Sustainable Loans und Bonds - regulatorisches Umfeld und erste Praxiserfahrungen

Dr. Neil George Weiand, Foto: Linklaters

Die Einbeziehung von Nachhaltigkeitsaspekten in die Finanzierung solcher Transaktionen basiert bislang auf keinem festen rechtlichen Rahmen. Zuletzt gab es jedoch eine Reihe gesetzgeberische und aufsichtsrechtliche Initiativen in diesem Bereich. Die Autoren stellen daher in diesem Beitrag eine Reihe neuer Verordnungen vor, mit denen ESG-Kriterien in das europäische Finanzmarktrecht eingebaut werden sollen. Mit diesen sollen jedoch nicht nur die ESG-Faktoren harmonisiert werden, es soll auch das Risiko eines "Greenwashings" reduziert werden. Für Anlageberater bedeutet das künftig weiteren Aufwand. Sie müssen in Zukunft die ESG-Präferenzen ihrer Kunden erfassen und dem Kunden entsprechende Informationen zur Verfügung stellen. Für Kreditinstitute dürfte insbesondere die Privilegierung ESG-fördernder Investments bei der Eigenkapitalunterlegung vor allem eine Rolle spielen, die in der CRR II geregelt werden wird. (Red.)

Das Volumen von Finanzierungen, die ESG -Belange berücksichtigen, hat sich jüngst deutlich ausgeweitet. Dies gilt vor allem für die Anleihemärkte, zunehmend aber auch für den Kredit- und Schuldscheinmarkt. Mittlerweile finden sich sogar in Leasingverträgen ESG-Elemente.

Die Einbeziehung von ESG-Aspekten in diese Transaktionen beruht bislang nicht auf zwingenden rechtlichen Vorgaben. Vielmehr wurden Definitionen und leitende Prinzipien in der Praxis im Rahmen des für die jeweilige Finanzierungsform bestehenden zivilrechtlichen Regelwerks beziehungsweise Standards entwickelt. In jüngster Zeit sind jedoch - überwiegend auf europäischer Ebene - zahlreiche gesetzgeberische und aufsichtsbehördliche Initiativen auf den Weg gebracht worden, die in der Zukunft eine nicht unerhebliche Lenkungswirkung entfalten werden.

Politische Initiativen auf europäischer Ebene

Nach einem Überblick über diese aufsichtsrechtlichen Entwicklungen sollen in dem nachfolgenden Beitrag die derzeit gängigen Strukturen sowie deren Ausgestaltung kurz dargestellt werden.

Im Nachgang zu dem Pariser Klimaabkommen hat die Europäische Kommission mit ihrem Aktionsplan für ein nachhaltiges Finanzwesen die Initiative für eine ökologische Neuausrichtung des Finanzsektors in Europa ergriffen. Erklärtes Ziel der Kommission ist es, durch die Umgestaltung maßgeblicher Entscheidungsparameter privates Kapital in nachhaltige Investitionen zu lenken. Sie verfolgt damit eine Doppelstrategie: Einerseits soll eine ökologisch und sozial nachhaltige Wirtschaft finanziert werden, andererseits sollen die typischerweise langfristigen (ESG-)Risiken Eingang in die Risikoerwägungen von Finanzmarktteilnehmern finden.

Werden konkrete Parameter für eine nachhaltige Unternehmensführung des Emittenten beziehungsweise Kreditnehmers bislang von den Transaktionsbeteiligten definiert, hat die von der Kommission eingesetzte Expertengruppe (Technical Expert Group - TEG) einen "EU Green Bond Standard" vorgeschlagen. Im Zuge ihrer "Renewed Sustainable Finance Strategy", die die Kommission im dritten Quartal 2020 vorstellen will, ist mit Aussagen zu diesem Standard zu rechnen. Bis dahin wird zudem auf das Klassifizierungssystem (Taxonomie) für nachhaltige Anlagen zurückgegriffen werden können, auf dessen grundsätzliche Ausgestaltung sich das Europäische Parlament und der Rat mittlerweile verständigt haben. Die neue Strategie der Kommission knüpft an den Aktionsplan aus dem Jahr 2018 an und muss im Zusammenhang mit dem Investitionsprogramm des "European Green Deal" gesehen werden. Zusätzlich zu den angekündigten öffentlichen Investitionen sollen private Investoren für die Finanzierung des "Green Deal" mobilisiert werden. Die Entwicklung eines Marktes für "grüne" Finanzprodukte erhält damit auch politischen Vortrieb.

