Wie Fintechs mit Banken kooperieren

Ramin Niroumand, Mitgründer und Geschäftsführer, FinLeap GmbH, Berlin - Wenn dieser Tage von Banken und Fintechs die Rede ist, wird zuweilen ein harter Wettbewerb ausgemalt, der zunehmend zulasten der traditionellen Kreditwirtschaft geht. Ähnlich wie dies schon bei der Kreditpolitischen Tagung im vergangenen Jahr angeklungen ist (ZfgK 22-2015) sieht der Autor die Lage durchaus entspannter. Er will die Fintechszene, bei allen Beispielen an innovativen Produkten und/oder der Beschleunigung von Prozessen, keineswegs als heraufziehende Revolution verstanden wissen, sondern eher als belebendes Element, das den Banken im Rahmen von Kooperationen, Partnerschaften oder möglicherweise auch "Exits" die Möglichkeit zu nachhaltigen Veränderungen der Finanzwirtschaft gibt. (Red.)

Bis 2020 wird die Hälfte aller Deutschen ein Onlinebankkonto eröffnet haben. Zu diesem Schluss kommt die McKinsey-Studie "Challenges and opportunities for fintechs in Germany", die im Mai dieses Jahres veröffentlicht wurde. Banken könnten, so die Studie, 29 bis 35 Prozent ihrer Einnahmen verlieren, wenn sie sich nicht rechtzeitig den digitalen Wünschen ihrer Kunden anpassen. Wünsche, die bei den rund 200 digitalen Finanzunternehmen in Deutschland, den sogenannten Fintechs, schon längst wahrgenommen und realisiert werden. Weltweit gibt es bereits 12 000 Fintechs, Tendenz steigend.

Revolution des Finanzmarktes

Und dennoch: Wenn man in diesen Tagen über Fintechs und Banken liest, kommt schnell der David-gegen-Goliath-Gedanke. Auf der einen Seite die jungen und in der Größe meist noch überschaubaren Fintechs, auf der anderen die alteingesessenen Finanzinstitute. Viele Journalisten und Blogger beschwören aus dieser Konstellation gern einen "Kampf" herauf, die innovativen Fintechs würden das alte Bankensystem angreifen, zum Einsturz bringen wollen, eine Revolution auslösen. Es wird so getan, als seien die "Fintechs" eine eigene Branche - das ist falsch. Fintechs agieren im selben Markt wie die Banken - dem Finanzmarkt.

Der strukturelle Wandel ist nicht mehr aufzuhalten. Aber es geht nicht um Banken gegen Fintechs, es geht um die Revolution des Finanzmarktes. Die funktioniert vor allem mit Kooperation.

Bei Finleap wird nach Lösungen für Kunden gesucht, nicht nach Bank-Kopien. Kein einziges Ventures ist ein Frontalangriff gegen die Finanzindustrie, selbst nicht die Solaris-Bank, eine Technologieplattform mit Vollbanklizenz. Aber sie alle bieten einen neuartigen Zugang zu Teilen des Finanzgeschäfts - und das wird von den Nutzern erfolgreich angenommen. Und wer sind die Nutzer? Der aufgeklärte Kunde, aber auch Banken. Das liegt an der Methode, mit der Geschäftsmodelle aufgebaut werden.

Wenn ein neues Fintech-Unternehmen aufgebaut wird, wird zuerst analysiert, wo es in der Finanzwelt noch an technischen Lösungen mangelt und welche Prozesse durch Digitalisierung effektiver gestaltet werden können. Dann wird ein gutes Team gesucht, um das Produkt zu entwickeln und auf den Markt zu bringen. Den ganzen Verwaltungsaufwand, vom rechtlichen und regulatorischen Rahmen, über Verbraucherschutz bis zu Leistungen wie Buchhaltung und Personalwesen, nimmt Finleap den neuen Firmen erst einmal ab. Die Teams sollen sich ganz auf die Entwicklung des Produkts konzentrieren können. Nach dieser Methode wurden in knapp zwei Jahren bereits erfolgreich neun Unternehmen auf den Markt gebracht. Viele davon setzen auf Banken als Kunden oder Kooperationspartner, viele arbeiten bereits mit Banken eng zusammen.

Auch als Company Builder hat Finleap einen engen Bezug zur Finanz- und Versicherungsbranche. Erst kürzlich wurde erfolgreich eine Finanzierungsrunde abgeschlossen und dabei von verschiedenen Investoren insgesamt 21 Millionen Euro eingeworben. Unter den Kapitalgebern befinden sich auch institutionelle Investoren, wie die Hannover Rück, der drittgrößte Rückversicherer weltweit.

