Redaktionsgespräch mit Georg Fahrenschon

"Wir haben eine effektive Zusammenarbeit etabliert, die von hoher Verbindlichkeit und gebündelter Schlagkraft geprägt ist"

Georg Fahrenschon, Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes, Quelle: DSGV

Die Chancen stehen für Georg Fahrenschon gut, sich weiter mit vollem Einsatz und Überzeugung der gebührenden Positionierung der Sparkassen als Kreditfinanzierer des Mittelstandes und Finanzdienstleister für Privatkunden widmen zu können. Die Verbandsvorsteher haben ihn gerade für eine zweite Amtszeit an der Spitze des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes vorgeschlagen. Im Redaktionsgespräch gibt sich der DSGV-Präsident überzeugt, hinsichtlich des Einsatzes der zukunftsweisenden Banktechnik keineswegs den Anschluss verpasst zu haben, sondern auf breiter Basis Neuerungen zum Einsatz zu bringen, während andere "schon Feuerwerke abbrennen, wenn sie auf eine Idee kommen." (Red.)

Herr Fahrenschon, Ärger mit der Geldpolitik, ewiges Gerangel um Regulierungsfragen, Digitalisierung als Dauerthema und vieles andere mehr. Wird die Arbeit des DSGV-Präsidenten nicht allmählich eintönig und damit langweilig?

Ein solcher Zustand liegt völlig außerhalb meines Erfahrungshorizontes. Die heutige Zeit mit ihren zunehmenden weltwirtschaftlichen Abhängigkeiten und Unsicherheiten bringt es mit sich, dass meine Aufgaben jeden Tag extrem abwechslungsreich und spannend sind. Es geht schließlich darum, die Rolle des größten Kreditfinanzierers des Mittelstandes und des größten Finanzdienstleisters für private Kunden zeitgemäß zu interpretieren und die Sparkassenorganisation in eine gute Zukunft zu führen. Von diesem Weg dürfen wir uns weder durch eine unkonventionelle Geldpolitik, noch durch wachsende regulatorische Herausforderungen, neue Wettbewerber oder ein neues Grundverständnis der Nutzung digitaler Techniken abbringen lassen. In all diesen Feldern bleibt permanent meine ganze Energie und volle Überzeugung gefordert.

Welche Aufgaben sind Ihnen am dringlichsten?

Neben den immer wieder genannten Themen Niedrigstzins, Regulatorik und Digitalisierung gehört in den kommenden zehn bis 15 Jahren die Demografie in Deutschland zu den wichtigsten Herausforderungen. Werden in allen Regionen Deutschlands genug mittelständische Unternehmen gegründet und erfolgreich fortgeführt, um die wirtschaftliche Entwicklung dynamisch voranzutreiben? Funktioniert die dazu notwendige Kreditversorgung? Nutzen wir auch in der Fläche die Vorteile offener Märkte, weltweit und im europäischen Währungsraum? Nehmen wir die Menschen mit in unserer Überzeugung, das Wohlstandsniveau durch offene Märkte zu halten und anzuheben? In all diesen Fragen bin ich von den Möglichkeiten der Sparkassenorganisation und ihrer guten qualifizierten Beratung vor Ort voll überzeugt und sehe unsere Gruppe als einen wesentlichen Beitrag zur Lösung an.

Durch die Blume haben Sie durch Ihre engagierte Antwort noch einmal bekräftigt, frohgemut die nächste Amtszeit angehen zu wollen ...

In der Tat empfinde ich es als sehr lohnend, für die skizzierten Ziele mit vollem Einsatz und voller Überzeugung zu arbeiten. Vor fünf Jahren bin ich gefragt worden, ob ich mir vorstellen könnte, auch mit einer längerfristigen Perspektive einzusteigen. Damals habe ich mir natürlich grundsätzliche Gedanken über die Bedeutung dieses Schrittes gemacht, zugegebenermaßen ohne im Rückblick die komplette Bandbreite und Tiefe aller Themen eines DSGV-Präsidenten zu erfassen. Aber den Grundgedanken der damaligen Wahl, auf jemanden zu setzen, der auch mittlere Entwicklungslinien ziehen kann, hielt ich damals und halte ich heute für sehr interessant. Auch deshalb stehe ich für eine Verlängerung zur Verfügung.