Marktbezogene Anforderungen

Das Maßnahmenpaket der Kommission umfasst im Kern vier Verordnungen, mit denen ESG-Kriterien in das europäische Finanzmarktrecht integriert werden sollen, nämlich die Taxonomie-Verordnung (Taxonomie-VO-E) , die Transparenz-Verordnung (Transparenz-VO) , die Änderungs-Verordnung der Benchmark-Verordnung (Benchmark-ÄnderungsVO) sowie die Änderungs-Verordnung (Del-VO-E) der Delegierten Verordnung der MiFID II (DelVO 2017/565). Durch die Taxonomie-VO-E werden schließlich die Anforderungen des nichtfinanziellen Lageberichts nach der sogenannten CSR-Richtlinie - in Deutschland umgesetzt in den §§ 289b ff. HGB - um zusätzliche Anforderungen erweitert.

Die Neuregelungen richten sich im Kern an alle Finanzmarktteilnehmer. Adressaten der Taxonomie-VO-E sind gemäß Art. 1 Nr. 2 Finanzmarktteilnehmer14) , die Finanzprodukte anbieten, und Unternehmen im Sinne der CSR-Richtlinie. Auch die Mitgliedstaaten sind erfasst, soweit diese Anforderungen in Bezug auf nachhaltige Finanzprodukte festlegen. Die Transparenz-VO richtet sich gemäß Art. 1 an alle Finanzmarktteilnehmer (Art. 2 Nr. 1) sowie an beaufsichtigte Unternehmen, die spezifische Formen der (Anlage-)Beratung anbieten oder erbringen ("Finanzberater"). Die Neuregelungen der Del-VO-E sind im Wesentlichen an Wertpapierfirmen als Adressaten der MiFiD II gerichtet, während die Änderungen der Benchmark-VO Administratoren, Kontributoren und Verwender betreffen.

Erstes Zwischenziel dieser Gesetzgebungsmaßnahmen ist eine Harmonisierung der ESG-Faktoren, letztlich eine Definition dessen, was für Zwecke der beabsichtigten Neuausrichtung als nachhaltige unternehmerische Tätigkeit angesehen wird. Damit soll ein praktisch handhabbares Verständnis von Nachhaltigkeit etabliert werden. Überdies soll einem sogenannten "Greenwashing" von Finanzprodukten vorgebeugt werden, also einer unzutreffend positiven Darstellung von Produkten mit Blick auf Nachhaltigkeitsgesichtspunkte.

Als "nachhaltige Investition" gilt gemäß Art. 3 Taxonomie-VO-E eine Finanzaktivität, die eines oder mehrere ESG-Ziele verfolgt, Umweltziele nicht erheblich beeinträchtigt und einen Mindestschutz gewährleistet. Die Taxonomie-VO-E verfolgt damit einen eher weiten Ansatz, welche Finanzprodukte als nachhaltig zu qualifizieren und wie diese konkret zu ermitteln sind. Im Wesentlichen dürfte die Taxonomie durch delegierte Rechtsakte der Kommission unter Mitwirkung der TEG konkretisiert werden.

Rechtlich nicht verbindliches Regelwerk

Der von der TEG vorgeschlagene EU Green Bond Standard sieht ein rechtlich nicht verbindliches Regelwerk für nachhaltige Anleihen (Green Bonds) vor, welches insbesondere eine Verknüpfung zur Taxonomie-VO-E herstellen soll. Die Erlöse aus solchen Anleihen sollten "nachhaltig" im Sinne der Verordnung eingesetzt werden. Zudem sind weitere Transparenzpflichten, wie eine nachgelagerte Berichterstattung und eine externe Überprüfung vorgesehen.

Ein zentrales Steuerungsinstrument bei der Ausrichtung des Finanzmarkts im Hinblick auf ESG-Faktoren sind Offenlegungspflichten.

So sieht die Transparenz-VO vor, dass Finanzmarktteilnehmer und Finanzberater auf ihrer Website Informationen zu den Strategien der Einbeziehung von Nachhaltigkeitsrisiken bei ihren Investitionsentscheidungen beziehungsweise bei ihrer Anlage- oder Versicherungsberatung veröffentlichen (Art. 3 Transparenz-VO). Zudem bestehen vorvertragliche Informations-27) und laufende Berichtspflichten über die Nachhaltigkeitswirkung eines Produkts (Art. 11 Transparenz-VO). Ergänzend sieht der Taxonomie-VO-E Offenlegungs- und laufende Berichtspflichten über die ökologischen und sozialen Merkmale eines Finanzprodukts vor.