Besteht eine Gefahr für Fintechs, bei einer Kooperation mit einer Bank die unternehmerische Unabhängigkeit zu verlieren? Könnten institutionelle Investoren zu sehr die Geschäftslinien eines Fintechs beeinflussen? Nein, denn erfolgreiches Fintech funktioniert anders als die gängigen Digital-Geschäftsmodelle.

Voraussetzungen für die Gründung eines erfolgreichen Fintechs

Um gewinnbringend am Markt zu wirtschaften, muss man den Markt und seine Regeln kennen. Es genügt nicht, ein paar erfolgreiche IT-Studenten von einer Universität abzuwerben, einen Code zu schreiben und mit einer schönen Webseite eine Firma zu starten. Das ist ein (Fintech)-Gründermärchen. Man muss das richtige Know-how an Bord haben, erfahrene Unternehmer aus dem Finanzsektor, Strategen und Geschäftsexperten. Denn schließlich geht es um Nachhaltigkeit und Langlebigkeit statt um ein kurzlebiges Geschäftsmodell. Langlebigkeit und Expertise unterscheiden ein erfolgreiches Fintech-Unternehmen von einem nicht erfolgreichen.

Finleap gründet neue Einheiten nicht mit unerfahrenen Geschäftsführern, sondern suchen gezielt nach Unternehmern aus der Finanz- und Versicherungsbranche. 15 Jahre Erfahrung im Banking oder in der Strategieberatung von Dax-Konzernen sind Kompetenzen, die man ohne Weiteres bei den Mitarbeitern finden kann. Die Erfahrung der Mitarbeiter spiegelt sich auch im Altersdurchnitt wider. Mit 34 Jahren ist der deutlich älter als bei anderen Unternehmen aus der Digitalbranche, dafür steht hinter den Jahren die Erfahrung.

Näher beieinander, als man denkt

Neben ihrem Wissen bringen die erfahrenen Mitarbeiter auch ein Gespür für die Gepflogenheiten im Banking mit. Das hilft beim Aufbau von Kooperationen zwischen den Fintech-Unternehmen und den Finanzinstituten. Auch auf Verbandsebene werden fleißig Kooperationen geschmiedet. Erst im April dieses Jahres startete die offizielle Zusammenarbeit des Bundesverbandes deutscher Banken mit Fintechs.

Ein erstes Treffen zwischen Fintechs und Banken fand im Rahmen des "Kommunikationsforums Digital Banking" in Berlin statt. Auf der Themenliste standen unter anderen Standortpolitik, die nationale Umsetzung der EU-Zahlungsdiensterichtlinie und der neuen Geldwäscherichtlinie, Kreditgeschäft und Anlagegeschäft sowie die Zusammenarbeit mit der Bankenaufsicht Bafin. Es ist ein Ansatz, der zeigt, dass Fintechs und Banken mehr denn je durch Vernetzung neue Perspektiven schaffen können.

Ein gutes Beispiel für eine gelungene Kooperation zwischen Banken und Fintechs ist die Firma Fin-Reach. Diese bietet Banken ein digitales Werkzeug an, mit dem sie ihren Kunden einen schnellen Kontowechsel ermöglichen können. Sechs von zehn deutschen Kontoinhabern würden gerne die Bank wechseln, nur 20 Prozent tun es wirklich. Fin-Reach verwandelt den analogen Prozess in einen digitalen, der dem Kunden entgegenkommt.

Alle Daueraufträge und Lastschriften werden dabei per Mausklick auf das neue Konto gelenkt, dem Kunden werden lästige Benachrichtigungsschreiben abgenommen. Banken können diese Kontowechselhilfe mit eigenem Logo versehen und als Serviceangebot auf ihren Webseiten einbinden. Neben der DKB und der Hypovereinsbank nutzen auch viele Sparkassen und andere Banken bereits das Verfahren. Viele Geldhäuser werden noch hinzukommen, wenn im September das neue Zahlungskontengesetz der Bundesregierung voll in Kraft tritt. Denn dann müssen Banken ihren Kunden eine Kontowechselhilfe anbieten - und Fin-Reach hat sie im Sortiment.

