Nachhaltige Finanzierungen - Chancen und Herausforderungen für Genossenschaftsbanken

Gerhard Hofmann, Mitglied des Vorstandes des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken
Quelle: BVR

Gerade in den vergangenen Jahren mit historisch niedrigen Zinsen haben viele Anleger entdeckt, dass es neben Erträgen auch andere Kriterien für ein langfristiges Investment geben kann. Sparer verzichten bewusst auf hohe Erträge, weil ihnen andere Ziele und die Art der Geldverwendung mindestens genauso wichtig sind. Nachhaltigkeit und nachhaltige Geldanlagen sind im Trend und passen nach Auffassung der Autoren sehr gut zum Verständnis von genossenschaftlichem Banking. Sie sehen auch, dass sich auf EU-Ebene nachhaltige Finanzierung von einem Randthema zu einer Priorität entwickelt hat. Obwohl sie die Genossenschaftliche Finanzgruppe in der Hinsicht schon gut aufgestellt sehen, sind sie davon überzeugt, dass die Nachfrage der Kunden im Segment der nachhaltigen Anlagen steigen wird und dass die Genossenschaftsbanken die damit verbundenen Chancen nutzen können. Die Autoren warnen jedoch auch davor, dass die Erreichung der Klimaziele auch zu Herausforderungen im Risikomanagement der Banken führen wird, auf die frühzeitig eingegangen werden muss. (Red.)

Nachhaltige Finanzprodukte, bei denen ökologische und sozial-gesellschaftliche Aspekte sowie die Art der Unternehmensführung (ESG-Faktoren - Environment, Social, Governance) beachtet und bewertet werden, gibt es bereits seit Jahren. Aber erst in jüngster Zeit, ins besondere seit dem Pariser Klimaschutzabkommen von 2015 und der UN-Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung, hat sich die Nachfrage nach nachhaltigen Finanzprodukten auf den Kapitalmärkten dynamisch entwickelt.

Eine boomende Anlageform

Die Nischenprodukte von einst sind im Mainstream angekommen, ja sie boomen teilweise sogar. Kürzlich bezeichnete DZ-Bank-Vorstand Wolfgang Köhler das Interesse von Investoren an grünen (nachhaltigen) Anleihen als "gigantisch". Er geht für 2018 von einem weltweiten Volumen der nachhaltig verwalteten Investments von 29,1 Billionen Dollar aus. Das jährliche Emissionsvolumen von "Green Bonds" hat sich zwischen 2013 und 2017 auf mittlerweile 155 Milliarden Dollar verzehnfacht. Das Bewusstsein der Investoren für Nachhaltigkeit wächst also stetig. Das zeugt zum einen von einem zunehmenden globalen gesellschaftlichen Konsens, sodass sich auch professionelle Investoren (Pensionsfonds, Stiftungsvermögen) und die hinter ihnen stehenden Gruppen stärker mit den ESG-Zielsetzungen identifizieren.

Im übrigen wird aber auch erkannt, dass ESG-Faktoren ergänzende Parameter im Hinblick auf Risikobewertung und Zukunftsperspektiven von Investitionen sind (zum Beispiel bezüglich Reputation, Regulierung, Technologie et cetera): da zum Beispiel die Umstellung auf eine energieeffiziente und CO 2 -freundliche Wirtschaft in einzelnen Branchen aufwendige Investitionen verlangen, Betriebskosten in die Höhe treiben oder gar das Geschäftsmodell infrage stellen wird, spricht sicher einiges dafür, langfristig eher in klimafreundliche Unternehmen/Branchen zu investieren. Zum anderen aber bedeuten positive ESG-Ratings von Unternehmen oftmals auch, dass besondere Kompetenz in zukunftsorientierten Bereichen besteht, die sich in entsprechend günstigen Ertragsaussichten niederschlagen kann.

Es scheint daher überaus sinnvoll, bei der Investmentanalyse insbesondere unter Langfristaspekten die klassische Unternehmensanalyse mit Nachhaltigkeitskriterien zu kombinieren, wie dies etwa im Investment Research der DZ-Bank mit der "EESG"-Analysemethode geschieht. Bei der Anlagestrategie der Ortsbanken für das Depot A beginnt dieser kombinierte Ansatz bereits Einzug zu halten. Nachhaltige Finanzprodukte passen sehr gut zu unserem Verständnis von genossenschaftlichem Banking. Sie stellen eine Chance für die Zukunft dar und sollten stärker wahrgenommen werden.

Die dynamische Entwicklung bei gewerblichen Investoren findet bislang keine Parallele bei Kleinanlegern, das heißt, dort gibt es erheblichen Nachholbedarf. Bei einer Umfrage im Sommer 2017 gaben lediglich 5 Prozent der Befragten an, tatsächlich in nachhaltige Produkte zu investieren. 40 Prozent konnten sich eine solche Anlage vorstellen, bemängelten aber unzureichende Informationen über nachhaltige Produkte, unklare Wirkungen für die nachhaltige Entwicklung (35 Prozent) beziehungsweise befürchten ein höheres Anlegerrisiko (31 Prozent).