Zusätzlicher Aufwand für Berater

Nachhaltigkeitsfaktoren sollen künftig eine gewichtigere Rolle im Rahmen der Kundenberatung durch Wertpapierfirmen spielen. Bereits heute besteht die Pflicht, etwaige Kundenwünsche nach einer "grünen Geldanlage" bei der Anlageberatung zu berücksichtigen. Diese Pflicht folgt aus § 64 WpHG und soll nunmehr durch die DelVO-E weitergehend spezifiziert werden.

Werden Anlageberatung oder Portfolioverwaltungsdienstleistungen erbracht, sollen künftig ESG-Faktoren im Zuge der Geeignetheitsbeurteilung und -erklärung einbezogen werden. Das bedeutet, dass zunächst mithilfe eines Fragebogens eine obligatorische Bewertung etwaiger ESG-Präferenzen der Kunden vorzunehmen ist und dem Kunden entsprechende Informationen zur Verfügung zu stellen sind. Sofern eine Anlageberatung erbracht wird, soll in der Beschreibung künftig aufgeführt werden, inwiefern ESG-Faktoren bei der Produktauswahl berücksichtigt wurden. Schließlich ist im Hinblick auf Privatkunden ein Bericht zu erstellen, der aufzeigen soll, wie die Anlageempfehlung mit den ESG-Präferenzen des Kunden korrespondiert. Außerdem ist vorgesehen, dass geeignete Strategien und Verfahren die Berücksichtigung etwaiger ESG-Präferenzen der Kunden gewährleisten (Art. 54 Abs. 9 DelVO-E).

Die Benchmark-VO normiert im Wesentlichen Anforderungen zur Sicherstellung der Genauigkeit von Indizes, die als Referenzwert bei Finanzinstrumenten, Finanzkontrakten oder zur Messung der Wertentwicklung eines Investmentfonds verwendet werden. Nachhaltigkeitsbenchmarks wiederum bilden aufgrund ihrer Zusammensetzung und Gewichtung spezifische ESG-Ziele ab.  Um die Vergleichbarkeit solcher Nachhaltigkeitsbenchmarks zu verbessern, insbesondere ein "Greenwashing" durch Administratoren , Kontributoren und Verwender zu verhindern, wurden mit der Benchmark-ÄnderungsVO Anforderungen im Hinblick auf zwei neue Referenzwert-Kategorien eingeführt.

Zum einen normiert der "EU-Referenzwert für den klimabedingten Wandel" Vorgaben für Benchmarks, deren Vermögenswerte so ausgewählt oder gewichtet werden, dass aus dem Referenzwert-Portfolio ein Dekarbonisierungseffekt resultiert (Art. 3 Abs. 1 Nr. 23a BenchmarkVO). Zum anderen werden als "Paris-abgestimmte EU-Referenzwerte" Benchmarks bezeichnet, die die Anforderungen an ein Referenz-Portfolio erfüllen, welches auf die Ziele des Pariser Klimaabkommens ausgerichtet ist, das also CO2-arme Vermögenswerte enthält (Art. 3 Abs. 1 Nr. 23b BenchmarkVO).

Durch einen delegierten Rechtsakt der Kommission sollen hierzu weitergehende Kriterien für die Auswahl beziehungsweise den Ausschluss der zugrunde liegenden Vermögenswerte sowie Kriterien und Methoden für deren Gewichtung festgelegt werden.

Eine direkte Lenkungswirkung hinsichtlich einer Neuausrichtung der Kapitalflüsse in nachhaltige Investments dürfte im Übrigen von aufsichtsrechtlichen Vorgaben zu erwarten sein, die unmittelbar an die Kapitalanlage von Versicherungen und Banken und vor allem an die Eigenmittelunterlegung entsprechender Investments anknüpfen. Erste, wenngleich noch nicht sehr konkrete Anforderungen sind diesbezüglich bereits formuliert worden.

Qualitative Anforderungen an Versicherungen und Pensionskassen

Die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (EIOPA) hat bereits 2015 die Empfehlung ausgesprochen, dass ein der Solvency-II-Regulierung unterliegendes Versicherungsunternehmen nicht nur die Sicherheit, Qualität, Liquidität und Rentabilität eines Investments, sondern auch dessen Nachhaltigkeit - ohne diesen Begriff näher zu erläutern - berücksichtigen solle. In einer Auslegungsentscheidung zur Behandlung von Infrastrukturinvestitionen im Rahmen des Grundsatzes der unternehmerischen Vorsicht hat die BaFin diese Formulierung dahingehend konkretisiert, dass sich Versicherungsunternehmen insoweit an den Prinzipien für verantwortungsvolles Investieren und den Prinzipien für nachhaltige Versicherungen der Vereinten Nationen orientieren könnten. Dies ist ebenfalls als Empfehlung formuliert - die Aufsicht spricht insoweit von "Good-Practice-Ansätzen", die den Unternehmen Orientierung geben sollen.

