Finanzmarkt

Nicht alle im Jammertal

Finanzplatz im Stimmungstief. Das berichtet zumindest das Center for Financial Studies: Der CFS-Index verzeichnete im ersten Quartal den stärksten Einbruch seit seiner Erfassung. Die Corona-Pandemie und vor allem ihre wirtschaftlichen Folgen treiben die Finanzwelt vor Sorge um. Doch trifft es alle gleich hart? Die einzige deutsche Großbank, die zum Redaktionsschluss bereits über Q1 berichtet hat, ist die Deutsche Bank. Das Institut hat die Risikovorsorge im Kreditgeschäft von 140 auf 506 Millionen Euro hochgefahren, wovon laut der Deutschen Bank rund 50 Prozent auf die Pandemie zurückzuführen sind. Das entspricht 44 Basispunkten des Kreditvolumens, in der Investmentbank hingegen 111 Basispunkten. Das Vorsteuerergebnis sank dadurch sowie aufgrund umbaubedingter Belastungen von 172 Millionen Euro um 29 Prozent auf 206 Millionen Euro.

Bei europäischen Großbanken zeigt sich ein gemischtes Bild. In Frankreich weist etwa die BNP Paribas ein um gut ein Drittel beziehungsweise fast 900 Millionen Euro eingedampftes Vorsteuerergebnis aus. Das Institut hat die Risikovorsorge auf 1,43 Milliarden Euro fast verdoppelt. Der große Konkurrent Société Générale vermeldete dagegen überraschend einen operativen Verlust von 328 Millionen Euro, nachdem er ein Jahr zuvor noch 1,14 Milliarden Euro Gewinn erzielte. Überraschend deshalb, da nicht allein die Risikokosten für den Einbruch verantwortlich waren, auch die Erträge fielen in den ersten drei Monaten dieses Jahres um gut eine Milliarde Euro geringer aus. Noch heftiger hat es die italienische Unicredit erwischt. Mit einem Verlust von 2,7 Milliarden Euro nach einem Gewinn von 1,18 Milliarden Euro im Vorjahr sind die Zahlen tiefrot.

Bei den Versicherern hat beispielsweise die Talanx Corona-bedingte Großschäden in Höhe von 313 Millionen Euro verbucht. Dennoch sinkt das EBIT hier nur um knapp 10 Prozent auf 559 Millionen Euro. Die Münchener Rück vermeldet insbesondere durch Veranstaltungsausfall Corona-bedingte Schäden in Höhe von 800 Millionen Euro. Das operative Ergebnis fiel hier um fast 50 Prozent auf 397 (771) Millionen Euro.

Während die Pandemie für Banken und Versicherer also eine große Belastung ist, wirkt sie bei der auf den Aktienhandel fokussierten Finanzindustrie wie eine Belebung. Beispiel Broker: Flatex hat im ersten Quartal schon das Vorsteuerergebnis des Vorjahres übertroffen. Zwar liegt das auch an der Übernahme von Degiro, aber beide haben bei der Zahl der Wertpapiertransaktionen im Vergleich zum Vorjahresquartal prozentual dreistellig zugelegt. Interessante Einblicke gewähren auch die Zahlen der Comdirect. So ist die Zahl der ausgeführten Orders um 112,2 Prozent gestiegen, die durchschnittliche Orderhäufigkeit je Depot um 86,3 Prozent, aber auch der Nettomittelneuzufluss um 93,7 Prozent geklettert. Der Provisionsüberschuss explodierte förmlich um fast 120 Prozent, die Cost Income Ratio implodierte im Gegenzug von 86,4 auf 48,3 Prozent. Den Gewinn vor Steuern steigerte die Comdirect um 523,5 Prozent auf fast 78 Millionen Euro. Ein ebenfalls positives Bild ergibt sich bei den Börsenbetreibern, die für März und April Rekordvolumina verkündet haben. Die Deutsche Börse, als eine der wenigen, die schon Zahlen veröffentlicht haben, steigert ihr EBITDA im ersten Quartal um 30 Prozent auf 619,8 Millionen Euro.

Es zeigt sich, nicht die ganze Finanzindustrie hat Grund, Trübsal zu blasen und in ein Stimmungstief zu verfallen. Aber auch die Aktienhandel-nahen Institute sollten den Champagner noch ungeöffnet lassen. Sollte eine langwierige Rezession doch noch zu weiteren heftigen Kurseinbrüchen führen, könnte das die Deutschen wieder langfristig vom Kapitalmarkt vertreiben.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X