Dabei sieht sich das Unternehmen vor allem als externer Dienstleister für Banken, statt als disruptives Start-up. Zwar kann das Unternehmen schneller, agiler und schlagkräftiger Lösungen anbieten als andere Dienstleister, dennoch ist der Finanzsektor für die Gründer kein Neuland. Auch Fin-Reach hat nicht die Mission, Banken anzugreifen, sondern sie fit zu machen für das digitale Zeitalter. Die Befürchtung, von Corporates zu sehr vereinahmt zu werden, gibt es hier nicht, da das Unternehmen als Dienstleister komplett unabhängig agiert.

Neben der starken Kooperation mit Banken von Anfang an gibt es für Fintechs auch einen anderen Entwicklungsansatz. Die Firma kann und soll erst einmal eigenständig wachsen. Erst wenn eine kritische Größe erreicht ist, docken Partner an. Das nennt man den "Grüne-Wiese-Ansatz".

Ein anderes Beispiel dafür, dass sich Fintechs und Banken näher sind, als sie glauben, ist die Reihe neuer Firmen, die für beide Seiten konzipiert sind.

Als erfolgreiche Firma ist hier Finance-Ads zu nennen. Das Unternehmen bietet Performance-basiertes Marketing für die Finanzindustrie. Es ist die Schnittstelle zwischen Banken, Versicherungen und sonstigen Finanzunternehmen, die durch gezielt platzierte Werbung im Internet mehr Kunden gewinnen wollen, und Webseiten-Betreibern mit finanzaffinen Besuchern auf der anderen Seite. Auch hier bietet das Fintech wieder eine unabhängige, externe Dienstleistung an, die sowohl für Finanzinstitute als auch andere Fintechs gleichermaßen attraktiv ist. Heute ist Finance-Ads bereits Marktführer in Deutschland und Österreich und expandiert erfolgreich in andere europäische Länder.

Unter den Kunden von Partnern von Finance-Ads befindet sich auch Savedo, ebenfalls ein Fintech. Das ist der erste internationale Onlinefinanzmarktplatz, der Privatkunden in Deutschland und Österreich attraktive Spareinlagen im europäischen Ausland mit Zinsen von derzeit bis zu 2,5 Prozent p. a. über ein einziges Verrechnungskonto (Savedo-Konto) anbietet. Alle Anlagen sind durch die jeweiligen länderspezifischen Einlagensicherungsfonds nach den aktuellen EU-Richtlinien bis zu einer Höhe von 100 000 Euro besichert.

Savedo hat seit Aufnahme seiner Geschäftstätigkeit im Dezember 2014 über 300 Millionen Euro Kundeneinlagen an seine Partnerbanken vermittelt. Die Kundenanzahl in Deutschland bewegt sich im unteren fünfstelligen Bereich. Seit Ende Mai wird den Kunden das Savedo-Banking angeboten, ein auf die Kundenwünsche abgestimmtes Onlinebanking, das mit zahlreichen Funktionen die Anlage noch einfacher und schneller macht.

Eine neue Ebene der Zusammenarbeit

Auch hier wird wieder deutlich: Das Geschäftsmodell ist kein Angriff der Banken, keine feindliche Übernahme, sondern eine Partnerschaft, die beiden Seiten Gewinn bringt. Einige Etablierte haben das auch erkannt und bilden ihre eigenen "Fintechs", das heißt, sie starten neue Unternehmen, die innovative Geschäftsmodelle außerhalb der eigenen, gewachsenen Strukturen umsetzen. Andererseits wird es in Zukunft sicherlich auch Zukäufe von Banken geben.

Bisher wurde noch keines der neun Fin leap-Unternehmen von einem Großkunden wie einer Bank übernommen. Ein sogenannter "Exit" steht also noch aus, ist am Ende allerdings das Ziel vieler Gründer und Geschäftsmodelle. Dieses Jahr werden die ersten Unternehmen aller Voraussicht nach profitabel. In der Folge könnten einige sicher das Interesse an einer Übernahme wecken, aus Partnern und Kunden könnten so Anteilseigner werden - eine Herausforderung, die die Beziehung zwischen Banken und Fintechs auf eine neue Ebene heben wird. Dass Fintechs dabei ihren Innovationsgeist gegen langatmige Unternehmensstrukturen eintauschen werden, ist nicht absehbar, schließlich macht das die Fintechs so attraktiv: die schlanken Hierarchien und schnellen Entscheidungen eines digitalen Unternehmens gepaart mit der Expertise der Old Economy. Das ist eine unschlagbare Mischung, die die deutsche Finanzwirtschaft nachhaltig verändern wird.

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