Eines Ihrer Arbeitsfelder der vergangenen Jahre war eine Straffung der Entscheidungsstrukturen in der Sparkassenorganisation. Hat sich das beschlossene neue Modell schon bewährt? Sind heute schnellere Entscheidungen möglich? Haben die Sparkassen größere Mitwirkungsmöglichkeiten?

Die erste Bewährungsprobe ist bestanden. Wir haben unsere Entscheidungsstrukturen auf den richtigen Weg gebracht. Alle wichtigen Fragen der Gruppe werden in den fünf zentralen Linien Vertrieb, Betrieb, Personal, Regulatorik und nicht zuletzt Marketing/ Kommunikation/Medien stringent bearbeitet. Dabei haben in der Vorbereitung und Ausprägung der einzelnen Themen in diesen fünf Linien stets die Praktiker das erste Wort. In den Fachausschüssen sind jeweils die Sparkassenvorstände, die Fachdezernenten aus den Landesbankvorständen gemeinsam mit den Verbandsmitarbeitern an einem Tisch. Es wird dort das gesamte Spektrum unserer Themen bearbeitet. Das umfasst natürlich auch eine frühzeitige Abstimmung mit den Dienstleistern; etwa auf der IT-Seite mit der FI, auf der Zahlungsverkehrsseite mit dem DSV und in Sachen Wertpapiere mit der Deka.

Im Gesamtvorstand registrieren wir eine deutlich häufigere und bessere Vorabstimmung. Das hilft enorm, Doppel- oder Parallelarbeiten in Zeiten knapper Budgets zu verhindern und die Schlagkraft unserer Gruppe voll zur Geltung zu bringen. Wir haben zum richtigen Zeitpunkt eine neue und effektive Zusammenarbeit etabliert, die von hoher Verbindlichkeit und gebündelter Schlagkraft geprägt ist.

Hat man dieses Procedere in Westfalen-Lippe nicht richtig erfasst oder wie sind die Anregungen der dortigen Regionalpräsidentin von Ende Juni zu interpretieren, eine gemeinsame S-Datenfabrik nach österreichischem Vorbild zu schaffen und das Konzept der Small and simple Banking Box infrage zu stellen?

Natürlich arbeiten wir auf dem Feld der Regulatorik daran, bei unserer IT und den Prozessen für neue Produkte und Dienstleistungen die Anforderungen an das Meldewesen möglichst standardisiert einzubeziehen. Schließlich kann eine schnelle, abgestimmte Entwicklung noch einmal deutliche Entlastungen für jede einzelne Sparkasse bringen. Ob man dazu einen großen zentralen Datenpool benötigt oder - wie es der Struktur der Sparkassenorganisation entspricht - die relevanten Daten in den einzelnen Häusern aufbereitet, muss in aller Ruhe durchgeprüft werden. Das lässt sich so oder so organisieren, an der richtigen Lösung arbeiten wir.

Es ist sicher ein Stück Autonomie der Sparkassen, dass sie die Hoheit über ihre Daten haben, sie entsprechend gewichten können und jederzeit in der Lage sind, die richtigen geschäftspolitischen Notwendigkeiten aus ihnen abzuleiten. Dies sollte im Übrigen auch bei der Frage der Regulatorik auf europäischer Ebene stärker berücksichtigt werden. Der Versuch, Europa regulatorisch an dem Prinzip "One size fits all" zu orientieren, ist in den letzten Jahren klar gescheitert. Wir brauchen eine Differenzierung zwischen den weltweit tätigen Investment- und Geldhäusern und den regional ausgerichteten Kundenbanken, Mittelstandsfinanzierern und kleineren Regionalbanken. An dieser Stelle besteht in unserer Gruppe überhaupt kein Dissens.

... aber es gibt eben auch keine breite Zustimmung auf europäischer Ebene ...

