Finanzpolitik II

Tauziehen

Demokratie lebt vom Dialog. Deshalb braucht es viele Gespräche, Konsultationen und Abstimmungen, bis ein Gesetz letztlich von unseren gewählten Vertretern in Berlin verabschiedet wird. So kürzlich geschehen mit dem Risikoreduzierungsgesetz, welches das EU-Bankenpaket in deutsches Recht umsetzen soll. Das Bankenpaket wiederum ist eine Umsetzung des 2017 fertiggestellten Basel-III-Rahmenwerks. Basel III erwuchs wiederum aus den Lehren der Finanzkrise 2007/08. Damit wird ein weiterer Schritt gegangen, um die Folgen der Krise aufzuarbeiten und für eventuelle zukünftige Krisen Sicherheit sowie Stabilität zu schaffen.

Nun befindet sich die Welt derzeit in einer weiteren Krise. Zwar keine Finanzkrise, aber eine, die es werden könnte. So hieß es zumindest Ende Juli in einer Studie des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH). Einige der Kriterien der Studie für eine weitere Krise sind bereits erfüllt oder zeichnen sich ab: Den Bürgern in Deutschland, Österreich, Frankreich, Italien und anderen Ländern wurde wieder empfohlen, zu Hause zu bleiben, Teile der Wirtschaft stehen wieder still, wenn auch nicht in dem Ausmaß wie im Frühjahr. Die Bundesbank rechnet in ihrem Finanzstabilitätsbericht mit stark steigenden Insolvenzen für nächstes Jahr.

Seit der Finanzkrise wurden zahlreiche Maßnahmen ergriffen, um solche Schock-Szenarien verkraftbar zu machen. Banken sind mit mehr Kapital ausgestattet, das sie nun nutzen müssen. Die Liquiditätsvorschriften wurden verschärft. Und an Geschäftsmodellen wurde ebenfalls gefeilt. Mit der Verabschiedung des Risikoreduzierungsgesetzes geht der Bund einen weiteren Schritt bei seinen Bemühungen, Steuerzahler und Kleinanleger vor Bankpleiten zu schützen. Im Einzelnen heißt das: Große Banken sollen künftig Verlustpuffer von mindestens acht Prozent ihrer Bilanzsumme vorhalten. Diese Puffer bilden vor allem nachrangige Verbindlichkeiten der Banken wie Anleihen oder Genussrechte. So sollen Investoren in die Pflicht genommen werden, bevor nach dem Staat gerufen wird. So weit, so gut. Für Unmut sorgt allerdings die ebenfalls enthaltene Mindeststückelung künftig begebener nachrangiger Anleihen. Bei großen, systemrelevanten Instituten muss diese den europäischen Vorgaben folgend 50 000 Euro betragen. Für kleinere, nicht systemrelevante Häuser haben vor allem die beiden Verbünde ein Absenkung auf 25 000 Euro erreicht. So können auch kleinere Investoren oder Investorengruppen in Zukunft zur Eigenmittelstärkung beitragen. Während der Schutz der Kleinanleger für die einen damit ausgehebelt wird, fragen sich andere, ob Investoren überhaupt derart vom Staat zu bevormunden sind. Die Transparenzvorschriften wurden in den vergangenen Jahren erheblich verschärft. Ebenso die Anforderungen an die Beratungsleistung der Banken.

Das Gesetz sieht jedoch auch Erleichterungen vor, die insbesondere kleineren Banken zugutekommen sollen. So findet sich eine klare Definition, was überhaupt unter einem kleinen und nicht komplexen Kreditinstitut zu verstehen ist, nämlich eine Bank oder Sparkasse mit einer Bilanzsumme von weniger als 5 Milliarden Euro. So wird die vielfach beschworene Proportionalität endlich auch erlebbar.

Ein Dialog erfordert Kraft und Zeit. Am Beispiel des Risikoreduzierungsgesetzes zeigt sich aber, dass es ein gewisses Tauziehen der Mächte braucht. Denn nur so entstehen Spielregeln, die lange Bestand haben und nach denen sich möglichst viele Spieler, unabhängig von Zeit und Größe, richten können. Gewiss hätte man die Verantwortungsträger nach der Finanzkrise schnell abstrafen, einige Gesetze im Schnellverfahren erlassen und die Sache als erledigt ansehen können. Ob das nachhaltig gewesen wäre und die Gesetze heute noch anwendbar wären, darüber kann man sich streiten. So erscheint jedoch der langwierige Prozess bisher erfolgreich und beständig. Rom wurde nicht an einem Tag erbaut. Warum sollte es für Gesetzgebung mit europaweiten, womöglich weltweiten Auswirkungen anders sein?

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