Interkulturalität in der Finanzdienstleistungsbranche - Fiktion oder Notwendigkeit?

Dr. Thomas Metzner, Dozent BWL, Internationale Berufsakademie, F + U Unternehmensgruppe gGmbH, Heidelberg

Quelle: privat

In vielen Branchen der Wirtschaft führt die Globalisierung zu einer weltweiten Angleichung der Produktpalette. Autos aus Europa finden Absatzmärkte in Asien und Amerika und umgekehrt, Handys und PCs aus China werden weltweit vertrieben und Fernsehgeräte aus Asien sind auf allen Kontinenten verbreitet. Teils gleicht sich die Nachfrage aneinander an, teils gehen die Anbieter auf regionale Besonderheiten ein. Auch die Finanzdienstleistungsbranche sehen die Autoren seit mindestens einer Generation stark von Homogenisierung und Internationalisierung geprägt. Viele der von ihnen aufgezeigten Überlegungen aus Wissenschaft und Praxis werten sie aus Sicht der Anbieter als Chancen für eine Steigerung von Profitabilität und Wachstum. Zumindest in der europäischen Finanzdienstleistungsbranche hält die Praxis allerdings nicht Schritt. Zwar bemühen sich die zuständigen Instanzen, die Rahmenbedingungen anzugleichen und einen europäischen Binnenmarkt für Finanzdienstleistungen zu schaffen. Aber wirklich grenzüberschreitend sind derzeit weder der Wettbewerb noch die Branchenstrukturen. (Red.)

In den vergangenen 30 Jahren sind die Finanzmärkte in den industrialisierten Staaten aufgrund von Globalisierungstendenzen sowie einer Deregulierung, die in den 1990er Jahren ihren Anfang nahm, zunehmend durch Homogenisierung und Internationalisierung geprägt.1)

Internationale Angleichung des Angebots?

Auch die deutsche Finanzdienstleistungsbranche zeichnet sich durch Integrationstendenzen aus. Ursache hierfür ist, neben der Deregulierung innereuropäischer Transaktionen und der Integration der europäischen Märkte, auch die hohe Nachfrage internationaler Anleger nach Investmentprodukten. Dabei konkurrieren hierzulande unterschiedliche europäische beziehungsweise internationale Finanzdienstleistungsanbieter. Dies impliziert einerseits eine gesteigerte Wettbewerbsintensität2) , andererseits eine zunehmende Interkulturalität des Aktionsfeldes, sei es im Hinblick auf die kulturelle Sozialisation der Unternehmensakteure sowie deren Belegschaft, als auch die (potenziellen) Anleger. Internationalität stellt damit auch in der nationalen Finanzdienstleistungsbranche eine wachsende Selbstverständlichkeit dar.

Wenn hierbei unterschiedliche internationale Kunden und Unternehmensakteure aufeinandertreffen, könnte eine kritische Überprüfung lohnend sein, inwiefern Finanzprodukte überhaupt über nationale Grenzen hinweg zu vermarkten sind.3) So könnten sich beispielsweise die Bedürfnisse von Investoren und Anbietern aus unterschiedlichen Regionen sowohl aufgrund rechtlich-ökonomischer als auch kultureller Besonderheiten deutlich voneinander unterscheiden. Wegen der weiterhin zunehmenden Marktnachfrage nach Finanzprodukten bei gleichzeitig steigender Diversität der Kunden (Anleger und Investoren) stellt sich daher die Frage nach einer kulturellen Angebotspassung.

Die nachfolgenden Überlegungen beleuchten, inwiefern die Kombination aus kulturellem Einfühlungsvermögen und finanzbezogener Expertise tatsächlich neue Chancen für Finanzdienstleister eröffnet, um auf unterschiedliche internationale Anleger- und Investorinteressen eingehen zu können.