Eine erste gesetzliche Fixierung des Nachhaltigkeitsgedankens im Bereich der Kapitalanlage findet sich bislang nur im Kontext der für Pensionskassen geltenden Anforderungen. Diese sind mit der Umsetzung der EbAV-II-Richtlinie Anfang 2019 in deutsches Recht überführt worden.41) Gemäß § 234h Abs. 3 VAG können Pensionskassen bei ihren Anlageentscheidungen den möglichen langfristigen Auswirkungen auf ESG-Belange Rechnung tragen. Eine entsprechende Pflicht ergibt sich daraus wiederum nicht. Hingegen bestehen für Pensionskassen die aufsichtsbehördliche Berichtspflicht (§ 234i VAG), die Berichtspflicht über Vermögensanlagen (§ 239 VAG) und die Informationspflicht gegenüber Versorgungsanwärtern (§ 234m VAG), bei denen ESG-Faktoren Rechnung getragen werden müssen.

Eigenmittelentlastung für nachhaltige Investments

Aus Sicht investierender Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen können insbesondere Regelungen bedeutsam werden, die eine Privilegierung der aufsichtsrechtlichen Eigenkapitalunterlegung in Bezug auf ESG-fördernde Investments vorsehen: Diese Unternehmen müssten dann für eine Investition weniger regulatorisches Eigenkapital vorhalten, wodurch nachhaltige Kapitalanlagen entsprechend attraktiver würden.

Im Versicherungsbereich wurde 2015 eine entsprechende Privilegierung bezüglich Investitionen in qualifizierte Infra strukturzweckgesellschaften (vergleiche Art. 164a Solvency II-DelVO) und 2017 für Investitionen in qualifizierte Infrastrukturunternehmen im Sinne des Art. 164b Solvency II-DelVO eingeführt. Durch diese Änderungen müssen Equity- und Debt-Investments in die Infrastruktur - was grundsätzlich auch nachhaltige Investments umfassen kann - von Versicherern mit vergleichsweise weniger Eigenkapital unterlegt werden.

Im Bankenbereich wird mit der CRR II (Capital Requirements Regulation) eine spezifische Regelung für die Eigenkapitalunterlegung nachhaltiger Investitionen eingeführt. Hier wird der neue Art. 501a CRR II eine Privilegierung von Infrastrukturinvestitionen ermöglichen. Allerdings muss die Bank dokumentieren, dass sie eine Bewertung vorgenommen hat, ob die finanzierten Vermögenswerte zu definierten Umweltschutzzielen im Sinne des Art. 5 Taxonomie-VO-E beitragen. Weitergehende Regelungen hält die Europäische Bankenaufsichtsbehörde EBA für möglich. In ihrem Aktionsplan "Sustainable Finance" führt sie aus, dass sie evaluieren werde, ob eine spezifische aufsichtsrechtliche Behandlung von Exposures im Zusammenhang mit Vermögenswerten oder Aktivitäten, die im Wesentlichen mit ökologischen und/oder sozialen Zielen verbunden sind, gerechtfertigt wäre.

Bei der Ausgestaltung entsprechender Vorgaben wird zu berücksichtigen sein, dass regulatorische Eigenkapitalanforderungen zu den zentralen Steuerungsgrößen regulierter Unternehmen zählen. Auch wenn die grundsätzliche Zielsetzung, ESG-Kriterien bei der Vermögensanlage wirksam Geltung zu verschaffen, durchaus berechtigt ist, darf diese in keinem diametralen Widerspruch zu den immanenten Zielen der aufsichtsrechtlichen Eigenmittelanforderungen - Risikobegrenzung und Gläubigerschutz - stehen.

