Platformification now - Sparkassen als Drehscheibe in die Welt

Dr. Ulrich Netzer, Foto: Sparkassenverband Bayern

Es wäre für den Sparkassensektor unklug, die digitale Transformation in der Einkaufswelt zu ignorieren und nicht zu prüfen, inwieweit sie auch für das Bankgeschäft nützlich gemacht werden können. Aus Sicht des Autors wünschen sich Kunden von ihren Kreditinstituten weitere Dienste über das originäre Geschäft hinaus. In diesem Sinne verweist er darauf, die Möglichkeiten der seit dem vergangenen Jahr geltenden Payment Services Directive 2 (PSD2) als Drehscheibe zum Alltag auszuschöpfen. Weitere Ansätze der Sparkassen zur Vertiefung der Kundenbindung sieht er im Identitäts- und Authentifizierungsdienst Yes sowie der Verknüpfung von Bankdienstleistungen mit ganz unterschiedlichen regionalen Angeboten, etwa von Handwerkern, Architekten, Steuerberatern oder Angeboten zur Kinderbetreuung. Seine Botschaft: Sparkassen können von den technischen Entwicklungen der Digitalisierung profitieren, wenn sie sich der Vernetzung öffnen und bewährte Positionierungen neu denken. (Red.)

Die Symbiose Bankfiliale und Routinegeschäft hat ausgedient. Filialen entwickeln sich vielmehr zu Begegnungs- und Beratungsorten, an denen Spezialthemen intensiv verhandelt werden. So wie es längst vertraut geworden ist, Erledigungen und Einkäufe auf digitalen Plattformen abzuwickeln, wird auch das tägliche Bankgeschäft zunehmend online oder mobil erledigt. Wer regelmäßig bei Amazon oder Zalando shoppt, kennt die Vorzüge, schätzt die Bequemlichkeit und wünscht meist den gleichen Komfort auch für andere Dienstleistungen. Die digitale Transformation in der Einkaufswelt setzt sich damit konsequent ins persönliche Banking fort.

Vernetzte Systeme

Der Transformationsprozess verläuft nicht linear, impulsive Schübe sind in der Regel genauso wenig absehbar wie Phasen, in denen Angebote stockend wahrgenommen werden. Parallel verändern sich die Ansprüche der Konsumenten rasant. Digitale Anlaufpunkte allein gelten nicht mehr als zeitgemäß. Entscheidend wird immer mehr die Einbettung in ein digitales Ökosystem, das es erleichtert, verschiedene zusammenhängende Vorhaben verknüpft zu erledigen. Für Kreditinstitute heißt das im ersten Schritt, dass zunächst die Bündelung aller Konten am gleichen Ort von zentraler Bedeutung ist. Ob Girokonto, Kreditkarte, Bausparkassenvertrag oder Online-Bezahlverfahren - alles muss zusammen sichtbar sein.

Perspektivisch schließt sich hier bereits der Wunsch nach einer Verknüpfung mit Möglichkeiten, die einen komfortablen Weg zu weiteren Besorgungen eröffnet, an - und damit bereits mittelfristig auch aus dem bisherigen Kosmos der Sparkasse hinaus.

Sparkassen brauchen daher einen neuen, zentralen Ort, über den sie nicht nur ihre Produkte und Dienstleistungen vorstellen und erklären können, sondern auch die Tür zu Angeboten anderer Dienstleister aufstoßen. Bankeigene Angebote werden dabei abgerundet durch den Zugang zu dritten Dienstleistern. Eine derartige Plattform muss den Kunden Auswahl, Mehrwert und Vertrauenswürdigkeit bieten, um nachhaltig angenommen zu werden. Doch letztlich kann das Verhältnis zwischen Banken und Kunden im digitalen Zeitalter nur auf einer solchen Basis neu gelebt werden.

Der Blick auf andere Branchen zeigt, mit welcher enormen Geschwindigkeit sich der Wandel in Richtung Plattformökonomie, die "Platformicfiation", durchsetzt. Bereits heute verkaufen etwa Fluggesellschaften viele Flüge nicht mehr direkt, sondern häufig über spezielle Fremd-Plattformen. Und selbst wenn die Bundesbürger ihr Verhalten in puncto Finanzgeschäften prinzipiell nur langsam ändern, so verläuft die Entwicklung zur Plattformwirtschaft auch in der Finanzbranche zügig. Es gilt deshalb, jetzt strategische Grundsatzentscheidungen zu treffen, damit sich Finanzinstitute als Betreiber und aktiver Gestalter der Plattformen an der Kundenschnittstelle positionieren können und nicht in eine Rolle der reinen Produktlieferanten fallen.

