Redaktionsgespräch mit Stefan Winter

"Der politische Dialog wird von uns aktiver geführt als früher"

Stefan Winter, Vorsitzender des Vorstands, Verband der Auslandsbanken in Deutschland e.V., und Mitglied des Vorstands, UBS Europe SE, Frankfurt am Main

Quelle: VAB

Die Unterstützung der Mitglieder bei deren Positionierung in Deutschland nennt Stefan Winter als wichtigste Aufgabe des Verbandes der Auslandsbanken in Deutschland (VAB). Den Brexit wertet der Vorsitzende des Vorstands im Redaktionsgespräch nur als wichtiges Zusatzthema. Gleichwohl sieht er die Verbandsarbeit in den vergangenen Monaten stark von den Standortentscheidungen vieler Auslandsbanken geprägt. Dem Standort Deutschland bescheinigt er angesichts der Wirtschaftskraft, der guten Infrastruktur und nicht zuletzt der stabilen politischen Verhältnisse eine hohe Anziehungskraft für ausländische Banken. (Red.)

Herr Winter, seit 35 Jahren gibt es den Verband der Auslandsbanken. Wie hat sich insbesondere seit der Finanzkrise die Verbandsarbeit geändert?

Seit der Finanzkrise haben wir mehr Erklärungsbedarf, vor allem gegenüber der Politik und Aufsicht. Als einzelnes Institut und als ganze Branche müssen wir unsere Positionen besser erklären und uns hierbei der Bedenken vonseiten der Politik und Aufsicht bewusst sein. Aus diesem Grunde pflegen wir einen beständigen und konstruktiven Dialog mit den genannten Institutionen. So haben wir in den vergangenen drei Jahren durch einen guten und konstanten Austausch wieder an Glaubwürdigkeit zurückgewonnen. Gerade im Verlauf der Diskussionen um den Brexit stellen wir fest, dass es wieder mehr Verständnis für die Finanzbranche gibt.

Erfolgreiche und nachhaltige Standortpolitik funktioniert nur gemeinsam zwischen Banken, Politik und Aufsichtsbehörden. In den zurückliegenden Monaten spüren wir diesbezüglich eine Bereitschaft der Politik, uns beim Werben um die Ansiedlung von Banken zu unterstützen. Anders als in den ersten Jahren nach der Finanzkrise finden wir auch darüber hinaus Interesse und die Unterstützung der Politik für wichtige Anliegen der Branche. Zudem ist heute die Bereitschaft erkennbar, dass nach einem Abbau wieder mehr Risk-Weighted Assets möglich sind, wenn dies im Sinne der Finanzstabilität in einem beherrschbaren Rahmen und unter permanenter zeitnaher Überwachung geschieht.

Einen Wandel registrieren wir schließlich aber auch im allgemeinen Selbstverständnis der Banken. Hier hat sich unseres Erachtens in den letzten Jahren viel getan - auf allen Ebenen.

Wird der VAB ebenso wie die drei großen kreditwirtschaftlichen Verbände der deutschen Kreditwirtschaft von der Politik regelmäßig um Stellungnahmen gebeten?

Zu allen Themen und Konsultationen, die unsere Mitgliedsinstitute betreffen, geben wir regelmäßig Stellungnahmen ab. Diese Aufgabe hat sich über die Jahre nicht wesentlich geändert. Aber wir sind kein typischer Lobbyverband. Unsere primäre Aufgabe ist die Unterstützung unserer Mitglieder bei deren Positionierung in Deutschland. Das kann Hilfestellung bei der Klärung allgemeiner regulatorischer Fragen sein oder etwa Unterstützung bei der Weiterbildung von Mitarbeitern. Wir sprechen permanent über das ganze Spektrum der großen und kleinen Herausforderungen und helfen über unsere Geschäftsstelle nicht zuletzt den kleineren Instituten in vielen Sachfragen, um den geltenden Anforderungen gerecht zu werden. Auch im Dialog mit den Aufsichtsbehörden und der Politik bieten wir dabei unsere Unterstützung an, wobei es - wie schon betont - immer um die Klärung von Sachfragen geht.

Allerdings wird der politische Dialog von uns aktiver geführt als früher, nicht zuletzt, weil Berlin krisenbedingt mehr Fragen an Banken hatte und hat als vor der Krise.

Unterstützen Sie auch einzelne Häuser oder nur ganze Gruppen?

