Robotic Process Automation: Modeerscheinung oder sinnvolle Technologie?

Tadeusz Skolka, Foto: PPI AG

Dass der Einsatz von IT-Technik neben vielen anderen Branchen mehr und mehr auch die Kreditwirtschaft beeinflussen würde, ist gewiss keine Überraschung. Insbesondere nach der jüngsten Finanzkrise mit immer stärkeren Anforderungen an die Regulierung, mit dem Aufkommen von Fintechs sowie massiven Investitionen in die Digitalisierung hat sich dieser Trend in den vergangenen Jahren allerdings beschleunigt. Die Branche wird in Teilbereichen von großen IT-Unternehmen in ihren klassischen Geschäftsfeldern bedrängt und prüft und probt, welche Technologien sich für den Praxiseinsatz eignen, angefangen von der Möglichkeit zum Einsatz von Verfahren der Künstlichen Intelligenz bis hin zur Blockchain. Der Autor erläutert aktuelle Robotics-Trends, untersucht kurz den Markt der RPA-Anbieter und weist auf die möglichen Vorteile und Nachteile der Verwendung der RPA-Software bei Finanzinstituten hin. Trotz einer rasant anmutenden Steigerung der Prozessautomatisierung sieht er die Entwicklung eher noch am Anfang. (Red.)

In Industrieunternehmen hat Robotics bereits vor mehreren Dekaden einen erfolgreichen Einzug siegreich vollzogen. Die Bilder der Hallen mit Robotern, die Fahrzeuge bei allen namhaften Automobilfirmen herstellen, wurden häufig als Zeichen des Fortschritts in populärer Presse publiziert. Nun haben seit wenigen Jahren auch Wirtschafszweige, die sich vorrangig mit immateriellen Gütern beschäftigen, allen voran die Finanzindustrie, die Möglichkeiten der Prozessautomatisierung durch den Einsatz spezieller RPA-Software (RPA: Robotic Process Automation) für sich erkannt.

Vier wesentliche Trends

Die Robotics-Trends auf dem Markt lassen sich aktuell in vier wesentliche Automationstechnologien clustern: Cognitive Automation, Digital Assistants, Autonomous Agents, Robotic Process Automation.

Die Nutzung von Cognitive Automation hat sich bereits in den vergangenen zwanzig Jahren in vielen Finanzinstituten, vor allem in der Spracherkennung in Mobile- und Online-Banking und in der Analyse von Big Data, etabliert.

Sogenannte Digital Assistants ergänzen vorwiegend die Kommunikation mit Kunden, zum Beispiel helfen sie alltägliche Fragen ohne Wartezeiten zu beantworten und stehen vor allem auch außerhalb der betrieblichen Öffnungszeiten zur Verfügung. Sie profitieren bei komplexerer Kommunikation von Errungenschaften der Künstlichen Intelligenz. Auf Wunsch des Kunden führen sie passende Aufgaben (zum Beispiel Kontoeröffnung, Kreditantrag) in relevanten betrieblichen IT-Systemen durch.

Autonomous Agents führen im Auftrag des Nutzers diverse Aktionen ohne seinen weiteren Einfluss aus. Sie warten meist auf einen Wert oder ein Signal, um eine beziehungsweise mehrere Arbeitsschritte sequenziell oder parallel abzuarbeiten. Beispielsweise kommen sie in Hochfrequenz-Handelssystemen zum Tragen, vor allem im FX-Trading, um bei der Feststellung vordefinierter Konstellationen der Marktparameter potenzielle Gewinne innerhalb kürzester Zeitspannen durch Kauf und Verkauf einer Währung zu erwirtschaften. Im Internet werden bereits seit vielen Jahren diverse Aufgaben über Autonomous Agents, auch bekannt als Bots, erfolgreich realisiert.

Ein Beispiel sind sogenannte Web Crawlers, die die Inhalte der Webseiten auswerten. Sie kommen etwa in Suchmaschinen zum Einsatz, die hinsichtlich erreichbarer Webseiten fortlaufend auf den neuesten Stand gebracht werden müssen. Hingegen können "Bösartige" Bots E-Mail-Adressen zu Marketing-Zwecken sammeln oder prüfen, ob sich auf Webseiten Schwachstellen für einen eventuellen Hackerangriff identifizieren lassen. An Popularität gewonnen hat im Besonderen der Chat bot, ein Bot, der mithilfe von Algorithmen aus der natürlicher Sprachverarbeitung (meist in schriftlicher Form) versucht, menschliche Kommunikation nachzuahmen und sich demnach mit einem Kunden bezüglich eines bestimmten Anliegens unterhalten kann. Das Ziel ist eine präzise Versorgung des Kunden mit den benötigten Informationen zu einem Produkt oder einer Dienstleistung.

