Zahlungsverkehr

Die Herausforderungen bleiben

Selten stand das Payment so sehr im Fokus wie in der Corona-Krise. Überall wird der Kunde aufgefordert, nach Möglichkeit bargeldlos zu bezahlen. Jeder vierte Deutsche hat laut einer Umfrage im Auftrag des Bankenverbands sein Bezahlverhalten entsprechend verändert. Gleichzeitig sehen sich Bundesbank und sogar die EZB genötigt, eine "Unbedenklichkeitserklärung" für das Bargeld in Sachen Infektionsrisiko abzugeben. In Sachen Sicherheit bezeugt dies einen regelrechten Paradigmenwechsel: Hatten die Menschen bisher Angst, beim bargeldlosen Bezahlen Opfer von Betrug zu werden und/oder den Überblick über ihre Ausgaben zu verlieren, so herrscht jetzt Angst vor dem bisher als sicher empfundenen Bargeld.

Daraus zu folgern, dass die Payment-Branche zu den Gewinnern der Corona-Krise zählt, wäre allerdings zu kurz gegriffen. Zum einen sind kartengestützte Bezahlvorgänge und der damit verbundene Umsatz nach Informationen des Euro Retail Institute (EHI) während der Zwangsschließung fast aller Geschäfte außer dem Lebensmitteleinzelhandel, Apotheken und Drogeriemärkten deutlich gesunken. Das klingt angesichts des zum Teil zweistelligen Wachstums des bargeldlosen Zahlens in den noch geöffneten Geschäften zwar paradox. Allerdings war die Kartenzahlung vor der Krise vor allem im Nonfood-Handel besonders stark verbreitet, also genau in jenen Geschäften, die ihre Türen wochenlang schließen mussten. Es ist auch nicht so, dass die Menschen in der Zeit daheim massenhaft online eingekauft hätten. Vielmehr berichtet der E-Commerce-Verband BEVH für den März 2020 über alle Kategorien hinweg von einem Umsatzeinbruch um 18,1 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat. Zunächst einmal hat die Corona-Krise der Payment-Branche also wie anderen Branchen auch einen kräftigen Dämpfer verpasst.

Dennoch sind die Grundlagen für künftiges Wachstum gelegt - durch verändertes Bezahlverhalten, mehr Kartenakzeptanz in neuen Bereichen und mehr kleine Online-Shops lokaler Händler. Wie rasch sich aus all dem Wachstum ergeben wird, hängt nicht zuletzt vom weiteren Fortgang der Beschränkungen und ihren wirtschaftlichen Folgen ab. Insolvenzen aufseiten der Akzeptanzstellen drücken ebenso auf die Umsätze wie Einkommenseinbußen der Karteninhaber durch Kurzarbeit oder Arbeitsplatzverlust. Im Online-Handel kommen ab dem Sommer absehbar sinkende Konversionsraten im Zuge der Umsetzung der immer noch nicht flächendeckend praktizierten Zwei Faktor Authentifizierung hinzu.

Auch der Wettbewerb sorgt dafür, dass das Wachstum nach der Krise sich nicht automatisch einstellen wird. Verbraucher beispielsweise, deren Debitkarte noch immer keine Kontaktlosfunktion hat, wechseln am stationären PoS ganz schnell zur Kreditkarte eines anderen Emittenten, wenn diese die gewünschte Funktionalität bietet. Ebenso werden Mobile Payment-Fans nicht zwingend die Lösung ihrer Hausbank nutzen, wenn eine andere Anwendung sie mehr überzeugt. Der Anschluss zahlreicher neuer Händler, darunter viele aus dem Kleinbetragszahlungssegment, könnte nach der Krise die Debatte um die mit der Kartenakzeptanz verbundenen Kosten neu beleben. Das würde vor allem dann gelten, sollte die jetzt erneut vorgetragene Forderung nach einer möglichen gesetzlichen Verpflichtung, bargeldloses Zahlen zu ermöglichen, tatsächlich in ein nationales oder sogar europäisches Gesetzgebungsverfahren münden.

Gleichzeitig wird der Innovationsdruck weiterhin hoch bleiben oder eher noch steigen, weil durch die Krise der Trend zur Digitalisierung angeheizt wird und damit auch immer neue Bedürfnisse rund um das Bezahlen entstehen. Hier müssen sich die etablierten Anbieter weiter mit den globalen Technikkonzernen und Internetgiganten messen. Das EZB-Direktoriumsmitglied Fabio Panetta deutet deshalb auch an: Die Forderung nach einem europäischen Payment Scheme ist nicht vom Tisch, auch wenn die Gespräche darüber einstweilen vermutlich nicht so zügig vorangehen, wie es im persönlichen Austausch möglich gewesen wäre. Der Druck vonseiten Politik und Eurosystem wird eher noch zunehmen. Ist nach der Krise also vor der Krise?

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