Redaktionsgespräch mit Michael Zlotnik

"Unsere Expansion stellt ein langfristiges Commitment dar"

Michael Zlotnik, Geschäftsführer, Capital Intelligence, Frankfurt am Main

Seit 30 Jahren im Markt zu sein und die Finanzkrise überstanden zu haben, ist für eine Ratingagentur eine Seltenheit. Bei Capital Intelligence macht Michael Zlotnik dafür den Fokus auf die Ratings von Banken und Staaten verantwortlich. Der Geschäftsführer der Agentur in Frankfurt am Main erklärt im Redaktionsgespräch die Expansionspläne und -ziele seines Hauses in der DACH-Region. Er schildert dabei aus eigenem Erleben wie sich die Arbeit von der bei einem Ratingriesen unterscheiden will. Als Schlüssel zum Erfolg sieht er letztlich die Qualität der Analysten und der Ratings. (Red.)

Wer ist Capital Intelligence?

Capital Intelligence ist eine von der europäischen Wertpapieraufsichtsbehörde ESMA registrierte EU-Ratingagentur. Die nicht börsennotierte Agentur mit Firmensitz in Limassol auf Zypern wurde 1982 gegründet und verfügt über eine stabile Eigentümerstruktur mit einer langfristig ausgerichteten Unternehmensstrategie. Zurzeit werden insgesamt 30 Mitarbeiter beschäftigt. Die Agentur hat sich in der mehr als 30-jährigen Firmengeschichte einen sehr guten Ruf als unabhängige Ratingagentur vor allem im Bereich Rating von Banken und Sovereigns erarbeitet. Ein Team von erfahrenen Ratinganalysten auf Zypern, sowie in Hongkong, Großbritannien und Indien erstellt Ratings und Kreditanalysen für mehr als 300 Finanzinstitute und Sovereigns in 38 Ländern. Der Schwerpunkt liegt hierbei bislang auf Ratings im Nahen Osten, Zentral- und Osteuropa, Afrika und Asien.

Wie ist CI durch die Finanzmarktkrise gekommen und ist die Agentur profitabel?

Das fokussierte Geschäftsmodell unseres Hauses hat sich in der Finanzmarktkrise hervorragend bewährt. Zum einen hat die Agentur immer der Versuchung widerstanden, über inflationäre - allerdings analytisch nicht gerechtfertigte - Ratings Marktanteile zu gewinnen. Zum anderen hat das Unternehmen nach dem Motto "Schuster bleib bei deinen Leisten" bewusst auf eine schnelle Expansion in unbekannte Märkte und riskante Produkte ohne ausreichende Historie verzichtet und sich auf seine Stärken im Bankensektor der Emerging Markets konzentriert. Damit konnten die Reputationsprobleme, mit denen sich viele Wettbewerber zum Beispiel im Bereich Strukturierte Finanzierungen (Structured Finance) oder Mittelstandsanleihen (SME) konfrontiert sehen, vermieden werden.

Wie sieht das Bezahlmodell aus?

Um eine gleichbleibend hohe Qualität unserer analytischen Arbeit und unserer Ratings zu gewährleisten, generieren wir - wie alle relevanten Wettbewerber auch - einen Großteil unserer Einnahmen über Ratinggebühren von Emittenten. Umfangreiche interne Richtlinien sowie die durch die Regulierungsbehörde ESMA gewährleistete Überwachung der Einhaltung der strengen regulatorischen Anforderungen sorgen für die entsprechende Vermeidung von potenziellen Interessenkonflikten.

Eine weitere Einnahmequelle sind darüber hinaus Gebühreneinnahmen aus Subskriptionen für unsere Researchberichte, die über die eigene Plattform, aber auch über die Unternehmensdatenbank BvD/Bankscope verfügbar sind.

Seit wann ist die Agentur von den Aufsichtsbehörden zugelassen?

Capital Intelligence wurde im Mai 2012 von der europäischen Regulierungsbehörde ESMA offiziell als Ratingagentur gemäß EU-Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 zugelassen. Darüber hinaus sind wir als External Credit Assessment Institution (ECAI) für aufsichtsrechtliche Zwecke anerkannt.

