Krypto-Custody - Sturm im Wasserglas oder wirklich schöne neue Welt?

Dr. Sven Hildebrandt, Foto: Distributed Ledger Consulting

Nicht nur klassische Wertpapiere bedürfen einer Verwahrung. Auch digitale Assets müssen verwahrt werden. Das hat auch der Gesetzgeber erkannt und das Kreditwesengesetz angepasst. Seit dem 1. Januar 2020 müssen Unternehmen, die das Custody von Kryptowerten anbieten und aktiv den deutschen Markt adressieren, eine BaFin-Lizenz vorweisen. Der Autor diskutiert in dem Artikel die neuen Regelungen. Er sieht eine fehlende Klarheit in der Definition, was alles dazu zählt und sorgt sich um den Standort Deutschland bei einem deutschen Alleingang in einer inter nationalen Branche. Aber es sind auch positive Effekte durch das Vorpreschen Deutschlands möglich. Die BaFin-Lizenz könnte eine Art Siegel werden, in einem Markt, dem viele aufgrund fehlender Sicherheit fernbleiben. Das könnte Unternehmen aus der Branche nach Deutschland locken. Dennoch fordert Hildebrandt, dass Deutschland seinen Alleingang bald in eine gesamteuropäische Strategie einbinden sollte. (Red.)

Zum Redaktionsschluss dieses Artikels gilt als sicher, dass auch die Länder dem neuen Gesetz zur Umsetzung der Änderungsrichtlinie zur vierten EU-Geldwäscherichtlinie zustimmen werden. Neben einigen weiteren Themen hat es im Falle von Deutschland in diesem Zuge ein bemerkenswertes - und europaweit einmaliges - Trojanisches Pferd ins Gesetz geschafft: Die Lizenzpflicht für das Kryptoverwahrgeschäft. So werden im angepassten Kreditwesengesetz ab dem 1. Januar 2020 all diejenigen Unternehmen eine Lizenz der BaFin benötigen, die für andere "(...) die Verwahrung, die Verwaltung und die Sicherung von Kryptowerten oder privaten kryptografischen Schlüsseln (übernehmen), die dazu dienen, Kryptowerte zu halten, zu speichern oder zu übertragen." Dies bedeutet, dass ab Beginn des neuen Jahres beispielsweise auch Kryptobörsen wie Bitstamp, Coinbase oder Kraken eine BaFin-Lizenz benötigen, da diese regelmäßig Kryptowerte/Private Keys für Dritte verwahren.

Bevor eine eingehendere Auseinandersetzung mit dem Gesetz und den hieraus resultierenden Herausforderungen beziehungsweise Besonderheiten erfolgt, sei zunächst auf die häufigste Fehlinterpretation hingewiesen: Das Gesetz findet auf all diejenigen Unternehmen Anwendung, die "aktiv den deutschen Markt adressieren". Somit müsste das Gesetz auch für beispielsweise in Hongkong domizilierte Börsen gelten, sofern diese aktiv den deutschen Markt ansprechen (beispielsweise durch die Bereitstellung einer Website in deutscher Sprache oder aber auch Online-Banner-Schaltungen).

Dieser Umstand ist aus zwei Gründen besonders relevant:

Erstens: Ist die Intention des Gesetzes - die Erhöhung des Anlegerschutzes - nur dann realisierbar, wenn die Einhaltung der Richtlinien tatsächlich weltweit überprüft wird. Sollte dem nicht so sein und unregulierte Kryptowerteverwahrer in zweifelhaften Jurisdiktionen weiterhin ihr Unwesen treiben können, wäre dieses Ziel nicht oder zumindest deutlich abgeschwächt erreicht.

Zweitens: Würde es die deutsche Krypto- aber auch Bankenindustrie massiv schädigen, sollte die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben aufgrund der leichteren Handhabung lediglich bei deutschen Unternehmen überprüft und letztlich auch durchgesetzt werden. Denn selbstverständlich führt die Regulierung zu Mehraufwendungen, welche die Dienstleistungserbringung zwar sicherer, aber zugleich auch teurer machen.

Fehlende Klarheit über den Begriff

Um den deutschen Finanzstandort im internationalen Vergleich nicht zu benachteiligen und somit das exakte Gegenteil dessen zu erreichen, was sowohl im Koalitionsvertrag als auch der insgesamt lobenswerten Blockchain-Strategie der Bundesregierung niedergeschrieben ist, wird es demnach zwingend erforderlich sein, weltweit tätig zu werden.

