STS-Verifizierung als Instrument zur Qualitätssicherung für Verbriefungen

Prof. Dr. Michael Weller, Foto: Life Photo

Ob das zu Beginn dieses Jahres in Kraft getretene europäische Verbriefungsrahmenwerk ganz allgemein die Erwartungen der Politik erfüllen wird, kann in den kommenden Jahren erst der Umgang der Praxis mit dem neuen Regelwerk zeigen. Einen Impuls für die Assetklassen Auto-ABS und die Verbriefung privater Hypothekenkredite erhoffen sich die Autoren aber in jedem Falle von dem neu geschaffenen Qualitätssegment für sogenannte einfache, transparente und standardisierte Verbriefungen (STS-Verbriefungen). In Anlehnung an vergleichbare Usancen aus dem Industriebereich erläutern sie die Entstehungsgeschichte und die Aufgabenbereiche einer neuen privatwirtschaftlich organisierten Zertifizierungsstelle für die Qualitätsprüfung solcher STS-Verbriefungen, die inzwischen von der Aufsicht zugelassen und am Markt schon tätig geworden ist. Ihrem Tenor nach bewerten sie das Projekt als einen Baustein der europäischen Integration und der Vernetzung der europäischen Finanzmärkte. (Red.)

In Europas Wirtschaftsfinanzierung dominiert der Bankkredit. Dies wird auf absehbare Zeit auch so bleiben. Umso wichtiger ist es, zum einen Bankkredit und Kapitalmarkt enger miteinander zu vernetzen, zum anderen die europäischen Bank- und Kapitalmärkte stärker zu integrieren. Die EU hat die Herausforderung erkannt und schafft im Rahmen ihres Projektes Kapitalmarktunion die Voraussetzungen dafür. Ein stabiler, prosperierender Verbriefungsmarkt ist dafür unverzichtbar. Die Bereitstellung eines allgemeinen, sicheren Rechtsrahmens für Verbriefungen in Europa ist einer der wesentlichen Eckpfeiler der sich herausbildenden neuen europäischen Finanzmarktordnung.

Ein langer Weg

Bis dahin war es ein langer Weg. Viele Gespräche, Expertenanhörungen, Entwürfe und Stellungnahmen markierten den Weg bis zur Verabschiedung und Veröffentlichung der Verbriefungsverordnung Ende Dezember 2017 (Verordnung (EU) 2017/2402 vom 12. Dezember 2017). Und nach ihrer Fertigstellung ging es um die damit verbundenen Level-2- und -3-Regulierungen, die die Verordnung präzisieren und umsetzen sollen. Doch nun, ab dem 1. Januar 2019, sind die neuen Regeln umfassend anzuwenden.

Mit der neuen Verbriefungsverordnung werden die allgemeinen verbriefungsrelevanten Begriffe und Anforderungen für alle Verbriefungen europaweit einheitlich definiert. Darüber hinaus wird ein Qualitätssegment für sogenannte einfache, transparente und standardisierte - im englischen "simple, transparent, standardised" - STS-Verbriefungen geschaffen. Für die STS-Verbriefungen gelten einerseits besondere Anforderungen an Kreditvergabe, Transaktionsstruktur und Transparenz, andererseits erhalten sie auch Begünstigungen in der Eigenkapitalunterlegung.

Dazu wurden die anzuwendenden Regeln und Ansätze für die Risikogewichtung von Verbriefungspositionen bei Banken in ihrer Rolle als Originator oder Investor, wie sie innerhalb der Capital Requirement Regulation (CRR) bereits seit dem Jahre 2013 festgelegt sind, geändert und in STS- und Non-STS-Verbriefungen differenziert. Auch wurden die anzuwendenden Ansätze zur Ermittlung der Eigenkapitalunterlegung sowie deren Hierarchie neu definiert.

Ebenfalls neu ist, dass die neuen Verbriefungsregeln im Kern nicht nur für Banken gelten, sondern alle relevanten Akteure auf den europäischen Finanzmärkten sind davon betroffen. Das heißt, in die relevanten Regulierungen, insbesondere für Fonds und Versicherungen, werden entsprechende Verweise auf die Verbriefungsverordnung aufgenommen und ein Regelwerk für den gesamten Finanzmarkt geschaffen.