Ist eine Zulassung durch die EZB möglich/nötig?

Im Rahmenwerk für Bonitätsbeurteilungen im Eurosystem (Eurosystem Credit Assessment Framework - ECAF) zur Risikobewertung von Sicherheiten bei Offenmarktgeschäften berücksichtigt die EZB unter anderem auch die Ratingnoten von externen Ratingagenturen. Im Moment sind das allerdings nur die nordamerikanischen Agenturen. Die Aufnahme weiterer Ratingagenturen macht die EZB - trotz bestehender Registrierung und laufender strenger Regulierung durch die ESMA - von einem langwierigen separaten Anerkennungsprozess abhängig.

Es ist zwar verständlich, dass die EZB sich schwer damit tut, zusätzliche Ratingagenturen mit in das Rahmenwerk aufzunehmen, die nur über einen relativ kurzen (oder gemischten) Rating Track Record, eine geringe Ratingabdeckung, sowie knappe personelle Ressourcen verfügen. Hier sehe ich Capital Intelligence aber mit seiner jahrzehntelangen Ratingerfahrung und mit einer Ratingabdeckung von 300 Banken deutlich besser als die Wettbewerber positioniert. Deshalb sind wir optimistisch, die EZB von der Qualität unserer Arbeit überzeugen zu können, auch wenn dies seine Zeit brauchen wird.

Wo liegt der Schwerpunkt, die Expertise der Agentur?

Die Nutzer unserer Ratings schätzen bislang vor allem unsere Expertise, Erfahrung und detaillierte Ratinganalysen im Bereich Finanzinstitute (Banken, non- und nearbanks) und Sovereigns. Wir unterscheiden uns somit deutlich von anderen Ratingagenturen, die versuchen in kurzer Zeit Ratingexpertise in nahezu allen Ratingklassen aus dem Boden zu stampfen, mit entsprechend hohen finanziellen und Exekutionsrisiken.

Gibt es Spezialgebiete mit besonderer Expertise?

Dazu gehört sicherlich unsere Erfahrung im Bereich Emerging Markets im Nahen Osten, Zentral- und Osteuropa, Afrika und Asien. In vielen dieser Länder verfügen wir über eine höhere Ratingabdeckung als die großen US-Agenturen.

Gibt es einen speziellen Ansatz für die Beurteilung von Banken, welche Faktoren sind die Ratingtreiber?

Von einem speziellen Ansatz für Banken würde ich nicht sprechen wollen. Allerdings unterscheiden wir uns in einigen analytischen Aspekten von der Vorgehensweise unserer Wettbewerber:

- Unsere Ratinganalyse vermeidet es, das Risikoprofil und das Rating einer Bank relativ schematisch zu ermitteln. Dies wird unserer Meinung nach in keinster Weise der Komplexität und dem Zusammenwirken verschiedener Ratingfaktoren bei der Analyse von Banken gerecht.

- Wir sind seit jeher sehr stark auf ein tiefes Verständnis für das operative Umfeld und das Finanzprofil des einzelnen Instituts fokussiert, was sicherlich teilweise auch durch die speziellen Verhältnisse in vielen Emerging Markets geprägt ist.

- Somit haben bei der Analyse der Finanzkraft eines Instituts die Faktoren Liquidität, Refinanzierung, Höhe und Qualität der Kapitalausstattung, nachhaltige Ertragskraft, das Management von Kreditrisiken, aber auch die Beurteilung von Geschäftsmodellen in Verbindung mit der strategischen Umsetzung durch das Management schon immer eine tragende Rolle gespielt. Und daran werden wir auch nichts ändern.

Das - speziell von den großen Agenturen praktizierte - nahezu blinde Vertrauen auf systemische Unterstützung (too big to fail) durch den Staat im Falle von Problemen wurde bei CI schon immer sehr kritisch hinterfragt und spielte somit als positiver Ratingfaktor nur in wohl begründeten Ausnahmefällen eine Rolle.

Warum starten Sie jetzt das Europa-Geschäft und wie lange haben Sie Zeit für den Aufbau? Was ist das langfristige Ziel?

