Redaktionsgespräch mit Michael Bockelmann und Ralf W. Barkey

"Die Ergebnisse in den größeren Häusern fallen allmählich besser aus"

Michael Bockelmann, Vorsitzender des Vorstandes, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Genossenschaftsverband - Verband der Regionen e.V., Neu-Isenburg

Quelle: Genossenschaftsverband

Die Umsetzung der Fusion der früheren genossenschaftlichen Regionalverbände in Düsseldorf und Frankfurt läuft gut und passt in das aktuelle Wettbewerbsumfeld, das alle Bankengruppen zu besserer Effizienz zwingt. Das ist der Tenor von Michael Bockelmann und Ralf W. Barkey im Redaktionsgespräch. Den neuen Verband sehen der Vorsitzende und der stellvertretende Vorsitzende besser in der Lage, spezielle Anforderungen der Mitgliedsinstitute kompetent zu bedienen. Den Ortsbanken legen sie nahe, das Angebot an solchen Dienstleistungen zu prüfen und ein Make-or-Buy abzuwägen. Die Regulatorik als Treiber von Fusionen ihrer Mitgliedsinstitute bewerten sie kritisch, sehen aber grundsätzlich in der Größe der Ortsbanken kein Kriterium, das man bemängeln muss. (Red.)

Wie weit ist die Umsetzung der Fusion der früheren Regionalverbände in Frankfurt und Düsseldorf?

Bockelmann: Nach gut zwei Monaten als gemeinsames Haus sind wir gut unterwegs, es ist viel in Bewegung. Die Beschlüsse zur Fusion der beiden Verbände wurden Ende April gefasst, die Eintragung in das Vereinsregister erfolgte am 30. Juni. Bei der Umsetzung kommen wir gut voran, weil in den Fusionsgesprächen viele Dinge schon festgelegt und klar kommuniziert wurden. So haben wir uns sehr früh auf eine klare Zuordnung im Geschäftsverteilungsplan für die Vorstandsmitglieder geeinigt, die zweite Ebene steht und der Verbandsrat ist konstituiert. Zudem haben wir von allen Bereichen das Zukunftsbild vor Augen und bereiten die Umsetzung vor. Im Oktober werden die finalen Beschlüsse gefasst.

Welche Aufgaben werden mit Vorrang angepackt? Was sind die größten anstehenden Projekte?

Barkey: Derzeit setzen wir in vielen Bereichen Dinge um, die wir unseren Mitgliedern im Vorfeld der Fusion zugesagt haben. Das betrifft vor allem die Felder Beratung und Bildung. Im Bereich der Steuerberatung beispielsweise können damit größere Einheiten von Spezialisten auch Sonderfragen einzelner Institute beziehungsweise der Mitglieder aus den Bereichen gewerbliche sowie landwirtschaftliche Waren behandeln. Auch an dieser Stelle wollen wir künftig Spezialangebote vorhalten. Hier haben wir übrigens vor der Fusion schon viel Vorarbeit geleistet. So hatte der Frankfurter Verband, um ein konkretes Beispiel zu geben, eine Anwaltsgesellschaft mit über 50 Juristen aus sieben Spezialgebieten, der wir als damaliger RWGV beigetreten sind. Diese Einheit ermöglicht es uns heute, alle Fragen rund um ein spezielles Gewerbe abzudecken. Die Fusion der Bildungsakademien ist ein weiterer Schritt. Es geht darum, Inhalte und Verfahren nicht mehr parallel zu entwickeln, sondern die Dinge gemeinsam voranzutreiben, etwa das E-Learning. Auch auf die Fragen der Regulatorik müssen wir bildungspolitisch reagieren und haben frühzeitig auf eine gemeinsame Entwicklung gesetzt.

Nicht zuletzt sind wir im gemeinsamen Auftritt ein gutes Stück weitergekommen. Wir haben elf Standorte in 14 Bundesländern. Hierfür war schnell ein gemeinsamer Auftritt zu finden, angefangen bei vermeintlichen Kleinigkeiten wie der Türbeschilderung bis hin zum Internetantritt und dem Logo. Auch für das Verbandsmagazin haben wir uns sehr schnell auf ein neues Format verständigt. Für die Zukunft kommt es uns nun ganz entscheidend darauf an, die Kommunikationsfähigkeit unserer Mitglieder zu erhöhen, beispielsweise über die Themen soziale Medien und Veränderungsprozesse, zum Beispiel Fusions- und Filialkommunikation. Mit diesen Themen müssen wir in Zukunft offensiver umgehen. Da reicht es nicht mehr, zweimal im Jahr einen Infobrief an die Mitglieder zu schicken.