Effizienzgewinn

Robotic Process Automation (RPA) hat zum Ziel, die bestehenden beziehungsweise neuen manuellen Prozesse eines Unternehmens zu automatisieren. Sie eignet sich hervorragend für die Automatisierung der Bedienung der Dialoge über mehrere IT-Anwendungen, die für gewöhnlich viele Eingriffe durch Mitarbeiter erfordern, jedoch von Computern viel effizienter als von Menschen erledigt werden können. Auch hier kommen gelegentlich Erkenntnisse und Technologien aus der Künstlichen Intelligenz zum Einsatz, um komplexere Aufgaben unter Einbeziehung diverser Entscheidungsparameter erfolgreich zu bewältigen.

Das Ergebnis einer RPA-Umsetzung ist eine Softwareanwendung, welche ebenfalls mit der Standardbezeichnung "Bot" bezeichnet wird, um die neuartige Technologie der Software zu unterstreichen. Es wird dabei zwischen Attended und Unattended Bots unterschieden. Attended Bots sind Bots, die eine Interaktion zwischen Mensch und Software zulassen beziehungsweise benötigen. Sie werden in der Literatur auch durch den Begriff Robotic Desktop Automation (RDA) bezeichnet. Unattended Bots als "reine" RPA führen hingegen Aufgaben ohne die Mitwirkung von Menschen aus. Die Unterschiede zwischen RDA (attended) und RPA (unattended) werden in der Abbildung 1 detailliert dargestellt.

Einsatzmöglichkeiten

Seit wenigen Jahren entdecken viele Unternehmen der Finanzbranche die Vorteile von RPA am häufigsten im Umfeld der sich wiederholenden manuellen Aufgaben bei IT-Anwendungen. Die Natur dieser Aufgaben ergibt sich vorwiegend aus mangelnder Integration der technischen Umgebung, in der fehlende automatisierte Schnittstellen durch manuelle Eingaben in diversen Systemen überbrückt werden müssen. In diesem Umfeld stechen drei Anwendungsbereiche des RPA besonders deutlich hervor:

- Informationszusammenstellung: So werden zum Beispiel diverse Listen in verschiedenen Formaten anhand der Daten aus mehreren Systemen zusammengestellt. Diese Listen stellen häufig die Grundlage für weitere (zum Teil auch manuelle) Aktionen dar.

- Datenprüfung/-aktualisierung: Beispielsweise werden Stammdaten der Kunden (etwa Adresse, Geburtstag, Kreditwürdigkeit) periodisch beziehungsweise auf Anlass überprüft und gegebenenfalls aktualisiert. Dies kann periodisch en bloc beziehungsweise direkt bei der Erfassung der relevanten Daten geschehen.

- Datenbereinigung: Die gleichen Daten werden häufig redundant in diversen Systemen gehalten. Daraus kann sich das Problem der mangelnden Datenkonsistenz ergeben. So kommt es in verschiedenen IT-Systemen zu Differenzen von Kundenadressen, die sich aufgrund fehlerhafter manueller Erfassungen beziehungsweise notwendiger Änderungen etwa wegen Umfirmierung, Firmenerweiterung, -schrumpfung, -übernahme ergeben.

Neben der Automatisierung manueller Vorgänge steigt die Anzahl der Beispiele des RPA Einsatzes für die Bewältigung höherwertiger Aufgaben. In der Versicherungswirtschaft unterstützen Bots jede Phase des Verkaufstrichters: von der Generierung der potenziellen Verkaufs-Leads bis hin zur Erstellung eines Produktangebots im Rahmen des Cross-Sellings für bestehende Kundenbeziehungen. Auch wird die RPA-Technik zur Überprüfung der Kreditwürdigkeit neuer Kunden vor der Kreditgewährung oder zur Betrugserkennung nach Ad-hoc-Kriterien erfolgreich eingesetzt.

Prozessverbesserung

Wer erinnert sich nicht an Business Process Reengineering, den Renner der 90er, dessen primäres Ziel darin bestand, die geschichtlich verwachsenen, ineffizienten Prozesse auf das ökonomisch sinnvolle Maß zurechtzuscheiden. Nicht immer waren damals die Ergebnisse der Reengineering-Projekte zufriedenstellend, jedoch wurde seitdem das Vorhaben der Prozessoptimierung ein fester Baustein vieler Projekte im Umfeld der Finanzinstitute.

