Von der Riester-Rente zur Zulagen-Rente - Evolution in der privaten Altersvorsorge

Wolfram Erling, Foto: Union Investment

Über die Wirksamkeit der Riester-Rente ist in den vergangenen Jahren kontrovers debattiert worden. Fondsbranche, Verbraucherschützer und Medien kamen oft zu höchst unterschiedlichen Ansichten darüber, ob und für wen das Instrument sich lohnt. Mit Blick auf das im Koalitionsvertrag angekündigte Vorhaben der Bundesregierung, die Entwicklung eines attraktiven standardisierten Riester-Produktes vorantreiben zu wollen, stellt die Branche einen Vorschlag zur Diskussion, der den Kreis der Berechtigten ausweiten, bürokratische Hindernisse abbauen, die Fördersystematik vereinfachen und die Höhe des Förderrahmens anpassen soll. Zu den Elementen des Vorschlags rechnet der Autor auch einen Kinderzuschlag. (Red.)

Die Riester-Rente gibt es nun schon seit 17 Jahren und somit steht sie kurz vor ihrer Volljährigkeit. Es ist also höchste Zeit, vor dem Hintergrund der aktuell kontroversen Diskussion eine Bilanz zu ziehen und zu prüfen, was nach wie vor gut ist und was verbessert werden sollte. Konsens in der Diskussion um die Aufstellung der Versorgung ist, dass die jüngeren Generationen aus dem umlagefinanzierten System lediglich noch eine Grundversorgung erhalten und die Lücke durch eine zusätzliche Altersvorsorge gefüllt werden muss. Dieses Ziel hat die 2002 eingeführte Riester-Rente bisher gut erreicht. Denn für eine freiwillige kapitalgedeckte Altersversorgung ist die Verbreitung mit rund 16,6 Millionen Verträgen und somit einer Verbreitung bei derzeit rund 44 Prozent der Förderberechtigen sehr beachtlich.

Doch aus verschiedenen, teilweise unberechtigten Gründen geriet diese Vorsorgemöglichkeit in Verruf. Dazu kam das Niedrigzinsumfeld, was insbesondere rentenlastige Angebote in Schwierigkeiten brachte. Das Resultat ist, dass die Verbreitung der Riester-Rente in Summe stagniert und die Menschen nicht mehr wissen, ob sie sich lohnt.

Stagnierende Verbreitung

Entsprechend hat die aktuelle Regierung gehandelt und im Koalitionsvertrag die Entwicklung eines attraktiven standardisierten Riester-Produkts vereinbart. Damit soll die private Vorsorge gestärkt und der Riester-Rente zu neuem Schwung verholfen werden. Dazu ist jedoch gar kein neues Produkt notwendig. Denn die bestehenden Riester-Produkte sind bereits standardisiert. Ihre Ausgestaltung ist durch das Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz und das Einkommensteuergesetz geregelt. Da diese Vorschriften allerdings sehr komplex sind, werden die Angebote als nicht standardisiert wahrgenommen. Aus diesem Grund hat Union Investment in Abstimmung mit dem Bundesverband Investment und Asset Management (BVI) nachfolgende Vorschläge für eine Evolution der bestehenden Riester-Rente hin zu einer Zulagen-Rente entwickelt, die auf vier Forderungen basiert:

1) Erweiterung der Förderberechtigten

2) Entbürokratisierung der Förderung

3) Vereinfachung der Fördersystematik

4) Anpassung des Förderrahmens

Durch die Umsetzung der Forderungen würde sichergestellt, dass alle Sparer die volle Förderung erhalten, diese vollständig in die Altersvorsorge fließt und der administrative Aufwand für Staat, Bürger und Anbieter reduziert wird. So kann die Verbreitung der privaten Altersvorsorge erhöht und den bestehenden rentenpolitischen Herausforderungen begegnet werden.

Private Vorsorge für mehr Menschen

Aktuell ist der Kreis der Förderberechtigten begrenzt und berücksichtigt sich ändernde Erwerbsbiografien nicht ausreichend, von denen untere Einkommensgruppen verstärkt betroffen sind. So bedeutet beispielsweise der Wechsel aus einem rentenversicherungspflichtigen Angestelltenverhältnis hin zur Selbstständigkeit den Verlust der Förderberechtigung. Hier gilt es gegenzusteuern, um die Gefahr der Altersarmut zu reduzieren.

Entsprechend sollten zukünftig alle Bürgerinnen und Bürger einen Anspruch auf die staatliche Förderung und den Zugang zur Zulagen-Rente erhalten. Neben den rentenversicherungspflichtigen Angestellten und Beamten wären dann auch Freiberufler und (Solo-)Selbstständige in der Lage, einen geförderten privaten Altersvorsorgevertrag abzuschließen. Aber auch Ehe- beziehungsweise Lebenspartner ohne eigenes Einkommen hätten dann weiterhin einen Anspruch auf die Förderung.

