Wettbewerb

Nähe neu definiert

"Bleiben Sie der Fläche gewogen!", rief die Bundeskanzlerin den hunderten Anwesenden auf dem Deutschen Sparkassentag zu. Das ist leichter gesagt als getan. Denn was wollen die Bankkunden in den kommenden Jahren wirklich? Auch die eingängigen Untersuchungen bieten da nicht wirklich Hilfe: Laut der Bitcom-Studie "Digital Finance - wie die Digitalisierung die Finanzbranche verändert" geben zwei Drittel der Befragten an, dass ihnen die persönliche Beratung am Schalter wichtig ist. Das sind jedoch sechs Prozent weniger als 2018 - und das Beratungsangebot liegt damit erstmals gleichauf mit digitalen Angeboten wie Online-Banking, Banking-App oder Online-Beratung. 58 Prozent legen Wert auf viele Bankfilialen. Gleichzeitig nutzt fast jeder Dritte ausschließlich Online-Banking, weitere 54 Prozent besuchen lediglich hin und wieder eine Bankfiliale.

Der Trend läuft der Bitte der Kanzlerin entgegen: Laut EZB nahm die Anzahl der Bank-Zweigstellen in den EU-Ländern allein im vergangenen Jahr um 7,5 Prozent auf 135100 Filialen ab. Zum Vergleich: Ende 2014 gab es noch rund 159400 Niederlassungen. Allein in der Bundesrepublik wurden im vergangenen Jahr weitere 2100 Niederlassungen geschlossen, sodass Ende 2018 den EZB-Daten zufolge noch etwa 27900 Bankfilialen den Kunden zur Verfügung standen. Grund sind natürlich die sich immer schneller wandelnden Kundenbedürfnisse: "Einmal im Jahr zur Filiale, 350 Mal Kontakt übers Internet - so entscheiden sich die Kunden heute", heißt es in einem Papier des DSGV. Ganz offensichtlich wird Nähe heute anders definiert, nicht mehr räumlich, sondern dem Nutzen nach. Kunden suchen Lösungen, egal ob stationär oder über das Netz. Allerdings lassen sich Niederlassungen unter diesen Umständen immer häufiger nicht mehr betriebswirtschaftlich sinnvoll betreiben. Immerhin: 2017 lagen rund 27 Prozent der mitarbeiterbesetzten Sparkassenfilialen in den ländlichen Gebieten Deutschlands - so wie früher auch, so der DSGV. Damit sollte doch auch Frau Merkel zufrieden sein.

Doch die Kreditwirtschaft sollte aufpassen, sich beim Thema "Fläche" nicht ebenso vor den politischen Karren spannen zu lassen wie beim Thema Nachhaltigkeit. Es ist vorrangig Aufgabe der Politik, die richtigen Anreize zu schaffen und die Flächen im Vergleich zu den Metropolen attraktiv zu halten, für die Menschen, für Unternehmen, für den Einzelhandel und damit auch für Banken. Denn Volksbanken und Raiffeisenbanken und vor allem Sparkassen sind zumeist die Letzten, die gehen.

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