Bockelmann: Und last but not least werden wir als Verband in 14 Bundesländern auch gegenüber den Landesregierungen das Gewicht der genossenschaftlichen Familie als einem der größten Wirtschaftssektoren deutlich machen. Hier haben wir bereits erste Gespräche geführt. Was wir machen und leisten, ist in der Politik nicht unbeachtet geblieben.

Sie haben das Stichwort Kommunikation in Veränderungsprozessen genannt. Hält der Verband für diese Disziplin Spezialisten vor, auf die die Ortsbanken zurückgreifen können?

Barkey: Ja, in den vergangenen Monaten haben sich viele unserer Mitgliedsinstitute verstärkt mit dem Thema Filialschließungen beschäftigt. Die bloße Ankündigung, diesbezügliche Überlegungen anzustellen und erst recht die konkrete Entscheidung über Filialschließungen löst unter den Kunden und der Kommunalpolitik Reaktionen aus, die mit einer entsprechenden Kommunikation flankiert werden müssen. Dafür halten wir in unserer Öffentlichkeitsarbeit Kräfte vor, die vor Ort die betroffenen Banken in ihrer Kommunikation unterstützen können.

Ist das eine kostenpflichtige Dienstleistung des Verbandes?

Barkey: Das kommt auf den Umfang im jeweiligen Fall an. Eine Unterstützung für die normale Kommunikation ist im Verbandsbeitrag enthalten. Erstreckt sich die Arbeit über einen längeren Zeitraum, etwa eine dauerhafte Begleitung über Wochen und mehr, dann wird das leistungsgerecht bepreist.

Wie bewerten Sie in diesem Zusammenhang die öffentlichen Diskussionen um intransparente Konten- oder Gebührenmodelle? Haben sie der Genossenschaftsorganisation geschadet?

Barkey: Das ist in der Tat auch ein möglicher Einsatzbereich für unsere Spezialisten. Neue Gebühren- und Kontenmodelle müssen kommuniziert werden. Was in den vergangenen Wochen und Monaten an dieser Stelle in den Medien an Stigmatisierung gelaufen ist, halten wir für wenig gerechtfertigt. Wir praktizieren damit in der Bankenbranche etwas, das in anderen Branchen längst üblich ist, weg von der Pauschalisierung und der Intransparenz, hin zu einer Individualisierung. In der Auto- und in der Telekommunikationsbranche beispielsweise ist das geradezu selbstverständlich. Wenn in diesem Zusammenhang der Verbraucherschutz bemüht wird, müssen wir uns fragen, welchen Verbraucher wir uns wünschen. Unsere Vorstellungen gehen von einem mündigen Verbraucher aus, der Beratung als ein Miteinander versteht. Dabei wird dem Bürger und Kunden keine fertige Lösung vorgegeben, sondern von ihm verlangt, darüber nachzudenken, was er will. Welche Dienstleistung wollen die Kunden von ihrer Bank und darauf aufbauend, welche individualisierten Preise wollen sie dafür bezahlen. Das ist unser Ansatz. Das ist übrigens eine ganz alte Forderung der Bankenaufseher. Beim Kauf eines Autos wird dem Kunden auch kein Pauschalangebot gemacht, sondern die Kunden können die Ausstattung wählen und bezahlen dafür.

Bockelmann: Wir plädieren dafür, dass die Verbraucher sich um diese Bankthemen kümmern, sie aufnehmen und genauso viel Zeit investieren, wie in den Kauf anderer Gegenstände.

Welche (neuen) Kulturelemente wurden aus Frankfurt beziehungsweise Düsseldorf durch die Fusion in den neuen Verband eingebracht?

Barkey: Wir sind Traditionshäuser mit gewachsenen Kulturen. Wie sehr das auch das persönliche Erleben prägt, habe ich am Tag, an dem die Eintragung der Verbandsfusion in das Vereinsregister erfolgte, selbst sehr intensiv gespürt. Auf dem Rückweg aus Berlin bekam ich die Mitteilung, Eintragung vollzogen, Fusion vollzogen. Da hatte ich erst einmal einen großen Kloß im Hals, denn damit sind 150 Jahre Geschichte erst einmal formell beendet worden.

