein verstärkter Trend hin zum Thema "Veränderung der Arbeitswelt" festzustellen.

Verunsicherung durch Wandel

Dazu gehört der Strategieprozess "Smartes Volksbanking in Hamburg 2020+", der für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit umfangreichen Veränderungen und zusätzlichen Auseinandersetzungen verbunden ist: Agile Führung, der damit einhergehende Wegfall von Hierarchien und bekannten Strukturen, neue Arbeitsweisen und eine neue Fehlerkultur im Innovationsumfeld sowie in crossfunktionalen Teams schüren Unsicherheiten und erfordern immer wieder neue Kompetenzen von den Mitarbeitern. Die digitale Transformation hat einen umfassenden und laufenden Change-Pro zess zur Folge, der von den Mitarbeitern mit unterschiedlichen positiven und negativen Gefühlen verbunden wird.

Die Digitalisierung nimmt Einfluss auf die Organisationsstruktur, auf die Abläufe und Arbeitsmethoden und führt zu fortlaufenden Veränderungen des bisherigen Aufgabengebietes. Um den Auseinandersetzungsprozess mit der Digitalisierung und den damit verbundenen Chancen und Herausforderungen idealerweise in der Akzeptanz des Erlernens und der erfolgreichen Anwendung münden zu lassen, werden die Mitarbeiter intern mit laufenden Informationen, über den regelmäßigen Austausch bis zur Einbindung in die Entwicklung von Lösungen begleitet. Die Kooperation bietet eine wertvolle zusätzliche externe Begleitung, die individuell auf den einzelnen Mitarbeiter abgestimmt werden kann.

Stärkung des Personals in der Transformation

Das Beratungsangebot schafft so individuelle Orientierung sowie Vertrauen, hilft im persönlichen Umgang mit immer kürzer werdenden Veränderungszyklen sowie neuen Aufgaben und stärkt dabei, Zukunftskompetenzen aufzubauen - eine gewinnbringende Kooperation für Mitarbeiter und Unternehmen.

Dr. Reiner Brüggestrat Sprecher des Vorstands, Hamburger Volksbank, Hamburg
Anika Ohlsen Leitung Marketing und Unternehmenskommunikation, Fürstenberg Institut, Hamburg
Dr. Reiner Brüggestrat , Sprecher des Vorstands, Hamburger Volksbank, Hamburg
Anika Ohlsen , Leitung Marketing und Unternehmenskommunikation, Fürstenberg Institut, Hamburg

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