Keine Energiewende ohne Metalle

Benjamin Louvet, Foto: OFI Asset Managament

Der Autor weist darauf hin, dass der Verzicht auf fossile Brennstoffe und die Erzeugung erneuerbarer Energien komplizierter sei als erhofft. So müssten die Kapazitäten der Solar- und Windkraft massiv ausgebaut werden, um die Ziele zu erreichen. Das führe jedoch zu einem Problem, das noch keine ausreichende Beachtung finde: Es bedarf dafür Rohstoffe wie Metallen, Beton und Polymerfasern. Vor allem Metalle könnten dabei zum Flaschenhals werden. Laut dem französischen Institut für Erdöl und neue Energien (IFP-EN) würden beispielsweise bei Kupfer durch die zusätzliche Nachfrage die derzeit nachgewiesenen Vorkommen im Jahr 2050 zu 90 Prozent erschöpft sein. Aber auch andere Metalle wie Kobalt würden eine wichtige Rolle spielen. Diese Abhängigkeit impliziere auch diplomatische und wettbewerbliche Fragestellungen, da die Metallindustrie von wenigen - oftmals demokratisch fragwürdigen - Staaten und auch wenigen Unternehmen abhängt. Daher fordert Louvet, dass Metalle das zentrale Thema auf der politischen Agenda werden müssten, damit sie nicht zum "blinden Fleck" der Energiewende werden. (Red.)

Allgemeiner Konsens ist inzwischen, dass die Energiewende jetzt stattfinden muss, um die Ziele des Pariser Abkommens zu erreichen, wonach die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius im Vergleich zur vorindustriellen Zeit begrenzt werden soll. Doch der Verzicht auf fossile Brennstoffe und die Erzeugung erneuerbarer Energien ist komplizierter als erhofft. Die Wachstumsraten der erneuerbaren Energie reichen heute nicht einmal aus, um unseren zusätzlichen Bedarf zu decken. In der ersten Jahreshälfte 2021 wurden weltweit beispielsweise 50 Prozent des neuen Strombedarfs durch Kohle gedeckt. Insgesamt machen fossile Brennstoffe immer noch etwa 80 Prozent des globalen Energieverbrauchs aus. Die Menschheit muss daher die Entwicklung und Implementierung von Energieträgern mit geringem CO2-Ausstoß stark beschleunigen, wenn es ihr mit der Energiewende und der Erhaltung einer lebenswerten Welt ernst ist.

Erneuerbare Energien bedürfen eines Transformators

Die Erzeugung von Elektrizität durch Wasserstoff, Biogas und vor allem durch Sonnen- und Windenergie wird durch den Wegfall der fossilen Brennstoffe stark an Bedeutung gewinnen. Die Internationale Energieagentur (IEA) schätzt, dass bis 2030 jedes Jahr fünf Mal mehr Fotovoltaik-Anlagen aufgebaut werden müssen als im Jahr 2020 - das mit Kapazitäten in Höhe von 130 Gigawatt bereits ein Rekordjahr war. Oder anders ausgedrückt: Laut IEA müssen in den nächsten neun Jahren jeden Tag Fotovoltaik-Anlagen errichtet werden, die der Größe des derzeit größten Solarkraftwerks entsprechen. Auch das Volumen der Energiegewinnung durch Windkraft muss drastisch wachsen und sich bis 2030 jährlich vervierfachen.

Im öffentlichen Diskurs zur Energiewende wird eine Tatsache jedoch bisher wenig beachtet: Strom wird nicht magisch aus Wind und Sonne erzeugt. Es bedarf eines Transformators. Dieser besteht aus Metallen, Beton und Polymerfasern. Die Internationale Energieagentur, Weltbank, Europäische Kommission und die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) haben deshalb bereits Alarm geschlagen. Der Bedarf einer Gesellschaft nach Metallen für erneuerbare Energieträger ist viel höher als der einer Gesellschaft, die sich auf fossile Brennstoffe stützt. Die Frage ist also: Welche Auswirkungen hat die Energiewende auf Angebot und Nachfrage nach Metallen und reichen die Vorkommen aus?

