Wirtschaftspolitik

Bankquälerei

Sparen oder Investieren? An dieser Frage arbeiten sich seit Jahrzehnten die klügsten volkswirtschaftlichen Köpfe ab. Während Keynesianer Sparen im Sinne von Geldvermögensbildung zwar für eine individuelle Tugend halten, es aus makroökonomischer Sicht aber aufgrund der Konsumzurückhaltung und den damit verbundenen Einkommensverlusten für Unternehmen und Beschäftigte für wachstumsbeschränkend verurteilen, hält die Neoklassik keinen unbegrenzten Anstieg des BIP für möglich, sodass Sparen und Investitionen in einem Konkurrenzverhältnis stehen. Keynes galt lange Zeit als überholt und widerlegt. In jüngerer Zeit mehren sich seine Anhänger aber wieder, zu denen ganz offensichtlich auch die EZB gehört. Denn viele Maßnahmen, zuletzt die Andeutung der Änderung des bislang starren Inflationsziels "von unter, aber nahe zwei Prozent" in ein "symmetrisches" Inflationsziel, welches auch längere Zeit über zwei Prozent liegen kann, tragen unzweifelhaft Keynesianische Züge. Entsprechend unattraktiv will Europas mächtige Notenbank die Liquiditätsanhäufung frei nach dem Motto "Sparen verboten!" machen, für die Menschen in Europa, aber eben auch für die Banken, die für eigene Liquidität lange schon Strafzinsen bei der EZB zahlen müssen.

Der Vorstoß der Sparkassen und Kreditgenossenschaften, diese künftig auch an die Sparer in Deutschland weiterzugeben, hat die deutsche Politik ganz offensichtlich auf dem falschen Fuß erwischt. Anders lassen sich derart undurchdachte Ankündigungen nicht erklären, dass das Finanzministerium prüfe, "ob es der Bundesregierung rechtlich möglich ist, Kleinsparer vor solchen Negativzinsen zu schützen", wie sie Bundesfinanzminister und SPD-Chefanwärter Olaf Scholz kurz vor den Wahlen in Deutschlands Osten machte. Manche Menschen, Sparer allesamt, mögen das gerne hören, genauso wie sie vor einigen Jahren Merkels "Die Spareinlagen der Deutschen sind sicher" gerne gehört haben. Auslöser waren damals übrigens einige wenige, die ihr Geld zu hohen Zinsen bei einer nicht den deutschen Sicherungseinrichtungen angehörenden isländischen Bank geparkt haben, in der Hoffnung, schneller reich zu werden als andere. Aber: Wo sind künftig die Grenzen, wenn sich eine Regierung per Gesetz durch Preisfestsetzungen oder Gebührenverbote aktiv in die Geschäftspolitik einer ganzen Branche einmischt? In Fällen von nachgewiesenem Marktversagen könnte man dafür eventuell noch ein gewisses Maß an Verständnis aufbringen. Dies liegt hier aber ganz bestimmt nicht vor. Es ist allein die europäische Geldpolitik, die zu solchen Reaktionen führt. Und gehörte dann nicht auch der EZB die Erhebung von Strafzinsen verboten? Aber wer kann der sich in einem nahezu rechtsfreien Raum befindlichen europäischen Notenbank schon etwas verbieten?

Das Problem und damit die eigentliche Motivation von Scholz liegt aber ganz woanders. Wenn in großen Stil Negativzinsen an Privatkunden weitergereicht würden, womit die verzweifelte Kreditwirtschaft nun droht, wäre es für Sparer ökonomisch die einzig richtige Entscheidung, das Geld von den Banken abzuziehen und zu Hause in die Schublade oder unter das Kopfkissen zu legen. Einen solchen "Bankrun" wollen die Politiker aber um jeden Preis vermeiden, wäre er doch zuerst für Deutschlands Kreditwirtschaft, dann für Deutschlands Wirtschaft und vermutlich auch für Europa der Todesstoß. Statt aber so gnädig zu sein und den Banken damit wenigstens einen schnellen Tod zu ermöglichen, lässt man sie lieber zappeln. Ein Verbot der Weitergabe von Strafzinsen wäre nicht nur juristisch zweifelhaft und unzweifelhaft falsch, es wäre schlichtweg auch Bankquälerei.

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