Genau diese Tradition bringen beide Häuser aber nun mit ein. Als besondere Ausprägung unserer Kultur wollen wir dabei eine deutlich stärkere Ausweitung von Fachkompetenz und stark individualisierter Leistungen leben, also weg von dem berühmten Angebot von der Stange. Dieser Ansatz kommt schon im Namen Genossenschaftsverband - Verband der Regionen zum Ausdruck. Wir haben im neuen Verband die deutliche Nähe zu den Mitgliedsinstituten und deren Kunden zum obersten Prinzip erhoben. Das tun wir beispielsweise, indem wir neue Instrumentarien vorgesehen haben, beispielsweise sogenannte Regionalversammlungen. Dort bringen wir auf der Ebene der einzelnen Bundesländer unsere Mitglieder zusammen und diskutieren mit den regionalen gesellschaftlichen Gruppen ganz spezifische landes-, kultur- und sozialpolitische Themen.

Bockelmann: Den von Ralf Barkey geschilderten Kloß im Hals kann ich sehr gut nachvollziehen, ich war diesbezüglich schon auf der Seite des übernehmenden und des übernommenen Verbandes. Mit Blick nach vorne müssen wir uns deshalb alle enorm anstrengen, um im Innenleben des Verbandes mit 1600 Mitarbeitern eine gemeinsame Kultur zu leben und ein einheitliches Bild abzugeben. Aus einem "ich" und "die" ein "wir" zu machen, wird eine Zeitlang dauern. Grundvoraussetzung ist eine Offenheit dafür, was die einen oder die anderen besonders gut gemacht haben. Und natürlich die Offenheit für ganz neue Lösungen. Wir müssen immer prüfen, was für das neue Haus das Beste ist.

Durch Bündelung der Kräfte beider Verbände soll eine gezieltere Betreuung für die Ortsbanken möglich werden. Lassen sich an dieser Stelle neben dem angesprochenen Kommunikationsbereich schon weitere konkrete oder geplante Beispiele nennen?

Barkey: In unserem früheren Verbandsgebiet des RWGV gab es genau sieben Winzergenossenschaften, die in den vergangenen Jahren verstärkte Anforderungen im organisatorischen oder im europarechtlichen Bereich abzudecken hatten. Also haben wir uns schon vor der Verbandsfusion nach Frankfurt gewandt, um die dort vorhandene und vielfach eingesetzte Kompetenz in diesem Bereich zu nutzen. Auch wenn wir für diese speziellen Dienstleistungen natürlich bezahlt haben, hat das in einem nicht fusionierten Haus gelegentlich zu Friktionen geführt. Jetzt haben wir eine größere Grundgesamtheit und können allen Mitgliedern diese Dienstleistungen auf einem höheren fachlichen Niveau anbieten.

Ein zweites Beispiel aus dem Vorfeld der Fusion ist die Prüfung. Die unterschiedliche Größenordnung der Institute muss sich auch in der Prüfung niederschlagen, lautet eine oft gehörte Forderung. Je nach Größe und geschäftspolitischer Ausrichtung brauchen wir andere Ansätze. Das können wir heute mit einem deutlich vergrößerten Prüfungsteam und vielen Spezialisten gezielt umsetzen. Das führt im Übrigen auch zu einer immer stärkeren beratenden Prüfung, die in der Lage ist, wertvolle Hinweise für die geschäftspolitische Ausrichtung der Häuser zu geben, etwa bei der Eigenmitteloptimierung.

Wie bewerten Sie das aktuelle Fusionsgeschehen der Ortsbanken in Ihrem Verband? Ist es immer noch vorwiegend regulatorisch getrieben?

Bockelmann: In unseren Befragungen nennen die Banken immer noch die Regulatorik als einen der wichtigsten Treiber für Fusionen. Aus unserer Sicht ist das das falsche Kriterium und bringt nach wie vor eine Art Notwehr zum Ausdruck. Mit Blick auf unseren Verband haben wir mit 29 Fällen für dieses Jahr eine anhaltend hohe Zahl an Fusionen, und das dürfte auch noch so weitergehen. Dass die Fusion nur ein erster Schritt beziehungsweise ein Zeitgewinn sein kann, und es wichtig ist, andere Themen anzupacken, um die möglichen Effekte zu heben, wissen die Bankleiter natürlich und beherzigen das auch.