Nicht anders ist es im Falle der RPA-Einführung: Für einen sinnvollen Einsatz von RPA ist eine Optimierung der relevanten Prozesse eine unentbehrliche Voraussetzung. Eine generelle Automatisierung des Prozess-Status-quo ist kein sinnvolles Unterfangen, zumal dadurch die bestehenden Prozessineffizienzen durch RPA für unabsehbare Zeit eingefroren werden würden.

Die Entwicklung der Bots erfolgt generell in Stufen oder Phasen. Zur Erreichung der höchsten Effizienz empfiehlt es sich, zunächst die wichtigsten Funktionen der zu automatisierenden Prozesse umzusetzen und in den laufenden Betrieb zu übernehmen. Es geht dabei darum, im Sinne der "Quick Wins" eine kurzfristige Effizienzsteigerung aus der Modellierung der ausgewählten wichtigsten Funktionen zu erreichen und gleichzeitig aus der produktiven Arbeit des Bots Schlussfolgerungen für weitere Verbesserungen zu ziehen. Dies hat auch eine positive psychologische Wirkung im gegebenen fachlichen Bereich. Die Mitarbeiter sehen direkt die Auswirkung der Prozessverbesserungen und der Arbeitsentlastung in der täglichen Arbeit und lernen so die Vorteile der Zusammenarbeit mit Bots schätzen. Anschließend kommen weitere Phasen im Leben eines Bots, in denen komplexere und aufwendigere Funktionalitäten auf Basis der Erfahrungen aus der ersten Phase modelliert werden.

Gründliche Dokumentation

Im Laufe der Prozessanalyse werden gewöhnlich diverse Verbesserungspotenziale identifiziert. Es handelt sich dabei einerseits um Prozessverbesserungen, die für das Funktionieren eines Bots in der ersten Phase unbedingt erforderlich sind. Andererseits geht es um Verbesserungen, die dem relevanten Prozess zwar ökonomische Effizienz verleihen, deren Modellierung aber aufgrund der Komplexität und des Aufwands in die weiteren Phasen verschoben wird.

Die Übernahme eines Kreditantrages aus einem Excel-Sheet in eine Kredit-Anwendung kann zum Beispiel nur teilweise automatisiert werden, weil beim Befüllen der Bildschirmmasken Entscheidungen anhand der Daten getroffen werden müssen, die im Excel-Sheet nicht vorhanden sind. Eine entsprechende Ergänzung des Excel Sheets (und damit die Veränderung des Erfassungsprozesses in den Filialen) um die für die Entscheidungen relevanten Attribute kann eine effiziente Automatisierung des ganzen Prozesses gewährleisten.

Es ist besonders wichtig, alle Verbesserungspotenziale, die sich in der ersten Modellierungsphase nicht direkt umsetzen lassen, gründlich zu dokumentieren, um ihre Umsetzung in späteren Phasen der RPA-Modellierung realisieren zu können. Dies wird so gehandhabt, da die anfängliche Analyse für die erste Phase einer Robot-Umsetzung immer viel umfangreicher ist als spätere Analysen für weitere Phasen. Die Erkenntnisse aus der Erstellung der fachlichen Dokumentation der Automatisierung (sogenannte Klickstrecken1) ) in der ersten Phase haben meist eine ausreichende Tiefe für viele weitere Entwicklungsphasen des gleichen Bots. Wenn der Grundsatz der Modellierung in sinnvollen Phasen nicht eingehalten wird, tendieren RPA-Teams dazu unverhältnismäßig viel Zeit mit dem Lösen komplexer technischer Probleme zu verbringen, die jedoch nur einen geringen betriebswirtschaftlichen Nutzen ergeben. Es ist die Aufgabe des Projektleiters darauf zu achten, dass ein sinnvolles Verhältnis zwischen dem betriebswirtschaftlichen Nutzen und den eingesetzten technischen Lösungen und IT-Architekturen besteht.

Der klare Vorteil beim Einsatz der RPA-Technologie und der Automatisierung von manuellen Vorgängen mit RPA Systemen besteht in der Geschwindigkeit der Analyse, Umsetzung und Produktionsübernahme der Bots in die Infrastruktur des Unternehmens. Eine vorsichtige Schätzung 2) beziffert die durchschnittliche Zeitreduktion im Vergleich zu Standard-IT auf zirka 60 bis 80 Prozent. Voraussetzung dafür ist die Behandlung von Bots und ihrer weiteren Updates als System-Changes und nicht als Release-Änderung. Die Grenzen der Umsetzung werden typischerweise durch die eingesetzte RPA Software, ihrer Stärken und Schwächen, der Prozesskomplexität und der bestehenden IT Governance definiert.