Empfehlungen der BaFin

Im Hinblick auf regulierte Kredit- und Finanzdienstleistungsunternehmen, Versicherer und Kapitalverwaltungsgesellschaften hat die BaFin in einem im Dezember 2019 veröffentlichten Merkblatt Empfehlungen zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken formuliert. Unter den Begriff "Nachhaltigkeitsrisiken" werden dabei Ereignisse oder Bedingungen aus den ESG-Bereichen gefasst, deren Eintreten tatsächlich oder potenziell negative Auswirkungen auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage sowie auf die Reputation eines beaufsichtigten Unternehmens haben können. Des Weiteren unterscheidet die BaFin zwischen physischen Risiken, die sich direkt oder indirekt etwa aus klimatischen Veränderungen wie Extremwetterereignissen ergeben können, und sogenannten Transitionsrisiken, die sich mittelbar auf die Unternehmen auswirken, zum Beispiel durch politische Maßnahmen zur Umstellung auf eine kohlenstoffarme Wirtschaft.4

Die Berechtigung zur Veröffentlichung dieses Merkblatts leitet die BaFin aus dem Umstand ab, dass im Ergebnis jegliche Risi ken, die einen negativen Einfluss auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage eines regulierten Unternehmens haben können, auf der Grundlage aufsichtsrechtlicher Risikomanagementanforderungen50) zu erfassen und zu steuern sind.

Ausgestaltung von nachhaltigen Darlehen und Anleihen

Da in diesem Merkblatt keine konkreten inhaltlichen Vorgaben formuliert werden, lässt sich die künftige Aufsichtspraxis der BaFin diesbezüglich schwerlich prognostizieren. Abzusehen ist jedoch, dass die Integration von Nachhaltigkeitsgesichtspunkten in das Risikomanagement Gegenstand der aufsichtsrechtlichen Bewertung durch die BaFin sein wird. Vor diesem Hintergrund werden sich regulierte Unternehmen mit ESG-Risiken befassen und dies dokumentieren müssen.51)

Der Markt orientiert sich hier an den "Green Loan Principles". Dieser Produktstandard wurde im Dezember 2018 von der Loan Market Association (LMA), der Asian Pacific Loan Market Association (APLMA) und der amerikanischen Loan Syndication and Trading Association (LSTA), unterstützt von der International Capital Markets Association (ICMA), veröffentlicht.52) Green Loans sind hiernach Darlehen, die ganz oder teilweise ausschließlich zur (Re-)Finanzierung neuer oder bestehender Umweltvorhaben verwandt werden und folgende Mindestkriterien erfüllen: Verwendung der Mittel für ein spezifisches Umweltvorhaben, geordnetes Verfahren bei der Bewertung und Auswahl dieses Vorhabens, geordnete Mittelverwendung sowie Informationsrechte der Gläubiger.

Diese Kriterien sind in der Darlehensdokumentation zu verankern. Bislang haben sich hierfür keine einheitlichen Standards entwickelt. Es ist davon auszugehen, dass dies über Zeit erfolgen wird, um ein Greenwashing53) auszuschließen.

Im März 2019 haben LMA, APLMA und LSTA zudem "Sustainability-linked Loan Principles" veröffentlicht. Sustainabilitylinked Loans sind Bar- und Avalkredite, welche für den Kreditnehmer Anreize schaffen, bestimmte ESG-Ziele zu erreichen. Diese können individueller Natur sein, aber auch auf von externen ESG-Rating-Agenturen zugewiesene ESG-Ratings abstellen.

Die mit der Finanzierung gehobenen Mittel müssen nicht zwingend für Umweltvorhaben verwendet werden. Diese Flexibilität bei der Mittelverwendung macht den Sustainability-linked Loan attraktiver als den Green Loan.

Green Bond Principles nicht verbindlich

Werden bestimmte ESG-Ziele erreicht, so reduziert sich die Marge und damit eine etwaige Bereitstellungsprovision. Werden sie verfehlt, so erhöhen sich die genannten Finanzierungskosten in aller Regel (Two Way Approach). In der Kreditdokumentation sind die maßgeblichen ESG-Referenz-Parameter, Informationsverpflichtungen, Trigger für die Anpassung des Pricings sowie deren Frequenz und Zeitpunkt zu regeln. Einheitliche Dokumentationsstandards gibt es auch hier bisher nicht. Der Effekt der Erhöhungen beziehungsweise Reduzierungen ist in aller Regel sehr überschaubar. Eine Reduktion der Finanzierungskosten ist aber zumeist auch nicht die Hauptmotivation des Darlehensnehmers für den Abschluss eines Sustainability-linked-Darlehens.

Auch im Schuldscheinmarkt findet sich die Unterscheidung zwischen sogenannten "grünen" und Sustainability-linked-Schuldscheinen. Da es dem Schuldschein eigen ist, dass die Kreditmittel effektiv ausgezahlt und langfristig zur Verfügung gestellt werden, eignet sich dieser vor allem für "grüne" Finanzierungen.

