Die Kundenschnittstelle von morgen sichern

Thomas Schüttler Foto: Bausparkasse Schwäbisch Hall AG

Die Digitalisierung bringt einige neuere Technologien wie das mobile Internet, das Internet der Dinge oder Cyberwährungen wie Bitcoin mit, die für die Finanzdienstleistungsbranche durchaus relevant sind. Das wirklich Umwälzende an der Entwicklung sieht der Autor jedoch darin, dass Leistungen anders als bisher zusammengeführt werden. Digitale Anbieter verkaufen keine Produkte mehr, sondern schaffen Lösungsplattformen, die Leistungen modular vernetzen. Er sieht die Aufgabe momentan darin, neue Wege zu finden, die Kundenschnittstelle zu besetzen oder sie unter Kontrolle zu bekommen. Der Autor stellt trotz aller Veränderungen, die die Digitalisierung mit sich bringt fest, Vertrauen und Sicherheit bleiben wichtig für Menschen, die nach einer Baufinanzierung suchen. Er sieht jedoch neben der althergebrachten Lösung der persönlichen Beratung um die Bedürfnisse des Kunden zu ermitteln und passende Lösungen anzubieten, auch die Chance mit digitalen Kanälen die Wünsche des Kunden noch besser kennenzulernen. (Red.)

Wer früher eine Reise plante, ging ins Reisebüro, wer ein Buch kaufen wollte, in die Buchhandlung. Und wer ein Haus finanzieren wollte, ging zu seiner Bank. Und heute? Inwieweit beeinflusst die Digitalisierung diese Märkte? Haben sich nur in einzelnen Branchen die ökonomischen Spielregeln verändert und andere bleiben "verschont"? Und wie geht ein Finanzdienstleister wie die Bausparkasse Schwäbisch Hall mit diesem Thema um?

Die Unternehmensberatung McKinsey identifizierte in einer Studie zwölf Technologien mit hohem, sogenanntem "disruptivem Potenzial" - also mit der Kraft, eine bestehende Technologie, Dienstleistung oder ein bestehendes Produkt vollständig zu verdrängen. Ein Großteil davon wie etwa das mobile Internet, das Internet der Dinge oder Cyberwährungen wie Bitcoin ist für die Finanzdienstleistungsbranche relevant, und die Angebote einiger Fintechs haben die Annahme bereits bestätigt. Peer-to-Peer-Banking, bei dem die Funktion als Vermittler zwischen Gläubiger und Schuldner ebenso wegfällt wie die Fristentransformation, mobile und papierfreie Anwendungen oder das Girokonto auf dem Smartphone: Das sind radikale Veränderungen, die alte Geschäftsmodelle infrage stellen können.

Digitalisierung mehr als Produktivitätssteigerung

Um Effizienz allein geht es nicht, wenn vom Megatrend Digitalisierung die Rede ist. Zwar sind dadurch einfachere, schnellere und unterm Strich effizientere Arbeitsabläufe möglich. Doch das wirklich Umwälzende, das die Digitalisierung verändert, ist vielmehr, dass Leistungen anders als bisher zusammengeführt werden. Die digitalen Anbieter verkaufen keine Produkte mehr, sondern schaffen Lösungsplattformen, die Leistungen modular vernetzen.

Die Digitalisierung erleichtert es, radikal vom Kunden statt vom Produkt her zu denken: Unternehmen wie Uber, Airbnb oder Facebook besitzen keine Taxis, keine Ferienwohnungen und keine Inhalte mehr selbst - sie bieten "nur" die Plattform für die jeweiligen Produkte und Dienstleistungen. So entstehen neue Marktplätze, die den Kundenkontakt übernehmen und das Kundenverhalten beeinflussen. Sie sind jederzeit und von jedem Ort aus schnell und einfach zu erreichen und die Leistungen sind transparent und vergleichbar. Die Vergleichsplattformen von heute und morgen haben mit den im direkten, persönlichen Kundenkontakt stehenden Produzenten und Produktverkäufern von gestern nichts mehr gemein.

Die entscheidende Veränderung durch die Digitalisierung findet damit an der Schnittstelle zum Kunden statt. Suchten diese bisher nach konkreten Angeboten wie einem bestimmten Reisepaket, einer Beratung oder einer Finanzierung, so begeben sie sich heute in eine digitale Welt der Plattformen, denen sie ihr Problem "schildern" und die ihnen dann wiederum vielfältige Lösungen anbieten - seien es nach individuellen Erwartungen konfektionierte Reisen, passende Berater oder eben ein Angebot für eine Baufinanzierung. Und wo früher im Internet ein Button "jetzt abschließen" mit Link zum Bankberater auftauchte, dreht man heute auf der Kundenreise lieber eine weitere Schleife: Wer sein Wohnumfeld verändern will, braucht nicht nur eine Finanzierung, sondern zum Beispiel auch verfügbare und gute Handwerker. Wenn eine Bank diese Handwerker ihrerseits wieder als Firmenkunden führen kann, ergeben sich mittelbare Win-win-Situationen und auch neue Ertragsquellen.

Nutzerfreundlichkeit entscheidet

Der Plattformgedanke bringt Veränderungen mit sich, die mitunter skeptisch beobachtet werden, denn oft holt man sich Wettbewerber an Bord und verzichtet auf die (zunehmend nur scheinbare) Möglichkeit zum schnellen Abschluss. Doch diese Entwicklung ist nicht mehr zurückzudrehen. Besser, man bietet die beste, weil nutzenorientierteste und anwenderfreundlichste Plattform selbst an und überzeugt mit den passenden Lösungen, als das Feld aus Angst vor der Konkurrenz eben dieser zu überlassen.