Die RPA-Technik trat vor zirka sieben Jahren erst stärker in der Öffentlichkeit auf, obwohl es bereits RPA-Systeme mit einer viel weiter zurückliegenden Vorgeschichte gab. Die Wahrnehmung der RPA-Möglichkeiten war vor allem erst mit den ersten umfassenden Berichten über das RPA-Potenzial und der Systematisierung von technologischen RPA Ansätzen zuerst in den USA rapide gestiegen.

Die aktuelle RPA Technik profitiert von den Erkenntnissen aus Test Automation, Machine Learning3) , Natural Language Processing4) , Augmented Reality5) und Computer Vision6) . Viele der neuen methodischen Ansätze wurden allerdings noch nicht vollständig in RPA Systeme integriert und werden erst in den kommenden RPA-Systemversionen verfügbar. In der einfachen Form unterteilt sich die Software in zwei Bestandteile: RPA-Verwaltungssystem7) und einzelne Bots, die unterschiedliche Aufgaben erfüllen. Das Verwaltungssystem hat die Aufgabe die Bots zu steuern, zu definierten Uhrzeiten Bots zu starten, zu pausieren und zu stoppen. Darüber hinaus liefert das RPA-Verwaltungssystem eine Dokumentation der statistischen Ergebnisse (zum Beispiel Anzahl der Bot-Aufrufe, Anzahl der erstellten Listen, Anzahl der Bot-Abbrüche) aus der Arbeit des Bots und notiert alle Verarbeitungsfehler inklusive Screenshots. Zu den bekanntesten RPA-Systemen8) im Umfeld der Finanzunternehmen gehören: Ui-Path, Blue Prism, Work-Fusion.

Umsetzungskapazität kein Engpass mehr

Im Umfeld der deutschen Finanzindustrie wird aktuell Ui Path häufiger als andere Systeme eingesetzt. Laut HFS-Research war der Softwarehersteller in den letzten Jahren beim Aufbau von Kooperationen mit Beratungsunternehmen besonders erfolgreich. Folglich sind aktuell technische Ressourcen und Beratungskompetenz für die Realisierung von Modellierungsprojekten in einem relativ guten Umfang verfügbar. Noch vor zwei bis drei Jahren war das RPA-Thema noch nicht im Markt fest etabliert und daher war die Umsetzungskapazität eher der Engpass. Projekte konnten dementsprechend häufig nicht erfolgreich besetzt werden.

Übrigens hören die Systemanbieter nicht damit auf, die Leichtigkeit der Bedienung ihrer RPA-Systeme anzupreisen. Sie bieten Schulungen an, die ein potenzieller RPA-Modellierer innerhalb weniger Wochen mit einem Zertifikat über das Internet absolvieren kann. Theoretisch könnten die Mitarbeiter der fachlichen Abteilungen die Automatisierung der Prozesse in eigenen Bereichen selbst vorantreiben, ohne dabei von den IT-Abteilungen abhängig zu sein.

Diese Ansprüche dürften aber nur mit Vorsicht genossen werden. Die Praxis zeigt zwar, dass es durchaus einfache Bestandteile der grafischen Modellierung in RPA-Systemen gibt, die jeder fachlicher Mitarbeiter ohne Mühe erlernen kann. Ohne spezielles Know-how des Programmierens kann jedoch bei der Anbindung der Bots an bestehende Schnittstellen, Web Services, Middleware, Datenbestände im Endeffekt keine sinnvolle und anspruchsvolle RPA-Automatisierung erreicht werden.

Konzeptionierung der Automatisierung

In der Vorbereitung einer Prozessautomatisierung werden drei wesentliche analytische Schritte benötigt: Prozessauswahl/Bedarfsanalyse, Prozessanpassungen und Klickstrecke(n). Die Ergebnisse der Vorbereitungsaktivitäten werden je nachdem, ob es sich um einen einzelnen Bot oder eine Architektur mit mehreren Bots handelt, in einem fachlichen Konzept9) beziehungsweise in mehreren separaten Dokumenten festgehalten.