Barkey: Bei Fusionen registrieren wir in vielen Instituten eine stärkere Konzentration auf Beratungs- und Kompetenzzentren. Insofern hat die Regulatorik unmittelbare Auswirkungen, eine qualifizierte Immobilienfinanzierung oder Wertpapierberatung kann nicht eben mal von jeder Filiale miterledigt werden. In unseren Häusern spüren wir deshalb eine Konzentration dieser sehr speziellen Beratungsangebote. Und natürlich entstehen auch größere Häuser. Die durchschnittliche Bilanzsumme im alten RWGV war mit über einer Milliarde Euro schon überdurchschnittlich hoch (auch wegen einiger Spezialhäuser). Nun halten wir im neuen Verband eine durchschnittliche Bilanzsumme von 1,5 Milliarden Euro noch für dieses Jahrzehnt für möglich.

Bockelmann: Und wir können auch allmählich erkennen, dass die Ergebnisse in den größeren Häusern besser ausfallen. Skaleneffekte, die wir früher nicht messen konnten, werden langsam auch auf der Ertragsseite messbar.

Wie tangiert die Fusionswelle die Finanzierung des Verbands?

Barkey: Auch die Verbändefusion selbst hat schon mögliche Kostenentwicklungen im Blick. In den vergangenen Jahren sind die Anforderungen aus der Mitgliedschaft an die Verbände deutlich höher und die Beratungsfelder spezieller geworden. Gleichzeitig haben wir in meinem Vorgängerverband seit fünfzehn Jahren die Beiträge nicht erhöht. Diese Schere aufzufangen, ohne die Mitglieder zu belasten, war auch ein Ziel der Verbandsfusion. Aber mit Blick auf die Primärstufe betreiben wir als Verband ausdrücklich keine Strukturpolitik. Auch in Zukunft wird es unserer festen Überzeugung nach kleine, mittlere und große Ortsbanken geben, weil das einfach der Realität unserer Wirtschaftsräume entspricht. In der Diversität unserer Gruppe liegt auch Zukunft.

Es entstehen mehr und mehr Ortsbanken mit einer großen räumlichen Ausdehnung. Welche Größenordnungen lassen sich aus Ihrer Sicht überhaupt noch bewältigen?

Barkey: Fusionen, auch Sprungfusionen sind letztendlich eine strukturpolitische Entscheidung vor Ort, die die Vorstände und Aufsichtsräte mit den Mitgliederversammlungen zu treffen haben. Das haben wir als Verband nicht zu kommentieren. Richtig bleibt allerdings: Wenn Fusionen ausschließlich regulatorisch und nicht aus der Überzeugung einen wirtschaftlichen Mehrwert für die Mitglieder zu erzielen, getrieben sind, ist das ungesund.

Bockelmann: In Niedersachsen gibt es eine Bank, die mit einer Ausdehnung von 100 Kilometern und mehr in vier Bundesländern tätig ist. Es mag vielleicht ein ungewohnter Blick sein, dass eine Volks- und Raiffeisenbank sich über so große Distanzen ausbreitet, aber sie kann gleichwohl sehr erfolgreich agieren und auch in der Steuerung sehr gut sein. Größe ist kein Kriterium, das man kritisieren muss.

Wie sieht der Verband die aktuelle Ertragslage?

Bockelmann: In allen Bankengruppen registrieren wir Rückgänge der Erträge. Mit Blick auf unseren Verband sind die Ergebnisse eindeutig noch auskömmlich, aber sie sinken im Vergleich zu früheren Jahren ebenfalls. Dabei ist es für unsere Ortsbanken ausgesprochen mühsam, aus der Abhängigkeit vom zinstragenden Geschäft herauszukommen. Ein Aspekt ist dabei natürlich das Gebührenthema, zumal an dieser Stelle eine Quersubventionierung durch das Zinsgeschäft wegfällt. Viele Häuser versuchen deshalb zum Beispiel über Lebensversicherungs- oder Fondsvermittlung Provisionen hereinzuholen. Und alle arbeiten an der Kostenschraube, etwa über das Ausdünnen der Filialstruktur.

