Zinswende und abnehmende Liquidität: Optimierung von Anleihenportfolios

Harald Klug, Foto: Black-Rock

Dass die lockere Geldpolitik der Notenbanken in den vergangenen Jahren erheblichen Einfluss auf die Entscheidungen von Investoren hatte, ist unbestritten. Wie und wann diese Phase auslaufen könnte, ist allerdings ungewiss. Aus der Fed, der EZB und den anderen großen Notenbanken gibt es jedenfalls unterschiedliche Signale über Zeitpunkt und Ausmaß einer möglichen Zinswende. Mit Blick auf eine Optimierung der Anleihenportfolios diskutiert der Autor drei Wege, von denen er sich die notwendige Flexibilität für angemessene Reaktionen verspricht. Zum Ersten ist das die Reduktion der durchschnittlichen Kapitalbindungsdauer der Portfolios. Zum Zweiten die Suche nach Fixed-Income-Segmenten, die sich robust gegenüber Zinsänderungen verhalten oder bestenfalls gar immun dagegen sind. Und drittens sieht er gemanagte Relative-Value-Strategien als Chance für die Anlagepolitik (Red.)

Die extrem lockere Geldpolitik der Notenbanken weltweit hat den globalen Anleihenmärkten in den vergangenen Jahren eine eindrucksvolle Rally beschert: Sinkende Leitzinsen führten zu steigenden Kursen von Zinspapieren und damit zu höheren Renditen. Gleichzeitig traten die Notenbanken im Rahmen ihrer Anleihen-Kaufprogramme als zusätzliche große Käufer am Markt auf. Beispielsweise kaufte die Europäische Zentralbank rund 15 Prozent der europäischen Unternehmensanleihen mit Investmentgrade-Ratings, die 2018 emittiert wurden.

Damit schufen die Notenbanken eine zusätzliche Nachfrage, die als Kurstreiber wirkte. Die dadurch entstandene Rally erfasste nahezu alle Marktsegmente und bescherte institutionellen Investoren in Deutschland, die traditionell stark in Anleihen engagiert sind, mitunter eindrucksvolle Buchgewinne.

Flexibilität gefragt

Gleichzeitig belasteten die niedrigen Zinsen das Asset-Liability-Management von Investoren mit langfristigen Verbindlichkeiten wie zum Beispiel Pensionskassen und Versicherern. Die Investoren haben sich an dieses Niedrigzinsumfeld angepasst, ihre Portfoliostrategien überdacht und Anlagehorizonte erweitert - zum Beispiel, indem sie inzwischen vermehrt auf Hochzins- und Schwellenländeranleihen sowie alternative Anlageklassen wie Private Debt und Loans setzen.

Jetzt ist einmal mehr Flexibilität gefragt. Denn das Makroumfeld ändert sich erneut, die globale Zinswende hat begonnen. In den USA sind die Leitzinsen in den vergangenen Jahren bereits gestiegen, nachdem die Notenbank Fed zuvor bereits ihr Anleihen-Kaufprogramm beendet hatte. Dass die Europäische Zentralbank die Leitzinsen 2019 erhöht, ist unwahrscheinlich. Doch auch sie hat die geldpolitische Wende eingeleitet. Ihr Anleihen-Kaufprogramm endete im Dezember 2018, seitdem wird lediglich Kapital aus auslaufenden Papieren neu investiert. Folglich wird die Europäische Zentralbank 2019 schätzungswiese nur noch zwei Prozent der in diesem Jahr emittierten Investmentgrade-Unternehmens anleihen erwerben. Auch wenn die Entwicklung wohlüberlegt, langsam und stetig vonstatten geht: Tendenziell dürfte eine globale geldpolitische Rückkehr zur Normalität die Kurse von Anleihen belasten - und damit das Asset-Liability-Management institutioneller Investoren, die vorrangig festverzinsliche Papiere halten.

