Kreditwesen aktuell

Warum Negativzinsen auf Sparkonten kontraproduktiv für Banken und Verbraucher sind

Uwe Fröhlich

In Deutschland hat sich über viele Jahrzehnte hinweg eine Sparkultur entwickelt, um die uns andere Länder beneiden. Die Bundesbürger sparen einen relativ hohen Anteil des Einkommens, außerdem ist das Sparen im Zeitverlauf vergleichsweise stabil. Gleichzeitig verschulden sich die Privathaushalte nur maßvoll. Im Ergebnis stehen die Bundesbürger finanziell insgesamt sehr solide da.

Die Sparkultur fördern

Die Vorteile dieses konservativen Finanzierungsverhaltens kamen in der Euro-Schuldenkrise zu Tage. Die hohe Bedeutung des Sparens ist umso bemerkenswerter, als Deutschland - anders als beispielsweise die angelsächsischen Länder - über einen starken Sozialstaat verfügt, der für die meisten Bürger die zentrale Säule der Zukunftsvorsorge darstellt.

Es gibt also viele gute Gründe, sich für die deutsche Sparkultur einzusetzen und sie nach Möglichkeit noch auszubauen. Umfragen bei Sparern, wie sie TNS Infratest jährlich für den Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken durchführt, zeigen, dass die meisten Haushalte trotz aller Sparanstrengungen regelmäßig weniger Geld auf die hohe Kante legen, als sie zur Erfüllung der Vorsorgeziele als notwendig erachten. Besonders wichtig ist die Stärkung der privaten Vorsorge gerade bei unteren bis mittleren Einkommen, damit das Problem der Altersarmut nicht deutlich an Bedeutung gewinnt.

Die Sparkultur sollte also gefördert werden. Stattdessen wird sie aber einem Härtetest unterzogen. Im Frühjahr 2009 erreichte der geldpolitische Leitzins erstmals die zu diesem Zeitpunkt historische Marke von 1 Prozent. Mit einem Leitzins nahe Null, der Einführung negativer Zinsen für Einlagen von Banken im Juni und der Erhöhung des negativen Zinssatzes im September dieses Jahres hat die Europäische Zentralbank eine weitere geldpolitische Grenze überschritten.

Statt monetärer Belohnung ein Kaufkraftverlust

Die extrem niedrigen Zinsen stellen die größte Bedrohung der Sparkultur der Nachkriegszeit dar. So wie Preise in einer Marktwirtschaft ein Maß für die Wertschätzung von Gütern und Dienstleistungen darstellen, so zeigt ein Zinssatz nahe Null an, dass Konsumzurückhaltung zur Stärkung der Zukunftsvorsorge nicht honoriert wird.

Noch deutlicher zeigen sich die negativen Anreize nach Bereinigung um die Inflation. Denn trotz Wirtschaftsschwäche steigen die Preise weiterhin, wenn auch in einem langsamen Tempo. Im Ergebnis steht der Konsumzurückhaltung der Sparer statt einer monetären Belohnung ein Kaufkraftverlust gegenüber. Einen negativen Realzins über bald fünf Jahre hat es in Deutschland zuvor noch nie gegeben.

Dieser Kaufkraftverlust ist aus Sicht der Sparer ein Ärgernis. Bislang haben die niedrigen Zinsen allerdings nur zu einer moderaten Veränderung des Sparverhaltens geführt. Die seit 2009 bestehende Niedrigzinsphase dürfte für eine Niveauverschiebung der Sparquote von etwas mehr als einem Prozentpunkt verantwortlich sein. Aktuell liegt die Sparquote der Bundesbürger bei gut 9 Prozent. Allerdings können wir uns nicht darauf verlassen, dass dies in der Zukunft auch so bleibt, wenn die Geldpolitik ihren extrem expansiven Kurs noch über längere Zeit beibehält.

Würden Banken in dieser Situation auf breiter Front negative Zinsen an die Kunden weitergeben, würde sich die Situation für die Sparer nochmals verschärfen - eine weitere Dämpfung der Sparanstrengungen wäre gewiss. Dies wäre alleine schon mit Blick auf den gestiegenen Vorsorgebedarf - Stichwort Demografie - aus gesamtwirtschaftlicher Sicht extrem schädlich. Auch aus der Perspektive der Banken sprechen gleich mehrere Gründe gegen eine Weitergabe der Negativzinsen an die Bankkunden. Bei den Volksbanken und Raiffeisenbanken legt schon der genossenschaftliche Förderauftrag ein Festhalten an positiven Einlagenzinsen nahe, um dem Spargedanken im Sinne der Mitglieder und Kunden Rechnung zu tragen. In diesem Sinne sollte das Gespräch mit den Kunden gesucht und nachgedacht werden, ob das angelegte Portfolio im Kundeninteresse unter Berücksichtigung des Risikoprofils besser ausbalanciert werden kann.

Enormer Symbolgehalt

Doch auch aus dem Blickwinkel einer nachhaltigen Gewinnerzielung ist ein negativer Zins auf Bankeinlagen keine gute Handlungsoption. Den möglichen, aber überschaubaren Vorteilen steht eine wachsende Verunsicherung der Bürgerinnen und Bürger gegenüber, die das Vertrauensverhältnis zur Bank stark belasten dürfte. Rechnerisch ist der Unterschied zwischen einem Zins knapp über und knapp unter Null vielleicht klein. Der Symbolgehalt eines Negativzinses ist jedoch enorm.

Zudem kann es sich auf lange Sicht als kontraproduktiv erweisen, Sparer mit Negativzinsen zu verprellen. Wenn sich die Erholung der Konjunktur im Euroraum Schritt für Schritt fortsetzt, verbessert sich auch die Wirtschaftslage in Deutschland. Dies dürfte auch der Kreditnachfrage in Deutschland Impulse verleihen. In einer solchen Situation sind Banken mit einer stabilen Einlagenbasis klar im Vorteil.

Uwe Fröhlich, Präsident, Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken e. V. (BVR), Berlin

Uwe Fröhlich , Co-Vorsitzender des Vorstands , DZ BANK AG Deutsche Zentral-Genossenschaftsbank, Frankfurt am Main
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