Direktbanken

Vorsichtigere ING

Quelle: ING

Als besonders zurückhaltend ist die ING in den vergangenen Jahren sicherlich niemandem aufgefallen. Im Gegenteil: Mit frechen Angeboten, guten Sprüchen und guten Entscheidungen trieb die Direktbank die etablierten Institute vor sich her. Und da auch die Zahlen stimmten, sieben Jahre in Folge jeweils ordentliche Wachstumsraten bei Volumina und Überschüssen, galt sie vielen als die Vorzeigebank Deutschlands. Das ist sie immer noch. Allein der Ton hat sich ein wenig verändert. "In einem bewegten Jahr haben wir es erneut geschafft zu wachsen, so wie wir es wollten substanziell und profitabel", so Nick Jue, der Vorstandsvorsitzende der ING Deutschland. Substanziell und profitabel heißt übersetzt auch langsamer. Denn nachdem sich die ING schon 2019 vom kostenlosen Girokonto ohne Bedingungen verabschiedet hat, wird nun auch das Ziel von 10 Millionen Kunden kassiert. Profitables Wachstum sei wichtiger als Wachstum um jeden Preis, heißt es, und daher richte das Institut nun den Fokus auf Primary Customers. Ähnliches gilt auf der Wholesale-Seite, wo das internationale Geschäft zurückgefahren wurde und die Konzentration vorläufig den deutschen Kunden gehört. Entsprechend sank das Kreditvolumen auf 31,5 Milliarden Euro, nach rund 35 Milliarden Euro im Jahr zuvor.

Ist die ING Deutschland also zu erfolgreich, zu groß geworden? Jue formuliert es etwas anders: "Insgesamt sind wir so langsam am Ende unserer Produktpalette angekommen, die wir mit unserem Geschäftsmodell anbieten können. Nun gilt es zu schauen, wo wir entlang der Wertschöpfungskette Zusatz-Dienstleistungen platzieren können. Das ist angelaufen und 2021 wollen wir weitere Qualität in das Geschäft bringen." Beispiele sind die Übernahmen von Interhyp und Lendico sowie neu geschlossene Kooperationen mit American Express bei der Kreditvergabe sowie mit Axa im Bereich Versicherungen. Er sei froh, die agile Transformation schon vor Corona abgeschlossen zu haben, sagte Jue. Denn das ermögliche es der ING Deutschland, nun mit einem umfassenden, digitalen Angebot auf profitables Wachstum zu setzen.

Diese neue und zugleich vorsichtigere Ausrichtung zeigt sich auch schon im 2020er-Abschluss: Zinsüberschuss minus 2 Prozent auf 2,04 Milliarden Euro, Personalaufwendungen plus 9 Prozent auf 634 Millionen Euro, andere Verwaltungsaufwendungen plus 3 Prozent auf 667 Millionen Euro, Risikovorsorge plus 304 Millionen Euro auf 264 Millionen Euro, Ergebnis vor Steuern minus 23 Prozent auf 1,04 Milliarden Euro, Ergebnis nach Steuern minus 23 Prozent auf 692 Millionen Euro. Ein "sehr ordentliches" Ergebnis, wie Jue findet. Ihn freut besonders das herausragende Wachstum des Provisionsüberschusses um 48 Prozent auf 479 Millionen Euro, das stärkste Ergebnis in der bisherigen Unternehmensgeschichte, welches vor allem dem Wertpapiersparen zu verdanken ist. Die Wertpapiertransaktionen explodierten von 11,5 Millionen Stück 2019 im vergangenen Jahr auf 26,9 Millionen.

Für diesen Bereich verkündete der Deutschlandchef gleich eine weitere Neuheit. Denn ab sofort bietet die ING ETF-Sparpläne ohne Abschlussgebühren an. Das mindert zwar ein klein wenig die Provisionserlöse, verhilft aber zu weiterem Wachstum bei den Transaktionen und hilft darüber hinaus, die aufgrund der Negativzinsen belastenden Spareinlagen in Wertpapieranlagen umzuschichten. Der Bestand an Spar- und Girokontoeinlagen lag im vergangenen Jahr mit 144,3 Milliarden Euro deutlich über dem in den eigenen Büchern befindlichen Kreditvolumen, das 120,1 Milliarden betrug. Der Blick nach vorn ist bei der ING Deutschland bekanntermaßen eher zurückhaltend, aber klingt im Großen und Ganzen doch recht positiv: Eine ähnlich hohe Risikovorsorge werde nicht anfallen, auch weil ein Großteil der 2020 betriebenen Vorsorge pauschaler Natur war, der Provisionsüberschuss werde weiter steigen, im Kreditgeschäft werden weitere Volumenzuwächse erwartet, sodass unter dem Strich mit einem wiederum ordentlichen Ergebnis zu rechnen ist. "Ich habe viel Vertrauen in unsere Entwicklung in diesem Jahr", so Jue.

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