STS als Qualitätskennzeichen von Verbriefungen

Verbriefungen sind im Kern komplexe Produkte; die Schaffung eines STS-Rahmens dient daher der Standardisierung und Vergleichbarkeit einer ansonsten heterogenen Produktwelt. Um dies zu erreichen, gehen Verordnung und die damit verbundenen Level-2- und -3-Regulierungen, das heißt die von den Aufsichtsbehörden erarbeiteten und von der EU-Kommission erlassenen Technical Standards sowie die von den Aufsichtsbehörden vorgegebenen Richtlinien, notwendigerweise ins Detail. Insgesamt ergibt sich so ein umfangreiches, mehrere hundert Seiten umfassendes Regelwerk, das verstanden, angewandt und umgesetzt werden will.

Obgleich den jeweiligen Originatoren die primäre Verantwortung dafür zukommt, dass STS-Verbriefungen gegenüber der ESMA und dem Markt richtig deklariert werden und den Investoren die Verpflichtung obliegt, selbst eigene, detaillierte Prüfungen vorzunehmen und diese entsprechend zu dokumentieren, sieht der Gesetzgeber auch die Notwendigkeit, Originatoren, Sponsoren und Investoren bei ihrer Arbeit zusätzliche Sicherheit und Unterstützung zu geben.

Anlehnung an "notified bodies" in der Industrie

Erstmals folgt dabei die EU bei Finanzprodukten einem Ansatz, der in Europa für Industrieerzeugnisse seit Jahren erfolgreich Anwendung findet. Die EU regelt die Anforderungen an die in Europa hergestellten und vertriebenen Industrieerzeugnisse sehr detailliert. Die entsprechenden Vorgaben und Normen reichen von Kinderspielzeug über medizinische Geräte bis hin zu Atomkraftwerken. Immer steht die Sicherheit des Produkts für den jeweiligen Nutzer und für die Allgemeinheit im Vordergrund der Betrachtung.

Nun wäre es kaum möglich, die Einhaltung jener Tausenden von Normen durch europäische Behörden direkt kontrollieren zu lassen. Von daher hat die EU einen Rahmen für sogenannte "notified bodies", benannte Stellen, wie es im Deutschen heißt, geschaffen, die ihr bei dieser anspruchsvollen Arbeit helfen. Es sind privatwirtschaftlich organisierte, staatlich benannte und überwachte Prüfstellen, die die Konformität mit den Anforderungen der Regulierung bescheinigen. Nur in Ausnahmefällen - wie zum Beispiel bei Medikamenten - tritt noch eine staatliche Zulassungsbehörde hinzu.

Inzwischen gibt es in den Mitgliedsländern mehrere Hundert jener zugelassenen Zertifizierungsstellen, viele spezialisiert auf wenige Industrie- und andere Produkte, andere breiter aufgestellt. Sie werden jeweils von den Herstellern beauftragt, die zwischen den stattlich zugelassenen Stellen frei wählen können.

Die jeweils verantwortlichen nationalen Behörden sind für die Zulassung und Überwachung der benannten Stellen zuständig, was die effiziente und sichere Umsetzung staatlich gesetzter Normen gewährleistet.

Dieser Gedanke liegt auch Artikel 28 der Verbriefungsverordnung zugrunde, in dem es heißt, einem "Dritten wird von der zuständigen Behörde die Zulassung erteilt, zu bewerten, ob Verbriefungen die in den Artikeln .... festgelegten STS-Kriterien erfüllen". In den folgenden Absätzen des Artikels 28 werden die Anforderungen detailliert beschrieben und in einer ESMA Level-2-Regulierung (RTS on authorisation of firms providing STS verification services) noch einmal tiefer präzisiert.

Drittpartei-Verifizierung: bessere Erschließung des Potenzials

Obgleich im Gegensatz zu den industriellen Normen es dem Originator bei der STS-Erklärung freisteht, ob er eine zugelassene Verifizierungsstelle beauftragt, dürfte er regelmäßig auf diesen Service zurückgreifen. Denn eine Verifizierung unterstützt die Originatoren, Sponsoren und Investoren in ihrer Bewertung und wirkt allgemein vertrauensbildend auf die Märkte. Sie schafft darüber hinaus eine wichtige Instanz zwischen den Marktteilnehmern untereinander und trägt auch gegenüber den Aufsichtsbehörden zu einer sachgerechten Interpretation und konsistenten Anwendung der STS-Kriterien bei. Sie wirkt somit vertrauensbildend und marktstabilisierend und dient den übergeordneten Zielen der Kapitalmarktunion.