Abbildung 1: Durchschnittlicher Metallverbrauch der Energieerzeugung Quelle: The role of critical minerals in clean energy transitions, World Energy Outlook special report, IEA, Mai 2021.

Endliche Vorkommen

Ein Beispiel: Kupfer ist ein sehr guter Stromleiter und wird für fast alle kohlenstoffarmen Technologien verwendet, aber auch für Stromübertragungsnetze, die aufgrund der künftigen dezentralen Stromerzeugung stark ausgebaut werden müssen. So enthält beispielsweise eine Windkraftanlage je nach Größe zwischen 950 Kilogramm und fünf Tonnen Kupfer. Ein Elektrofahrzeug enthält etwa viermal so viel Kupfer wie ein Automobil mit Verbrennungsmotor. Nach Angaben der IEA könnten in einem Szenario, in dem das Pariser Klimaabkommen eingehalten wird, kohlenstoffarme Energien bis zum Jahr 2030 fast 40 Prozent der Kupfernachfrage stellen.

Das französische Institut für Erdöl und neue Energien (IFP-EN) geht sogar noch weiter: Selbst bei einer Recyclingquote in der Größenordnung von 40 Prozent könnten bis zum Jahr 2050 mehr als 90 Prozent der derzeit nachgewiesenen Kupferreserven verbraucht sein. Der Kupferpreis wird deshalb ohne größere technologische Durchbrüche bei den Methoden zur Gewinnung deutlich steigen.

Abbaukapazitäten und konkurrierender Bedarf

Neben dem Problem der verfügbaren Menge stellt sich aber auch die Frage nach der Wachstumsrate von Angebot und Nachfrage. Im Falle von Kupfer wird die Entwicklung erneuerbarer Technologien nicht dazu führen, dass im Bau- oder Technologiesektor weniger Kupfer verbraucht wird. Es ist daher notwendig, dass die Bergbauproduktion in dem Maße wächst, wie es die Energiewende erforderlich macht. Der weltweit größte Kupferproduzent ist Chile. Die chilenischen Behörden verneinen auf Nachfrage des IFP-EN, die für die Energiewende erforderliche Wachstumsrate von 4 bis 4,5 Prozent pro Jahr aufrechterhalten zu können.

Auch bei Nickel ist die Verwendung in mehreren Sektoren ein großes Problem. Das sogenannte Graugold, unverzichtbar für die Herstellung der leistungsfähigsten und sichersten Lithium-Ionen-Batterien, wird heute zu 75 Prozent (1,5 Millionen Tonnen) für die Stahlerzeugung verwendet. Nach Angaben der Weltbank wird jedoch allein der Batteriesektor bis 2050 jährlich zwei Millionen Tonnen Nickel benötigen. Hinzu kommt, dass Nickel in unterschiedlicher Qualität existiert. Nur sehr hochwertiges Nickel vom Typ 1, der heute rund eine Million Tonnen an der Gesamtproduktion ausmacht, kann für die Herstellung von Batterien verwendet werden.

Abbildung 2: Kupfernachfrage nach Sektoren Quelle: The role of critical minerals in clean energy transitions, World Energy Outlook special report, IEA, Mai 2021.

Stetig gewachsene Solarkapazität

Neben diesen Metallen, deren Bedarf enorm ist, stellt einen auch Silber vor Herausforderungen, auch wenn es in sehr viel geringeren Mengen verwendet wird. Von allen Metallen leitet Silber Elektrizität am besten. Deshalb wird es in Solarzellen für den Stromtransport verwendet. Die hohen Kosten haben die Hersteller dazu gezwungen, die Verwendung auf ein Minimum zu reduzieren. Die Menge an Metall in jedem Solarpanel wurde deshalb von über 20 Gramm vor zehn Jahren auf heute etwa 5 Gramm reduziert.