Eine Prozessautomatisierung bedarf vor der Umsetzung einer ökonomischen Begründung in der Prozessauswahl-/Bedarfsanalyse, in der qualitative und quantitative Parameter vor- und nach der Prozessautomatisierung festgehalten werden, um so die Dimensionen der ökonomischen Vorteile der Automatisierung deutlich zu machen, unter anderem handelt es sich um die Prozesszeit, Ressourcenaufwände und Komplexitätsreduktion. Anhand der Erkenntnisse aus der Analyse wird entschieden, ob eine Prozessautomatisierung ökonomisch gesehen Sinn ergibt und beauftragt werden soll.

Der Vorschlag für diverse Prozessanpassungen spielt vor der eigentlichen Automatisierung eine nicht zu unterschätzende Rolle. In vielen Fällen wird festgestellt, dass sich eine RPA-Anwendung im Rahmen eines bestehenden manuellen Prozesses nicht effektiv realisieren lässt (zum Beispiel aufgrund des Fehlens wesentlicher Datenattribute, mangelnder Eindeutigkeit und fehleranfälliger Zuordenbarkeit der Daten). Die Anpassung der zu automatisierenden Prozesse kann für eine erfolgreiche RPA-Realisierung aus diesem Grund eine unabdingbare Voraussetzung sein. Die Potenziale für eine Prozessadjustierung lassen sich nach Erfahrungswerten in der Phase der Klickstreckenanalyse10) am besten erkennen.

An dieser Stelle muss zwischen Prozesskomponenten unterschieden werden, die nach der Optimierung mit RPA automatisiert werden, und denjenigen, die zwar nicht automatisiert werden, aber trotzdem eine Voraussetzung für das Funktionieren des Gesamtprozesses mit eingebetteten RPA-Ketten darstellen. Wichtig ist es, dass die Optimierung beider Arten der Prozesskomponenten noch vor dem eigentlichen Start der Umsetzung abgeschlossen wird.

Von Versuchen, Prozesse ohne eine detaillierte Erforschung von Klickfolgen im Vorfeld grob zu analysieren, wird abgeraten, da sie selten die für RPA notwendige Detaillierung erreichen und im Endergebnis in der Klickstreckenanalyse erneut angegangen werden müssen. Da die Prozessadjustierung vor der eigentlichen Automatisierung gelegentlich viel Zeit und Aufwand benötigen kann, empfiehlt es sich, die Prozessanalyse früh zeitig zu starten.

Die Dokumentation der manuellen Schritte (Ist-Zustand) erfolgt in einem Dokument mit den Eigenschaften eines Fachkonzeptes. Das Dokument trägt häufig die Bezeichnung "Klickstrecke" und dokumentiert manuelle Schritte über Systeme, die automatisiert werden sollen. Es wird gewöhnlich ein spezielles Template verwendet, in dem jeder einzelne Schritt (zum Beispiel ein Klick beziehungsweise eine Eingabe) dokumentiert wird. Außerdem wird die Situation vor dem Klick und nach dem Klick mit gegebenenfalls relevanten weitergehenden Erläuterungen hinsichtlich notwendiger Entscheidungskriterien detailliert beschrieben. Die Einzelschritte beim Screen Scraping, Zugriffe auf Daten, Datenspeicherung, -änderung und -löschung werden in der Dokumentation so dargestellt, dass der Modellierer anhand des Dokumentes den Prozess ohne weitere Inputs automatisieren kann.

Die Aufwände, die in der Vorbereitung der Umsetzung eines Durchschnittsbots11) anfallen, erreichen im Schnitt zirka 50 Prozent der gesamten Projektkosten. Die eigentliche technische Umsetzung kann nahezu um ein Drittel weniger kostenintensiv ausfallen, während der Test der RPA-Umsetzung im Gegensatz zu bekanntlich sehr aufwendigen Standard-IT-Tests keine wesentliche Kostenposition darstellt.

IT-Architektur

Im Umfeld der RPA unterscheidet man zwischen den IT-Architekturen für einzelne beziehungsweise für mehrere Bots. Ein Einzelbot kann beispielsweise Daten aus mehreren Systemen beziehungsweise Screens herauslesen, daraus eine Liste erstellen und sie in einem gegebenen Format in einem Laufwerkverzeichnis ablegen. Es erfolgt dabei keine Interaktion mit anderen Bots. Die einfache Handhabung des Einzelbots ist ein Vorteil, der durch die Geschwindigkeit der Umsetzung und Einfachheit der Tests noch mehr unterstrichen wird.