Die Drittpartei-Verifizierung leistet somit einen wichtigen Beitrag zu einer konsistenten, einheitlichen und korrekten Umsetzung der neuen Verbriefungsverordnung und der darin enthaltenen STS-Kriterien. Über das Zusammenwirken von Drittpartei-Verifizierungsstelle mit der Aufsicht und den relevanten Marktteilnehmern wird sichergestellt, dass die Interpretation und Anwendung der Kriterien sachgerecht und widerspruchsfrei stattfindet und damit dem zentralen Gedanken der neuen Verbriefungsverordnung gerecht wird. Somit trägt die Drittpartei-Verifizierung auch dazu bei, im Einklang mit den Zielsetzungen der EU-Kapitalmarktunion das große Potenzial des Finanzinstruments Verbriefung zukünftig noch weiter zu erschließen. Die Funktionsweise und Einbindung einer STS-Verifizierungsstelle im Rahmen einer Verbriefungstransaktion verdeutlicht Abbildung 1.

15 Jahre Erfahrung mit dem "Deutschen Verbriefungsstandard"

Für die True Sale International GmbH (TSI) war es von Anfang an klar, dass sie sich für die Schaffung einer unabhängigen Verifizierungsstelle gemäß Artikel 28 in Deutschland einsetzen wird, denn die TSI ist immer für hohe Qualität im Verbriefungsmarkt eingetreten. Ihre Qualitätsmarke Deutscher Verbriefungsstandard steht seit 2004 für Transparenz, den Ausschluss von risikoreichen Originateto-Distribute-Praktiken und Qualität in der Kreditvergabe sowie der Kreditbearbeitung. Die Trainings und Veranstaltungen haben den deutschen Verbriefungsmarkt geprägt.

Mit der Gründung der STS Verification International GmbH (SVI) im November 2018 ist die TSI jetzt einen folgerichtigen Schritt weiter gegangen und hat eine unabhängige, nunmehr aufsichtsrechtlich zugelassene Verifizierungsstelle geschaffen, die in Unabhängigkeit eine sachgerechte, rechtskonforme und konsistente Umsetzung des neuen Verbriefungsrechts gewährleistet. Um die vielfältigen Anforderungen an eine unabhängige STS-Verifizierungsstelle zu erfüllen hat die TSI als Gesellschafterin der SVI über die Satzung der neuen Gesellschaft sichergestellt, dass erstens alle wesentlichen, über den operativen Betrieb hinausgehenden Entscheidungen unter Genehmigungsvorbehalt des Aufsichtsrats stehen, und zweitens im Aufsichtsrat die unabhängigen Mitglieder im Konfliktfall über ein Doppelstimmrecht das entscheidende Votum behalten. Somit ist immer die Unabhängigkeit der Entscheidungsfindung in der SVI gegeben. Die Corporate Governance Struktur der SVI ist in Abbildung 2 dargestellt.

Am 7. März 2019 erhielt die SVI von der BaFin als zuständiger Behörde (NCA, national competent authority) als erste Institution in Europa die Zulassung als unabhängige Drittpartei-Verifizierungsstelle. Nach Monaten intensivster Vorbereitung hat die Gesellschaft damit ihre Arbeit offiziell aufgenommen.

Vorgehensweise bei der Verifizierung

Grundlage der Verifizierung durch die SVI ist das Verifizierungshandbuch, das die Verifizierungsmethodik dokumentiert und Bestandteil der Antragsunterlagen für die zuständige Aufsichtsbehörde war. Das Verifizierungshandbuch gibt der Geschäftsführung der SVI einen gewissen Ermessensspielraum, wie jedes einzelne STS-Kriterium in einer konkreten Transaktion überprüft wird; berücksichtigt werden unter anderem auch Erfahrungen aus Vorgängertransaktionen oder Marktüblichkeit (Vergleichstransaktionen). Mit Beauftragung durch einen Originator entscheidet und dokumentiert die Geschäftsführung die Verifizierungsmethodik und legt einen transaktionsspezifischen "Transaction Verification Catalogue" fest.