Nachhaltigkeit als Ziel der EU-Politik

Auf europäischer Ebene möchte die Europäische Kommission, dass ein noch breiteres Spektrum von gewerblichen und privaten Investoren in den Übergang europäischer Unternehmen auf ein ressourceneffizientes und kreislauforientiertes Geschäftsmodell investiert. Denn allein für das im Pariser Klimaschutzabkommen vorgegebene Ziel, die CO 2 -Emissionen bis 2030 um 40 Prozent in allen Wirtschaftsbereichen zu senken, seien zusätzliche Investitionen von jährlich rund 180 Milliarden Euro erforderlich. Bereits im Dezember 2016 hatte die Europäische Kommission daher eine hochrangige Expertengruppe eingesetzt, die Empfehlungen erarbeitet hat, um Nachhaltigkeit dauerhaft in der EU-Politik für Finanzdienstleistungen zu verankern und um die Kapitalströme in Richtung der nachhaltigen Entwicklung zu lenken. Die im Januar 2018 veröffentlichten Empfehlungen sind in den Aktionsplan der Kommission "Finanzierung nachhaltigen Wachstums" vom März 2018 eingegangen. Bereits im Mai 2018 gab es erste Legislativvorschläge. Dies zeigt, wie sich auch auf EU-Ebene "nachhaltige Finanzierung" zu von einem Randthema zu einer Priorität entwickelt hat.

Ein erster Verordnungsvorschlag aus dem Mai 2018 betrifft Investorenpflichten und verlangt von Anbietern von Investmentprodukten, insbesondere Fondsanbietern, mehr Transparenz in Bezug auf Nachhaltigkeit. Sie sollen offenlegen, inwieweit Nachhaltigkeitsaspekte in ihre Anlagestrategien einfließen und welche Verfahren angewandt werden, um bei Investitionsentscheidungen Nachhaltigkeitsrisiken Rechnung zu tragen. Im Übrigen wird vorgegeben, wie Vermögensverwalter und institutionelle Anleger künftig nachweisen sollen, inwieweit ihre Investitionen an ESG-Zielen ausgerichtet sind, und offenlegen sollen, in welcher Weise sie ihren Pflichten nachkommen.

Damit europaweit einheitlich klargestellt wird, was unter "nachhaltig" zu verstehen ist, sieht ein weiterer Legislativvorschlag (Investmentverordnung) ein einheitliches Klassifizierungsverfahren (Taxonomie) vor. Über im Vorschlag vorgesehene harmonisierte Kriterien soll bestimmt werden, ob eine wirtschaftliche Tätigkeit ökologisch nachhaltig ist. Die Kommission wird Schritt für Schritt festlegen, welche Tätigkeiten als "nachhaltig" zu betrachten sind. Dabei wird sie von einer Sachverständigengruppe beraten, die bereits ihre Arbeit aufgenommen hat. Auf diese Weise sollen Wirtschaftsakteure und Investoren Gewissheit darüber erlangen, welche Tätigkeiten als nachhaltig gelten, sodass sie fundierte Investitionsentscheidungen treffen können.

Vor- und Nachteile des Aktionsplans

Eine erste Serie von Kriterien, für den Klimaschutz, soll bis Ende Juni 2019 erarbeitet werden und bereits im Juli 2020 zur Anwendung kommen. Die Klassifizierungskriterien können dann als Grundlage für die Einführung von Normen und Kennzeichen für nachhaltige Finanzprodukte dienen. Zunächst ist diese Möglichkeit aber nur für Corporate Bonds und Fondsprodukte vorgesehen. Die Kommission hat zudem in ihrem Aktionsplan deutlich gemacht, dass die Taxonomie langfristig nicht nur bei Investitionsentscheidungen verwendet werden soll, sondern künftig auch in anderen Bereichen zum Einsatz kommen wird. Sie könne damit zu einer quasi universellen Grundlage für die Bewertung von wirtschaftlichen Tätigkeiten unter Umweltgesichtspunkten werden. Ergänzend hat die Europäische Kommission einen Vorschlag für die kurzfristige Überarbeitung einer Durchführungsverordnung zur MiFID II vorgelegt, der wohl spätestens im Herbst 2018 angenommen werden wird und 18 Monate später anwendet werden muss. Danach sollen künftig bei jeder Anlageberatung ausdrücklich auch die Nachhaltigkeitspräferenzen des Kunden abgefragt werden.

Der BVR ist überzeugt davon, dass nicht zuletzt auch wegen der eingeleiteten Maßnahmen die Nachfrage der Kunden im Segment der nachhaltigen Anlagen steigen wird und dass die Genossenschaftsbanken die damit verbundenen Chancen nutzen können. Genossenschaftsbanken stehen seit jeher für nachhaltiges Wirtschaften und sehen daher die Initiative der EU-Kommission grundsätzlich positiv. Des Weiteren ist die Gruppe dank der Anlageprodukte der Union-Investment und des Know-hows der DZ-Bank in diesem Bereich bereits heute gut aufgestellt. Zugleich kritisiert der Verband, dass die Investment-Verordnung das traditionelle Bankgeschäft gegenüber Kapitalmarktanlagen benachteiligt. Auch Einlagen, Bankbonds und Pfandbriefe sowie Buchkredite müssen ein positiv besetztes Siegel der Nachhaltigkeit erhalten können. Nachhaltigkeit wird ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal und da darf es keine Benachteiligung einzelner Aktivitäten geben.

