Unternehmensanleihen: versteckte Risiken bei Investment Grade

Anthony DeMeo, Foto: Muzinich & Co

Die Herausforderungen an den Kapitalmärkten haben sich 2018 verstärkt und dürften aus Sicht des Autors im gerade angelaufenen Jahr kaum abnehmen. Zwar sieht er mit Blick auf die Kreditmärkte in der Breite der Wirtschaft keine abrupte Erhöhung der Ausfallraten, gleichwohl lenkt er den Blick auf einen tendenziell höheren Verschuldungsgrad vieler Unternehmen, nicht zuletzt bei solchen, die eine größere M&A-Transaktion gestemmt haben. Gerade in unsicheren Zeiten hält es es für fahrlässig, sich als Investor allein auf das vorhandene Rating zu verlassen, sondern er plädiert für eine genaue Betrachtung der Finanz- und Ertragslage eines Unternehmens einschließlich seines Verschuldungsgrads sowie seiner Wachstumschancen, um mögliche versteckte Risiken richtig zu erkennen. (Red.)

Die globalen Aktien- und Anleihemärkte blicken auf ein turbulentes Jahr mit teils drastischen Kursrückgängen zurück. Gleich eine Reihe von Risiken hat für enorme Belastungen und eine stark gestiegene Volatilität gesorgt. Manche davon sind geopolitischer Natur, andere haben konjunkturelle Ursachen. Eines haben all diese Unsicherheitsfaktoren gemeinsam: Sie bleiben auch für 2019 bestimmend - gleichwohl mit dem Haushaltsstreit zwischen Italien und der EU-Kommission zumindest in Europa ein belastendes Thema von der Agenda der Investoren gestrichen worden ist.

Preiskorrekturen nicht auszuschließen

Dies ist allerdings weder für den Handelskrieg zwischen den Vereinigten Staaten und China noch für den im März anstehenden Brexit absehbar. Auch der weitere Kurs der US-Notenbank Fed und die noch unbekannten Auswirkungen des Anziehens der geldpolitischen Zügel durch die Zentralbanken weltweit bleiben bestimmende Themen. Gleiches gilt für die global niedrigen Wachstumsraten, die etwa jüngst in China zu notieren waren, oder die schlechteren Aussichten für Technologieunternehmen, denen sich selbst ein langjähriger Branchenprimus wie Apple nicht mehr entziehen kann. Das sind die bekannten Risiken. Doch was ist mit den unbekannten, versteckten Risiken? Diese gibt es auch. Und sie bleiben den Investoren 2019 ebenfalls erhalten.

Im Segment der Unternehmenskredite schlummert eines dieser wenig bekannten Risiken ausgerechnet im Investment-Grade-Markt, also in einer Assetklasse, die sich typischerweise gerade durch eine geringere Volatilität auszeichnet. Doch eine stark gestiegene Verschuldung bei einer Reihe von Anleiheemittenten sorgt in diesem Anlagebereich für reale Risiken. Diese sind von vielen Investoren, aber auch von den Ratingagenturen bislang noch nicht hinlänglich realisiert worden, da sie davon ausgehen, dass das globale Wachstum und die Absicherungen der Zentralbanken für eine Reduzierung der Verschuldung sorgen.

Was aber geschieht, wenn diese Bedingungen nicht mehr gegeben sind? Der Schluss liegt nahe, dass Investoren durch Kredit-Spreads nicht ausreichend für Anleihen kompensiert werden, die aufgrund des damit verbundenen Kreditrisikos eigentlich unterhalb der Investment-Grade-Kategorie einzustufen wären. Beim Eintritt in die letzte Phase des aktuellen Zyklus mit potenziell niedrigeren Wachstumsraten sollten Investoren bei der Auswahl von Unternehmensanleihen mit Investment-Grade-Rating das Kreditrisiko nicht unberücksichtigt lassen. Eine dramatische Zunahme an Defaults steht zwar nicht zu erwarten, bei risikobehafteten Assets könnte es jedoch zu Preiskorrekturen kommen, wenn Investoren das zugrunde liegende Kreditrisiko und die hohe Verschuldung zu nehmend in Betracht ziehen.

Höhere Verschuldung von Investment-Grade-Unternehmen

Viele Unternehmen mit einem Investment-Grade-Rating haben sich in den vergangenen Jahren massiv verschuldet. Die aufgenommenen Kredite wurden für Aktienrückkäufe zur Stützung des Aktienkurses beziehungsweise für Dividendensteigerungen sowie für M&A-Transaktionen eingesetzt. Diese Unternehmen haben Fremdkapital zu historisch niedrigen Zinsen aufgenommen in der Annahme, dass sie ihren Verschuldungsgrad bei einer anziehenden Konjunktur und hohen Wachstumsraten schrittweise würden abbauen können.

Bei einer schwächeren wirtschaftlichen Gesamtsituation muss allerdings damit gerechnet werden, dass manche dieser Kredite einen Verschuldungsgrad aufweisen, der eher dem High-Yield-Segment (4,0 bis 5,0-fach Leverage) entspricht und daher herabgestuft werden könnten. Dies wird bei einem genaueren Blick auf den Verschuldungsgrad verschiedener Unternehmen mit Investment-Grade-Rating deutlich, die eine größere M&A-Transaktion getätigt haben. Die betrachteten Unternehmen (Abbildung 1) sind noch weit von ihren angestrebten Zielmarken entfernt.