Konkret überprüft die SVI die einzelnen STS-Kriterien durch das Zusammenspiel der folgenden Verifizierungsmethoden:

- Regulatorisch: Vorliegen gesetzlicher Regelungen mit anerkannten Aufsichts-mechanismen (insbesondere bankaufsichtsrechtliche Aspekte)

- Rechtlich: Vorliegen vertraglicher Verpflichtungen gemäß Transaktions-dokumentation

- Due Diligence: Schriftliche Evidenz auf Basis von Daten und Tabellen, internen Handbüchern und Arbeitsanweisungen des Originators, schriftlichen Unterlagen von Due Diligence Präsentationen oder mündliche Evidenz durch Management beziehungsweise verantwortliche Fachabteilungen im Rahmen von Due Diligence Präsentationen durch den Originator oder Experteninterviews

- Daten: Überprüfung anhand von Vollerhebungen (relevante Grundgesamtheit), Überprüfung anhand von Stichproben

Im Rahmen eines Verifizierungsberichts fasst die SVI die Ergebnisse der Verifizierung zusammen und stellt diese dem Originator und den Investoren zur Verfügung.

Verbriefungsmarkt in Europa: aus verlängerter Winterpause erwacht

Die im November 2017 verabschiedete und seit dem 1. Januar 2019 anzuwendende neue Verbriefungsverordnung führte zunächst aufgrund von Verzögerungen in der Umsetzung der Level-II- und -III-Regulierungen sowie verbleibenden offenen Fragen zu Irritationen und Unsicherheiten bei vielen Marktteilnehmern. Dies erklärt, warum nach einem hervorragenden Jahr 2018 der Neuemissionsmarkt für Verbriefungen in Europa im Januar und Februar 2019 zunächst quasi zum Erliegen kam.

Inzwischen jedoch ist das Eis gebrochen. Die Volkswagen Leasing GmbH hat mit ihrer Verbriefungstransaktion VCL 28 die erste Verbriefung nach neuem Recht begeben und diese durch die SVI verifizieren lassen. Als erste STS-Transaktion mit einem Volumen von rund 1 Milliarden Euro wurden die Anleihen bei Investoren äußerst erfolgreich platziert.

Viele weitere Transaktionen sind bei der SVI zwischenzeitlich beauftragt. Ähnliches hört man von PCS. PCS mit Sitz in UK und einer Tochtergesellschaft in Frankreich hat seine Zulassung als unabhängige STS-Verifizierungsstelle durch die englische Finanzmarktaufsicht FCA mittlerweile erhalten, Brexit-bedingt wurde zusätzlich eine Zulassung in Frankreich beantragt.

Somit ist die Erwartungshaltung begründet, dass der europäische Verbriefungsmarkt vor allem in den STS-relevanten Assetklassen Auto-ABS und RMBS (Verbriefung privater Hypothekenkredite) in den kommenden Jahren seinen Wachstumskurs fortsetzen wird.

Impulse für die europäischen Kapital- und Finanzmärkte

Wurden über die Jahre hinweg Verbriefungen in Europa von Politik, Regulatoren und politischer Öffentlichkeit recht stiefmütterlich behandelt, so zeichnet sich langsam aber sicher ab, dass im Zuge der europäischen Integration die Vernetzung der europäischen Finanzmärkte untereinander sowie die Verbindung von Bank- und Kapitalmärkten von entscheidender Bedeutung für die zukünftige wirtschaftliche Stabilität werden wird. Dies gilt insbesondere natürlich für Euroland.

Verbriefungen sind das adäquate Instrument um diese notwendige Integration der Märkte voranzubringen. So ist zu erwarten, dass die einstmals in Europa als hässliches Entlein angesehene Verbriefung sich unter STS Bedingungen in den stolzen Schwan verwandelt, der die europäischen Kapital- und Finanzmärkte beflügelt.

Prof. Dr. Michael Weller Vorsitzender des Aufsichtsrates, STS Verification International GmbH (SVI), Frankfurt am Main
Michael Osswald Geschäftsführer, STS Verification International GmbH (SVI), Frankfurt am Main

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