Welche Parameter für das Bankgeschäft müssen in der neuen Legislaturperiode verändert werden?

Andreas Krautscheid Foto: BdB

Wettbewerbsfähigkeit, Digitalisierung und Europa nennt der Autor als zentrale Anliegen der privaten Banken, die eine wie auch immer gebildete Regierung weit oben auf der Agenda haben sollte. Dabei will er nicht nur ungleiche Wettbewerbsbedingungen vermieden wissen, sondern setzt auf auch auf neue Impulse am Markt durch eine Fortentwicklung der Kapitalmarktunion. Von einer Stärkung der Integration der Kapitalmärkte verspricht er sich eine Festigung des europäischen Binnenmarktes, von der die Banken wie die gesamte Wirtschaft profitieren könnten. Mit Blick auf die Digitalisierung plädiert er sinngemäß für gute Regeln für alle und nicht weniger Regeln für manche. Und für das europäische Projekt erhofft er sich unter den derzeit vergleichsweise günstigen ökonomischen Bedingungen eine Wiederbelebung des europäischen Geistes. (Red.)

Nach den gescheiterten Sondierungsgesprächen zwischen Union, FDP und Grünen wurde hier und da moniert, den möglichen Koalitionspartnern hätte eine verbindende Überschrift über ihr Regierungsprojekt gefehlt. Gänzlich falsch ist dieser Vorwurf wohl nicht: Eine gemeinsame Überschrift hätte die Richtung vorgeben, in die die beteiligten Parteien dieses Land entwickeln wollen. Sie wäre damit nicht nur ein wichtiger Orientierungspunkt für die Wähler gewesen, sondern hätte den Regierungspartnern zugleich als Leitmotiv gedient, hinter dem widerstreitende Interessen gebündelt werden können. Wie aber müsste eine derartige Überschrift für die nächste Bundesregierung aussehen? Aus Sicht der privaten Banken sollte es ein Dreiklang sein: "Wettbewerbskraft stärken, Digitalisierung vorantreiben, europäischen Zusammenhalt festigen!"

Strukturreformen als Daueraufgabe

Deutschland geht es auf den ersten Blick wirtschaftlich blendend: Die Steuereinnahmen jagen von einem Rekord zum nächsten, die Zahl der Beschäftigten ebenfalls, der Export boomt, die Wirtschaft wächst stetig. Ein Bild, so erfreulich wie gefährlich, denn die positiven Zahlen sind nur die halbe Wahrheit. An vielen Enden und Ecken besteht Handlungsbedarf: Das aktuelle Wachstum des Produktionspotenzials ist zu niedrig, um sichere Arbeitsplätze auch zukünftig zu gewährleisten. Die Antworten auf den demografischen Wandel sind längst nicht zufriedenstellend; die letzte Legislaturperiode war diesbezüglich - Stichwort Rente mit 63 - sogar eine herbe Enttäuschung. Investitionen in die Infrastruktur sind dringend notwendig. Parallel dazu gilt es, viel zu komplexe Planungs- und Genehmigungsverfahren zu vereinfachen. Das Bewusstsein dafür, dass intelligente Strukturreformen eine Daueraufgabe sind, muss angesichts des globalen Wettbewerbs nachhaltig geschärft werden.

Die Erkenntnis, dass auch die Banken in einem harten globalen Wettbewerb stehen und dass profitable Institute für ein wirtschaftlich starkes Deutschland von essenzieller Bedeutung sind, muss hingegen überhaupt erst wieder geweckt werden. Es war richtig, dass Politik und Aufsicht in den vergangenen Jahren vor allem darauf geschaut haben, wie sie das Bankensystem stabiler machen können. Doch schon in der letzten Legislaturperiode hätte die bisherige Regulierung auf den Prüfstand gestellt und auf ihre Schwachstellen untersucht werden müssen.

Für die neue Legislaturperiode gilt deshalb umso mehr: Die Finanzmarktregulierung muss mit Blick auf Konsistenz, Angemessenheit und Zielgenauigkeit sorgfältig analysiert werden. Wenn vor allem kleine Institute unter einem Mehr an Bürokratie und Aufwand leiden, dann sind dies keine Befindlichkeiten, die man beiseitewischen darf. Deswegen befürwortet der BdB eine stärkere Berücksichtigung des Proportionalitätsgedankens in der Bankenregulierung. Gerade wegen der besonderen Struktur des deutschen Bankenmarktes muss sich die neue Bundesregierung in dieser Frage weiter engagieren, ohne dabei jedoch die Grundregel - gleiches Geschäft, gleiches Risiko, gleiche Regeln - zu verletzen.

Es kann nicht oft genug gesagt werden: Die exportortorientierte deutsche Volkswirtschaft benötigt profitable Banken, die das Wachstum der Unternehmen und damit der Wirtschaft insgesamt sicherstellen. Insbesondere die privaten Institute spielen eine herausragende Rolle, wenn es um die Finanzierung der Exportwirtschaft und speziell der sogenannten "Hidden Champions" geht. Umso wichtiger ist es, dass auf dem internationalen Bankenmarkt gleichwertige Wettbewerbsbedingungen sichergestellt sind. Dies bedeutet: Die internationale und europäische Banken- und Finanzmarktregulierung muss einheitlich umgesetzt werden. Auch im Interesse eines europaweit angestrebten Level Playing Field sollte die deutsche Politik auf jegliche Form des Goldplating verzichten, die oft mit einem Nachteil für deutsche Institute verbunden ist.