Das Thema "Proportionalität" ist jetzt auf der Agenda. Das ist auch ein Ergebnis der vielen Gespräche, die wir geführt haben - sowohl auf EU-Ebene als auch bei vielen Gelegenheiten mit deutschen Politikern. Es ist ein Fortschritt, dass sich jetzt die Erkenntnis durchsetzt, dass unterschiedliche Geschäftsmodelle eine unterschiedliche Regulierung benötigen. Sparkassen sind in der Erfüllung ihrer Aufgaben nicht vergleichbar mit internationalen Investmentbanken. Jetzt reden wir über Details. Alle in der Gruppe sind an einem guten Ergebnis für die Sparkassen interessiert.

Die Ausgangsfrage nach Ihrem Empfinden zu den Vorschlägen aus Westfalen-Lippe haben Sie damit sehr sachlich und losgelöst vom Fall kommentiert. Sind solche öffentlichen Äußerungen mit dem beschriebenen Konzept der Entscheidungsfindung in der Sparkassenorganisation verträglich? Oder sind sie einfach ärgerlich?

Wir leben in einer dezentralen Organisation, das ist unsere große Stärke. Zwischen den 390 Sparkassen höchst unterschiedlicher Größenordnung brauchen wir den Wettbewerb der Ideen unter den großen und kleinen Häusern. Das ist ein zentrales Element meines Amtsverständnisses als DSGV-Präsident. Dieser Austausch über unterschiedliche Lösungsansätze ist mir wichtig, denn nur so können am Ende für alle Sparkassen die besten Ideen zur Verfügung gestellt werden.

Gehören die dieser Tage bekannt gewordenen Überlegungen zu einer möglichen Zusammenführung von Deutscher Hypothekenbank und Berliner Hypothekenbank auch in diesen Kontext?

Wenn ein Institut klar signalisiert, darüber nachzudenken, sich von einem ertragreichen Teil seines Geschäftes eventuell trennen zu wollen, dann ist es im Verbund unserer Gruppe ein völlig normaler Vorgang, dass sich andere Gruppenmitglieder in aller Ruhe anschauen, ob das eine Opportunität für das eigene Haus oder die Gruppe insgesamt ist. Würde man diese Fragestellung nicht sorgfältig ausleuchten, wäre das fahrlässig. Es liegt somit in der Natur unserer Gruppe, sich permanent Gedanken darüber zu machen, wo gute Teile unserer Organisation noch besser zusammenspielen können.

Also auch an der Stelle ein ziemlich unaufgeregter DSGV-Präsident?

Ja, denn aufgeregtes Flügelschlagen bringt nur selten weiter ...

Gilt diese Gelassenheit Stand Ende Juni auch für den Verkaufsprozess der HSH-Nordbank?

Absolut, der Verkaufsprozess läuft planmäßig, das haben jüngst erst wieder Vertreter der Mehrheitseigentümer bestätigt. Derzeit steht den Interessenten der Datenraum offen, im Herbst sollen belastbare Angebote abgegeben werden. Nach meinen Beobachtungen läuft das Verfahren hoch professionell. Die mehrheitlich öffentlich-rechtlichen Eigentümer, insbesondere die Länder Schleswig-Holstein und Hamburg, gehen sehr verantwortungsvoll mit der Bank und ihrer Rolle als Eigentümer um.

Stichwort deutsche Politik und Wahlkampf: Wird sich der DSGV im Vorfeld der Wahl zu gewissen Themen äußern, etwa Mittelstandspolitik, Altersvorsorge oder Steuerpolitik?

Unabhängig von Wahlterminen tragen wir an alle im Bundestag und im europäischen Parlament vertretenen Parteien immer wieder unsere Positionen heran. Dabei bewegen uns derzeit insbesondere drei große Linien, die Demografie, gute Rahmenbedingungen für den Mittelstand und die Weiterentwicklung des europäischen Hauses.