Kundenbeziehung als Drehscheibe

Es geht darum, die Kundenbeziehung als Dreh- und Angelpunkt für alle weiteren Aktivitäten zu etablieren und verschiedene Erlebniswelten der Kunden miteinander zu verbinden. Nicht Online-Banking und breite Informationen zu Finanz- und Versicherungsprodukten allein, sondern die Verbindung und der Durchgriff zu weiteren Dienstleistern schaffen den Mehrwert für Kunden. Die Vernetzungen zu erkennen und Wege zu schaffen von einem zum anderen Bedürfnis - das ist auch die Strategie der großen amerikanischen oder chinesischen Plattformanbieter. Die Sparkassen sind dabei, diese Gedanken auf ihre Welt zu übertragen.

Schon heute wünschen sich immer mehr Kunden weitere Dienste über das reine Banking hinaus, ob aus dem Finanz- und Versicherungsbereich oder jenseits davon auch aus anderen Lebensbereichen. Das können Übersichten und Durchgriffsmöglichkeiten zu Verträgen und laufenden Kosten, zum Beispiel für Strom, Telefon oder Gas sein.

Identifikation im Netz

Erstellen können Banken solche Übersichten seit 2018 einfacher denn je: Im Rahmen der Payment Services Directive 2 (PSD2) greifen sie dabei - das Einverständnis des Kontoinhabers vorausgesetzt - auf sämtliche Kontobewegungen zu, um entsprechende Abbuchungen zu identifizieren. Perspektivisch wird die Verknüpfung der verschiedenen Kundenkonten mit Zahlungsauslösung auf einer zentralen Plattform als verbindende Drehscheibe zum Alltag.

Ein weiterer Weg, die Lebenswelten miteinander zu verbinden, können Identifikationsdienste sein. Es geht darum, Daten aus einer bereits genutzten Anwendung, wie etwa das Sparkassen-Onlinebanking, an ein anderes digitales Angebot weiterzugeben, um den Nutzern redundante Eingaben persönlicher Angaben zu ersparen und diese gleichzeitig zu verifizieren. Die Sparkassen werden sich daher in Kürze auch öffnen, um ihre Daten mit anderen Anbietern zu teilen, wenn ihre Kunden das wünschen.

Sie erweitern ihr Angebot deshalb um den Identitäts- und Authentifizierungsdienst "YES". Im Fokus stehen derzeit Legitimationsdaten: Kunden können sich damit im Internet durch ihre Online-Banking-Daten identifizieren, ohne diese an den Anbieter übertragen zu müssen. Die Sparkasse garantiert die Identität für das anstehende Geschäft. Damit entsteht eine neuartige Win-win-Situation: Der Kunde weiß seine Daten bei der Sparkasse in Sicherheit und spart sich die Zeit zur Neueingabe, und der Händler kann auf die Garantie der Sparkasse vertrauen und die Sparkasse hat mit diesem Angebot einen weiteren Schritt zu Kundenbindung getan.

Weitere Optionen entstehen aus der "offline"-Kombination von Bankdienstleistungen mit regionalen Angeboten. Schon heute gibt es Sparkassen, die zum Beispiel die Immobilienfinanzierung mit der Vermittlung von passenden Objekten, im Geschäftsgebiet ansässigen Notaren, Architekten und Handwerkern im Paket anbieten. Aber auch wenn es darum geht, lokale Steuerberater zu vermitteln oder den Weg für die Organisation von Kinderbetreuung oder Senioren-Service zu ebnen - die Ausbaumöglichkeiten dürfen kreativ weitergedacht werden. Es gilt jetzt, solche Angebote in viele Richtungen auszubauen.

Dabei geht es immer darum, reale Kundenbedürfnisse vorausschauend zu erkennen und den Weg auch über den Tellerrand der Finanzwelt hinaus zu ebnen. Die Sparkasse kann sich zur Drehscheibe zwischen den Lebensbereichen ihrer Kunden entwickeln. Die Kundennähe der Sparkassen in ihrer Heimatregion bleibt so auf allen Ebenen auch weiterhin ihr Wesenskern.

Bewährte Positionierungen völlig neu denken

Die Plattformökonomie schickt sich an, die Finanzbranche zu revolutionieren. Die Digitalisierung und neue Geschäftsmodelle ermöglichen es heute zunehmend, die Kundenschnittstelle von den etablierten Finanzinstituten zu Fintechs und Technologieunternehmen zu verschieben. Auch regionale Kreditinstitute können von der technischen Entwicklung profitieren, wenn sie sich der Vernetzung öffnen. Es gilt also jetzt, bewährte Positionierungen neu zu denken.

Die Sparkassen können deutlich punkten, wenn es ihnen gelingt, ihre persönliche Nähe auszuspielen und dabei regional und digital zu verzahnen.

Dr. Ulrich Netzer

Präsident, Sparkassenverband Bayern, München

Dr. Ulrich Netzer , Präsident, Sparkassenverband Bayern, München
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