Hilfreich wäre an dieser Stelle, wenn die zuständigen Ministerien und Behörden bald auch in die internationale Kommunikation gingen, da ansonsten selbst regulierungswillige Unternehmen gegebenenfalls gegen die Regularien verstoßen, da ihnen selbige unbekannt beziehungsweise nicht zugänglich blieben. Hierzu wäre es wünschenswert, wenn zügig auch eine Guidance in englischer Sprache verfügbar wäre.

Nach diesen einleitenden Worten ist zunächst zu klären, was überhaupt unter dem Begriff "Kryptowert" verstanden wird. Der gesetzliche Wortlaut liest sich wie folgt: "Kryptowerte im Sinne dieses Gesetzes sind digitale Darstellungen eines Wertes, der von keiner Zentralbank oder öffentlichen Stelle emittiert wurde oder garantiert wird und nicht den gesetzlichen Status einer Währung oder von Geld besitzt, aber von natürlichen oder juristischen Personen aufgrund einer Vereinbarung oder tatsächlichen Übung als Tausch- oder Zahlungsmittel akzeptiert wird oder Anlagezwecken dient und der auf elektronischem Wege übertragen, gespeichert und gehandelt werden kann (...)."

Ist diese Definition beim sicherlich bekanntesten Kryptowert "Bitcoin" noch relativ treffsicher anwendbar, ergeben sich bei intensiverer Auseinandersetzung mit dem Thema doch sehr viele Nuancen.

Was ist beispielsweise mit digitalen Repräsentanten von Karten für die Fußballweltmeisterschaft?

Man könnte argumentieren, dass diese

- sehr wohl eine digitale Darstellung eines Wertes repräsentieren,

- von keiner Zentralbank oder öffentlichen Stelle emittiert wurden oder garantiert werden und

- nicht den gesetzlichen Status einer Währung oder von Geld besitzen,

- aber von natürlichen oder juristischen Personen aufgrund einer Vereinbarung oder tatsächlichen Übung (man denke an die entsprechenden Ticket-Zweitmärkte im Internet) als Tausch- oder Zahlungsmittel akzeptiert werden und

- darüber hinaus auch noch Anlagezwecken dienen.

Dass dieser Wert auf elektronischem Wege übertragen, gespeichert und gehandelt werden kann, versteht sich von selbst.

Ungeachtet der Tatsache, dass der Gesetzgeber Gutscheine explizit von der Kryptowerte-Definition ausgenommen hat, wird es an dieser Stelle aller Voraussicht nach doch zu intensiveren Diskussionen kommen. Grund hierfür ist, dass sich die handelnden Parteien durch die Repräsentanz des Wertes in Token-Form nicht mehr in dem Maße "vertrauen" müssen wie zuvor, was wiederum dazu führen wird, dass komplett neue Formen des (automatisierten) Handels entstehen werden.

Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Anwälte?

Neben der Diskussion, ob es sich bei dem Token überhaupt um einen Kryptowert handelt, ist darüber hinaus die Frage zu klären, welcher "Token-Klasse" (Währungs-, Utility-, oder Security-Token) das jeweilige Asset zuzurechnen ist, da diese Token-Klasse den Anwendungsbereich bestimmter gesetzlicher Regularien bestimmt. Im Hinblick auf Security-Token stellt darüber hinaus die erstaunliche Wandelbarkeit des Wertpapierbegriffs ein massives Problem dar: So kann ein Wertpapier zwar Wertpapier im Sinne des Wertpapierhandelsgesetzes, nicht aber im Sinne des Depotgesetzes sein. Dies hat dann für Verwahrstellen wiederum zur Folge, dass sie dieses Wertpapier (also jenes, welches kein Wertpapier im Sinne des Depotgesetzes ist) nicht verwahren dürfen, da es sich nicht um einen verwahrfähigen Gegenstand handelt.

Was anfangs wie eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Kapitalmarktrechtsanwälte anmutet, entpuppt sich im weiteren Verlauf der Diskussion nicht nur als Standortnachteil für die deutsche Industrie, sondern als wünschenswertes "Aufräumprojekt" innerhalb des deutschen Wertpapierrechts. So ist es einem international tätigen Emittenten schlicht nicht vermittelbar, warum sein Wertpapier in ein und demselben Land einmal ein Wertpapier und einmal kein Wertpapier sein soll.