Die große Mehrheit der bisher emittierten nachhaltigen Anleihen sind als sogenannte "Use of Proceeds"-Instrumente ausgestaltet. Die Erlöse aus der Anleiheemission werden hierbei zur Finanzierung oder Refinanzierung von nachhaltigen Projekten verwendet. Die maßgeblichen, wenn auch nicht verbindlichen, Leitlinien für derartige Anleihen sind in den "Green Bond Principles" enthalten, welche erstmals 2017 von der ICMA veröffentlicht wurden. Wie bei den Green Loans54) wird auf vier Kriterien abgestellt: Verwendungszweck, Projektauswahl, Mittelverwendung und Informationsrechte.

Rahmenwerke standardisieren Abläufe

Die ICMA hat darüber hinaus eine weitere Unterteilung in "grüne", "soziale" und "nachhaltige" (eine Kombination aus "grün" und "sozial") Anleihen vorgenommen, die jedoch nur geringfügige Auswirkungen auf die anzulegenden Standards hat.55)

Da die Emittenten bei der Begebung einer nachhaltigen Anleihe mit "Use of Proceeds"-Struktur nur eine Absichtserklärung zur Verwendung der Erlöse abgeben, ergeben sich in den Anleihebedingungen und der zugehörigen vertraglichen Dokumentation keine Besonderheiten gegenüber einer gewöhnlichen Anleihe, die etwa der allgemeinen Unternehmensfinanzierung dient. Insbesondere wird kein Kündigungsrecht der Anleihegläubiger vereinbart, sollte die Emittentin die Erlöse für andere als die angekündigten Zwecke einsetzen.

Um die von der ICMA in den Leitlinien empfohlenen Prozesse nicht für jede einzelne Transaktion durchlaufen zu müssen, haben eine Reihe von Emittenten Rahmenwerke (häufig "Green Bond Framework" genannt) etabliert. In solchen Rahmenwerken wird der gesamte Prozess zu Projektauswahl und Evaluierung, Mittelverwendung und Reporting festgesetzt und für Investoren beschrieben. Eine konkrete Emission von nachhaltigen Anleihen kann dann unter Verweis auf ein solches Green Bond Framework erfolgen.

Eine mit einem Sustainability-linked Loan vergleichbare Struktur wurde 2019 in einer Anleihe des italienischen Energieversorgungsunternehmen Enel erstmals verwendet. Im Gegensatz zu einem klassischen Green Bond stand nicht die Verwendung der Erlöse für einen spezifischen Zweck im Vordergrund. In den Bedingungen des Instruments wurden stattdessen klar definierte und evaluierbare Ziele der Emittentin hinsichtlich Nachhaltigkeit aufgenommen, die zu einem vordefinierten Zeitpunkt erreicht sein sollen. Werden diese Ziele verfehlt, so tritt ab einem Stichtag eine vordefinierte Anpassung in der Verzinsung der Anleihe bis zum Endfälligkeitsdatum in Kraft.

Wachsender Bedarf an externen Einschätzungen

Es ist derzeit noch nicht absehbar, ob sich derartige Anleihen am Markt durchsetzen werden. Stärker als in den Kreditmärkten dürfte hier eine Rolle spielen, ob Investoren bereit sind, sich mit den individuellen Konditionen solcher Instrumente auseinanderzusetzen.

Sowohl im Bereich der nachhaltigen Darlehen als auch für Anleihen gibt es einen zunehmenden Bedarf des Marktes, eine Einschätzung zum Nachhaltigkeitscharakter des jeweiligen Finanzierungsinstruments zu erhalten, etwa in Form eines ESG-Ratings, eines Scorings oder einer Zertifizierung. Die Einholung eines externen Gutachtens (Second Party Opinion) beziehungsweise eines Ratings wird sowohl in den LMA "Green Loan Principles" als auch in den ICMA "Green Bond Principles" ausdrücklich empfohlen.

Solche Ratings können im Fall von Sustainability-linked Loans oder Sustainability-linked Bonds auch einen Einfluss auf die Marge beziehungsweise den Kupon haben, wenn in den Bedingungen auf dieses Kriterium abgestellt wird.

