Wirtschaftspolitik I

Sprunghaftigkeit als kalkuliertes Stilmittel

Zur richtigen oder falschen Geldpolitik gibt es traditionell unterschiedliche Auffassungen - das gilt für Politiker wie auch für Vertreter aus Wirtschaft, Wissenschaft und Medien sowie den Notenbanken selbst. Man mag in der Öffentlichkeit über die Ausrichtung der Notenbanken der vergangenen Jahre streiten und ihren immer noch sehr expansiven Kurs je nach eigener Einschätzung für gewagt oder für angemessen halten. Aber ein offener Streit der verantwortlichen Zentralbanker verbietet sich, weil dieser zu einer gefährlichen Verunsicherung der Märkte führen könnte. Um gleichwohl Verbindlichkeit im Handeln zu unterstreichen und den Märkten eine zuverlässige Orientierung über die zukünftige Ausrichtung ihrer Geldpolitik zu geben, wurde deshalb in der Kommunikationspolitik vieler Notenbanken das Instrument der Forward Guidance entwickelt, das als vertrauensbildende Maßnahme maßgeblich dazu beigetragen hat, unnötige Markturbulenzen durch Überraschungseffekte der Notenbankpolitik zu vermeiden.

Einen ganz anderen Politik- und Kommunikationsstil pflegt der amerikanische Präsident. In der Innen- wie in der Außenpolitik, bei brisanten sicherheitspolitischen Themen ebenso wie in der Finanz- und Wirtschaftspolitik. Ein Musterbeispiel für seine spezielle Art der Interessenpolitik liefert seit Beginn der Präsidentschaft die Handelspolitik. Der bloße Blick auf die Handelsstatistiken bestätigt für Donald Trump wie für jeden anderen Betrachter die enormen Handelsdefizite der USA. Insbesondere gegenüber China und Europa sind diese in den vergangenen Jahren noch einmal spürbar gestiegen. Es ist deshalb nicht so sehr die seit Beginn seiner Präsidentschaft klar formulierte Grundbotschaft, diese Defizite verringern zu wollen, die irritiert, sondern seine Methoden einschließlich der flankierenden Kommunikationsmuster, die für die Politik der Nachkriegszeit sehr ungewöhnlich sind. Nicht Verlässlichkeit und Berechenbarkeit gegenüber seinen Verhandlungspartnern sind die Grundpfeiler seines Handelns, sondern kalkulierte Sprunghaftigkeit.

Ob die aus diesem Verhaltensmuster resultierende Verunsicherung auf politischer Ebene wie auf den Märkten im Rückblick einmal als Desaster empfunden werden wird oder als unkonventionelle Art - je nach Sichtweise bewährte oder verkrustete - Strukturen aufzubrechen und Chancen für neue Ideen zu eröffnen, ist noch nicht entschieden. Aber alle gewohnten Usancen des Umgangs in Politik und Wirtschaft und mit maßgeblichen Vertretern anderer gesellschaftlicher Gruppen mit unterschiedlichen Interessenlagen so vehement infrage zu stellen, ohne persönlich belastbare Vertrauensverhältnisse aufzubauen, ist gewagt. Die Gefahr von politischen und gesellschaftspolitischen Konflikten wächst.

Das Verhalten von Donald Trump passt aber erstaunlich gut in das Zeitalter der Digitalisierung, das unter dem Schlagwort der Disruption in allen Bereichen der Wirtschaft und Gesellschaft die Strukturen und Abläufe auf den Prüfstand stellt und die Agilität zum ultimativen Managementstil erhoben hat. Vielleicht wäre es in einem solchen Umfeld nicht schlecht, wenn wenigstens die Verantwortlichen in der Politik für berechenbare Rahmenbedingungen sorgen und nicht USA, China, Russland, Europa (Deutschland, Frankreich, Italien, Polen, Ungarn ...) first zur Maxime erheben.

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