Die gute Nachricht für Investoren lautet: Sie können ihre Portfolios auch an diese neuen Entwicklungen anpassen. Denn es gibt Marktsegmente und Anlagestrategien, die sich relativ robust gegenüber Zinsänderungen verhalten und mitunter sogar davon profitieren. Investoren sollten entsprechende Anpassungen jedoch frühzeitig angehen. Denn zu der zyklischen Herausforderung steigender Zinsen kommt eine strukturelle: Die Liquidität am Anleihenmarkt nimmt ab, weil frühere Marktteilnehmer sich aus regulatorischen Gründen vom Handel zurückziehen. Das kann dazu führen, dass Anpassungen im Anleihenportfolio sich nicht mehr wie gewohnt umsetzen lassen. Auch dafür gibt es aber eine Lösung.

Mit Blick auf die Zinswende eignen sich vor allem drei Wege, um Portfolios wetterfest zu machen. Erstens bietet es sich an, die Duration - sprich die durchschnittliche Kapitalbindungsdauer - zu reduzieren. Denn grundsätzlich gilt: Je kürzer die Duration, desto geringer der anfängliche Kursverlust. Zudem sind bei kürzerer Duration schnellere Wiederanlagen möglich, sodass der positive Effekt daraus eher zum Tragen kommen kann. Vor diesem Hintergrund können sich Investoren auf eine Zinswende einstellen, indem sie die Durationen ihrer Portfolios herunterfahren. Das macht sie weniger anfällig für Kursverluste und ermöglicht, schneller vom höheren Zinsniveau zu profitieren.

Robuste Anleihensegmente nutzen

Dabei können Investoren sowohl auf flexible, aktiv gemanagte Anleihenfonds zurückgreifen, deren Portfoliomanager die Duration ja nach Marktumfeld steuern, als auch auf ETFs, die das kurze Laufzeitensegment sehr granular abbilden. In jedem Fall sollten Investoren nicht nur auf die absolute Portfolioduration schauen. Entscheidend ist auch, diese mit den Verpflichtungen in Einklang zu bringen. Beispielsweise sinkt die Diskontierungsrate für Verbindlichkeiten von Investoren, die unter das deutsche Handelsgesetzbuch (HGB) fallen, weiter. Denn die Rate ergibt sich aus dem Durchschnittswert der vergangenen zehn Jahre. Gleichzeitig steigen die Zinsen auf der Vermögensseite mitunter bereits, weil diese den aktuellen Marktentwicklungen folgen.

Zweitens gibt es Fixed-Income-Segmente, die sich generell relativ robust gegenüber Zinsänderungen verhalten oder sogar weitgehend immun dagegen sind. Dazu gehören etwa sogenannte Floater. Diese Bonds bieten flexible Kupons, die von den Emittenten an Veränderungen des Marktzinsniveaus angepasst werden. Auch im Investmentgrade-Bereich sind die Risikoprämien dieser Papiere interessant, sodass nicht notwendigerweise eine Erweiterung der Anlagerichtlinien in den Hochzinsbereich hinein notwendig ist. Auch Schwellenländeranleihen dürften in Phasen steigender Zinsen insgesamt vergleichsweise gut abschneiden, weil sie höhere Risikoaufschläge und damit Puffer gegen Kursrücksetzer bieten. Aktive Anleihen-Portfoliomanager mit umfassen dem Anlagespektrum beziehen auch Floater und Schwellenländerpapiere in ihre Portfolios ein.

Einen weiteren Zugangsweg bieten ETFs, die exklusiv Bonds mit flexiblen Kupons beziehungsweise Schwellenländeranleihen umfassen. Darüber hinaus bieten öffentlich gelistete Verbriefungen von Bankdarlehen in Form von Collateralised Loan Obligations (CLOs) sowie Privatplatzierungen am Kreditmarkt Möglichkeiten, Portfolios im Hinblick auf Zinsänderungen widerstandsfähiger zu machen. Denn die Zinssätze von Bank Loans und anderen Private-Credit-Emissionen passen sich ebenfalls an Veränderungen des Marktniveaus an. Ein direkter Zugang zu entsprechenden Anlagemöglichkeiten so wie ein eigenes Dealsourcing - idealerweise mit Teams vor Ort - sind entscheidende Schlüssel zum Erfolg. Investoren, die nicht über die notwendigen Ressourcen verfügen, können auf Asset Manager mit entsprechender Expertise zurückgreifen.

