Umsetzung neuer Regulierung - eine stete Herausforderung für Auslandsbanken

Silvia Schmitten-Walgenbach, Foto: Verband der Auslandsbanken

Wenn sich Auslandsbanken in Deutschland mit Regulierungsfragen auseinandersetzen müssen, haben sie nicht nur den zusätzlichen Abstimmungs- und Steuerungsbedarf im eigenen Konzern zu berücksichtigen, sondern die Institute mit Muttergesellschaften in Drittstaaten müssen zudem noch außereuropäische Regelwerke und Vorgaben beachten. Gerade diese Töchter und Drittstellenzweigstellen sieht die Autorin vor große Herausforderungen gestellt und verweist an dieser Stelle auf das Produkt- und Dienstleistungsspektrum des Verbandes der Auslandsbanken. Dass mit Blick auf die EU27 einige Institute ihren regulatorischen Hub in Deutschland haben werden, deutet sie als eine zusätzliche Aufwertung des Standorts Deutschland. (Red.)

Viele Beiträge, Kommentare und Kritiken sind über die neue Regulierung seit der Finanzkrise und deren in weiten Teilen komplexe und aufwendige Umsetzung geschrieben worden. Ein Regulierungsprojekt folgte dem nächsten - vor dem Hintergrund der Verwerfungen in den Jahren 2008/2009 und den negativen Effekten für die Volkswirtschaften sowie der staatlichen Stützung einiger Institute war dies in weiten Teilen nachvollziehbar und sinnvoll. Dass nicht alles perfekt neu geregelt und dass an manchen Stellen auch über das Ziel hinausgeschossen wurde, ließ sich dabei nicht vermeiden. Die nun angestoßenen Evaluierungen, wie diejenige des Bundesfinanzministeriums zu MiFID II, sind daher uneingeschränkt zu begrüßen. Denn nicht nur global schwindet aktuell die seinerzeit ausgelobte Einigkeit zur international abgestimmten Regulierung. Auch in Europa wird zu prüfen sein, wie sich die EU27 nach einem Austritt des Vereinigten Königreichs und damit des größten und global ausgerichteten Kapitalmarkts aufstellt.

Viele europäische Vorgaben

Die Anzahl der Akronyme, die mit der Finanzmarkt- und Bankenregulierung der letzten zehn Jahre einhergegangen sind, ist immens: EMIR, CRD IV, CRR, BRRD, MAD, MAR, MiFID II, MiFIR, AIFMD, UCITS V, SSM-R, um nur einige zu nennen. Viele Vorgaben sind europäischen Ursprungs und wurden begleitet von einer Vielzahl von Durchführungsrechtsakten (sogenannte RTS und ITS) auf Level II, den nationalen Umsetzungsgesetzen und Rechtsverordnungen, Leitlinien der europäischen Aufsichtsbehörden und Q & A. Hinzu kamen rein nationale Vorgaben wie beispielsweise das Trennbankengesetz in Deutschland oder ein viel weitreichenderes Pendant in Großbritannien infolge des Vickers Report, mit dem das Privatkundengeschäft vom Investment- und Wholesale-Banking zum 1. Januar 2019 getrennt wurde (sogenanntes Ringfencing). Hintergrund dieser Aufzählung soll hier nicht die Beschwerdeführung über die Regulierungswelle sein, sondern eine Darstellung, welche Herausforderungen die Implementierung dieser Regulierungen speziell für Auslandsbanken mit sich bringen.

Unabhängig von der Organisationsform einer Auslandsbank - Tochtergesellschaft, EWR-Zweigniederlassung oder Drittstaatenzweigstelle - eint alle, dass sie Bestandteil eines internationalen (Finanz-) Konzerns sind und die Gesamtorganisation bei der Umsetzung berücksichtigt werden muss. Dabei sind die auftretenden Herausforderungen sowohl inhaltlicher als auch struktureller Natur, da bei fast allen Auslandsbanken, insbesondere denen aus Drittstaaten, konzernübergreifend auch außereuropäische Regelwerke und Vorgaben der jeweiligen Aufsichtsbehörden zu beachten sind.

