Internationales

Nein, du!

Warum muss es Wettbewerb sein und nicht Zusammenarbeit? Diese Frage stellte Xu Bin, Professor für Wirtschaft und Finanzen an der China Europe International Business School, in einer Diskussionsrunde auf dem China Europe Finance Summit am 20. Oktober 2020. Im Hintergrund der Diskussion stand die Öffnung Chinas für ausländisches Kapital durch mehrere Anpassungen und Gesetzesänderungen, die dieses Jahr vollzogen wurden oder zu Anfang des nächsten Jahres in Kraft treten sollen.

Das kommt einer Einladung gleich. Tags zuvor wurden vom Nationalen Statistikbüro Chinas die Wirtschaftszahlen der Volksrepublik veröffentlicht. Um 4,9 Prozent ist die chinesische Wirtschaft im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gewachsen. Während der Internationale Währungsfonds für China unter solchen Voraussetzungen ein Wachstum von 1,9 Prozent für das Gesamtjahr voraussagt, sind es bei Deutschland minus 6, in der Euro-Zone insgesamt minus 8,3 und in den USA minus 4,3 Prozent. Warum also nicht teilhaben am Wohlstand der einzigen größeren Volkswirtschaft, die in diesem Jahr wachsen soll und der auch für das Folgejahr mit 8,2 Prozent Wachstum bessere Chancen als fast allen anderen Industrienationen ausgerechnet werden?

Weitere Teilnehmer an der genannten Konferenz waren Michael Bentlage, Vorstandsvorsitzender bei Hauck & Aufhäuser, sowie Werner Steinmüller, bis August 2020 CEO Asien-Pazifik der Deutschen Bank. Bentlage, dessen Privatbankhaus seit 2016 zu 99,91 Prozent dem chinesischen Konglomerat Fosun angehört, sieht den chinesischen Kapitalmarkt nach den Entwicklungen in diesem Jahr als fast unumgängliches Investitionsziel. Hauck & Aufhäuser baut momentan eine Investment-Management-Einheit in China und damit einen Brückenkopf für beidseitige Investitionen auf. Auch Steinmüller schreibt dem chinesischen Markt zunehmende Attraktivität zu. Zwar sei es in China noch wichtig und notwendig, Transparenz bei den Bedingungen für Investitionen zu schaffen und Lockerungen in der Regulatorik voranzutreiben, die gegenwärtigen Anstrengungen zeigten jedoch in die richtige Richtung, so der Deutsche-Bank-Manager.

Andersherum wird von den chinesischen Teilnehmern eine ähnliche Öffnung Europas verlangt. Dass hiesige Bedingungen chinesischen Investoren nicht schmecken, zeigt sich an den seit 2016 fallenden Direktinvestitionen nach Europa. Waren es dem Mercator Institute for China Studies zufolge 2016 noch 37,3 Milliarden Euro, gingen 2019 nur noch 11,7 Milliarden Euro von China nach Europa. Das läge an Regulatorik, die sich von Land zu Land unterscheidet sowie fehlender Skalierbarkeit von Unternehmen, da kein einheitlicher Markt existiert, meinen unter anderem Frank Niu, Partner bei Dentons China, und Dennis Cong vom Credit Ease Fintech Investment Fund.

Damit wird ein Fingerzeig, der oft von europäischer Seite aus passiert, umgedreht: Nicht in China herrschen undurchsichtige Strukturen und Wettbewerbsnachteile für ausländische Unternehmen, sondern in Europa. Mit der Kürzung der negativen Liste für die Einschränkung von Direktinvestitionen in gewisse Sektoren der chinesischen Regierung hat diese nun also ein Argument, um einen ähnlichen Abbau von Hürden durch Handelspartner zu verlangen.

Ob man darauf eingehen möchte, ist eine andere Frage. Zumindest nimmt China seinen Kritikern wirtschaftlich mit solchen Manövern den Wind aus den Segeln. Gleichzeitig lockt es mit der bereits erwähnten Einladung: Warum nicht am Wohlstand teilhaben? Selbst wenn man mit China nicht zusammenarbeiten möchte, und Gründe dafür gäbe es viele, so wäre doch ein unaufgeregter Blick darauf, was die Volksrepublik so erfolgreich macht, sinnvoll.

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