Illiquiditätsprämien gezielt vereinnahmen

Drittens bieten aktiv gemanagte Relative-Value-Strategien im Fixed-Income-Bereich eine Möglichkeit, unabhängig von der breiten Marktentwicklung positive Renditen zu erzielen. Um das zu erreichen, gehen die Portfoliomanager eine Vielzahl kleinerer Positionspaare ein. Dabei setzen sie unter anderem auf Bewertungsunterschiede, etwa zwischen spanischen und italienischen Emissionen. Was die abnehmende Liquidität am Kapitalmarkt angeht, so verfügen institutionelle Investoren über hilfreiche Erfahrung. Denn sie sind Anlagen mit geringerer Liquidität vielfach gewohnt, unter anderem wegen ihrer Immobilienquoten. Hinzu kommen lange Anlagehorizonte, gerade im Falle von Pensionskassen und Versicherern. Insofern können institutionelle Investoren eine geringere Liquidität von Vermögenswerten ins Positive drehen und bewusst Illiquiditätsprämien vereinnahmen. Mit diesem Ziel erweitern sie ihr Anlagespektrum unter anderem im Bereich Infrastruktur. Sie suchen dort vermehrt Renditen in risikoreicheren Märkten, Projekten und Sektoren.

Zusatzliquidität durch Anleihen-ETFs

In entwickelten Märkten wächst der Appetit auf Greenfield-Projekte, während Investoren gleichzeitig nach Brownfield-Projekten und Wertsteigerungsmöglichkeiten in neuen Regionen suchen. Neben Infrastruktureigenkapital werden auch Fremdkapitalinvestitionen in Infrastruktur immer beliebter, um Portfolios auf der Fixed-Income-Seite breiter aufzustellen und zusätzliche Renditequellen zu erschließen. Außerdem allokieren große institutionelle Investoren vermehrt direkt in Infrastrukturanlagen. Auch im Bereich Infrastruktur sind ein direkter Zugang zu entsprechenden Anlagemöglichkeiten so wie ein eigenes Sourcing wesentliche Erfolgsfaktoren.

Ein weiterer Trend in Anbetracht der abnehmenden Liquidität am Anleihenmarkt ist, dass institutionelle Investoren zunehmend ETFs statt einzelner Emissionen nutzen. Denn ETFs ermöglichen den Zugang zu breit diversifizierten Bondportfolios in einer einzigen Transaktion. Zudem sind sie vielfach liquider als einzelne Papiere, was sich gerade auch in historischen Stressphasen bewährt hat. Denn anders als einzelne Papiere, bei denen Transaktionen in erster Linie außerbörslich ablaufen, werden Anleihen-ETFs an Börsen gehandelt und auch am Sekundärmarkt. Die hohe Liquidität des Börsenhandels und die Transaktion kompletter Wertpapierkörbe tragen dazu bei, dass Anleihen- ETFs allgemein kostengünstiger sind als der Handel in den zugrunde liegenden Bonds.

Insofern bedeuten steigende Zinsen und abnehmende Liquidität am Anleihenmarkt für institutionelle Investoren nicht nur eine Herausforderung. Sie sind auch eine Chance, die Anlagepolitik erneut zu überdenken und Portfolios noch breiter aufzustellen. Wer die beschriebenen Möglichkeiten nutzt, leistet damit einen wichtigen Beitrag, um sich zukunftsfähig aufzustellen und langfristige Wettbewerbsvorteile zu sichern.

Harald Klug Leiter des institutionellen Geschäfts in Deutschland und Österreich, BlackRock, Frankfurt am Main
Harald Klug , Leiter Institutional Business Deutschland und Österreich, BlackRock, Frankfurt am Main
Noch keine Bewertungen vorhanden


X