Ungleiche Wettbewerbsbedingungen vermeiden

Doch es geht nicht nur darum, ungleiche Wettbewerbsbedingungen zu vermeiden. Ebenso wichtig ist es, neuen Wettbewerb zu entfachen, der für die Kunden immer von Vorteil ist. Die europäische Kapitalmarktunion ist ein Projekt, das in diese Richtung wirken kann. Sie könnte die Kapitalmärkte innerhalb der Union stärker integrieren, dadurch den europäischen Binnenmarkt weiter festigen und nicht zuletzt die Finanzierungsmöglichkeiten der Banken deutlich ausbauen. Profitieren hiervon würde die gesamte Wirtschaft, vor allem auch die Industrie hierzulande. Leider läuft dieses Projekt immer noch ein wenig unter dem Radar der Politik. Die neue Bundesregierung sollte die bislang eher zögerlichen Maßnahmen in Richtung Kapitalmarktunion deshalb energisch vorantreiben.

Den hiesigen Bankenmarkt zu unterstützen heißt übrigens auch, den Finanzplatz Frankfurt so zu stärken, dass er sich als erste Alternative zu London positionieren kann. Die Ausgangsbasis ist hierfür ausgesprochen gut, müsste jedoch durch ergänzende regulative Maßnahmen unterstützt werden. Hierzu zählt etwa, die Option des befreienden IFRS-Einzelabschlusses für Konzernunternehmen zu schaffen, das steuerrechtlich widersinnige Abzugsverbot der Bankenabgabe aufzuheben und das Kündigungsschutzrecht zu differenzieren. Von besonderer Bedeutung ist obendrein, die Vertragsfreiheit im kaufmännischen Rechtsverkehr zurückzugewinnen, indem die aus ufernde richterliche Kontrolle eingeschränkt wird.

Digitalisierung vorantreiben

In Politik, Wirtschaft und Gesellschaft besteht seit Langem weitgehend Einigkeit: Um die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands aufrechtzuerhalten, muss die Digitalisierung vorangetrieben werden. Industrie 4.0 kann auf Dauer nur dann eine deutsche Erfolgsgeschichte sein, wenn die digitale Infrastruktur mit dem Innovationspotenzial der meist mittelständischen digitalen Champions Schritt hält.

Jenseits dieser branchenübergreifenden Großbaustelle gibt es gerade für die Finanzwirtschaft digitale Herausforderungen, bei denen gesetzliche Vorschriften an die Erfordernisse der Zeit angepasst werden müssen. Momentan können die Verbraucher in Deutschland noch nicht in vollem Umfang von den Vorteilen der Digitalisierung im Banking profitieren. Damit dies anders wird, muss ihnen künftig die Möglichkeit gegeben werden, Finanzgeschäfte vollständig digital zu tätigen und mit der Bank ausschließlich digital kommunizieren zu können. Überdies ist es wichtig, dass die Kunden ihren Dienstleister unabhängig von ihrem Standort auswählen können und dass die Anbieter von Finanzdienstleistungen innerhalb der EU grenzüberschreitenden Zugang zu nationalen Auskunfteien erhalten.

Über allem steht das Bewusstsein, dass die Digitalisierung eine große Chance für den Finanzsektor ist. Innovativen Angeboten für die Kunden, einem intensiven Wettbewerb zwischen alten und neuen Anbietern, aber auch der fruchtbaren Kooperation zwischen Banken und Fintechs dürfen keine Knüppel zwischen die Beine geworfen werden. Politische Maßnahmen sollten vor allem da ansetzen, wo im bestehenden Regelwerk nichtpraktikable oder unzeitgemäße Vorschriften das Innovationspotenzial behindern. Dieses Innovations- und Chancenpotenzial muss allerdings von allen Marktteilnehmern genutzt werden können. Fintech-Unternehmen benötigen keinen auf sie zugeschnittenen "Welpenschutz".

Die neue Legislaturperiode wird ganz besonders im Zeichen Europas stehen. Anders als in den vergangenen Jahren sind die Chancen inzwischen aber vergleichsweise gut, das europäische Projekt zu stabilisieren und weiterzuentwickeln. Die ökonomische Lage der Eurozone hat sich signifikant verbessert, Frankreich ist als europapolitischer Akteur auf die Bühne zurückgekehrt. Die EU und die Währungsunion weiterzuentwickeln bedeutet, offenkundige Defizite im Regelwerk oder bei der Anwendung des Regelwerkes zu beheben und Europa da zu stärken, wo es für alle einen Nutzen verspricht. Ein Beispiel für letzteres ist - siehe oben - die Kapitalmarktunion.

Europäischen Zusammenhalt festigen

Was die Bankenunion anbelangt, so gibt es durchaus noch die eine oder andere offene Baustelle, auf der Hand angelegt werden müsste; im Großen und Ganzen aber ist die Architektur stimmig. Wenn es um einen europäischen Mechanismus im Bereich der Einlagensicherung geht, dürfen allerdings keine europapolitischen Tagträume von immer größerer Risikoteilung den Ausschlag geben. Die Einlagensicherung ist ein sensibles Thema, das in eine ausschließlich europäische Form nur gegossen werden darf, wenn etliche Voraussetzungen erfüllt und vor allem das Vertrauen der Sparer nicht aufs Spiel gesetzt wird. Insbesondere ist es zwingend erforderlich, dass bestehende Risiken aus Altlasten auch tatsächlich abgebaut sind, ehe sich die Einlagensicherungssysteme im Rahmen eines europäischen Mechanismus gegenseitig unterstützen - dies ist ein Lackmustest für die Glaubwürdigkeit einer funktionierenden Bankenunion. Europa muss aus der Krise der letzten Jahre hinauswachsen - durch Innovationen, Investitionen und durch einen neuen europäischen Geist.

Andreas Krautscheid Hauptgeschäftsführer, Bundesverband deutscher Banken (BdB), Berlin
 
Andreas Krautscheid , Hauptgeschäftsführer, Bundesverband deutscher Banken, Berlin
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