Die negative Seite der einfachen Einzelbot-Verwendung wird erst mit einer steigenden Anzahl von Bots in einer gegebenen IT-Umgebung sichtbar. Es entstehen viele Verzeichnisse auf Laufwerken mit diversen Arbeitsdaten, Löschvorgänge für nicht mehr benötigte Arbeitsergebnisse müssen konzipiert werden, für das Problem der Revisionsfähigkeit eine Lösung erarbeitet werden, die Regelung von Zugriffen auf Systeme und Bestände wird immer komplexer und die Sicherstellung der Nachvollziehbarkeit der Bot-Aktivitäten steigt mit der wachsenden Komplexität der Verarbeitung. Die IT Standardvorgänge wie Archivierung, Back up und Recovery müssen in jedem Einzelfall separat definiert und umgesetzt werden. Es wird klar, dass unterschiedliche einzelne Bots dieselben beziehungsweise sehr ähnliche Aktivitäten durchführen. Dies ist der späteste Zeitpunkt für die Planung einer gemeinsamen IT-Architektur für mehrere Bots, die dedizierte Bots für häufig anfallende Aufgabengruppen vorsieht und den IT Abläufen mehr Stabilität verleihen kann.

Die Anfälligkeit von Bot Architekturen wächst generell mit der steigenden Anzahl an Bots, die in einer IT-Architektur zusammenarbeiten müssen. Eine Verkomplizierung der Architektur, die dazu führt, dass Bots voneinander abhängig sind, kann sich im Extremfall zu einer technischen Unzulänglichkeit entwickeln. So wird zum Beispiel ein Bot, der ausschließlich mit der Pflege eines Systems beauftragt wurde und dafür Daten von anderen Bots erhält, häufig zu einem Flaschenhals der Bot-Datenverarbeitung, der die Verarbeitung in mehreren Prozessgliedern wesentlich verlangsamen kann. Dies schlägt sich wiederum in der schlechten Laufzeit der Bots und in der Anzahl der Abbrüche nieder (Abbildung 2).

Vorteile und Nachteile des RPA-Einsatzes

Eine Umfrage12) bestätigte, dass die Erwartungen beim Einsatz von RPA bei zirka 80 Prozent der Befragten erfüllt oder übertroffen wurden. Nach Horvath Partners sind die größten Herausforderungen beim Einsatz von Robotern zur Prozessautomation in den Widerständen der Mitarbeiter und in der Integration im Gesamtbetrieb zu sehen.13) Andere Beratungsunternehmen haben aus Robotics- Projekten andere Erkenntnisse gewonnen. Sie weisen darauf hin, dass im Umfeld der Finanzinstitute Probleme mit der Stabilität der Robotics Technologie gemeldet wurden.

In der Projektarbeit werden noch aufgrund der Neuheit der RPA-Technologie Fehler gemacht. Ferner ist es nicht einfach, die Anzahl der Roboter so zu skalieren, dass sie den fachlichen, den technischen und den regulatorischen Anforderungen eines Finanzdienstleisters genügen.14) Die Aufmerksamkeit wird im Normalfall auf die technischen Gegebenheiten, Effektivität der Umsetzung etc. gesetzt, während die Probleme des Managements der komplexen Prozessveränderungen gelegentlich unterschätzt werden.

Eine technische Anfälligkeit aller Bots besteht in der Abhängigkeit zu den Benutzerschnittstellen und Bildschirmdesigns der durch die Bots angesprochenen Systeme. Die Änderung der Benutzerschnittstelle/des Bildschirmdesigns führt automatisch zum Abbruch der Botverarbeitung, wenn der Bot nicht zum gleichen Zeitpunkt entsprechend angepasst wird. Eine Abhilfe dafür wird durch eine enge Abstimmung aller Änderungen relevanter Systeme zwischen dem Bot-Modellierer und der IT-Abteilung/Systembetreuer geschaffen. Dazu sollte es ein Verzeichnis aller Bots mit den im Zugriff befindlichen Systemen erstellt werden, das vor jeder Änderung der relevanten Systeme konsultiert wird. Die Basis für gut funktionierende RPA-Arbeit ist die durch Bots gemeinsam verwendete IT-Architektur. Hier sollte gelegentlich auf die Erfahrung der RPA-Berater zugegriffen werden, die solche Architekturen bereits entworfen und umgesetzt haben, um optimale Ansätze vom Beginn der Umsetzung anzupeilen.