Der Abstimmungsbedarf innerhalb des Konzerns, in dem neue Regulierungen üblicherweise konzernweit und zentral gesteuert ausgerollt und soweit möglich vereinheitlicht werden müssen, stellt eine der wesentlichen Herausforderungen dar. Die EU-weite rechtliche Harmonisierung der Regulatorik im Bank- und Finanzmarktbereich ist in dieser Hinsicht sicherlich eine gewisse Erleichterung und fördert eine reibungslose Gesamtbanksteuerung - nicht nur im Interesse des Konzerns, sondern auch im Sinne der Aufsichtsbehörden. Andererseits sinkt die Akzeptanz in den Konzernzentralen, wenn die Umsetzung nationaler Besonderheiten (gold-plating) in Deutschland notwendig wird und die Aufsichtspraxis der verschiedenen nationalen Behörden in der EU trotz eines hohen Harmonisierungsgrades nach wie vor divergiert. Hinzu kommen in eigentlich als hochgradig harmonisiert gerühmten Richtlinien und Verordnungen weiterhin enthaltene nationale Wahlrechte. Allein im Bereich der CRD IV/CRR sind dies noch über 100 Optionen für die Mitgliedsstaaten.

Auswirkungen in der Praxis

Diese Herausforderungen treffen alle Auslandsbanken mehr oder weniger in ähnlichem Umfang. Allerdings kommt es dann darauf an, ob sie als Tochtergesellschaft, Drittstaatenzweigstelle oder aber als EWR-Zweigniederlassung organisiert sind. EWR-Zweigniederlassungen haben aufsichtsrechtlich vor allem im Bereich der Geldwäscheprävention und der Wohlverhaltensregeln im Wertpapierhandel die deutschen Regeln zu implementieren und einzuhalten. Sie werden aber ansonsten in vielerlei Hinsicht entlastet, indem die Beaufsichtigung auf Ebene der Hauptniederlassung durch den Herkunftsstaat erfolgt. Dagegen haben Tochtergesellschaften und Drittstaatenzweigstellen den gesamten Kanon des deutschen Aufsichtsrechts (etwa KWG, WpHG) zu beachten, wobei sie von BaFin und Deutscher Bundesbank überwacht und geprüft werden. Bei bedeutenden Instituten beziehungsweise Institutsgruppen liegt die Zuständigkeit, allerdings für alle, bei der SSM-Aufsicht der EZB.*

Was heißt dies nun in der Praxis und im Tagesgeschäft? Die Töchter und Drittstaatenzweigstellen stehen vor der Herausforderung, mit oft schlanken und effizienten

Strukturen die deutschen aufsichtsrechtlichen Anforderungen umzusetzen zu müssen, und dies im Einklang mit den Vorgaben und Systemen des Konzerns. Ungeachtet dessen sind natürlich die weiteren nationalen Anforderungen, die nicht europäisch harmonisiert sind, wie das Basiskonto für jedermann und andere Vorschriften aus dem Bereich des Verbraucherschutzes oder dem Arbeitnehmerdatenschutz, der nicht durch die DSGVO harmonisiert wurde, einzuhalten. Letzteres gilt auch für die EWR-Zweigniederlassungen, da hier der europäische Pass mit seinen Erleichterungen keine Wirkung entfaltet und so die Durchsetzung im Konzern nicht erleichtert. Dies ist einer der Gründe, warum der Verband der Auslandsbanken seinen Mitgliedern zunehmend seine Informationen über aktuelle Vorhaben und Änderungen des aufsichtsrechtlichen Umfelds bilingual zur Verfügung stellt, Seminare in englischer Sprache anbietet und auch einige Arbeitsgruppen - je nach Teilnehmerkreis - auf Englisch organisiert.