Barkey: Vielleicht sollte man in diesem Zusammenhang noch einmal auf zwei Zahlen für den Genossenschaftssektor hinweisen. Seit Ausbruch der Finanzkrise ist es unseren Volks- und Raiffeisenbanken gelungen, ihren Anteil an den Firmenkrediten um 50 Prozent zu steigern. Das bedeutet einen deutlichen Vertrauensgewinn für die Gruppe. Gleichzeitig haben wir trotz der angespannten Situation der Ertragslage das Eigenkapital deutlich stärken können. Die harte Kernkapitalquote liegt mittlerweile in unserem Verbandsgebiet bei 17,6 Prozent. Damit stehen unsere Häuser gut da und sind auch gut für die Zukunft gerüstet.

Wie schätzt der Verband die Zinsänderungsrisiken der Ortsbanken ein? Bietet er diesbezüglich Dienstleistungen im Zuge der Prüfungs- und Beratungstätigkeit an?

Bockelmann: Die Steuerung der Zinsänderungsrisiken ist Aufgabe der Volks- und Raiffeisenbanken vor Ort. Wenn man 30 Jahre zurückschaut, dann kommen diese schon sehr lange mit tendenziell sinkenden Zinsen zurecht. Durch die Beratungsgesellschaften und die Prüfungseinheit des Verbandes können wir sie gleichwohl dabei unterstützen mit den besonderen Herausforderungen des derzeitigen Niedrigzinsumfeldes umzugehen.

Wie positioniert sich der Regionalverband zur Small Banking Box? Oder ist das in erster Linie ein Arbeitsfeld für den BVR?

Bockelmann: Der BVR und alle Regionalverbände haben sich klar für die Proportionalität in der Bankenregulierung ausgesprochen. Wenn wir darauf drängen, gleiches gleich und ungleiches ungleich zu behandeln, ist anzumerken, dass eine Raiffeisenbank bei weitem nicht die Komplexität einer Deutschen Bank aufweist. Also müssen andere Regulierungsansätze gelten. Es kann in diesem Fall nicht sein, mit den gleichen Maßstäben zu messen und den gleichen Umfang im Meldewesen und die gleiche Detailtiefe bei anderen Umfragen zu fordern. Eine solche Gleichbehandlung erhöht gewiss nicht die Finanzstabilität in Deutschland und Europa. Vielmehr ist ein Vorgehen mit Augenmaß und sinnvollen Instrumenten sinnvoll. Jede Ortsbank schaut sich genau an, wo ihre Risiken liegen und wie weit sie diese Risiken tragen will. Nichts anderes erwarten wir von der Aufsicht.

Barkey: Um nicht missverstanden zu werden, wir wollen keine Discountregulierung. Wir sind sehr dafür, bestimmte Grundätze, die als politisch richtige Konsequenzen aus der Finanzmarktkrise gezogen wurden, zu erhalten. Aber das Thema Risikogehalt in den Geschäftsmodellen muss eine Rolle spielen. Auch an dieser Stelle sind wir übrigens ganz nahe beim Verbraucher. Wenn jemand es vorzieht einen schnellen Wagen zu kaufen und möglicherweise ein paar Unfälle damit baut, dann zahlt er eine höhere Versicherungssumme. Das heißt übertragen, die Banken, die international unterwegs sind und dabei mit höherem Risiko agieren, müssen auch in der Regulierung anders gewichtet und erfasst werden als eine risikoarme Volks- und Raiffeisenbank. An der Bilanzsumme lässt sich das allerdings nicht festmachen. Denn eine VR-Bank mit 4 Milliarden Bilanzsumme oder eine 400-Millionen-Volksbank folgen demselben Geschäftsmodell, regional verbunden, in regionale Wirtschaftskreisläufe eingebunden und ohne riskante Geschäfte an den Kapitalmärkten. Die Bilanzsumme ist deshalb das falsche Differenzierungskriterium.

Große Volksbanken bieten teilweise Dienstleistungen für kleine Volksbanken an. Ist das in Ordnung?

Bockelmann: Solche Lösungen gibt es in der Praxis, beispielsweise zwei Volksbanken, die sich einen Innenrevisor teilen. Als Verband haben wir überhaupt nichts dagegen einzuwenden, stellen aber immer wieder fest, dass irgendwann die Banken merken, dass die Freude in der Zusammenarbeit manchmal nur begrenzt ist. Es gibt mal gute und mal schlechte Erfahrungen.