Kostenreduzierung und Prozessbeschleunigung

Es ist zwar nicht zwingend Prozesse vor dem RPA-Einsatz zu optimieren, denn RPA-Projekte verfolgen nicht immer Prozessoptimierungsziele; der Fokus liegt häufig ausschließlich auf der Prozessautomatisierung. Im Ergebnis gehen damit aber potenzielle Effektivitätsverbesserungen bestehender schlechter Prozesse verloren. Daher wird in den Erfahrungsberichten aus RPA-Projekten ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Phase der Prozessanalyse und -optimierung ein wesentlicher Bestandteil aller RPA-Projekte sein muss.

Generell werden aber auf allen Unternehmensebenen viele positive Aspekte der Einführung von RPA bestätigt. Es geht dabei etwa um Arbeitserleichterung, Reduzierung der manuellen Vorgänge, kontinuierliche Verbesserung der Abläufe in vielen Abteilungen, Anregung einer prozessorientierten Sicht auf die Aufgaben. Viele dieser Vorteile münden quasi automatisch in einer Kosten- beziehungsweise Belastungsreduzierung der Personalressourcen und in einer wesentlichen Beschleunigung der Prozesse. RPA schafft heute einen neuen Modus Operandi für die Kommunikation und Integration vieler IT-Insellösungen und veralteter Systeme, wo die Entwicklung der Standardschnittstellen ökonomisch nicht plausibel wäre. Last, but not least ist die Höhe der Investitionen in die RPA-Technik bei Finanzinstituten im Vergleich mit zu vielen Standardsystemen im Durchschnitt entschieden günstiger.

Pflichtfächer jedes Finanzunternehmens

Generell stehen die meisten Unternehmen den Robotics-Trends positiv gegenüber. Laut einer aktuellen Umfrage von KPMG bestätigen 88 Prozent der teilnehmenden Banken (63 Prozent ja, 25 Prozent - eher ja) das Potenzial für die Anwendung von RPA, während bei 87 Prozent der Banken RPA Aktivitäten zu den drei wichtigsten Zielen (67 Prozent - Ziel 1, 13 Prozent - Ziel 2, 7 Prozent - Ziel 3) gehören.15)

Die RPA Technik und Ansätze zählen zu den Pflichtfächern jedes Finanzunternehmens. Durch den RPA-Ansatz kann ein Unternehmen seine prozessabhängige Kostensituation wesentlich optimieren. Umgekehrt führt die Nichtanwendung der RPA vor dem Hintergrund der RPA-effektiven Konkurrenz zu einer Kostensituation, die sich negativ in Preisen der Produkte und Leistungen gegenüber dem Wettbewerb sichtbar zeigen muss. Die meisten Unternehmen mit den ersten RPA-Erfahrungen erkennen diese Logik und schmieden bereits Pläne für umfangreichere RPA Einsätze, die in der Zukunft zu einer breiten integrierten unternehmensweiten Automatisierung auf der Basis von Künstlicher Intelligenz führen werden. Schlussendlich wird die künftige RPA statt zu einer Prozessoptimierung eher zu einer kompletten Neufindung 16) der betrieblichen Prozesse führen.

Es wird erwartet, dass die RPA-Technik den Outsourcing-Trend wesentlich reduzieren beziehungsweise sogar umkehren wird, da ihr Einsatz viele ressourcenintensive Aufgaben in der IT stark reduzieren wird und dadurch die Kosten17) der IT-Abteilungen wieder auf das verträgliche Maß zurückgebracht werden. RPA führt zu einer Verlängerung des Lebenszyklus der wichtigen Kernsysteme und schafft eine Basis zur Unterstützung der individuellen Ideen der einzelnen Abteilungen und Positionen.

Neue dauerhafte Abhängigkeiten für Betrieb und Wartung

Es ist gleichzeitig wichtig darauf hinzuweisen, dass RPA auch neue dauerhafte Abhängigkeiten für Betrieb und Wartung schafft. Für die Finanzdienstleister empfiehlt es sich, RPA Lösungen auf längere Sicht durch klassische Schnittstellen wieder abzulösen. Mit diesem Vorgehen werden kurzfristig die Vorteile erzielt und langfristig der Betrieb und die Wartung der Bots kleingehalten.

Gemessen am RPA-Potenzial ist die heutige Verwendung der RPA-Technik in deutschen Finanzunternehmen noch zu unwesentlich und zu fragmentarisch. Es gibt noch kaum Finanzdienstleister, die eine Automatisierung wichtigster Kernprozesse als Ganzes in Erwägung ziehen. Es fehlt auch das Verständnis des RPA-Transformationszyklus als Migration der einfachen RDA-Anwendungen und agiler RDA zur vollständigen RPA Umsetzung bis hin zur kontinuierlichen Transformation der automatisierten Prozesse. Laut HFS-Research wird künftig der Fokus von RPA Projekten verstärkt hin zur Analyse großer Datenmengen migrieren. Dies wird wiederum weitere Anreize für Prozesserweiterungen, - änderungen und Prozesskommunikation mit neuen IT-Systemen liefern.