Letzteres wird sicherlich auch aufgrund des Brexits vermehrt der Fall sein; BaFin-Präsident Hufeld sprach kürzlich über 45 neue Zulassungen, die die BaFin erteilt habe. Zum Teil sind dies Auslandsbanken, die aufgrund des Wegfalls des Europäischen Passes nicht mehr London als Zentrum ihrer Aktivität (Hub) nutzen können, sondern eine Vollbanklizenz in der EU27 und vielfach in Deutschland beantragt haben, um ihren europäischen Kunden weiterhin die notwendigen Dienstleistungen und Produkte anbieten zu können. Zum Teil sind dies aber auch Wertpapierhandelsbanken oder nach EU-Nomenklatur MiFID-Firms, die für ihre Zulassung als Handelsteilnehmer an einem Handelsplatz in der EU eine entsprechende Genehmigung benötigen. Allen gemeinsam ist, dass sie nun als Tochtergesellschaften die deutschen und die auf EU-Verordnungen beruhenden europäischen Vorgaben zu implementieren haben. Spricht man mit den Instituten, die ihre bereits in Deutschland bestehende Einheit in Form einer EWR-Zweigniederlassung in eine Tochtergesellschaft umwandeln, werden die Darstellungen und die damit verbundenen Herausforderungen anschaulich. Der Erklärungsbedarf im Konzern ist teilweise hoch. Gleichzeitig macht die Forderung der Aufsichtsbehörden, möglichst schnell und umfassend die neuen Strukturen sowohl personell als auch im Hinblick auf die Infrastruktur aufzubauen, bei den betroffenen Instituten oft umfassendere Maßnahmen erforderlich.

Noch ist es zu früh für ein abschließendes Urteil. Absehbar ist, dass der Brexit für einige Auslandsbanken eine neue Perspektive mit sich bringen wird. Vielfach konnten sich Auslandsbanken in Deutschland auf Inbound-Sachverhalte konzentrieren. Dies ändert sich bei solchen Instituten, die künftig den regulatorischen Hub in Deutschland haben und in anderen Mitgliedsstaaten der EU-Einheiten in Form einer EWR-Zweigniederlassung ansiedeln werden. Hier werden auch Outbound-Sachverhalte zunehmend eine größere Bedeutung haben, die wiederum die zusätzliche Herausforderung für die Auslandsbanken mit sich bringen, neue Regulierungen nicht nur national in Deutschland, sondern auch für die Einheiten in anderen Mitgliedsstaaten umzusetzen und dann mit den entsprechenden dort lokal bestehenden Anforderungen in Einklang zu bringen.

Aufwertung des Standorts

Zusammenfassend kann man festhalten, dass die Implementierung neuer Regeln in der deutschen Einheit des internationalen Konzerns eine erhebliche Herausforderung darstellt. Das interne Verständnis hierfür ist manchmal nur schwierig zu wecken, zumal wenn im Sinne einer konzernweiten Gesamtbanksteuerung gleichfalls weitere Rechtsordnungen und Aufsichtspraktiken einzuhalten sind. Vielfache Diskussionen über Outsourcing-Sachverhalte sind hierfür nur ein Beleg, wenn eine Gesamtbanksteuerung gegen lokale Zuständigkeiten abgewogen wird.

Gleichzeitig ist aber zu erwarten, dass der Standort Deutschland in der EU27 aus regulatorischer Sicht für einige Auslandsbanken eine zusätzliche Aufwertung erfahren wird, wenn hier der Hub für die Kunden in der EU27 angesiedelt wird. Diese Internationalisierung ist nicht nur eine Herausforderung für die betroffenen Banken und ihren Verband, sondern auch für Politik und Aufsicht. Hier gilt es, die entsprechenden Implikationen einer nationalen regulatorischen und aufsichtsrechtlichen Tätigkeit für die in anderen Mitgliedsstaaten angesiedelten Einheiten im Auge zu behalten.

* Der SSM kann bei bedeutenden EWR-Zweigniederlassungen mit einem Herkunftsland außerhalb der Eurozone im Übrigen auch die Aufsicht bis zu einem gewissen Grad an sich ziehen.

Silvia Schmitten-Walgenbach Stellvertretende Vorsitzende des Vorstands, Verband der Auslandsbanken, und Mitglied der Geschäftsleitung, Barclays in Deutschland, Frankfurt am Main
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