Die Kriterien für den Erhalt der staatlichen Förderung wären dann nur noch die Zugehörigkeit zum Kreis der in Deutschland unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Personen und der Abschluss eines zertifizierten Vertrages.

Mit weniger Bürokratie mehr erreichen

Ein großer Kritikpunkt an der Riester-Rente ist der recht aufwendige und fehleranfällige Weg die Förderung zu erhalten. So muss der Sparer oder alternativ der Anbieter jedes Jahr einen Zulageantrag stellen. Bereits kleinere formale Fehler bei der Beantragung oder der Berechnung der Eigenbeiträge führen dabei regelmäßig zu einem Verlust oder der Kürzung der Zulagen. Eine spätere Korrektur durch die Sparer ist häufig nicht mehr möglich, denn die Prüfung, ob eine Berechtigung für den Erhalt der Zulage besteht, erfolgt aktuell erst im Nachhinein. Dieses Vorgehen ist mit einem hohen Verwaltungsaufwand beim Staat und bei den Anbietern verbunden. Außerdem bedeutet es Unsicherheit für die Riester-Sparer und erschwert damit die Verbreitung der Riester-Rente.

Diese Probleme können gelöst und der administrativen Aufwand stark vereinfacht werden, indem die gesamten Förderprozesse einschließlich Prüfprozesse für die einzelnen Sparer möglichst einfach erfolgen. Ein zentraler Ansprechpartner und Informationspunkt ist dabei ein wesentlicher Faktor. Dieser könnte beispielsweise über ein Zusammenspiel zwischen Finanzämtern und der Zentralen Zulagenstelle für Altersvermögen (ZfA) eingerichtet werden. Eine weitere Vereinfachung wäre die Abschaffung des jährlichen Zulage- beziehungsweise des Dauerzulageantrages. Auf Basis der bereits umfänglich vorliegenden Daten kann die Zulage jedes Jahr automatisch ohne erneuten Antrag gewährt werden. Zulagerückforderungen sind dann ausgeschlossen, da die Berechtigung und die Höhe der Zulage bereits bei der Gewährung der Förderung abschließend geprüft wurde.

Der letzte Punkt zur Vereinfachung ist die Abschaffung der Unterscheidung zwischen unmittelbar und mittelbar Förderberechtigen. Durch die Ausweitung des Kreises der Berechtigten auf alle unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Personen und die Umstellung der Förderung ist eine Differenzierung nicht mehr notwendig. Alle mittelbar Förderberechtigten werden weiterhin gefördert und den unmittelbar Förderberechtigten gleich gestellt.

Durch die Vereinfachung der Systematik mehr Menschen fördern

Bisher ist die Riester-Förderung an das sozialversicherungspflichtige Vorjahreseinkommen gebunden. Die Berechnung des individuellen Eigenbeitrags ist allerdings sehr komplex und dem Sparer nur schwer zu vermitteln, denn es spielt sowohl das sozialversicherungspflichtige Vorjahreseinkommen als auch die Zulage eine Rolle. Um die volle Förderung zu erhalten, müssen vier Prozent des Vorjahreseinkommens abzüglich der Zulagen eingezahlt werden. Diese Vorgehensweise ist sehr fehleranfällig und bedarf alleine aufgrund schwankender Jahreseinkommen einer jährlichen Prüfung mit entsprechend häufigen Anpassungen der Sparrate durch die Sparer.

Die Folge: Sehr viele Riester-Sparer zahlen heute weniger in ihren Vertrag ein als sie könnten. So lag die durchschnittliche Zulagenhöhe im Jahr 2014 nach Angaben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) bei lediglich 122 Euro und somit unterhalb der Grundzulage von 154 Euro. Ferner fließt ein Großteil der aktuellen staatlichen Förderung nicht direkt in die Altersvorsorge, sondern wird durch die Überweisung der gewährten Steuervorteile auf das Girokonto für den Konsum verfügbar. Das Ziel, über die Gewährung von Steuervorteilen die Altersvorsorge zu stärken, wird damit nicht erreicht.

Vor diesem Hintergrund ist eine starke Vereinfachung der gesamten Fördersystematik sinnvoll. Das zentrale Element dabei ist eine einkommensunabhängige prozentuale Zulagenförderung, bei der die strikte Einkommensabhängigkeit aufgehoben wird und der Sonderausgabenabzug entfällt. Gleichzeitig wird die gesamte Förderung direkt in den Altersvorsorgevertrag eingezahlt und steht dadurch im Alter zur Verfügung.