Die Solarkapazität ist jedoch stetig gewachsen. Im Jahr 2020, in dem Solaranlagen mit einem Rekord von 130 Gigawatt errichtet wurden, verschlang die Fotovoltaikindustrie 3 142 Tonnen Silber - das sind zwölf Prozent der Weltproduktion. Wenn man die Verpflichtungen im Rahmen des Pariser Abkommens ernst nimmt und den Empfehlungen der Internationalen Energieagentur folgt, die Solarkapazitäten bis 2030 um den Faktor fünf zu erhöhen, könnte die Nachfrage nach diesem Metall explodieren.

Zumal das Edelmetall Silber nicht nur in dieser kohlenstoffarmen Technologie zum Einsatz kommt: Es wird auch von der Automobilindustrie für die Elektromobilität benutzt. In der Batterie eines Elektrofahrzeugs ist zwar kein Silber enthalten. Es wird aber zur Verbindung der einzelnen Batterien in einem Batterieblock bei Elektroautos zur Stromleitung verwendet. Während die Automobilindustrie vor zehn Jahren kaum Silber verwendete, machte die Nachfrage aus diesem Sektor im Jahr 2019 bereits 6 bis 7 Prozent der weltweiten Produktion aus.

Damals machte die Produktion von Elektrofahrzeugen und solchen mit auflad barem Hybridmotor jedoch nur 5 Prozent der Weltproduktion aus. Eine Zahl, die laut IEA bis 2030 auf 60 Prozent steigen sollte, um das Pariser Abkommen einzuhalten. Deshalb wird der Silberpreis voraussichtlich stark ansteigen müssen, um ein Angebotsdefizit im Verhältnis zur Nachfrage zu vermeiden. Hierbei könnten auch die bereits geförderten Bestände von schätzungsweise 800 000 Tonnen Silber - was der Produktion von 40 Jahren entspricht - eine bedeutende Rolle spielen, falls diese wieder auf den Markt kämen.

Die Liste der Metalle, die in den nächsten Jahrzehnten stark nachgefragt werden wird, ist lang. Kobalt und Lithium sind für die Elektromobilität unverzichtbar; Platin ist entscheidend für die Entwicklung der grünen Wasserstofftechnologie und ihre Nutzung bei Brennstoffzellen entscheidend; außerdem Blei, Zink und Aluminium.

Abgesehen von den Vorkommen und der Produktionsrate der Metalle sind auch politische und geopolitische Überlegungen für den Erfolg der Energiewende entscheidend. Erneuerbare Energien werden nicht energieautark machen - ganz gleich, was die Politik behauptet. Die Metalle, die für Windturbinen, Solarzellen und Batterien benötigt werden, müssen größtenteils aus dem Ausland bezogen werden. Dies führt dazu, dass man zukünftig zwar weniger von fossilen Brennstoffen, dafür aber verstärkt von Metallen abhängig sein wird. Dieser geopolitische Faktor hat entscheidenden Einfluss auf die internationalen Beziehungen.

Metalle als zentrales Thema auf der politischen Agenda

Die diplomatischen Beziehungen orientieren sich heute stark am Bedarf an Öl oder Gas. Die Länder, die Metalle fördern, sind jedoch andere. Welche Beziehungen gibt es etwa zur Demokratischen Republik Kongo, die den größten Teil der weltweiten Kobaltreserven besitzen? China produziert fast alle seltenen Erden, die für viele Technologien unverzichtbar sind, und raffiniert mehr als zwei Drittel des weltweiten Kupfers, Lithiums und Kobalts. Darüber hinaus muss der oligopolistische Charakter des Metallsektors berücksichtigt werden. Ob es sich nun um Kupfer oder Lithium handelt, die fünf größten Förderunternehmen der Welt sind für fast 80 Prozent des Gesamtangebots verantwortlich.

Metalle stehen also im Mittelpunkt der derzeitigen Energiewende. Glücklicherweise haben das einige wichtige internationale Organisationen bereits erkannt. Sollte dem Thema jedoch weiterhin zu wenig Bedeutung beigemessen werden, so könnten Metalle zum blinden Fleck der Energiewende werden. Das muss verhindert werden - Metalle müssen das zentrale Thema auf der politischen Agenda werden - und zwar sofort. Die Frist zur Erreichung der Klimaziele läuft.

Benjamin Louvet , Fondsmanager , OFI Asset Management S.A., Paris

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