Zunächst zur Demografie: Die derzeitige Niedrig- und Negativzinsphase wird aus Sicht der Kunden mächtige Spuren in Abertausenden von Altersvorsorgekonzepten hinterlassen. Deshalb schlagen wir vor, sich auf jeden Fall mit eingeübten Methoden der Vermögensbildung auseinanderzusetzen. Seit Ende der neunziger Jahre wurden die Kriterien für die Inanspruchnahme vermögenswirksamer Leistungen nicht mehr an Inflation und Gehaltsentwicklung angepasst. Das ist dringend geboten. Die vermögenswirksamen Leistungen für die private Vorsorge für das eigene Heim ebenso wie die wertpapiergestützte Vermögensbildung müssen dringend angepasst werden. Gerade Menschen mit mittleren und unteren Einkommen sind inzwischen aus der Förderung herausgefallen. Insofern setzen wir auf die Aktivierung bewährter, millionenfach geprüfter Strukturen und Instrumente. Das ist gesellschaftspolitisch besser als völlig neue Wege zu gehen. Diese Position versuchen wir allen Parteien an die Hand zu geben.

Welche Anliegen haben Sie hinsichtlich der Rahmenbedingungen für den Mittelstand?

Grundsätzlich müssen wir die Stärke des Mittelstandes als größten Arbeitgeber, Investor und auch Innovator erhalten und fördern. Deshalb darf man den größten Mittelstandsfinanzierer - also die Sparkassen gemeinsam mit den Landesbanken - nicht durch eine falsche Regulatorik angreifen, belasten oder gar zerstören. Denn es gibt ein enges Zusammenspiel zwischen der mittelständisch geprägten Wirtschaft und der Kreditwirtschaft. Wenn die Strukturen der mittelständischen Kreditwirtschaft gefährdet werden, dann leiden in der Folge auch die mittelständischen Wirtschaftsstrukturen.

Diesen Zusammenhang machen wir der deutschen und europäischen Politik sehr deutlich. Wir müssen uns fragen, wie man Übergänge, Neugründungen, und Innovationen von mittelständischen Unternehmen halten und möglichst ausbauen kann. Deshalb brauchen wir für die Banken eine Regulierung, die den unterschiedlichen Geschäftsstrukturen, Geschäftsmodellen, Risikostrategien und der Komplexität gerecht wird. Sonst zahlen am Ende diejenigen, die mit der Finanzkrise nichts zu tun haben, die Zeche.

Und welche Vorstellungen haben Sie von der Weiterentwicklung Europas?

Hier steht für uns an erster Stelle das Bekenntnis zur Eigenverantwortung und die Schaffung von Strukturen, die diesem Prinzip auch zur Geltung verhelfen. Die zwangsweise Zentralisierung über eine europäische Einlagensicherung, um dieses markante Beispiel noch einmal aufzugreifen, führt eben nicht zu mehr Sicherheit in der Kreditwirtschaft, sondern bedeutet eine Einladung zum Trittbrettfahren auf höchstem Niveau. Deshalb unterstützen wir jede weitere Ausprägung stabiler, die Wirtschaft fördernder Strukturen, mit dem Binnenmarkt, der gemeinsamen Währung und einem Grundverständnis für gemeinsame Werte. Dazu gehört beispielsweise, dass im europäischen Zusammenspiel unbedingt die großen Themen unserer Zeit, Klimaschutz und Welthandel, besetzt werden müssen. Aber in den Grundstrukturen müssen gleichzeitig Subsidiarität und Proportionalität gelebt werden und der Bezug zwischen Risiko und Haftung darf nicht aufgeweicht werden. Wenn man an dieser Stelle einen Fehler macht, leidet das gesamte europäische Projekt darunter.

Wie stehen Sie beispielsweise zu den Vorschlägen eines europäischen Finanzministers mit eigenem Budget?

Der Schlüssel für die wirtschaftliche Kraft Europas liegt in der Wettbewerbsfähigkeit vor Ort auf der Grundlage von Eigenverantwortung und sozialer Marktwirtschaft. Wenn wir in ganz Europa leistungsfähige Regionalkreisläufe entwickeln und unterstützen, wird das gleichermaßen zu Dynamik und Nachhaltigkeit führen. Dabei wird nicht zuletzt noch einmal über die Mittel der EU-Strukturfonds zu reden sein. Angesichts der Milliardenbeträge, die bewegt werden, lässt aus unserer Sicht die wirtschaftspolitische Koordinierung zu wünschen übrig. Jetzt einen europäischen Finanzminister installieren zu wollen, ist aber nicht die erste Priorität. Es erscheint mir wichtiger, in ganz Europa die Wettbewerbsfähigkeit mit den bestehenden Instrumenten zu erhöhen und strukturelle Schwächen abzubauen, um damit das Wachstum zu fördern.

