Regulierung

Diskussionen um die Basel-IV-Umsetzung

In welchen europäischen Ländern gibt es den größten Nachholbedarf für die Eigenkapitalausstattung der Banken? Hätte man diese Frage vor gut zwei Jahren ausgewiesenen Kennern der europäischen Bankenszene gestellt, wäre wohl in vielen Fällen eine andere Abfolge ermittelt worden, als sie Anfang August die europäische Bankenaufsichtsbehörde EBA anhand einer umfangreichen Basel-IV-Auswirkungsstudie ermittelt hat. Die höchsten zusätzlichen Kapitalanforderungen haben der EBA-Studie zufolge mit mehr als plus 55 Prozent die betrachteten Institute aus Schweden, gefolgt von Dänemark mit knapp über 40 Prozent und Deutschland mit knapp unter 40 Prozent an zusätzlichem Kapital. Leicht über dem durchschnittlichen Anstieg der Kapitalanforderungen liegen die Niederlande, Irland und Frankreich. Nach Beobachtungen des Bundesverbandes deutscher Banken (BdB) sind der Tendenz nach somit vielfach Länder betroffen, deren Institute im EBA-Stresstest vergleichsweise gut abgeschnitten hatten.

Konkret steigen die Eigenmittelanforderungen der betrachteten 189 Institute demnach um 24,4 Prozent, die benötigten zusätzlichen Eigenmittel betragen 135,1 Milliarden Euro. Auch wenn sich die konkreten Zahlen auf die ausgewählten Institute des Samples beziehen, sieht der BdB die Aufseher weit von dem angepeilten Ziel entfernt, die Kapitalanforderungen nach Basel IV nicht signifikant oder konkreter weniger als 10 Prozent steigen zu lassen. Möglichst im Schulterschluss mit Vertretern aus den besonders betroffenen Ländern versucht der BdB nun im Vorfeld des für Mitte 2020 vorgesehenen Gesetzentwurfs der EU-Kommission und dem darauf aufbauenden Trilog-Prozess die politische Umsetzung von Basel IV in Bahnen zu lenken, die den besonderen Bedingungen der besonders betroffenen Institute gerecht wird. Wo ist die Unterstützung der deutschen Politik, wenn es darum geht, hiesige Schlüsselindustrien zu unterstützen? So lautet die flankierende Frage in Richtung Berlin.

Eine Unterstützung von den hiesigen und anderen europäischen Aufsichtsbehörden wird indes nur bedingt erwartet, zum einen, weil die an dem mühevoll ausgehandelten Basel-IV-Kompromiss beteiligten Personen und ihre jeweiligen Häuser dieses Paket kaum noch aufschnüren wollen und zum anderen, weil die EBA in einigen zentralen Punkten klar eine Gegenposition zum BdB bezogen hat. So weist die EBA beispielsweise darauf hin, dass für rund 50 Prozent aller Banken die Erhöhung der Eigenkapitalanforderungen unter 10,6 Prozent bleibt. Der BdB wiederum betont, dass die 50 Prozent der Banken, die einen teilweise extremen Anstieg ihres Eigenkapitalbedarfs verkraften müssen, deutlich mehr als 50 Prozent des Marktes abdecken. Die Anregung der EBA allein schon durch Gewinnthesaurierung in der Transitionsphase, den Shortfall von 135 auf 59 Milliarden Euro reduzieren zu können, stuft der BdB angesichts der Situation an den Aktienmärkten und den Ansprüchen von Aktionären und Investoren als völlig unrealistisch ein. Und auch den von der EBA vorgerechneten moderaten Anstieg der Kapitalanforderungen für kleine Institute um 5,5 Prozent will der Verband nicht gelten lassen, weil es selbst im Sample zahlreiche kleinere und mittlere Institute mit weitaus über diesem Durchschnittswert liegenden Anstiegen gibt.

So gut sich der BdB mit seinen Argumenten auch für den politischen Diskurs gewappnet, sieht, so unsicher ist sich Hauptgeschäftsführer Christian Ossig mit der Einschätzung der Erfolgsaussichten. Denn viele Politiker aus den kleineren europäischen Ländern werden mit all diesen Dingen auf nationaler Ebene überhaupt nicht konfrontiert und entscheiden beziehungsweise urteilen deshalb möglicherweise nach dem geläufigen Brüsseler Motto: Wo ist das Problem?

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