Abschaffen der regulatorischen Arbitrage

Hiermit geht die gleichfalls schon lange obsolete Forderung einer Verbriefung des Wert"papiers" einher, die sich in manchen deutschen Gesetzen immer noch befindet und - wie in anderen Ländern bereits längst umgesetzt - endlich entfernt gehört. Es wäre wünschenswert, wenn der Gesetzgeber den Anlass der Kryptowerte wie angekündigt nutzt, um an dieser Stelle beherzt vorzugehen und schnellstmöglich digitale Schuldverschreibungen, Aktien und Fondsanteile zu erlauben. Die künstliche Aufrechterhaltung von diesbezüglichen Monopolen erscheint auch vor dem Hintergrund des Wettbewerbsdrucks aus anderen Ländern nicht mehr tragbar.

Bevor auf die aktuellen Entwicklungen eingegangen wird, sei als Einschub an dieser Stelle noch auf eine durchaus spannende Wendung im Gesetzgebungsverfahren hingewiesen. So enthielt sowohl die erste Fassung des Referentenentwurfes als auch der darauffolgende Gesetzesentwurf folgenden Absatz, der erst durch Intervention des Finanzausschusses wieder gestrichen wurde: "(1g) Die Erlaubnis für das Kryptoverwahrgeschäft im Sinne des § 1 Absatz 1a Satz 2 Nummer 6 kann nur erteilt werden, wenn das Unternehmen keine anderen nach diesem Gesetz erlaubnispflichtigen Tätigkeiten erbringt; die spätere Erteilung einer weiteren Erlaubnis nach diesem Gesetz ist ausgeschlossen, solange das Unternehmen nicht ausdrücklich auf eine bestehende Erlaubnis für das Kryptoverwahrgeschäft verzichtet hat oder die Erlaubnis nicht auf anderem Wege erloschen ist oder aufgehoben wurde."

Anders ausgedrückt wäre es keinem bestehenden Finanzinstitut erlaubt worden, Kryptowerte zu verwahren. Zwar hätte diese Regelung im Zweifel einfach dazu geführt, dass Finanzinstitute Tochterunternehmen gegründet hätten - die Aufhebung des Trennungsgebotes ist allerdings allein schon vor dem Hintergrund sinnvoll, dass die Dienstleistungserbringung unterschiedlicher Dienstleistungen, die nicht deckungsgleich mit der des Krypowerteverwahrers sind und gegebenenfalls auch eine KWG-Lizenz bedingen, ermöglicht werden.

Einfacher ausgedrückt: Die Verwaltung eines Fonds, der sowohl "traditionelle" als auch digitale Assets (alias Kryptowerte) beinhaltet, wäre mit dieser Reglung schlicht unmöglich gewesen. Insbesondere, da auf diesem Geschäftsfeld bereits zum jetzigen Zeitpunkt regulatorische Arbitrage betrieben wird, ist die Lösung des Themas begrüßenswert.

Besonders interessant ist auch die Diskussion, warum die ursprüngliche Formulierung seinerzeit Eingang in den Gesetzesvorschlag gefunden hat - auf eine eingehendere Darstellung dieses Sachverhaltes wird aufgrund des durchaus spekulativen Charakters an dieser Stelle verzichtet.

Deutscher Alleingang

Obgleich die DLC Distributed Ledger Consulting GmbH die Auffassung vertritt, dass klassische Kryptowährungen wie der Bitcoin, aber auch Utility-Token, zu den spannendsten Anlageklassen dieses Jahrhunderts gehören werden und die "Rallye" noch nicht einmal begonnen hat, ist davon auszugehen, dass sich ein Großteil des institutionellen Interesses zunächst auf Security-Token - also Wertpapiere in Tokenform - richten wird, weil diese insgesamt leichter zu verstehen sind und sich an Bekanntes anlehnen. An dieser Stelle enthält der Gesetzesentwurf aktuell folgende Passage: "Soweit Kryptowerte unter den Wertpapierbegriff des Depotgesetzes fallen, ist die Verwahrung Depotgeschäft im Sinne des § 1 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5; § 1 Absatz 1 a Satz 2 Nummer 6 tritt dahinter zurück."

Mit anderen Worten: Ist der Kryptowert ein Wertpapier im Sinne des Depotgesetzes, muss man nicht Kryptowertverwahrer, sondern Depotbank sein, um diesen Wert verwahren zu dürfen. An dieser Stelle wäre nach Meinung der DLC durchaus kritisch zu hinterfragen, ob diese Art des Umgangs mit der neuen "Form" des Assets wirklich die beste und im Hinblick auf den Anlegerschutz nachhaltig dienlich ist - gehen mit der neuen Form der "Verbriefung" doch sowohl erhebliche Chancen als auch Risiken einher. Ebenso bleibt abzuwarten, wie sich Verwahrstellen und deren Versicherer gegen mögliche neue Risiken dieser Form von Assets aufstellen und gleichzeitig das Schutzniveau aufrechterhalten wird.