Interkulturalität - Bedeutung im Zuge der Globalisierung

Unter Interkulturalität wird "das Aufeinandertreffen von zwei oder mehr Kulturen, wobei es trotz kultureller Unterschiede zur gegenseitigen Beeinflussung kommt,"4) verstanden. Der kulturelle Austausch resultiert hierbei aus gegenseitiger Wahrnehmung und der reziproken Integration der jeweils anderen in die eigene Kulturerfahrung.5)

Dabei fungiert Kultur im Sinne von Hofstede als "collective programming of the mind"6) Kultur stellt hier ein gemeinschaftliches Bewusstsein einer Gruppe von Menschen dar, welches es ihnen ermöglicht, sich einerseits von anderen zu differenzieren und sich andererseits gemeinsam in ein gruppenspezifisches Verhältnis zu ihrer Umwelt und zur Natur zu setzen.7) Im Zuge der Internationalisierung bestimmter Branchen sowie der generellen Globalisierungstendenzen wird die Kommunikation und das Handeln über nationale Grenzen hinweg und damit auch Interkulturalität zunehmend Teil unternehmerischen Handelns.8)

Finanzdienstleistungsbranche - Wandel in einem internationalen Umfeld

Der Begriff des Finanzdienstleisters bezeichnet unter anderem Unternehmen, die Geldgebern und Geldnehmern Dienstleistungen auf dem Kapitalmarkt anbieten. Hierzu zählen Banken, Investmentfonds (originäre Anbieter) ebenso wie Finanzberater und Strukturvertriebe (rein intermediäre Anbieter). Die beiden Letztgenannten übernehmen eine Vermittlungsfunktion zwischen originären Geldanbietern und Geldnachfragern9) und überbrücken diese Schnittstelle.

In den vergangenen drei Jahrzehnten haben Finanzdienstleister zunehmend durch internationale Zusammenschlüsse expandiert. 10) Triebkräfte dieser Entwicklung ist der international steigende Wettbewerbsdruck sowie die an unterschiedliche Kundenbedürfnisse angepassten, stark diversifizierten Produktportfolios bei sinkenden Margen in einem Niedrigzinsumfeld.

Ergebnis dieser Entwicklung ist, dass Finanzdienstleister (wie auch in anderen Branchen erkennbar) zunehmend mit Interkulturalität sowohl auf externer Ebene wie auch unternehmensintern konfrontiert sind (hier betrifft das etwa Managementstil und -instrumente, kulturelle Diversity der Belegschaft, unterschiedliche, kulturell geprägte Organisations- und Anreizstrukturen). Denn auch bei Kunden und Kooperationspartnern gilt es, sich mit dem Zusammenspiel unterschiedlicher kultureller Perspektiven auseinanderzusetzen. Für beide Ebenen - die interne und externe 11) - werden die Risiken und Potenziale von Interkulturalität aufgezeigt.

Interne Risiken (Management und Belegschaft): Die Wahrnehmung interkulturalitätsbedingter interner Risiken hat sich in den vergangenen zwanzig Jahren gewandelt: So sah man in den 1990er Jahren vor allem in aufstrebenden Volkswirtschaften die kulturell beeinflussten Aktivitäten durch die Entwicklung von Informationssystemen und Computernetzwerken im Servicesektor stark begrenzt beziehungsweise standardisiert.12) Angesichts der vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten sozialer Medien und unternehmensbezogener Netzwerke einerseits sowie der Erkenntnisse aus interkultureller Kommunikations-, Marketing- und-Sprachforschung andererseits kann angenommen werden, dass kulturelle Einflussfaktoren die Nutzung dieser Medien, beispielsweise über die Darbietungsform von Informationen oder die Art der Formulierung kommunikativer (Werbe-)Botschaften, beeinflussen.

Mögliche Risiken von Interkulturalität

In Bezug auf die Belegschaft könnte die Integration von Mitarbeitern unterschiedlicher Kulturen internationale Geschäftsbeziehungen fördern: So ist es beispielsweise in vielen Kulturkreisen wichtig, in den persönlichen Beziehungsaufbau zu investieren, der dort essenziell für die Aufnahme und Pflege von als "gut" erachteten Geschäftsbeziehungen ist.13)

Dabei wirkt fehlendes kulturelles Verständnis oft als Barriere für die Bildung vertrauensvoller interkultureller (Geschäfts-)Beziehungen.14) Hier mangelt es den bislang vorwiegend regional tätigen Finanzdienstleitungsunternehmen oft an entsprechender interkultureller Kompetenz. Entsprechend schwierig gestaltet sich auch der Aufbau und die Entwicklung unternehmerischer Strukturen in geografisch und kulturell als entfernt wahrgenommenen Zielländern.15)

Den kleineren Finanzdienstleitungsunternehmen sowie den regionalen oder nationalen Anbietern mangelt es darüber hinaus möglicherweise auch an ausreichender Internationalisierungserfahrung aufseiten des Managements, um international erfolgreich zu agieren oder eine Expansion in andere nationale Märkte erfolgreich bewältigen zu können.