Wie positioniert sich der DSGV in den angelaufenen Brexit-Verhandlungen?

Wenn Großbritannien verlauten lässt, Brexit heißt Brexit, dann muss Europa dem entgegenhalten: "Exit heißt Exit." Es darf keine faulen Kompromisse geben.

Noch einmal zurück zu Ihrem Plädoyer für die Schaffung stärkerer europäischer Regionalstrukturen. Ist die beobachtbare Tendenz nicht genau umgekehrt. Ist man nicht eher auf dem Weg zu einer größeren Zentralisierung?

Diese Aussage lässt sich zumindest nicht verallgemeinern. Die neue Regierung in Irland beispielsweise setzt sich mit ganzer Kraft für einen auch uns sehr sympathischen Grundgedanken ein: Wer einen facettenreichen, breit aufgestellten, stabilen und widerstandsfähigen Mittelstand will, der muss auch ein mittelständisch geprägtes Bankensystem haben. Ähnliche Diskussionen haben wir in Spanien, Italien und in Frankreich. Und auch EU-Kommissar Dombrovskis trifft eine sehr klare Unterscheidung zwischen den weltweit operierenden Investmentbanken und den regionalen Stabilisatoren. Momentan registriere ich also eher eine positive Diskussion über regionale Ansätze. Die Kommission selbst hat eine Mittelstandskomponente für die Regulatorik vorgeschlagen. Deshalb sollten wir die nach vorne gerichtete Diskussion konstruktiv nutzen.

Zum Abschluss noch ein paar Fragen zur Marktbearbeitung mit sparkassenpolitischen Berührungspunkten: Wie positioniert sich der DSGV mit Blick auf die eigene Gruppe hinsichtlich der Leitlinie der EZB zur fachlichen Eignung und persönlichen Zuverlässigkeit von Leitungsorganen?

Wir sehen weder einen Interessenkonflikt bei den kommunalen Vertretern in den Verwaltungsräten der Sparkassen noch mangelnde fachliche Qualifikation. Es ist sogar eher andersherum. Mit den örtlich ansäs sigen Unternehmern unterschiedlichster Branchen sowie kommunalen Vertretern und Kommunalpolitikern bringen wir ein besonders breites Spektrum an Sachverstand und Kompetenzen in unsere Gremien ein. Das gibt es sonst so nirgendwo. Es wäre ein schwerer Fehler, wenn man versuchen würde, diese stabile Grundstruktur zu erschüttern und durch einen Angriff auf die kommunale Trägerschaft der Sparkassen unser System empfindlich zu schwächen. Gerade bei den Sachkundeanforderungen haben wir den europäischen Behörden deutlich machen können, dass die Anforderungen an Vorstand und Aufsichtsorgan in den europäischen Ländern unterschiedlich sind. Hierzulande gibt es eben eine klare Trennung zwischen den operativ verantwortlichen Gremien einer Sparkasse, nämlich der Geschäftsführung und dem Vorstand, sowie denjenigen Menschen, die im Verwaltungsrat Kontroll- und Begleitfunktionen haben, aber eben nicht das operative Tagesgeschäft tragen. Das muss Europa verstehen.

Welche Möglichkeiten eröffnet beispielsweise die kürzlich geschaffene neue Bereichsausnahme des GWB für Dienstleistungsunternehmen der Verbünde?

An dieser Stelle sind wir der Bundespolitik sehr dankbar, dass sie unseren Anregungen gefolgt ist und uns in der neunten GWB-Novelle ähnlich wie den Zeitungsverlegern eine Bereichsausnahme geschaffen hat.

Das klingt nach einer entscheidenden Rolle des DSGV bei dieser Initiative?