"Ratingagenturen spielen auf den globalen Wertpapier- und Bankenmärkten weiterhin eine wichtige Rolle, da Anleger, Kreditnehmer, Emittenten und Regierungen unter anderem die Ratings dieser Agenturen nutzen, um fundierte Anlage- und Finanzentscheidungen zu treffen." Dieses Zitat stammt nicht, wie man vermuten könnte, aus unserer Marketingbroschüre, sondern aus der europäischen Verordnung über die Regulierung von Ratingagenturen. Gleichzeitig sehen wir aber in Europa und speziell in Deutschland, Österreich und der Schweiz eine wachsende Anzahl von Emittenten und Investoren, die die Abhängigkeit vom Oligopol der großen US-Agenturen reduzieren wollen und sich nach ernsthaften Alternativen zu diesen umschauen.

So mehren sich die Klagen vieler Unternehmen hinsichtlich: der Häufigkeit, des Ausmaßes, der Vorhersehbarkeit sowie der Transparenz von Kriterien- und Ratingänderungen, der zunehmend schematischen beziehungsweise modellgetriebenen analytischen Vorgehensweise und Datensammelwut, der Nachvollziehbarkeit und Vergleichbarkeit von Ratings, einer mangelnden Erfahrung und Seniorität der zuständigen Analysten, einer Silo-Mentalität und fehlender interner Koordination innerhalb der Agenturen, eines mangelnden Verständnisses für beziehungsweise einer fehlenden Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit dem Geschäftsmodell sowie der strategischen Ausrichtung sowie der Unterstützung durch dessen Eigentümer und nicht zuletzt stark gestiegener Ratinggebühren bei gleichzeitig nachlassendem Kundenservice.

Basierend auf einer langen Ratingerfahrung mit dem Fokus auf den Bankensektor, einer Erfolgsgeschichte ohne Altlasten, einem hochqualifizierten internationalen Analystenteam, der gegebenen unternehmerischen Unabhängigkeit und einer langfristig ausgelegten Unternehmensstrategie sehen wir uns als eine ernsthafte Alternative zu den US-Agenturen. Wir werden hart daran arbeiten, Emittenten und Investoren davon zu überzeugen. Dass dies nicht über Nacht geschehen kann, ist uns klar und entsprechend in unseren Planungen berücksichtigt. Falls unsere Wettbewerber auf einen Rückzug à la DBRS spekulieren sollten, müssen wir sie leider enttäuschen. Unsere Expansion stellt ein langfristiges Commitment dar.

Was reizt Sie an der Aufgabe - nachdem Sie 17 Jahre bei einem Ratingkonzern waren?

Danach habe ich noch als unabhängiger Rating Advisor und strategischer Sparringspartner Banken in Europa vor allem bei der Optimierung beziehungsweise Verteidigung ihrer Ratings bei den US-Agenturen unterstützt. An der neuen Aufgabe reizen mich vor allem die Aspekte, die bei den großen Agenturen im Laufe der Jahre speziell in Europa zunehmend in den Hintergrund gerückt sind, aber bei uns weiterhin im Vordergrund stehen: Eine Unternehmenskultur, die geprägt ist von einer langfristig angelegten strategischen Ausrichtung und unternehmerischer Unabhängigkeit und kurzen Entscheidungswegen. Dazu kommt ein starker Fokus auf analytische Qualität und erfahrene Analysten, die nicht als Ratingrichter, sondern als Sparringspartner faire und nachvollziehbare Ratings erteilen. Und nicht zuletzt ein ambitionierter, aber gleichwohl realistischer Businessplan, den ich gemeinsam mit dem CEO entwickelt habe.

Wie soll das Set-up aussehen, wie hoch ist die Zahl der Analysten?

In einem ersten Schritt wird der Schwerpunkt der geplanten Ratingexpansion auf Bankenratings in Deutschland, Österreich und der Schweiz liegen. Eng damit verbunden stehen auch Pläne für Covered Bond Ratings auf der Agenda. Im Rahmen einer langfristig angelegten Unternehmensstrategie ist der Aufbau eines Teams in Frankfurt geplant, das in einer ersten Stufe fünf bis sechs Mitarbeiter umfassen soll.