Es darf erwartet werden, dass in der weiteren Entwicklung die Ansätze/Toolboxes der Künstlichen Intelligenz in den RPA-Systemen so weit integriert werden, dass eine weitere Steigerung der Prozessautomatisierung über alle Bereiche eines Unternehmens hinweg erreicht werden kann. Trotz des rasanten Wachstums ist RPA jedoch immer noch am Anfang der technischen Entwicklung. Gleichzeitig darf in den nächsten Jahren bereits eine erste Konsolidierung des RPA-Anbietermarktes mit einer klaren Positionierung der Anbieter in einzelnen branchenbezogenen Marktsegmenten erwartet werden.

Fußnoten

1) Ein Prozess aus einzelnen manuellen Schritten (sogenannten Klicks) in einer Anwendung

2) Schätzung der PPI AG auf der Basis abgeschlossener RPA-Projekte.

3) Wikipedia: "Maschinelles Lernen ist ein Oberbegriff für die "künstliche" Generierung von Wissen aus Erfahrung: Ein künstliches System lernt aus Beispielen und kann diese nach Beendigung der Lernphase verallgemeinern."

4) Wikipedia: "Natural Language Processing (NLP) versucht, natürliche Sprache zu erfassen und mithilfe von Regeln und Algorithmen computerbasiert zu verarbeiten."

5) Wikipedia: "Unter erweiterter Realität (auch englisch augmented reality, kurz AR, versteht man die computergestützte Erweiterung der Realitätswahrnehmung. Diese Information kann alle menschlichen Sinnesmodalitäten ansprechen. Häufig wird jedoch unter erweiterter Realität nur die visuelle Darstellung von Informationen verstanden, also die Ergänzung von Bildern oder Videos mit computergenerierten Zusatzinformationen oder virtuellen Objekten mittels Einblendung/Überlagerung."

6) Wikipedia: "Der Begriff Maschinelles Sehen oder Bildverstehen beschreibt im Allgemeinen die computergestützte Lösung von Aufgabenstellungen, die sich an den Fähigkeiten des menschlichen visuellen Systems orientieren."

7) auch Orchestrator genannt

8) Hier werden nur die in Deutschland bekanntesten Systeme angeführt. Es gibt aber noch zirka 30 weitere Firmen/Systeme im RPA-Bereich wie beispielsweise Kofax, Pega, Automation Anywhere, Ant-Works, Softomotive etc. Es gibt auch immer mehr Systemanbieter, die gerne Funktionen ihrer Systeme mit RPA Funktionalität ergänzen möchten, um so aus dem aktuellen Interesse an RPA profitieren zu können. In diesem Fall ist für potenzielle Abnehmer dieser Systeme Vorsicht geboten. Eine Analyse der Erfahrungen der Referenzkunden und die Einrichtung einer Pilotinstallation sind vor dem Abschluss einer Partnerschaft mit dem Systemanbieter dringend empfohlen.

9) Die technischen Details (IT-Architektur, Zugriffe auf Schnittstellen, Dateibeschreibungen, Aufrufe der Web-Services etc.) können im gleichen Dokument oder auch separat in einem weiteren technischen Dokument beschrieben werden.

10) Analyse der einzelnen manuellen zu automatisierenden Schritte

11) Je nach Einsatzbereich und technischer Komplexität der Bots können die tatsächlichen von den durchschnittlichen Aufwandsprozentzahlen in der Abbildung erheblich abweichen.

12) www.horvathpartners.com/es/media-center/studien

13) www.horvathpartners.com/es/media-center/studien

14) Die Skallierung der Roboter sollte im Betriebsmodell definiert werden.

15) Bankroboter machen kurzen Prozess - Thesen und Umfrageergebnisse, KPMG, 2019

16) Laut HFS-Research

17) Eine Umfrage von Accenture schätzt das Kostensenkungspotenzial von RPA auf nahezu 80 Prozent (http://info.convedo.com/eim-blog/die-vorteile-der-robotik-in-der-finanzindustrie-rpa).

Tadeusz Skolka Managing Consultant, PPI AG, Frankfurt am Main
Tadeusz Skolka , Managing Consultant, PPI AG, Frankfurt am Main

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