Im Übrigen muss sichergestellt sein, dass eine verpflichtende Verankerung von Nachhaltigkeit im Beratungsprozess erst dann kommt, wenn es wirklich einheitliche Kriterien für die Beurteilung der Nachhaltigkeit eines Investments (Taxonomie) gibt, die Praxistauglichkeit dieser Taxonomie gewährleistet ist und genug Zeit bestand, die notwendigen Dokumentationen zu erstellen. Zudem spricht sich der BVR für einen Bestandsschutz bereits abgeschlossener Verträge aus, damit hier keine unerwünschten Nebenwirkungen entstehen, die signifikante Teile der Bilanzen ihrer Institute treffen könnten. Schließlich sei grundsätzlich unterstrichen, dass Märkte nicht durch Regulierung geschaffen werden und dass Überregulierung sicher hemmt. Entscheidend ist stets, dass die ökonomische Anreizstruktur "stimmt".

ESG in der Bankenaufsicht

Spätestens der Bericht der "Task Force on Climate related Disclosures" (TFCD) des Financial Stability Board (FSB) vom Juni 2017, der Empfehlungen für die Offenlegung von Klimarisiken durch große internationale Banken ausspricht, hat gezeigt, dass Klimaschutz und Nachhaltigkeit auch in die Bankaufsicht einziehen werden. In ihrem Aktionsplan kündigt die Kommission an, zu prüfen, "ob mit Klima- und anderen Umweltfaktoren verbundene Risiken in die Risikomanagementstrategien der Institute und die potenzielle Feinabstimmung der Kapitalanforderungen von Banken als Teil der Eigenkapitalverordnung und der Eigenkapitalrichtlinie mit einbezogen werden können."

Im aktuellen Berichtsentwurf des Europäischen Parlaments zur Änderung von CRR und CRD wurde dieses noch weiter präzisiert: Danach soll die EBA beide Aspekte untersuchen und spätestens zwei Jahre nach Inkrafttreten der Rechtsakte jeweils einen Bericht und gegebenenfalls Entwürfe für Legislativvorschläge und Guidelines vorlegen. Es kann davon ausgegangen werden, dass in diesem Zusammenhang die oben erwähnte Taxonomie zur Anwendung kommen wird.

Der BVR mahnt zur Vorsicht bei politisch motivierten Eingriffen in die Anreizstruktur von Kapitalunterlegungen und in das Risikomanagement der Banken: Es darf weder zu einer unter Risikogesichtspunkten nicht gerechtfertigten Bevorzugung von ESG-Investments kommen, noch dürfen Risiken auf regulatorischem Wege künstlich geschaffen werden und zu einer Steuerung von Banken primär unter ESG-Faktoren führen.

Herausforderungen für das Risikomanagement

Allerdings ist anzuerkennen, dass etwa die Erreichung der Klimaziele auch zu Herausforderungen im Risikomanagement führen wird. Dies weniger durch Auswirkungen der Klimaveränderung als vielmehr durch (staatliche) Maßnahmen, die dem Klimawandel entgegenwirken und zu klimaeffizienten undfreundlichen Unternehmenstätigkeiten führen sollen. Ein anschauliches Beispiel ist die Ankündigung der niederländischen Regierung, dass ab 2023 die Nutzung von Büroräumen, welche nicht zumindest die Energieffizienzklasse C aufweisen, gesetzlich verboten werden soll. In ähnlicher Weise können künftige Nutzungsauflagen, Beschränkungen, Umwelt abgaben und Gesetze die Rentabilität von mittelständischen und gewerblichen Unternehmen erheblich beeinträchtigen. Die Herausforderungen an Kreditanalyse, Kreditüberwachung und Risikomanagement werden damit sicher zunehmen und im Einzelfall sogar zu einer grundsätzlichen Neubewertung von Kundenverhältnissen führen.

Mit dem Thema "nachhaltige Finanzierung" verbinden sich also neue Chancen. Gleichzeitig bringt das gestiegene Bewusstsein der Allgemeinheit für ESG-Faktoren, wie es zum Beispiel bei der Bekämpfung des Klimawandels zum Ausdruck kommt, neue Herausforderungen, auf die frühzeitig eingegangen werden muss.

Gerhard Hofmann Mitglied des Vorstands, Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken e.V. (BVR), Berlin
Dr. Volker Heegemann Referent Geschäftspolitik / Kommunikation, Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken e.V. (BVR), Brüssel
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Gerhard Hofmann , Mitglied des Vorstands , Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken e.V. (BVR), Berlin

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