Als Verband bieten wir über unsere Tochtergesellschaften eine Vielzahl von Möglichkeiten an, solche Themen auch outzusourcen. Und das dürfte so weitergehen, wir erwarten ein Jahrzehnt des Outsourcing. Den gesamten IT-Bereich hat unsere Gruppe wie auch die Sparkassen schon an ein gruppeneigenes Rechenzentrum ausgelagert. Mit der Geno-Tec haben wir darüber hinaus eine Gesellschaft, die in der Lage ist, für Volks- und Raiffeisenbanken, Sparkassen wie auch private Banken Themen wie Geldwäsche, Betrugsprävention, Innenrevision und WPHG-Compliance abzudecken. Der Vorteil für die Banken: Es handelt sich um Produkte und Dienstleistungen von Spezialisten, die permanent gut ausgebildet und auf dem neuesten Stand sind. Wir haben in diesen Bereichen übrigens über 400 Kunden. Jede Bank sollte sehr genau überlegen, ob sie auf diese Leistungen nicht einfach zugreift und sich mehr auf den Kunden und den Vertrieb konzentriert.

Barkey: Aber hier muss natürlich auch der Gesetzgeber mitspielen. Er muss den Instituten, die mit solchen Dingen überfordert sind auch rechtlich die Möglichkeit schaffen, sie in Anspruch zu nehmen und Aufgaben auslagern zu können. Diese Möglichkeiten werden leider eher eingeschränkt als ausgebaut.

Welchen Stellenwert messen Sie der Cost Income Ratio bei und wie bewerten Sie deren Entwicklung in ihren Mitgliedsinstituten?

Bockelmann: Die Cost Income Ratio liegt in der Gruppe im Schnitt zu hoch, wir müssen daran arbeiten und deutlich herunterkommen. Das machen unsere Bankleiter intensiv, und wenn sie an dieser Stelle Spezialisten heranziehen, haben sie damit eine vernünftige Entscheidung getroffen.

Auf welchen Feldern arbeitet der Genossenschaftsverband mit den anderen Regionalverbänden zusammen? Spürt man ein gesundes Konkurrenzverhältnis um die besten Leistungen für die Ortsbanken?

Barkey: Wir verstehen uns als gesamtgenossenschaftliche Familie, es gibt keinen Wettbewerb unter den Verbänden, sondern viele Aufgaben werden gemeinsam gelöst, etwa über die zentralen Initiativen des BVR wie Kundenfokus 2015 und 2020, die dazu dienen, strategische Aspekte zu besprechen, die dann über die Regionalverbände mit den Ortsbanken umgesetzt werden. Auch die Klärung des Verhältnisses von Ortsbanken zu Verbundunternehmen erfolgt gemeinsam. Was bleibt ist die Verantwortung der Regionalverbände für ihre Mitgliedsinstitute, einschließlich der landwirtschaftlichen und gewerblichen Mitglieder. Wir arbeiten schon eng mit den anderen Verbänden zusammen, glauben aber auch, dass sich innerhalb der genossenschaftlichen Familie die Kräfte auf allen drei Feldern noch weiter bündeln lassen.

Finden die genossenschaftlichen Ortsbanken hinreichend qualifizierte Vorstände und Aufsichtsräte? Welche Rolle spielt der Regionalverband in der Fit-and-proper-Diskussion?

Barkey: Zunächst einmal sind wir stolz darauf, dass es gerade unserer Bankenguppe gelingt, einen Querschnitt der Bevölkerungsgruppen in unseren Aufsichtsräten zu versammeln. Falls der gesunde Menschenverstand darin überhaupt noch seinen Platz haben sollte, sind wir gut positioniert. Das ist wichtig, um eine Verbundenheit der Ortsbanken mit der regionalen Wirtschaft sicherzustellen. Unsere Aufsichtsräte wissen, wie ihre Region tickt.

