Themeninvestments: die neue Welt der Geldanlage

Tom Riley, Foto: AXA Investment Managers

Sogenannte Themenfonds haben laut dem Autor in den vergangenen Jahren stark zugelegt. Als Beispiel für solche gefragten Investmentthemen nennt er den Onlinehandel, der gerade durch die Pandemie einen richtigen Schub bekommen habe. Generell setzen solche Themenfonds auf langfristige säkulare Veränderungen, die derzeit in erster Linie durch die Digitalisierung und die demografische Entwicklung angetrieben würde. Als einen möglichen Grund für eine weiter steigende Beliebtheit der Themenfonds führt Riley an, dass die klassische regionale und sektorale Allokation an Grenzen stoße, da die Unternehmen meist global und intersektoral agieren würden. Allerdings müssten die Manager solcher Themenfonds einige Fallstricke beachten. So sei es wichtig zu verstehen, an welcher Stelle seines Lebenszyklusses ein Thema stehe. Zudem gelte es, kurzfristige Hypes von den tatsächlichen langfristig strukturellen Themen zu differenzieren. (Red.)

Die Zuflüsse in Themenfonds haben in den vergangenen Jahren rasant zugelegt. Und es gibt gute Gründe, dass sich das auch 2022 fortsetzen wird. Dennoch lauern beim thematischen Investieren Fallstricke, die Investoren unbedingt vermeiden sollten. Obwohl es scheint, als gäbe es den elektronischen Handel schon lange, werden laut der Bank of America Merrill Lynch nur 13 Prozent der weltweiten Einzelhandelsumsätze online getätigt (Stand: Oktober 2020). Doch seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie haben laut dem Global Consumer Insights Survey 2020 von der Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) rund 45 Prozent aller Konsumenten mobil eingekauft - davor lag diese Zahl nur bei 30 Prozent. Und 86 Prozent der Befragten, so die Umfrage weiter, wollen auch nach der Pandemie ihre Besorgungen künftig online oder mobil tätigen. Das heißt, dieser Sektor hat ein gewaltiges Wachstumspotenzial. Es ist sogar davon auszugehen, dass er langfristig im Durchschnitt jährliche Zuwachsraten im zweistelligen Bereich verzeichnen wird.

Langfristige säkulare Veränderungen

Dem Geschäft von Unternehmen, die auf den traditionellen stationären Verkaufsweg setzen, wird deshalb ein dramatischer Wandel bevorstehen. Sie müssen sich an diesen zunehmend vernetzten Konsumenten und dessen veränderte Bedürfnisse anpassen, das Einkaufen schneller, einfacher und personalisierter gestalten. Und rund um die Uhr verfügbar sein, schnell liefern, eine sichere Zahlung gewährleisten und unter Umständen eine breitere Palette an Produkten anbieten. Anderenfalls werden sie von disruptiven und technologieaffinen Konkurrenten verdrängt. Die Entwicklung zum immer stärker vernetzten Konsumenten ist ein struktureller Wandel, ein Thema, das eine gesamte Branche verändert. Solche langfristigen säkularen Veränderungen, die derzeit vor allem durch die Digitalisierung und die demografische Veränderung angetrieben werden, scheinen auch Investoren immer stärker in ihren Portfolios zu berücksichtigen. Denn thematisches Investieren, das solche Entwicklungen aufgreift, floriert. Aktieninvestments, die auf Themen wie Digitalisierung oder Nachhaltigkeit setzen, haben im Jahr 2020 - trotz Corona-Krise und deren negativen Folgen für die Wirtschaft - klar an Beliebtheit gewonnen. Seit 2018 weist der Bereich ein Wachstum von jährlich 37 Prozent auf, im vergangenen Jahr aber war der Zuwachs mit 77 Prozent mehr als doppelt so hoch. Insgesamt beläuft sich das dort angelegte Kapital laut einer Studie von Broadridge Ende 2020 auf rund 572 Milliarden Euro.

Die Idee dahinter: Indem Investoren ihr Kapital in Themen allokieren, denen ein struktureller Wandel zugrunde liegt, setzen sie auf Bereiche, bei denen davon ausgegangen wird, dass sie schneller wachsen als die Wirtschaft insgesamt. Und indem sie jene Firmen identifizieren, die am besten für solche Veränderungen positioniert sind, können Anleger ihre Portfolios zukunftssicher machen und haben somit langfristig die Chance auf eine überdurchschnittliche Rendite. Dazu kommt, dass Anleger dadurch einen potenziell besseren Einblick in die künftige Entwicklung von Firmen bekommen - und zwar unabhängig von kurzfristigen Ereignissen, Stimmungen oder Investitionsströmen, die auf lange Sicht unvorhersehbar sein können.

Themeninvestments als strategische Beimischung

Dies alles erklärt zum Teil auch das gestiegene Interesse an Themeninvestments vonseiten der institutionellen Investoren, die in aller Regel einen langfristigen Anlagehorizont verfolgen. Tatsächlich gab bei der Broadridge-Studie nur ein Viertel der befragten Fondsselektoren an, themenbezogene Anlagen für taktische Zwecke zu verwenden, während der weit überwiegende Anteil diese als langfristige oder strategische Investments erachtet. Themenfonds werden demnach auch nicht mehr als Spezialanlage gesehen, sondern insbesondere von europäischen Investoren zunehmend zur Diversifizierung globaler Aktienportfolios eingesetzt. Soweit es Privatanleger betrifft, schätzen sie zudem die einfache Verständlichkeit dieser Ansätze. So sind Themen wie saubere Energie oder Online-Handel leicht nachvollziehbar und begegnen jedem im Alltag. Ein weiterer Grund für die zunehmende Beliebtheit thematischer Strategien dürfte darin liegen, dass sie ihre Widerstandsfähigkeit während der Corona-Krise unter Beweis gestellt haben. Im Vergleich zu vielen anderen Fondskategorien verzeichneten sie in dieser durch zeitweise starke Turbulenzen geprägten Marktphase zunehmenden Zulauf. Während andere nicht themenbezogene Produkte seit dem Ausbruch des Corona-Virus zum Teil mit einem gewissen Kapitalabfluss zu kämpfen hatten, blieben Themenfonds für neue Anleger attraktiv.