Durch den deutschen Alleingang in Sachen Kryptowerteverwahrlizenz ergeben sich aktuell aber auch einige durchaus problematische Konstellationen. So kann ein Luxemburger Unternehmen beispielsweise keine Lizenz bei "seiner" Aufsichtsbehörde beantragen, da es in Luxemburg kein diesbezügliches Gesetz gibt, sondern muss zunächst eine deutsche Gesellschaft mit zwei Geschäftsführern gründen, die von der BaFin als "fit-andproper" anerkannt werden.

Genauso verhält es sich mit Frankreich, wo aktuell keine Lizenzpflicht, wohl aber eine Registrierungspflicht besteht. Natürlich ist die deutsche Lizenz aktuell auch nicht passportfähig, da in anderen Ländern die Grundlage dafür fehlt. Es fällt nicht schwer nachzuvollziehen, dass ein solches Vorgehen bei per se grenzüberschreitend angelegten Geschäftsmodellen wenig zielführend ist und im Vergleich zu einem Land wie beispielsweise China, in welchem Xi Jinping vor Kurzem dazu aufgerufen hat, die Möglichkeiten der Blockchain-Technologie aktiv zu nutzen, zu massiven Standortnachteilen führen kann.

Engpass am Arbeitsmarkt droht

Dennoch kann sich die Einführung der Kryptowerteverwahrlizenz als überaus gelungener Ansatz entpuppen, da der Markt rund um Kryptowerte vor allem Sicherheit benötigt - und an eben dieser Stelle wird sich Deutschland durch das "Siegel" lizensierter Kryptoverwahrer nunmehr positionieren können. Wie relevant dies ist, zeigt beispielsweise die kurz nach Beschluss des Gesetzes bekanntgegebene Entscheidung des Schweizer Anbieters Crypto Storage, eine eigene Niederlassung in Deutschland zu eröffnen.

Dass dieser Markt durchaus interessant zu sein scheint, lässt sich auch aus den Worten Thorsten Gommels, Head of Germany and Austria bei BNP Paribas Securities Services, ableiten, der auf die Frage nach Trends in der Industrie wie folgt antwortete: "Sicherlich (gibt es weitere Trends). Beispielsweise wollen wir den Trend zur Digitalisierung von Wertpapieren aktiv begleiten und unsere Rolle als marktführender Verwahrer auch bei Kryptowerten behalten."

Interessant könnte im Rahmen der neuen Assets unter anderem der Aspekt werden, wie sich etablierte Unternehmen dem technischen Auswahlprozess ihrer Dienstleister nähern - da die bekannten Player nach aktueller Marktsicht noch keine technisch ausgereiften Systeme bereitstellen können und somit ein Wechsel nötig ist, will man Kryptowerte verwahren. Darüber hinaus ist auch das Thema "fit-and-proper" nicht zu vernachlässigen: So sollte die Erlangung der Kryptowerteverwahrlizenz nicht nur klassisches, sondern insbesondere auch Blockchainspezifisches Wissen bedingen. Dies könnte auf dem Arbeitsmarkt durchaus zu einigen Engpässen führen.

Historische Chance für Deutschland

Zusammenfassend steht Deutschland mit der Kryptowerteverwahrlizenz vor einer historischen Chance und es kann nicht genug betont werden, wie wichtig die weiteren Entscheidungen für den Finanzstandort Deutschland, aber auch den europäischen Binnenmarkt insgesamt sein werden. Entscheidend wird sein, dass der momentane deutsche Alleingang alsbald in eine gesamteuropäische Strategie eingeflochten wird, will man sich gegenüber anderen Großmächten behaupten. In diesem Zuge wäre eine Abstimmung mit anderen großen Parteien in Europa ebenso wie die Einführung einer Passportregelung hilfreich.

Mit der Kommissionspräsidentschaft besteht diesbezüglich eine reelle Chance, die von den Worten von der Leyens im Rahmen ihrer Rede zum Amtsantritt bei der Europäischen Kommission genährt wird: "Europe should prepare, for what is ahead. We need to rely on what makes us strong. Our single market, our single currency. It is high time to complete our economic and monetary union. To deliver growth and jobs by increasing macroeconomic resilience."

Dr. Sven Hildebrandt Geschäftsführer, Distributed Ledger Consulting (DLC), Hamburg
Dr. Sven Hildebrandt , Geschäftsführer, Distributed Ledger Consulting (DLC), Hamburg
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