Schließlich können kulturelle Vorbehalte zu einer Priorisierung von PCN-Strategien (parentcountry nationals) bei Personalauswahl und -einsatz führen16) oder zu einer Ablehnung lokaler Netzwerkpartner aus als "entfernt" wahrgenommenen Zielkulturen. Beide Aspekte können die Ursache für das Scheitern internationaler Geschäftsprojekte darstellen.

Externe Risiken von Interkulturalität (Kunden und Angebot): Wie dargestellt, kann die als hoch wahrgenommene kulturelle Distanz zwischen Ursprungs- und Zielland ein Hemmnis der internationalen Expansion von Finanzdienstleistungsunternehmen darstellen. In diesem Zusammenhang werden oft auch politische Unterschiede als gravierend empfunden.17) Bezogen auf die Beratungs- und Serviceleistungen von Banken haben Kunden in kulturell differierenden Märkten auch divergente Anforderungen. Entsprechend kann die Kundenbereitschaft, sich beraten zu lassen oder die unternehmerische Absicht, in Kooperationsverhandlungen zu treten auch von der angenommenen Beraterempathie, der wahrgenommenen Sicherheit, der psychischen Beratungsdistanz abhängen. Diese wiederum werden unter anderem von den Merkmalen der Zielkultur18) beziehungsweise eben dem (inter-)kulturellen Zusammenspiel der unterschiedlichen kulturellen Norm- und Wertvorstellungen geprägt, sodass auch hier deren Kenntnis entscheidend für den wahr genommenen Beratungserfolg sein könnte.

Unterschiedliche Norm- und Wertvorstellungen

Internationale beziehungsweise ziellandbezogene Angebotskonzepte sowie kulturübergreifende Unternehmenskooperationen von Banken könnten somit aufgrund interner Barrieren sowie der Unkenntnis um anders geprägte Erwartungen und Marktstrukturen scheitern.

Interkulturelle Aktivitäten bieten der Finanzdienstleistungsbranche jedoch auch interne Entwicklungspotenziale sowie die Möglichkeit, zusätzliche Märkte und Geschäftsfelder zu erschließen. In Verbindung damit könnte Interkulturalität die Angebotsvielfalt im Finanzdienstleistungssektor bereichern, die Wirtschaftlichkeit der Anbieter steigern, internationales Wachstum ermöglichen und damit die Wettbewerbsfähigkeit erhöhen.19)

Potenziale von Interkulturalität für die Finanzdienstleistungsbranche

Interne Potenziale von Interkulturalität (Management und Mitarbeiter): Ohne die Kenntnis lokaler Gepflogenheiten bleibt einem ausländischen Unternehmen der Zugang zu anderen nationalen beziehungsweise internationalen Märkten häufig verwehrt. In bestimmten Kulturkreisen beziehungsweise rechtlichen Rahmenbedingungen muss der Marktzugang mit einem lokalen Partner vollzogen werden, das heißt über einen lokal sozialisierten Unternehmenspartner oder ein formelles beziehungsweise informelles lokales Netzwerk. Diese bringen - genauso wie kulturell unterschiedlich sozialisierte Mitarbeiter - neue Vorgehensweisen, Perspektiven und Strukturen in die eigene Unternehmenskultur ein. Gerade die Wahrnehmung der entsprechenden Andersartigkeit könnte die Innovationsfähigkeit und Flexibilität der eigenen Organisation fördern. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass auch scheinbar konfliktäre Situationen als Bereicherung wahrgenommen werden, die es produktiv im Sinne interkultureller Synergien20) zu nutzen gilt.