Dafür, dass die Zuflüsse in Themenfonds anhalten werden, spricht noch ein weiterer wichtiger Faktor: Die traditionelle Definition von Regionen und Sektoren war zwar bislang ein einfacher Weg, Firmen zu klassifizieren und Asset-Allokationsentscheidungen zu treffen. Doch stellt sich die Frage, ob die herkömmliche Regionen- und Sektoren-Klassifizierung die immer komplexere und stärker vernetzte Welt noch sinnvoll abbildet. Oder ob nicht thematisches Investieren über Branchen und Regionen hinweg dieser Komplexität gerecht wird. Schließlich sind viele große und marktführende Konzerne heute nicht mehr nur einer klassischen Industrie oder einem bestimmten Sektor zuzuordnen, sondern in verschiedenen Wirtschaftsbereichen tätig. Das Gleiche gilt für die regionale Differenzierung. Da die meisten großen Unternehmen heute global agieren, ist es fraglich, ob eine Gewichtung anhand regionaler Kriterien noch zeitgemäß ist. Thematisches Investieren könnte zur neuen Normalität im Bereich der Kapitalanlage werden. Diese These unterstützt übrigens auch, dass thematische Anlagen, auch wenn sie nur einen kleinen Teil des gesamten Fondsmarktes aktuell ausmachen, seit 2017 fast 40 Prozent aller Nettoumsätze im Fondsbereich für sich verbuchen konnten.

Starker Zuspruch in der Corona-Krise

Doch so einfach und überzeugend das auch klingt, Selbstläufer sind Themenfonds nicht. Deshalb müssen sich Anleger der Fallstricke, die sich dabei ergeben können, bewusst sein. So ist wichtig, dass hinter einem solchen Thema wirklich ein langfristiger struktureller Wandel steckt. Die Fondsanbieter sollten daher verstehen, wo sich ein Thema in seinem Lebenszyklus befindet und wie lange es voraussichtlich anhalten wird. Es gilt, kurzfristig laufende Hypes zu meiden und stattdessen in langfristige Themen, die einen echten strukturellen Wandel bewirken, zu investieren. So sollte ein derartiger Trend zumindest über die kommenden zehn Jahre ein jährliches Wachstumspotenzial von rund zehn Prozent oder mehr im Schnitt pro Jahr haben. Ein weiteres Risiko besteht darin, dass das Thema zu eng gefasst sein könnte. Das kann dazu führen, dass Anleger am Ende in jedes Unternehmen investieren, das in diesem Bereich tätig ist, und die Aktien im Portfolio eine hohe Korrelation zueinander aufweisen. Die Möglichkeit, sich auf die besten Unternehmen zu konzentrieren, besteht bei einem zu engen Anlageuniversum nicht mehr.

Derzeit ist zum Beispiel ein langfristiger demografischer und technologischer Wandel zu beobachten, der die Wirtschaft der Zukunft entscheidend prägen wird. Daraus lassen sich fünf strukturelle Trends identifizieren: die alternde Bevölkerung und ein sich wandelnder Lebensstil, der Trend zum vernetzten Verbraucher, die Automation, der Umstieg auf saubere Energien und der gesellschaftliche Wandel in Form einer weltweit wachsenden Mittelschicht. Neben einer durchdachten und gut recherchierten Themenauswahl kommt der Einzeltitelselektion besondere Bedeutung zu. So reicht es nicht, dass ein Unternehmen oder eine Branche von einem säkularen Wachstumsthema profitiert. Denn allein deshalb muss es sich noch nicht erfolgreich entwickeln. Schließlich kann es auch innerhalb eines Trends Gewinner und Verlierer geben. Aus diesem Grund müssen auch Kriterien wie die Qualität des Geschäftsmodells, des Produkts oder des Managements sowie die Erfolgsbilanz eines Unternehmens bei der Umsetzung im Investmentprozess Berücksichtigung finden.

Hohe Bewertung aus gutem Grund

Und es ist wichtig, den Markt, die Strategie und die Kunden eines Unternehmens zu verstehen, um die langfristigen Gewinner innerhalb eines Themenbereichs identifizieren zu können. Folglich dürften auch aktive Ansätze bei der Umsetzung einer thematischen Strategie von Vorteil sein. Denn die Favoriten eines Trends können schon morgen ganz andere sein als heute. Ein häufiger Kritikpunkt am thematischen Investieren lautet zwar, dass die potenziellen Gewinneraktien bereits hoch bewertet sind. Das hat allerdings auch einen guten Grund: Oftmals wachsen solche Unternehmen schneller und sind strukturell profitabler. Deshalb kann ein Bewertungsaufschlag gerechtfertigt sein. Doch vor allem ist wichtig, sich innerhalb eines Trends sehr gut auszukennen. Denn es gibt stets auch viele kleine und mittelgroße Unternehmen, die von den einzelnen strukturellen Entwicklungen profitieren können. Sie sind oftmals weniger bekannt, können deshalb eher zu einem vernünftigen Preis erworben werden und bieten trotzdem die Chance, an dem langfristigen Potenzial eines strukturellen Wandels zu partizipieren.

Tom Riley , Head of Global Thematic Strategies , AXA Investment Managers S.A., London
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