Durch die nationalen und europäischen Aufseher haben wir in der Zukunft steigende Anforderungen an die Aufsichtsräte, die mit der Größe der Institute noch anspruchsvoller werden. Das sehen wir mit Sorge, denn es ist nicht einfach, Menschen zu finden, die viel Zeit und inhaltliche Arbeit investieren und sich intensiv mit der Materie auseinandersetzen müssen, um ihren verschärften Aufsichtspflichten nachkommen zu können. Dafür leisten wir Schulungen in den Akademien wie in den Instituten vor Ort. In den vergangenen fünf Jahren hat es beispielsweise eine Steigerung um 350 Prozent bei den Schulungen für Aufsichtsräte gegeben.

Bockelmann: Auch unsere Prüfer schalten sich in solche Aus- und Weiterbildungsaktivitäten für unsere AR-Mitglieder und für Vorstände aktiv ein. Die Geno-Personal-Consult bietet darüber hinaus Hilfe beim Recruiting im Vorstandsbereich.

Robo Advisory und Onlinevertrieb durch die Union Investment, Onlineversicherungsprodukte von der R+ V. Brauchen die Ortsbanken solche Instrumente? Sollten sie in den Onlinevertrieb der genossenschaftlichen Ortsbanken integriert werden? Wie steht der Verband zu solchen zukunftsweisenden Themen?

Bockelmann: Die gesamte Organisation arbeitet auf allen Ebenen intensiv an all diesen Themen. Es gibt dafür beim BVR eigens diverse Arbeitsgruppen, in die von den Ortsbanken über die Verbände bis hin zu den Verbundunternehmen alle Beteiligten eingebunden sind. Was am Markt diesbezüglich passiert haben wir im Blick. Allgemein bleibt dabei festzuhalten: Wir können gegen Digitalisierung im Allgemeinen oder Robo Advisory im Speziellen sein, diese Themen rund um automatische Systeme werden trotzdem kommen und zunehmen. Das ist übrigens die verbreitete Sicht in der gesamten Finanzgruppe. Da gibt es überhaupt keine Gegenstimmen. Wir müssen mehr und besser in der Lage sein, die Wünsche der Kunden auf allen Vertriebswegen zu erfüllen. Am Ende ist es für die Gruppe die entscheidende Frage, wie die Ertragsströme laufen und ob alle an diesen Ertragsströmen partizipieren. Auch dabei sind wir auf einem vernünftigen Weg. Die Gruppe geht an dieser Stelle sehr abgestimmt vor.

Barkey: Wir müssen die Realitäten des Bankgeschäftes wahrnehmen und darauf angemessen reagieren. Das Entscheidende ist der Kundenwunsch. Es muss in unserer Gruppe für die Primärbanker wie für die Verbundunternehmen darum gehen, möglichst viele Kundenerlebnisse zu schaffen. Das wiederum heißt für den Kunden, zu jeder Zeit und an jedem Ort mit seinem Finanzdienstleister kommunizieren zu können und gegebenenfalls auch zu Abschlüssen zu kommen. Dem müssen wir Rechnung tragen. Darüber hinaus haben wir hinter diesen rein technischen Wegen immer Beratungsqualität hinterlegt. Ein Beratungsgespräch kann dabei durch eine technische Abschlussstrecke überhaupt nicht vollständig ersetzt werden. Wir empfehlen jedem Kunden, den Einstieg über das Internet zu wählen und dann unsere persönliche Beratung in Anspruch zu nehmen.

Ist der Umgang mit der Beraterhaftung immer noch ein Thema?

Barkey: Man kann die Berater natürlich nicht vollständig beruhigen. Ein Restrisiko bleibt immer. Aber wir sind inzwischen über Beraterschulungen in den Bildungsstätten sehr gut in der Lage, unsere Leute vorzubereiten. Solche Lehrgänge werden auch über Beraterpässe zertifiziert, die auf die verschiedenen Produkte ausgerichtet sind, etwa auf die Wohnimmobilienrichtlinie und ihre Inhalte und Formate. Auch in der Wertpapierberatung bieten wir Lösungsmöglichkeiten an, die wir über Webinare elektronisch unterlegen. Wir versetzen unsere Berater in die Lage, bei kleinen inhaltlichen und rechtlichen Änderungen immer den Anschluss zu halten. Die frühere Unsicherheit verschwindet zusehens, unsere Berater fühlen sich sicherer. Und sie werden durch die Vorstände der Primärbanken bestärkt, die ihrerseits immer wieder deutlich machen, dass dies der richtige Weg ist, die Beratungsqualität zu sichern.

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