Kultureller Einfluss spiegelt sich auch im Konsumentenverhalten wider, sodass dies auch in den darauf abzielenden Marketingaktivitäten berücksichtigt werden muss.21) In dieser Hinsicht können kulturell unterschiedlich sozialisierte Mitarbeiter eine Vielfalt neuer Produkt- und Marketingkonzepte in den Bankensektor einbringen, beispielsweise das Wissen um kulturbeeinflusste Investment- und Finanzierungstrends.22) Diese Potenziale führen dann auch wiederum zu Wettbewerbsvorteilen auf dem Heimatmarkt. Vor allem für kleine Marktteilnehmer, die selbst nur über ein begrenztes Wissens- und Erfahrungsreservoir und nicht über die Ressourcen zur Nutzung externer Dienstleister verfügen, könnten internationale Mitarbeiter und Kooperationspartner extrem wertvoll sein.

Beitrag zum Wissenserwerb

Insgesamt leistet die produktive interne Nutzung von Interkulturalität in der Finanzdienstleistungsbranche damit einen Beitrag zum organisationalen Wissenserwerb und -management.

Externe Potenziale von Interkulturalität (Kunden und Angebot): Neue Märkte bieten Plattformen für die Produktdiversifikation und eröffnen vor allem in aufstrebenden Volkswirtschaften zusätzliche Absatz- und damit Wachstumsmöglichkeiten durch die Erschließung neuer Kunden- und Geschäftsfelder.

Glaessner und Claessens23) sehen durch die Interkulturalität von Finanzdienstleistungsunternehmen in asiatischen Ländern Potenziale für die Entwicklung und Liberalisierung der jeweiligen Kapitalmärkte. Ähnliches gilt beispielsweise für die Expansion spanischer Banken nach Südamerika. Das hohe Marktwachstum wird so für die eigene Unternehmensexpansion genutzt, wobei Transaktionskostenersparnisse und Synergieeffekte durch die Übertragung von Stammhausstrukturen und -prozesse in neue Geschäftsregionen realisiert werden sollen.24) Allerdings ist hier vorab zu prüfen, inwiefern die als übertragbar angenommenen Strukturen tatsächlich in der jeweiligen Zielkultur umsetzbar sind.

Anstelle der Übertragung bereits etablierter Stammhausstrukturen können Banken jedoch auch völlig neue Strukturen entwickeln, indem sie sich an den (anders geprägten) Investitions- und Finanzierungsbedürfnissen ihrer Kunden orientieren: Durch die damit verbundene Anlehnung an die jeweiligen Ländergepflogenheiten profitieren westliche Banken von der Inklusion anderer kultureller Wertvorstellungen in ihr eigenes Geschäftskonzept und können so bisher nicht betretene Märkte erschließen. Ein Beispiel für die Entwicklung solcher für westliche Banken neuen Investitions- und Finanzierungsformen sind Islam-kompatible Investmentformen zu fairen Zinssätzen bei gleichzeitiger Vermeidung spekulativer Warentermingeschäfte, deren Nachfrage in den letzten Jahren aufgrund politischer Strukturreformen in den jeweiligen Staaten stark zugenommen hat.25)

Durch die Einschränkung des gehebelten Darlehensgeschäfts reduzieren sich auch systemische Risiken, da hierbei bewusst auf riskante Kredite verzichtet wird. Hintergrund Islamkompatibler Finanzierungsformen ist, dass die in westlichen Finanzierungssystemen übliche Konstruktion des Zinssatzes in islamischen Wirtschaftssystemen so nicht vorgesehen ist.

Entwicklungs- und Diversifikationspotenzial

Für nachhaltige Investments besteht in industrialisierten Gesellschaften zunehmend Nachfrage. Für sich entwickelnde Gesellschaften, wie zum Beispiel die Sahara-Anrainerstaaten, können kulturkompatible, faire Investments in Landnutzungsrechte oder die ökologische Nahrungsmittelproduktion Möglichkeiten darstellen, aus der Armutsfalle zu entkommen26) . Hierbei können Banken durch eine Anpassung ihrer Angebotspalette an die Besonderheiten aufstrebender Volkswirtschaften und Schwellenländer einen Beitrag zum wirtschaftlichen Ausgleich zwischen etablierten und aufstrebenden Volkswirtschaften leisten.

Solche alternativen Finanzierungsangebote wirken sich dann in umgekehrter Richtung wiederum positiv auf das Image der jeweils finanzierenden westlichen Bank bei Privatkunden in Industrieländern aus und tragen gleichzeitig zur Etablierung innovativer Geschäftskonzepte bei.