Die Unterstützung einzelner Häuser ist eher die Ausnahme. Meist werden wir für eine Gruppe von Instituten tätig, beispielsweise die chinesischen oder die türkischen Banken, wenn die Fragestellung das Heimatland betrifft. Oder wir kümmern uns um Fachfragen wie den Vertrieb von Wertpapieren oder die Regelungen rund um Großkredite. In aller Regel gibt es nicht das eine große Thema für alle VAB-Mitglieder, sondern viele kleinere, beispielsweise im Meldewesen oder hinsichtlich der Compliance, die nur einen Teil der Mitglieder betreffen.

Organisiert der Verband auch den Austausch in Arbeitskreisen?

Ja, das sind bei uns offene Veranstaltungen mit Einladungen an alle Vertreter unserer Mitgliedsunternehmen. Je nach Bedarf werden dabei Berater, Prüfer und andere externe Experten einbezogen, die im Tagesgeschäft oft auch Ansprechpartner unserer Mitglieder sind. In dieser breiten Zusammensetzung informieren wir und erarbeiten gemeinsame Sichtweisen zu bestimmten Themen.

Unter Kosten-Nutzen-Überlegungen sollte sich diesem Tenor nach die Mitgliedschaft im VAB lohnen. Haben Sie Belege, dass das tatsächlich so ist?

Ja, einen ganz einfachen: Wir vertreten seit Jahren auf absolut freiwilliger Basis nahezu alle Auslandsbanken in Deutschland und verzeichnen keinen Mitgliederschwund. Um unsere Leistungen kostengünstig anbieten zu können, wirtschaften wir als Verband traditionell sehr effizient.

Was ist zurzeit das wichtigste Anliegen der Verbandsarbeit? Erst der Brexit und dann lange Zeit nichts?

Nein, so ist es nicht. Alle Themen laufen ganz normal weiter, insbesondere die gesamte Regulierung. Der Brexit ist nur ein wichtiges Zusatzthema, zumal wir im Augenblick erst einmal nicht mehr ausrichten können, als die drei oder vier wesentlichen Aspekte zu adressieren, die bei der Standortfrage wichtig sind.

Und die wären?

Uns beschäftigt immer noch das Arbeitsrecht ...

... so stark, dass Sie es gleich als erstes nennen?

Als eher weiches Thema mag es in der öffentlichen Beachtung zwar nicht den hohen Stellenwert einnehmen, aber in Gesprächen mit Interessenten für den Standort Deutschland oder Frankfurt wird dieser Aspekt regelmäßig sehr früh vorgetragen. Daneben sprechen wir mit den Aufsichtsbehörden unter anderem über den schnellen und möglichst effizienten Ablauf einer Lizensierung, die Anforderungen an das Risikomanagement und den Umfang des Outsourcings sowie nicht zuletzt die aufzubauende Infrastruktur insgesamt. Aber viele Fragestellungen sind europäischer Natur, die stark vom jeweiligen Verhandlungsergebnis zwischen Brüssel und London abhängen werden.

Rechnen Sie mit Blick auf das Arbeitsrecht mit Bewegung des deutschen Gesetzgebers?

Konkrete Entscheidungen werden sicher erst in der Zeit nach den Bundestagswahlen fallen und von der neuen Bundesregierung abhängen. Aber die Aussagen aus dem Kanzleramt sowie vom hessischen Ministerpräsidenten machen uns Hoffnung, dass die Politik sich die Rechtslage sehr genau anschauen und Änderungen im Arbeitsrecht anstreben will. Ein wenig optimistisch stimmt uns auch, dass das Thema von keiner der Parteien per se vom Tisch gewischt wurde und es nicht nur für Banken, sondern auch für andere Wirtschaftszweige sehr relevant ist.

Wie stark ist der VAB im Zuge der Brexit-Überlegungen direkter Ansprechpartner von ansiedlungswilligen Banken?

Nach den vielen Ansiedlungsprojekten arbeiten nun die internen Brexit-Arbeitsgruppen in den jeweiligen Instituten. Unsere vorbereitenden Aufklärungsarbeiten und Programme zur Erläuterung der hiesigen Abläufe sind aber oft nachgefragt worden. Das betrifft beispielsweise diverse Workshops oder unsere Einbindung und Begleitung als Anlaufstelle für die Kontaktaufnahme mit der BaFin, Bundesbank und Politik. Bei den erfolgten und anstehenden Entscheidungen wissen insbesondere die großen Institute inzwischen, was sie tun wollen und sind bereits in direktem Dialog mit den genannten Protagonisten.