Wie begeistern Sie Mitarbeiter zu CI zu kommen?

In den vergangenen Wochen bin ich von vielen Analysten aus meinem Netzwerk angesprochen worden, die unsere Pläne in Deutschland mit großem Interesse verfolgen. Darunter sind auch Analysten von den großen Agenturen, die sich zunehmend als kleine Rädchen in einer großen unpersönlichen Ratingfabrik sehen, in der Bankenratings zunehmend von Modellen und schematischer Anwendung von Ratingkriterien gesehen werden. Im Gegensatz hierzu bietet Capital Intelligence die Möglichkeit, als Teil eines kleinen, aber schlagkräftigen Analystenteams umfassende Verantwortung zu übernehmen und einen wesentlichen Beitrag zum Ausbau unserer Ratingaktivitäten beizusteuern. Hohe analytische und soziale Kompetenz, eine "can-do"-Mentalität, Eigeninitiative sind dafür die notwendigen Voraussetzungen.

Wer sollte sich von CI raten lassen, wer bietet sich als Zielgruppe an?

Unser Fokus liegt zunächst vorrangig auf Banken in Deutschland, Österreich und der Schweiz, die aus den oben erwähnten Gründen mit der Arbeit der großen Ratingagenturen unzufrieden sind und sich vorstellen können, eine oder auch zwei der US-Agenturen auszutauschen. Im Gegensatz zu anderen Agenturen planen wir für unsere Ratingexpansion keine unbeauftragten (unsolicited) Ratings.

Können Regulierungsschritte zu einem Vorteil gereichen wie zum Beispiel die Einführung der Mandatierungspflicht für kleinere Agenturen?

Eine gesetzliche Pflicht zur Mandatierung einer kleinen Ratingagentur halte ich nicht für zielführend, ohne gleichzeitig den Track Record einer Ratingagentur, die Ratingabdeckung, die Qualität der Ratings und die fachliche Kompetenz der Analysten in Betracht zu ziehen. Man sollte nicht vergessen, dass die Registrierung und Regulierung durch die ESMA nur gewisse Mindestanforderungen erfüllt. Allerdings ist es nicht ausgeschlossen, dass eine solche gesetzliche Regelung letztendlich politisch durchgesetzt wird, um die Abhängigkeit von den US-Agenturen zu reduzieren.

Wie ist die Investorenakzeptanz für CI in den bisherigen Märkten?

Investoren kennen uns bislang vor allem als Spezialisten für Bankenratings in Emerging Markets. Die Investoren schätzen unsere langjährige Ratingerfahrung, analytische Kompetenz und Kontinuität. Diese Qualitätsmerkmale wollen wir nun mit dem Aufbau eines erfahrenen Teams eins zu eins in Frankfurt umsetzen. Positive Unterstützung für unsere Expansionspläne haben wir ebenfalls von einer Reihe von Banken, Zentralbanken, Sovereign Wealth Funds aus dem Nahen Osten erhalten, die verstärkt über die regionale Diversifizierung ihrer Counterparties be ziehungsweise ihrer Anlagestrategie nachdenken. Diese Ratingnutzer haben ein wachsendes Interesse an unabhängigen Ratingeinschätzungen europäischer Banken.

Wie könnte die Preisgestaltung aussehen?

Das Thema Ratinggebühren ist in den letzten Jahren stärker in den Vordergrund gerückt. Zum einen haben die großen Agenturen mit saftigen Gebührenerhöhungen in Zeiten von stagnierenden Erträgen, hohen Kreditrisiko kosten und harten Kosteneinsparungsmaßnahmen für viel Verärgerung gesorgt. Als nicht börsennotiertes Unternehmen ohne den Zwang kurzfristiger Gewinnmaximierung, dank einer schlanken Unternehmensstruktur und eines fokussierten Geschäftsmodells sind wir deutlich kosteneffizienter und auch in der Gebührengestaltung deutlich flexibler. Eines ist aber klar: Die Gebührenfrage ist sicherlich wichtig, aber letztendlich irrelevant, wenn die entsprechende Qualität der Analysten und der Ratings nicht gegeben ist.

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