Demnach bieten kulturell differente Märkte für eintretende Banken ein hohes Entwicklungs- und Diversifikationspotenzial, was sowohl die (dann zu erweiternde) Produktpalette als auch den Kundenkreis betrifft.27)

Finanzdienstleistungsanbieter im interkulturellen Raum

Welche Voraussetzungen bestehen für Banken, um die mit einer interkulturellen Geschäftstätigkeit (intern und extern) verbundenen hohen Potenziale zu nutzen und dabei mögliche Risiken zu beschränken?

Kulturelle Empathie nach innen: Managementkompetenz und Offenheit gegenüber anderen Kulturen und neuen Umweltbedingungen sind wesentlich für den Expansionserfolg in kulturell anders geprägten Volkswirtschaften. 28) Wichtige Faktoren dabei könnten unter anderem sein, kognitive und affektive Synergiepotenziale in einem interkulturellen Umfeld zu erkennen, über eine positive Einstellung und die Lernbereitschaft im Hinblick auf kulturelle Vielfalt zu verfügen oder auch Menschen verschiedener kultureller Kontexte motivieren zu können.

Wie Finanzdienstleistungsunternehmen die Potenziale von Multi- und Interkulturalität tatsächlich nutzen können, hängt unter anderem von der gemeinsamen, tatsächlich gelebten (Unternehmens-)Kultur ab. Multikulturell zusammengesetzte Teams, Arbeits- und Projektgruppen profitieren in ihrer Arbeit von unterschiedlichen verhaltensbezogenen und kommunikativen Kompetenzen, wenn es gelingt, Unterschiede im Sinne von kulturellen Synergieeffekten zu nutzen29) und eine gemeinsame Teamkultur jenseits nationaler Vorbehalte zu entwickeln. Dies setzt allerdings die reziproke Bereitschaft voraus, gemeinsam voneinander und miteinander zu lernen.30) Unter solchen und weiteren Voraussetzungen stellen multikulturell zusammengesetzte Teams eine echte Bereicherung dar und erzielen bessere Arbeitsergebnisse, als kulturell homogen zusammengesetzte Teams.31)

Auch Managementvisionen einer "globalen Unternehmung" können ein Klima erzeugen, welches Auslandexpansionen gelingen lassen. Dabei wirken sich ein kulturell diverses Führungsteam und eine konstruktive Führungskultur positiv aus.32) Schließlich dienen auch unternehmerische Leitfiguren als Vorbild, wenn sie neuen Handlungsmustern offen gegenüberstehen und Interkulturalität proaktiv angehen.

Unternehmerische Leitfiguren als Vorbild

Internationalisierung setzt insgesamt eine hohe Bereitschaft aller beteiligten Unternehmensebenen voraus, mit kultureller Diversität und den Anforderungen im Zielland umzugehen, sich entweder anzupassen oder durch das Zusammenspiel unterschiedlicher kultureller Einflussfaktoren völlig neue Vorgehensweisen, Prozesse und Strukturen zu entwickeln.

Kulturelle Empathie nach außen: Die Kundenzufriedenheit und Loyalität von Kunden werden gestärkt, wenn die wahrgenommene Dienstleistungsqualität der Bank als hoch eingeschätzt wird.33) So hängt die wahrgenommene Servicequalität in einigen Kulturkreisen möglicherweise von Aspekten wie Empathie, Zuverlässigkeit, Machtdistanz und Langfristigkeit ab.34) Dies bedeutet, dass Banken, was ihre Beratungsleistung und Produktpalette angeht, auf die Bedürfnisse der Kunden in unterschiedlichen Zielmärkten eingehen müssen, wenn sie mit lokalen Wettbewerbern Schritt halten möchten.

Exemplarisch steht hierfür das Angebot von alternativen Investments, die mit muslimischen Glaubensgrundsätzen korrespondieren35) , die Ausrichtung an lokalen Finanzierungsbedürfnissen, beispielsweise für Migranten in Industrieländern36) oder für faire Kleinkredite von Farmern und Kleinstunternehmen in sich entwickelnden Gesellschaften.