Die prozentuale Förderung sieht folgendermaßen aus: Jeder eingezahlte Euro wird mit 40 Cent Zulage gefördert. Die Förderung ist dabei allerdings auf einen Höchstbetrag begrenzt und es muss ein Mindesteigenbeitrag von 60 Euro eingezahlt werden (Abbildung 1).

Anreize für untere Einkommensgruppen

Um auch geringeren Einkommensgruppen Anreize für die erforderliche zusätzliche private Altersvorsorge zu bieten, werden diese stärker als bisher gefördert. Für Menschen mit einem Einkommen von unter 20 000 Euro reicht ein Mindesteigenbeitrag von 60 Euro im Jahr aus, um die volle Grundzulage in Höhe von 175 Euro zu erhalten. Ab einer jährlichen Sparrate von rund 438 Euro (437,50 Euro x 40 % = 175 Euro) profitieren diese Zulagen-Sparer dann ebenfalls von der prozentualen Förderung (Abbildung 2).

Ein weiterer Ansatz zu mehr Klarheit ist eine vom Eigenbeitrag unabhängige Kinderzulage, die zusätzlich zur prozentualen Zulage beziehungsweise der Grundzulage gewährt wird - sofern der Mindesteigenbeitrag von 60 Euro eingezahlt wurde. Um Familien stärker zu fördern und die Abwicklung zu vereinfachen, wird die Höhe der Kinderzulage auf 300 Euro vereinheitlicht und unabhängig vom Geburtsjahrgang des Kindes gezahlt. Die Prüfung der Berechtigung erfolgt, indem die Gewährung der Kinderzulage beispielsweise an den Kinderfreibetrag gekoppelt wird.

Durch die prozentuale Zulagenförderung mit der zusätzlichen Kinderzulage erhalten alle Zulagen-Sparer - anders als in der bestehenden Fördersystematik - immer die volle, ihnen zustehende Förderung. Zusätzlich wird die Altersvorsorge gestärkt, da die gesamte staatliche Förderung in den Vertrag fließt.

Bei Einführung der Riester-Rente im Jahr 2002 entsprach der jährliche Förderhöchstbetrag von 2 100 Euro vier Prozent der Beitragsbemessungsgrenze (BBG) der gesetzlichen Rentenversicherung. Seitdem ist der Betrag unverändert geblieben und wurde nicht an die Einkommensentwicklung angepasst. Um der Bedeutung der privaten kapitalgedeckten Altersvorsorge - auch im Vergleich zur betrieblichen Altersvorsorge - gerecht zu werden, sollte der Förderhöchstbetrag künftig an die BBG gekoppelt werden. Würde dies geschehen, stiege der Höchstbetrag von 2 100 Euro auf 3 048 Euro im Jahr 2017.

Anpassung des Förderrahmens

Welche positiven Auswirkungen dieser Schritt in Kombination mit der vorher beschriebenen einkommensunabhängigen prozentuale Zulagen-Förderung hat, zeigt folgende Berechnung:

Bliebe die Höchstgrenze bei den aktuell maximal 2 100 Euro, erhielte ein Sparer bei einer Förderquote von 40 Prozent und einer vollen Einzahlung Zulagen in Höhe von 840 Euro. Damit flössen dann insgesamt 2 940 Euro im Jahr in den Vertrag zur Altersvorsorge. Bei der vorgeschlagenen Anpassung der Förderhöchstgrenze auf vier Prozent der aktuellen BBG würden Einzahlungen des Kunden in Höhe von 3 048 Euro gefördert. Durch die Zulagen von 1 219,20 Euro würden somit 4 267,20 Euro zur Altersvorsorge angelegt. Mögliche Kinderzulagen würden diese Beträge noch erhöhen.

Die Evolution der Riester-Rente zu einer standardisierten Zulagen-Rente ist mit der Umsetzung der vier vorgestellten Forderungen möglich. Über eine Ausweitung der Förderberechtigten, die Entbürokratisierung und Vereinfachung der Fördersystematik werden die Eintrittsbarrieren in die zusätzliche private Altersvorsorge signifikant gesenkt und der Verbreitungsgrad erhöht. Die Anpassung des Förderrahmens stärkt die Wirksamkeit zusätzlich. Somit werden die Anforderungen der Politik an ein einfaches und standardisiertes Altersvorsorgeprodukt mit der Zulagen-Rente erfüllt, das die private Altersvorsorge vereinfacht und sie nachhaltig zukunftstauglich macht.

Wolfram Erling Leiter Zukunftsvorsorge, Union Investment, Frankfurt am Main
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