Börsen

Die Frustration ist groß

Hanna Thielemann

Preisabsprachen in der Wirtschaft sind nicht nur verpönt, sondern auch gesetzlich verboten. Und obwohl die Aufsichtsbehörden und Kartellwächter mit Argusaugen über den Markt wachen, sind die finanziellen Anreize, die solche Absprachen mit sich bringen, anscheinend so verlockend, dass Unternehmen und Banken immer wieder hohe Strafen in Kauf nehmen. Bilden wenige Unternehmen ein Monopol, ist die Gefahr natürlich größer, dass es zu Preisabsprachen kommt. Dieser Gefahr sieht sich die US-Börsenlandschaft seit mehreren Jahren ausgesetzt. Denn bis auf eine der 13 aktiven US-Börsen befinden sich heute alle im Besitz von drei Unternehmen: der NYSE-Mutter Intercontinental Exchange Inc., kurz ICE, der Nasdaq und der Cboe Global Markets Inc. Diese drei verbuchen mittlerweile fast den gesamten Teil des Handelsvolumens von US-Aktien auf sich. Nur die 2012 gegründete Investors Exchange (IEX) hält sich noch unabhängig, wickelt bald sieben Jahre nach der Gründung jedoch nur 2,5 Prozent des US-Aktienhandels ab.

Diese Machtkonzentration sorgt offensichtlich mehr und mehr für Unmut. Denn gerade hat eine Gruppe von Finanz-Schwergewichten der Wall Street, darunter die Großbanken Bank of America, UBS und Morgan Stanley, die Broker TD Ameritrade und E*Trade sowie die Hochfrequenzhändler Citadel und Virtu den Plan vorgestellt, eine neue Low-Cost-Börse zu eröffnen, um die drei Platzhirsche herauszufordern. Nach jahrelanger Frustration von Wall-Street-Brokern und -Händlern über die Gebühren der US-Börsen soll die sogenannte Members Exchange (MEMX) den Wettbewerb erhöhen, die operative Transparenz verbessern, Fixkosten weiter reduzieren und die Abwicklung des Aktienhandels in den USA vereinfachen, heißt es in einer Mitteilung. Vertreter der Initiatoren gaben an, dass sie sich Anfang dieses Jahres um einen Börsenstatus bei der Securities and Exchange Commission (SEC) bewerben möchten. Die SEC-Zulassung für einen neuen Austausch ist jedoch ein langwieriger Prozess, der 12 Monate oder länger dauern kann. Es kann also durchaus 2020 oder später werden, bevor MEMX an den Start gehen kann.

Die Ankündigung kommt kurz nachdem die Aufsichtsbehörden begonnen haben, die drei Börsenbetreiber einer verstärkten Prüfung zu unterziehen. ICE, Nasdaq und Cboe sehen sich wegen der Erhöhung der Gebühren für Dienstleistungen wie der Daten-Feeds, die Broker zur Überwachung der Kursentwicklung der Aktienkurse verwenden, der Kritik ausgesetzt. Bereits im Oktober entschied die SEC in einem langjährigen Streit um die Erhöhung von Marktdatengebühren durch NYSE und Nasdaq, dass diese nicht rechtmäßig seien. NYSE und Nasdaq legten daraufhin Berufung vor dem Bundesgericht ein.

Der Markt nimmt die Pläne offensichtlich ernst: Die Aktien der großen US-Börsenbetreiber standen nach der Ankündigung der neuen Börse unter Druck. Der Kurs der ICE fiel am Tag der Bekanntgabe um mehr als zwei Prozent, während die Nasdaq 2,5 Prozent schwächer notierte. Die Papiere der Chicago Board Options Exchange (Cboe) lagen nach der Ankündigung der MEMX-Gründer 1,8 Prozent im Minus. Trotz der prominenten Initiatoren ist ein Erfolg der MEMX keineswegs ausgemacht. Ein Launch würde dem stark konzentrierten Börsengeschäft zwar neuen Wettbewerb verschaffen, es gibt jedoch keine Garantie dafür, dass MEMX Erfolg haben wird. Neue Börsen haben oft Schwierigkeiten, Handelsaktivitäten aus etablierten Märkten abzuziehen. Doch die Initiative zeigt, dass "Marktteilnehmer den Machtmissbrauch nicht länger tolerieren", wie sich IEX-Chef Brad Katsuyama zitieren lässt. Und ob die neue Börse nun kommt oder nicht, sollten die Börsenbetreiber bis zum möglichen Start der MEMX ihre Gebührenordnung überdenken, hätte die Members Exchange schon einen Teil ihres Zwecks erfüllt.

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