Problem der Heterogenität der ESG-Ratingagenturen

Zu beachten ist hierbei jedoch, dass die Überschneidung der ESG-Ratings verschiedener ESG-Ratingagenturen aufgrund der uneinheitlichen und bisher nicht regulierten Ratingmethodik im Vergleich zu Ratings von Kreditratingagenturen sehr viel geringer ausfällt. Dies bedeutet, dass für ein Finanzierungsinstrument stark voneinander abweichende Einschätzungen von verschiedenen ESG-Ratingagenturen erteilt werden können, was einen negativen Anreiz zur Auswahl des individuell am unkritischsten Anbieters darstellen kann. Auch tendieren die ESG-Ratingagenturen bisher dazu, die angewandte Methodik öfter und fundamentaler zu ändern als Kreditratingagenturen.

Fußnoten

1) Dieses Akronym steht für "Environmental, Social, Governance".

2) BMU, Übereinkommen von Paris vom 12.12.2015, insbesondere Art. 2 Abs. 1 lit. c).

3) EU Kommission, Aktionsplan: Finanzierung nachhaltigen Wachstums vom 8.3.2018, COM(2018) 97 final, S. 1.

4) EU Kommission, Aktionsplan (Fn. 3), S. 2 ff.

5) TEG on Sustainable Finance, Report on EU Green Bond Standard, Juni 2019.

6) Politische Einigung des EU Parlaments und Rates vom 29.1.2020 über den VO-Vorschlag der EU Kommission COM(2018) 353 final 2018/0178 (COD), abrufbar unter: https://data.consilium.europa.eu/doc/document/ST-5487-2020-ADD-1/en/pdf (Stand: 28.2.2020).

7) EU Kommission, European Green Deal Investment Plan vom 14.1.2020, COM(2020) 21 final.

8) EU Kommission, Arbeitsprogramm der Kommission für 2020 vom 29.1.2020, COM(2020) 37 final, S. 3.

9) Siehe Fn. 6.

10) VO (EU) 2019/2088.

11) VO (EU) 2019/2089.

12) Unverbindlicher Entwurf zur Änderung der Delegierten Verordnung (EU) 2017/565 vom 24.5.2018 abrufbar unter https://ec.europa.eu/finance/docs/level-2-measures/mifid-delegated-act-2018_en.pdf (Stand: 1.3.2020).

13) RL 2014/95/EU.

14) Im Wesentlichen diejenigen Finanzdienstleister, die Finanzdienstleistungen für Dritte erbringen, zum Beispiel Wertpapierfirmen, die Portfolioverwaltung erbringen, oder Versicherungsunternehmen, die Versicherungsanlageprodukte anbieten (Art. 1 Nr. 1 a), b) Transparenz-VO).

15) Eine genauere Darstellung der Entwicklung des Anwendungsbereichs der Taxonomie-VO-E bietet Eberius: Verrechtlichung der ESG-Compliance: Pflichten für Fondsmanager und institutionelle Investoren, WM 2019, 2143 (2146).

16) Zum Beispiel Anlagen- oder Versicherungsberatung (Art. 2 Nr. 11 a) bis f) Transparenz-VO).

17) Siehe im Einzelnen unter 2.6.

18) Möslein/Mittwoch: Der Europäische Aktionsplan zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums, WM 2019, 481 (482f.); Eberius WM 2019, 2143 (2144).

19) So auch Lotz/Weber/Hadinek Green Finance: Status quo und Herausforderungen der geplanten EU-weiten Taxonomie, RdF 2019, 180 (181) m.w.N.

20) Umweltziele sind gemäß Art. 5 Taxonomie-VO-E: Klimaschutz; Anpassung an den Klimawandel; nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen; Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft, Abfallvermeidung und Recycling; Schutz gesunder Ökosysteme.

21) Art. 3 lit. b) i.V.m. Art. 12 Taxonomie-VO-E.

22) Art. 3 lit. c) i.V.m. Art. 13 Taxonomie-VO-E.

23) Eberius, WM 2019, 2143 (2146) m.w.N.

24) Eine Zusammenfassung der vorgeschlagenen Mindeststandards ist unter https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/business_economy_euro/banking_and_finance/documents/190618-sustainable-finance-teg-report-overview-green-bond-standard_ en.pdf (Stand: 1.3.2020) abrufbar.

25) Also von Ereignissen oder Bedingungen im ESG-Bereichen, dessen beziehungsweise deren Eintreten tatsächlich oder potenziell wesentliche, negative Auswirkungen auf den Wert der Investition haben könnte, vergleiche Art. 2 Nr. 22 Transparenz-VO.

26) Auch sollen Informationen zu nachteilige Nachhaltigkeitsauswirkungen bereitgehalten werden (Art. 4 Abs. 1 bis 5 Transparenz-VO).

