Immobilienfinanzierung

Kein Grund zur Panik

In dem Maße, wie die EZB ihre geldpolitischen Maßnahmen ausgeweitet und die Zinsen gesenkt hat, haben die deutschen Banken und Sparkassen ihre Anstrengungen zur Vergabe neuer Wohnungsbaukredite erhöht. So ist der Bestand an Immobilienfinanzierungen laut Deutscher Bundesbank seit 2010 kontinuierlich ausgeweitet worden und lag per Ende 2019 bei rund 1470 Milliarden Euro. Das entspricht knapp 52 Prozent des insgesamt ausgereichten Kreditvolumens und einem Anstieg gegenüber 2010 um mehr als 33 Prozent. Tendenz steigend, denn betrug die Wachstumsrate zu Beginn des Jahres 2010 noch 0 Prozent, erhöhte sich diese stetig auf inzwischen mehr als 5 Prozent. Es ist der Versuch, der Erosion der Zinsergebnisse über die Volumenausweitung entgegenzutreten, der eine Zeitlang noch gut funktionierte, spätestens seit 2019 aber hakt. Zu groß ist mittlerweile die Diskrepanz bei den Margen zwischen neu abgeschlossenen Kreditverträgen und auslaufendem Altgeschäft. Entsprechend sinken die Zinsüberschüsse bei allen Bankengruppen mittlerweile spürbar.

Die zweite Gefahr: Die große Abhängigkeit von der Immobilienfinanzierung macht die Kreditgeber natürlich verwundbar gegenüber einem unerwarteten Konjunktureinbruch oder einem abrupten Zinsanstieg. Letzteres kann man angesichts des derzeitigen wirtschaftlichen Umfelds getrost für längeren Zeitraum ausschließen. Aber die "schwerste Rezession" der Nachkriegszeit wird auch an den deutschen Haushalten und Unternehmen nicht spurlos vorüberziehen. Und damit auch in Form steigender Kreditausfälle zu einer Belastung für die ohnehin schon gebeutelten Banken werden. Das betrifft zwar sicherlich in allererster Linie und zum größten Teil die unbesicherten gewerblichen Investitionsfinanzierungen oder die Konsumentenkredite. Die besicherten Hypothekenfinanzierungen stehen da deutlich besser dar. Aber ein länger anhaltender Preisverfall dürfte sich zum einen ebenfalls in steigenden NPL bemerkbar machen, zum anderen natürlich das Neugeschäft bremsen, was wiederum über sinkende Zinseinnahmen den Druck auf die Gewinn- und Verlustrechnungen der Banken und Sparkassen weiter erhöhen wird.

Was bringt nun Corona? Nichts Gutes, so viel ist klar. Aber wird die Wohnungsbaufinanzierungen zur Gefahr für die Stabilität des deutschen Finanzsystems? Laut dem Finanzstabilitätsbericht der Deutschen Bundesbank vom Ende vergangenen Jahres lag der durchschnittliche Beleihungsauslauf bei 84 Prozent, was einem leichten Anstieg gegenüber 2016 von 2 Basispunkten entspricht. Das heißt, die Preise müssten um fast 20 Prozent im Schnitt einbrechen. Zudem ist die Entwicklung der Beleihungsausläufe heterogen: im Neukreditgeschäft erhöhten sie sich nur bei etwa 60 Prozent der befragten Institute, bei 40 Prozent verringerten sie sich dagegen. Die Anfangstilgung hat sich zwischen 2017 und 2018 von durchschnittlich 3,4 Prozent auf 3,2 Prozent leicht verringert, liegt damit aber immer noch auf einem eher hohen Niveau. Und auch die Schuldentragfähigkeit des privaten Sektors ist laut Finanzstabilitätsbericht mit einem Anteil der Verschuldung relativ zum BIP von gut 54 Prozent im historischen Vergleich niedrig und liegt unter der aggregierte Verschuldung der privaten Haushalte im Euroraum von knapp 58 Prozent.

Die Basisdaten sind also nicht all zu besorgniserregend. Und auch wenn nahezu alle Experten derzeit kräftige Preisrückgänge am Immobilienmarkt feststellen, so bleiben die langfristigen Immobilientrends intakt. Zudem ist es nicht verkehrt, wenn sich die doch teils ordentlichen Preisübertreibungen ein wenig relativieren. Schließlich bietet das auch wieder Raum für interessante Investitionen. Die Probleme des deutschen Bankensektors werden in den kommenden Monaten sicherlich nicht kleiner werden. Immobilienfinanzierungen spielen dabei aber eine untergeordnete Rolle.

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