Für Institute, die jetzt noch Informationsbedarf haben, stehen wir aber selbstverständlich weiterhin zur Verfügung. Aktuell verzeichnen wir aber nur noch vereinzelte Anfragen von Instituten, die bislang gar keinen Standort in Deutschland haben. Dass sich in den vergangenen Monaten viele andere Häuser für Frankfurt entschieden haben, hat auf jeden Fall einen gewissen Signalcharakter und ist Anlass für einige Institute, ihre anderweitigen Standortentscheidungen zu überdenken.

Haben Sie in der Hochphase des Entscheidungsprozesses gemerkt, welche Institute stark zu Frankfurt tendieren? Wie sind Ihre Eindrücke im Rückblick?

Klar, die Intensität des Interesses war schon unterschiedlich. Oft war sie auch an der Seniorität der jeweiligen Gesprächspartner ablesbar. So war beispielsweise die hochrangige Zusammensetzung der japanischen Delegationen meist ein klares Indiz für die Ernsthaftigkeit der Prüfung des Standortes Frankfurt.

Wie haben aus Ihrer Sicht die anderen Beteiligten am Standortmarketing für Frankfurt ihre Aufgaben erledigt, also zunächst die Bundesregierung?

Die Bundesregierung hat auf den ersten Blick nach außen kein sehr aktives Marketing betrieben. Aber das entspricht der vereinbarten Marschrichtung. Wir waren uns im Vorfeld unter allen Beteiligten einig, nicht so aggressiv für Frankfurt und Deutschland eintreten zu wollen und sich insbesondere nicht gegen London zu stellen, sondern uns als Partner zu präsentieren. In diesem Sinne war die Arbeit der Bundesregierung in ihrer Rolle gut.

Wie werten Sie die Arbeit der Stadt Frankfurt und der hessischen Landesregierung?

Bisher haben sich Hessen und Frankfurt sehr gut positioniert. Die Stadt wie auch die hessische Landesregierung haben dazu durch ihre Aktivitäten hier vor Ort wie auch in London und an anderen Finanzplätzen wesentlich beigetragen. Für ein endgültiges Urteil ist es freilich noch zu früh. Denn selbst wenn hier viele Institute die Lizenz für den EU27-Hub beantragen, werden auch die anderen Standorte in Europa wichtiger. Viele Häuser werden aus Frankfurt heraus nur einen Teil des Geschäftes betreiben und parallel dazu auch andere Standorte in der EU27 aufwerten.

Das große Lob für die BaFin haben Sie ja schon im Frühjahr ausgesprochen ...

Ja, das besondere Lob für die BaFin und die Bundesbank als zuständige Aufsichtsorgane gilt nach wie vor uneingeschränkt. Beide haben sich besonders in der Hochphase der notwendigen Aufklärungsarbeit sehr offen gezeigt. Ebenso wie das Bundesfinanzministerium haben sie den ansiedlungswilligen Instituten bei Gesprächsbedarf immer den Terminkalender geöffnet. Beide Ansprechpartner, so haben wir es immer wieder gehört, waren überaus kundenfreundlich und kompetent. Wir würden uns freuen, wenn dies weiterhin der Fall ist.

Registriert der VAB im Standortwettbewerb um die Brexit-Banken Versprechungen am Rande der Regulierungsarbitrage?

Diesen Eindruck durfte man in der Tat im europäischen Standortwettbewerb zeitweilig haben. Aber die Banken selbst haben inzwischen europaweit sehr wohl realisiert, dass die relevante Rechtslage mittlerweile weitgehend von der Bankenaufsicht durch die Europäische Zentralbank geprägt wird. Wenn überhaupt, wird man einen vermeintlichen Vorteil nur kurz realisieren können. Denn die europäische Aufsicht wird zunehmen und sich sicherlich auch auf andere Bereiche wie das Wertpapiergeschäft ausdehnen. Die europäischen Aufseher ihrerseits haben in der Zwischenzeit zudem allen Beteiligten, auch den nationalen Aufsichtsinstanzen in der EU, deutlich gemacht, wo nationaler Spielraum besteht und wo nicht. Auf dieser Grundlage dürfte insofern keine Bank ihre langfristige Standortentscheidung in Europa festmachen.

