Private Banken

Wir brauchen mehr Europa?

Dr. Christian Ossig, Hauptgeschäftsführer und Mitglied des Vorstands Bundesverband deutscher Banken e. V.
Quelle: Bundesverband deutscher Banken

"Wir brauchen mehr Europa." Mit dieser Forderung geht der Bundesverband deutscher Banken den Worten seines Hauptgeschäftsführers Christian Ossig zufolge in das Jahr der so wichtigen Wahlen zum neuen Europäischen Parlament. Wichtig, denn auf dieses neue Parlament warten enorme Aufgaben, es muss so vieles anpacken und nie zuvor war die Gefahr so groß, dass populistische und nationalistische Strömungen und die Zersplitterung durch Randparteien eine konstruktive Zusammenarbeit schwer bis unmöglich machen. Mehr Europa heißt für Ossig in erster Linie bessere, weil einheitlichere EU-Rahmenbedingungen für die Banken, sprich die Vervollständigung des EU-Binnenmarktes für Finanzdienstleistungen. Denn dieser ist für den gelernten Investmentbanker immer noch ein "Flickenteppich", er stellt fest, dass die Finanzierung der Wirtschaft und der Vertrieb von Finanzprodukten für Privatkunden immer noch in erster Linie eine nationale Angelegenheit sind und an den Grenzen haltmachen. Das gehe, so Ossig, zulasten der Unternehmen und Verbraucher in allen Ländern der EU. Und weiter noch: Wenn die Bedingungen für grenzüberschreitende Bankdienstleistungen nicht erleichtert würden, könne man nicht von einer Erfolgsgeschichte sprechen.

Klar ist: Rein volkswirtschaftlich betrachtet haben die Verantwortlichen des BdB mit ihren Überlegungen natürlich recht, denn grenzüberschreitender Austausch ist langfristig stets wohlstandsfördernd. Protektionismus und Abschottung haben dagegen selten zu den berühmten "blühenden Landschaften" geführt. Aber natürlich stecken dann in einem Europa der zwei Geschwindigkeiten auch Gefahren, wenn nämlich die etwas zurückgebliebenen Nationen von den fortgeschrittenen profitieren und Nach- wie Vorteile am liebsten verallgemeinern wollen. Die Diskussionen um die europäische Einlagensicherung zeigen das ebenso wie der anhaltende Widerstand der BaFin gegen einen umfassenden Transfer von Einlagen eines deutschen Tochterunternehmens in das ausländisch beheimatete Konzerntreasury, was die Fundingkosten natürlich reduzieren und damit die Ertragsspanne anheben würde, was aber eben auch zu einer weiteren Verunsicherung der Verbraucher führen könnte, wenn deren Einlagen plötzlich in Spanien oder Italien verloren gingen. Hier muss sehr genau überlegt und geprüft werden, welche weiteren Zugeständnisse man mit Blick auf ein einheitlicheres Europa macht.

Darüber hinaus zeigen die Erfahrungen der Vergangenheit, dass sich gerade deutsche Banken nicht immer mit Ruhm und Geld bekleckert haben, wenn sie ihre Produkte in anderen Ländern mit anderen Gepflogenheiten angeboten haben. Weder die europäischen Wahlverwandschaften einer Commerzbank noch die europaweite Retailinitiative der Deutschen Bank war von Erfolg gekrönt. Ob der vielfach geäußerte Wunsch nach starken nationalen Banken daher unbedingt mit verstärkten grenzüberschreitenden Tätigkeiten erreicht werden kann, ist also zumindest fraglich. Mehr Europa ist wichtig. Dieses Mehr Europa sollte aber nicht in neuen Regelungen und neuen Einschränkungen liegen, sondern vielmehr in einem vernünftigen Nebeneinander von notwendiger Harmonisierung und dem Erhalt erfolgreicher nationaler Gepflogenheiten. Das Beste aus beiden Welten, dann würde der Unmut vieler mit dem derzeit etwas zu dominanten Europa sicherlich auch wieder abnehmen.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X