Besonderheiten bei der kommunikativen Übermittlung von Angeboten, angemessene Marketingaktivitäten, jedoch auch die Mediation zwischen den Bedürfnissen westlicher Kunden und diesen neuen Märkten stellen wichtige Themen dar, bei denen die kulturelle Komponente unbedingt vorausschauend berücksichtigt werden sollte.

Interkulturelle Kompetenz als Schlüsselgröße

Eine internationale Expansion von Finanzdienstleistern mit Wurzeln in westlichen Industriestaaten setzt eine "kulturbewusste" Unternehmens(inter-)kultur nach innen sowie Produkte und Dienstleistungen voraus, die Kunden in unterschiedlichen Zielkulturen ansprechen.

Es gilt, Interkulturalität authentisch nach innen umzusetzen und gleichzeitig glaubhaft nach außen darzustellen, indem die gelebte Geschäftspraxis, das heißt interne Strukturen und Prozesse mit einem schlüssigen Außenauftritt für Kunden verschiedener kultureller Prägung auf unterschiedlichen Märkten verbunden werden.

Leben Finanzdienstleister kulturelle Offenheit sowohl auf Management- als auch auf Mitarbeiterebene, wird es zudem nicht schwerfallen, Mitarbeiter zu akquirieren, die über internationale Expertise verfügen und damit die zuvor genannten Aspekte erfolgversprechend umsetzen.

Aufgrund zunehmender kultureller Vielfalt in der lokalen Gesellschaft wird interkulturelle Kompetenz auch für regionale Anbieter zur Schlüsselgröße. Die Entwicklung kultureller Toleranz im Inneren gepaart mit diversifizierten Beratungs- und Produktstrategien im Marktauftritt - stellen somit für alle Finanzdienstleistungsunternehmen einen Entwicklungsauftrag dar. Von einer Diversifikation in kultureller Hinsicht profitiert langfristig also auch das Wachstum sowie die Profitabilität der jeweiligen Anbieter.

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Fußnoten

1) bezogen auf die USA zum Beispiel Lown et al., 2000, S. 39

2) Roemer, 2013, S. 85

3) Salampasis, Mention & Torkkeli, 2014, S. 466

4) IKUD o.J.

5) Wierlacher, 1999, S. 155 bis 159

6) Hofstede, 1980, S. 21

7) Hofstede, 1980

8) Bao, 2017, S. 14

9) Glogowski & Münch, 2013, S. 13

10) Lown et al., 2000, S. 39

11) siehe dazu Walsh & Seward, 1990, S. 421

12) Miozzo & Soete, 2001, S. 160

13) zum Beispiel Schroll-Machl/Nový 2003, S. 26ff.

14) Houjeir & Brennan, 2017, S. 495

15) Hutchinson et al., 2009, S. 548

16) zu den Begriffen Festing et. al. 2011, S. 15, 223

17) Acs et al., 2004, S. 10

18) Furrer et al., 2000, S. 364

19) Lown et al., 2000, S. 39-40

20) zum Beispiel Barmeyer/Davoine 2012

21) Walsh/Deseniss/Kilian 2013, S. 571ff.

22) De Maesneneire & Claeys, 2007, S. 3

23) Glaessner und Claessens, 1998, S. 1-2

24) Álvarez-Gil et al., 2003, S. 2

25) Zaher & Hassan, 2001, S. 156

26) Herrero et al., 2010, S. 822

27) Álavarez-Gil et al., 2003, S. 3

28) Ruzzier, Hisrich & Antoncic 2006, S. 49

29) Barmeyer/Davoine 2012

30) Ely & Thomas, 2001, S. 229

31) Kreyer 2011

32)(Fernández & Nieto, 2005, S.87)

33) Kayis, Kim & Shin, 2010, S. 765

34) Furrer et al., 2000, S. 364

35) Walsh, 2007, S. 755

36) Easton-Calabria & Omata, 2016, S. 1

Prof. Dr. Thomas Metzner Stellvertretender wissenschaftlicher Studienortleiter Betriebswirtschaftslehre, Internationale Berufsakademie der F+U Unternehmensgruppe gGmbH, Heidelberg
Prof. Dr. Minu Pooria Studiengang Betriebswirtschaft, Internationale Berufsakademie der F+U Unternehmensgruppe gGmbH, Heidelberg

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