Erfolgreiche Digitalstrategien bieten neue Wege, die Kundenschnittstelle zu besetzen. Es geht darum, diese Schnittstelle in den eigenen Händen zu behalten oder sie unter Kontrolle zu bekommen. Wer die Zügel in der Hand hat, kann die Risiken, die mit der Öffnung verbunden sind, steuern. Der beste Aggregator, der Anbieter der besten Plattform wird zukünftig die Nase vorne haben. Für Finanzdienstleistungen gehen immer weniger Kunden in ihre Bank. Statt in der Filiale erledigen Kunden ihre Bankgeschäfte am Smartphone, und bevor sie in ein Beratungsgespräch gehen, informieren sich vorher mittlerweile acht von zehn Verbrauchern intensiv online. Die Bankfiliale vor Ort ist längst nicht mehr der logische erste und schon gar nicht der einzige Anlaufpunkt, wenn es um Finanzfragen geht. Neue Lösungen sind gefordert, die die Digitalisierung aufnehmen, sie nutzen und die radikaler als bisher aus Kundensicht denken.

Die Bausparkasse Schwäbisch Hall hat die Erfahrung gemacht, dass Digitalisierungsstrategien nicht in den etablierten Strukturen der "Old Economy" entstehen. Daher verfolgt sie den Ansatz, genau dort hinzugehen, wo neue Lösungen geboren werden und nicht, sich Digitalexperten ins Haus und damit in das gewohnte Umfeld zu holen.

Im zweiten Schritt testet Schwäbisch Hall neue Verfahren im Projektumfeld und entwickelt - wo passend - Prototypen für neue Anwendungen, zum Beispiel in der Baufinanzierungsberatung. Das spricht nicht zwangsläufig gegen sogenannte Innovation-Labs, die einige Wettbewerber etabliert haben. Dort wird der Innovationsprozess durch die Nutzung einer realen oder virtuellen Infrastruktur (des "Labs") außerhalb etablierter Routinen entwickelt.

Kulturwandel durch Innovationsprozess

Es gibt keinen Königsweg für Innovationen. Doch zeigen die Erfahrungen bei Schwäbisch Hall, dass kleine Stabseinheiten unter Einbeziehung der Fachabteilungen besser funktionieren, und die Ergebnisse viel eher akzeptiert werden als wenn sie aus "digitalen Elfenbeintürmen" kommen würden.

Bei Schwäbisch Hall gelingt das zum Beispiel mit dem Format "Innovation 360°", über das ein regelmäßiger Austausch mit einzelnen Fachbereichen institutionalisiert ist. Diese Vorgehensweise bedeutet für ein Unternehmen wie Schwäbisch Hall, das für Genauigkeit und hohe Sicherheit steht, durchaus einen Kulturwandel. Der fortlaufende Innovationsprozess ist vom Prinzip des Versuchs und Irrtums geprägt. Ideen werden unvoreingenommen und schnell ausprobiert, die Ergebnisse rasch analysiert und die Idee dann entweder weiterverfolgt, angepasst oder verworfen. Langwierige Voruntersuchungen und komplizierte Abstimmungsprozesse würden dieses Vorgehen konterkarieren.

Haus und Baufinanzierung wachsen zusammen

Trotz aller Veränderungen, die die Digitalisierung mit sich bringt: Vertrauen und Sicherheit bleiben wichtig für Menschen, die mit einer Baufinanzierung die oft wichtigste finanzielle Entscheidung ihres Lebens treffen. Daher schließen rund 95 Prozent der Kunden eine Baufinanzierung nach einem Gespräch mit ihrem Berater ab. Eine fundierte und qualifizierte Beratung ist also weiterhin ein elementares Entscheidungskriterium bei der Wahl des richtigen Anbieters. Nicht umsonst legen sowohl die Volks- und Raiffeisenbanken als auch die Außendienstmitarbeiter der Bausparkasse Schwäbisch Hall so viel Wert auf das Thema Beratungsqualität.

Aus Kundenperspektive wachsen aber die Themen Haus und Baufinanzierung zusammen: Was früher nacheinander angegangen wurde - man suchte und fand seine Traumimmobilie, dann ging es um die Finanzierung - kann morgen in einem Schritt gelöst werden. Schon heute bieten Immobilienplattformen die Berechnung des Beleihungswertes und zeigen die möglichen Finanzierungskosten auf. Es geht also darum, die Kunden auf ihrer Reise so zu begleiten, dass ihre Probleme bestmöglich gelöst werden - nicht darum, Bausparverträge oder Finanzierungen zu verkaufen. Damit verschieben sich auch die Ertragsquellen.

Kundenwünsche besser verstehen

Die persönliche Beratung bleibt zwar eine wichtige Möglichkeit, die Bedürfnisse des Kunden zu ermitteln und passende Lösungen anzubieten. Doch die digitalen Kanäle bieten die Chance, die Wünsche der Kunden noch besser zu verstehen und damit die Kundenschnittstelle auch morgen noch fest in der Hand zu haben. Mit dem Schwäbisch Hall Online-Service-Portal oder der "Kredit-Fuchs-App", mit der sich der Beleihungswert einer Immobilie noch während des ersten Beratungsgesprächs ermitteln lässt, hat die Bausparkasse schon entsprechende Lösungen entwickelt. Jetzt geht es darum, den eingeschlagenen Weg gemeinsam mit den Volks- und Raiffeisenbanken konsequent fortzusetzen.

Thomas Schüttler Innovations-Manager, Bausparkasse Schwäbisch Hall AG, Schwäbisch Hall
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