In der Tat haben wir uns sehr intensiv für diese Ausnahmeregelung eingesetzt. Wir stehen als Kreditwirtschaft nun einmal in einem europäischen Wettbewerb. Demnach muss auch das Kartellrecht angepasst werden. Gerade in den Backoffice-Bereichen und in der Datenaufbereitung können wir ohne eine solche Regelung nicht handeln. Mit der Neuregelung können wir unsere zentralen Dienstleister jetzt aber in die Lage versetzen, den Sparkassen vor Ort Freiräume im Wettbewerb zu schaffen, die diese auch dringend brauchen.

Die Deutsche Servicegesellschaft für Finanzdienstleistungen, Köln (DSGF) und die Sparkassen Service GmbH, Darmstadt, haben schon die Fusion beschlossen. Sollte sich auch die S-Servicepartner Deutschland, Berlin, anschließen? Oder darf sich der DSGV Präsident dazu nicht offensiv äußern?

Auf Basis der Neuregelung im GWB können im nächsten Schritt jetzt in der Tat die sich daraus ergebenden Möglichkeiten genutzt werden, das freut mich sehr. Die Verantwortlichkeit für solche Transaktionen liegt allerdings nicht beim DSGV, sondern bei den Regionalverbänden beziehungsweise den jeweiligen Eigentümern.

Ihnen wäre es demnach ganz recht, wenn sich S-Servicepartner auch noch der geplanten Fusion zu einem dann wirklich großen Backoffice-Dienstleister der Gruppe anschließen würde?

Wir haben bei der Politik klar für diese Bereichsausnahme im Kartellrecht plädiert, um den Sparkassen vor Ort letztlich die Möglichkeit zu geben, sich noch besser und effizienter mit Dienstleistungen unterstützen zu lassen. An vielen Stellen wie der FI, dem DSV, der Deka haben wir mit einer zentralen Einheit bereits sehr gute Erfahrungen gemacht. Vor Ort muss die Sparkasse durch ihr besonderes Knowhow bei der Einschätzung der Marktverhältnisse zu überzeugen wissen. Dahinter brauchen wir schlagkräftige Unterstützungseinrichtungen.

Bei ganz verschiedenen zukunftsweisenden Themen angefangen von Big Data, Datensicherheit, Blockchain, ETFs oder Robo Advisory gibt es in der Genossenschaftsorganisation mit dem BVR und meist auch der DZ Bank klare Ansprechpartner. In der Sparkassenorganisation hat man nicht den Eindruck, als habe man solche Kompetenzen bereits gebündelt. Gibt es an dieser Stelle Nachholbedarf in der Sache oder der Transparenz?

Nein, im Gegenteil! Unsere Kunden haben eine enorme Auswahl von digitalen Zugangswegen und nutzen sie auch. Mit über 800 Millionen Kundenkontakten ist unsere App die am weitesten verbreitete Anwendung. Und wir bewältigen mit unserem System OSPlus-neo im Jahr mehr als zwei Milliarden Onlinekontakte. Das soll heißen, wir wenden viele Dinge auf breiter Front längst an, während andere oft schon Feuerwerke abbrennen, wenn sie auf eine Idee kommen.

Vor diesem Hintergrund kann ich im gesamten Bereich der Digitalisierung nun wirklich keine Defizite in der Schlagkraft der Sparkassen-Finanzgruppe erkennen. Dass wir in der Position des Marktführers immer wieder Ideen austauschen und um den besten Weg ringen, ist eine erfreuliche Nachricht aus einer sehr agilen Organisation, die im Übrigen dank ihrer Vielfalt auch widerstandsfähiger ist als eine Monokultur. Das sollten wir uns in jedem Falle bewahren.

Auch bei der praktischen Umsetzung fühlt sich die Sparkassenorganisation also nicht abgehängt?

Mit Sicherheit nicht - wir haben mit Kwitt die erste Handy-zu-Handy-Überweisungsmöglichkeit eingeführt, über 450 000 Kunden haben sich bereits registriert. Unsere Schnittstelle zur FI bietet einen Ansatzpunkt für alle Arten von Kooperationen. Mit OS-Plusneo sind wir absolut auf der Höhe der Zeit. Insofern mache ich mir über die gern aufgeworfene Frage, wie die Deutschen ihre Sparkassen erreichen und welche Services sie nutzen, überhaupt keine Sorgen.

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