27) Art. 6 bis 9 Transparenz-VO.

28) Vergleiche Art. 4Alpha, 4Beta und 4Gamma Taxonomie-VO-E, siehe dazu Eberius, WM 2019, 2143 (2148).

29) Nach Auffassung von BaFin-Vizepräsidentin Elisabeth Roegele "gilt kundenseitig schon heute, dass Unternehmen in der Anlageberatung die Kriterien berücksichtigen müssen, die der Kunde nennt. Legt er zum Beispiel Wert auf eine grüne Geldanlage, muss dieser Wunsch schon heute bei der Anlageempfehlung berücksichtigt werden"; Interview vom 09.05.2019 in BaFin Perspektiven, Ausgabe 2, 2019, 34 (36).

30) Art. 54 Abs. 2, 5 DelVO-E.

31) Art. 52 Abs. 3 lit. d DelVO-E.

32) Art. 54 Abs. 12 DelVO-E.

33) Art. 1 Benchmark-VO.

34) TEG on Sustainable Finance, Interim Report on Climate Benchmarks and Benchmarks' ESG Disclosures, Juni 2019, S. 8.

35) Ein Administrator ist eine natürliche/juristische Person, die die Kontrolle über die Bereitstellung eines Referenzwertes ausübt (Art. 3 Abs. 1 Nr. 6 Bench mark-VO).

36) Ein Kontributor ist eine natürliche/juristische Person, die Eingabedaten beiträgt (Art. 3 Abs. 1 Nr. 9 Referenzwerte-VO).

37) Eine Verwendung eines Referenzwertes ist zum Beispiel gegeben bei der Ausgabe eines Finanzinstruments, für das ein Index als Bezugsgrundlage dient (Art. 3 Abs. 1 Nr. 7 Benchmark-VO).

38) Vergleiche Winter in: Brand/Baroch Castellvi, § 124 VAG, Rn. 30.

39) BaFin, Infrastrukturinvestitionen - Behandlung von Risiken im Rahmen des Grundsatzes der unternehmerischen Vorsicht vom 28.03.2018. abrufbar unter: https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Auslegungsentscheidung/VA/ae_180328_ppp_infrastrukturinvestitionen_va.html (Stand:28.2.2020).

40) RL (EU) 2016/2341.

41) Gesetz zur Umsetzung der RL (EU) 2016/2341 (Neufassung) vom 19.Dezember 2018.

42) BT-Drucksache 19/4673, S. 42, 61; dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass sowohl in der EbAV-II-RL als auch im VAG Definitionen der ESG-Begriffe fehlen; vergleiche auch Eberius WM 2019, 2143 (2151).

43) Delegierte VO (EU) 2016/467.

44) Delegierte VO (EU) 2017/1542.

45) VO (EU) 2019/876 (CRR II).

46) EBA, Action Plan on Sustainable Finance vom 6.12.2019.

47) BaFin, Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken vom 20.12.2019, zuletzt geändert am 13.01.2020, S.9f.

48) BaFin, Merkblatt (Fn. 47), S.13.

49) BaFin, Merkblatt (Fn. 47), S. 14.

50) Gemeint sind § 25a KWG, § 26 VAG, § 28f KAGB, § 80 WpHG und deren Konkretisierung durch Ma-Risk, MaGo und KAMaRisk.

51) BaFin, Merkblatt (Fn. 47), S. 10.

52) LMA Green Loan Principles abrufbar unter https://www.lma.eu.com/application/files/9115/4452/5458/741_LM_Green_Loan_Principles_Booklet_V8.pdf (Stand: 1.3.2020).

53) Zum Begriff siehe unter 2.2.

54) Siehe hierzu unter 4.1.

55) Green Bond Principles, Social Bond Principles und Sustainability Bonds Principles abrufbar unter: https://www.icmagroup.org/green-social-and-sustainability-bonds/ (Stand: 1.3.2020).

56) Siehe hierzu unter 4.2.

57) Siehe zu den "Green Loan Principles" unter 4.1 und zu den "Green Bond Principles" unter 4.4.

Dr. Neil George Weiand Partner, Linklaters, Frankfurt am Main
Dr. Frederik Winter Partner, Linklaters, Frankfurt am Main
Martin Rojahn Managing Associate, Linklaters, Frankfurt am Main
 
Dr. Neil George Weiand , Partner, Linklaters, Frankfurt am Main
Dr. Frederik Winter , Partner, Linklaters, Frankfurt am Main
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