Die meisten dieser Unternehmen weisen ein BBB-Rating auf und die Ratingagenturen erwarten einen Abbau der kurzfristigen Verbindlichkeiten. Doch wird dies so auch eintreten? Ein geringeres Wirtschaftswachstum oder der Einsatz von Barmitteln für Aktienrückkäufe, Dividendenzahlungen sowie weitere Akquisitionen erschweren bei diesen Unternehmen das Erreichen des angestrebten Verschuldungsgrads erheblich.

Herabstufungen von Ratings: Zwangsverkäufe und Kurskorrekturen

Für Investoren stellt sich angesichts dieses stark gestiegenen Risikos die Frage, ob sie hierfür ausreichend kompensiert werden. Eine Analyse des Segments (Abbildung 2) zeigt, dass der Verschuldungsgrad im BBB-Segment des Investment-Grade-Marktes kontinuierlich gestiegen ist, während die Spreads stetig fielen und erst jüngst eine Ausweitung verzeichneten. Obwohl sich das Leverage (Kreditrisiko) signifikant erhöht hat, verzeichnen die Spreads seit Beginn des Jahres 2016 einen kontinuierlichen Rückgang bis zum Ende des dritten Quartals 2018.

Eine Besonderheit der Käufer von Unternehmensanleihen ist die Tatsache, dass viele institutionelle Investoren, wie zum Beispiel Versicherungsgesellschaften, Beschränkungen hinsichtlich High- Yield-Anleihen unterliegen beziehungsweise aus aufsichtsrechtlichen Gründen mehr Kapital für High-Yield-Investitionen in ihrer Bilanz vorhalten müssen.

Wenn also Unternehmen mit Investment-Grade-Rating auf High Yield herabgestuft werden, sind viele Investoren gezwungen, diese zu verkaufen. Dies setzt Anleger folglich einem erhöhten Marktrisiko aus, da die Kurse herabgestufter Titel zusätzlich unter Druck geraten.

Ein weiteres verstecktes Risiko von unter Druck geratenen Emittenten mit Investment-Grade-Rating stellen hybride Unternehmensanleihen dar, sie bergen erhebliche Kurs- und Durationsrisiken für Investoren. Die Begebung von schuldtitelähnlichen Instrumenten wie hybride Unternehmensanleihen ermöglicht Investment-Grade-Unternehmen die Beschaffung von Equity Credit zu nur geringfügig höheren Kreditkosten als von vorrangigen Unternehmensanleihen.

Am 18. Dezember 2015 begab ein Fortune-500-Unternehmen ein unbefristetes Wertpapier, das aufgrund seiner Eigenschaften (nicht kumulative Dividende, keine Fälligkeit) und einer Rückkaufoption einen Equity-Credit-Anteil von 50 Prozent aufwies. Viele Investoren, die ausschließlich auf das A-Rating blicken und von einem Unternehmen dieser Kategorie keine finanziellen Schwierigkeiten erwartet hatten, erwarben dieses Wertpapier aufgrund der Zusatzrendite und hielten es in Fonds für Wertpapiere mit kurzer Laufzeit, da sie von einer kurzfristigen Kündigung vonseiten des Emittenten ausgingen. Der Kurs dieses Wertpapiers geriet jedoch kürzlich aufgrund unternehmensspezifischer Probleme (hoher Verschuldungsgrad, betriebliche Schwierigkeiten und fragwürdige Akquisitionen) erheblich unter Druck.

Fundamentale Unternehmensanalyse unabdingbar

Mit Blick auf den gesamten Investment-Grade-Markt ist grundsätzlich keine Zunahme an Defaults auf breiter Bank zu erwarten; und sorgfältig und unabhängig von Ratings ausgewählte Wertpapiere bieten Investoren angesichts der aktuell attraktiveren Renditen auch voraussichtlich eine positive Wertentwicklung.

In Anbetracht der vielen versteckten Risiken sollten Investments allerdings auf einer fundamentalen Kreditrisikoanalyse mit Bottom-up-Ansatz gestützt sein. Eine fundamentale Analyse bedeutet, dass die Finanz- und Ertragslage eines Unternehmens genau untersucht wird und der Verschuldungsgrad sowie die Wachstumschancen richtig verstanden werden müssen. Letztlich muss vor allem anderen geklärt werden, ob ein Unternehmen völlig unabhängig von seinem Rating tatsächlich kreditwürdig ist und seine vertraglich vereinbarten Zinszahlungen leisten und den Kapitalbetrag bei Fälligkeit zurückzahlen kann.

Im gegenwärtigen Umfeld ist es für Investoren deshalb sinnvoll, auf einen guten Mix des eigenen Portfolios zu achten und hier etwa auf Hochzinsanleihen mit kurzer Duration zu setzen. Die Fundamentaldaten etwa im europäischen High-Yield-Sektor präsentieren sich nach wie vor robust und bieten weiterhin attraktive Renditevorteile. Die Verschuldung im High-Yield-Segment ist niedriger, die Kredit-Ratings höher und der Zinsdeckungsgrad besser als in vergangenen Jahren - was einer im Vergleich mit dem Investment-Grade-Sektor gegenteiligen Entwicklung entspricht.

Investoren müssen sich mit Blick auf das Jahr 2019 also zweifellos aller bekannten, aber eben auch unbekannten Risiken bewusst sein. Und hierbei hilft es, vielleicht eine Erkenntnis des griechischen Philosophen Platon im Gedächtnis zu behalten: Nicht alle Dinge sind so, wie sie erscheinen - und der erste Anschein kann trügerisch sein.

Anthony DeMeo Portfoliomanager, Muzinich & Co, New York

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