Welchen Eindruck hat der VAB von den ersten konkreten Runden der Brexit-Verhandlungen?

Zu einzelnen Sachfragen lässt sich im jetzigen Stadium konkret noch wenig sagen. Für uns ist aber grundsätzlich wichtig, dass Übergangsfristen und -regelungen für die EU als auch UK gefunden werden.

Auf welchen Feldern wird man die brauchen?

Bei den Risikomanagementsystemen einschließlich der damit zusammenhängenden Modellfragen wird man mit Sicherheit mehr Zeit als die knapp zwei Jahre bis März 2019 brauchen. An dieser Stelle liegt es im Übrigen gar nicht nur in unserem eigenen Ermessen, auch die Aufsicht braucht mehr Zeit zur Umstellung. Hier sehen wir aber bereits entsprechende Signale.

In Bereichen, für die heute Back-to-Back-Ansätze genutzt werden, wird es wahrscheinlich Übergangslösungen geben. Auch wenn die EZB schon verkündet hat, langfristig nicht solche Modelle zu akzeptieren, wird sie mit der Kreditwirtschaft Lösungen für solche Bereiche finden müssen, die einige Institute realistisch weder kurzfristig noch in zwei Jahren im Euroraum vollständig aufbauen können. Denn dies hängt schließlich auch von der aktuellen Struktur der Institute vor Ort ab. Aber andererseits: Das komplette Geschäft auf Back-to-Back-Lösungen aufbauen zu wollen, wäre allerdings aus meiner heutigen Sicht auch ein sehr gewagter Antritt.

Die bekannt gewordenen Standortentscheidungen für Frankfurt waren in den vergangenen Wochen mehr oder weniger durch den Brexit bedingt? Aber nicht alle Banken sind vom Brexit betroffen. Lohnt sich für Auslandsbanken generell ein Markteintritt in Deutschland?

Grundsätzlich ja, aber im Einzelfall kommt das auf eine genaue Prüfung an. Wir haben hierzulande schon viele Auslandsbanken, die in der größten Volkswirtschaft Europas und einer der größten Exportnationen der Welt in einzelnen Nischen ausgezeichnetes Geschäft machen. Auch ohne Brexit ist und bleibt Deutschland ein sehr starker Markt mit einem sehr wettbewerbsintensiven Bankgeschäft.

Wie sehen die Auslandsbanken die wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen in Deutschland?

Wir haben erst kürzlich eine ganze Reihe von Argumenten für den Standort Deutschland in einem aktuellen Positionspapier für unsere Mitglieder festgehalten. Darin haben wir elf wesentliche Vorteile aufgeführt und jeweils mit konkreten Daten und Fakten belegt. Das fängt an mit der politischen und wirtschaftlichen Stabilität Deutschlands, die sich beispielsweise in einem ganz überwiegend europafreundlichen Parteienspektrum, in der hohen Wirtschaftsleistung, einer niedrigen Arbeitslosenquote und soliden Staatsfinanzen zeigt. Ein Asset ist sicherlich auch die leistungsfähige Bankenaufsicht, die eine umfassende Expertise aufweist, sich gerade gegenüber ausländischen Instituten als gesprächsoffen, verlässlich und beständig gezeigt hat und Dokumentationen weitgehend auch in englischer Sprache zulässt. Mit 200 Banken und der Internationalität der Bevölkerung ist der Standort Frankfurt sehr attraktiv und erleichtert den Austausch mit der EZB und der Börse. Förderlich sind dabei neben der guten IT-Infrastruktur mit einem der weltweit größten Internetknotenpunkte, die Verkehrsinfrastruktur mit der günstigen Anbindung an den Flughafen und andere Verkehrsmittel in zentraler Lage der Bundesrepublik sowie der Stellenwert von Schule, Lehre und Wissenschaft als Pool für qualifizierten Nachwuchs im Finanzsektor und anderen Branchen.

Attraktiv sind zudem die vergleichsweise günstigen Mietpreise für Büroraum und die neu entstehenden Büroflächen. Nicht zuletzt sind Frankfurt und Deutschland steuerlich sowie bei den Sozialabgaben durchaus attraktiv, und zwar nicht nur für die Banken und Unternehmen, sondern auch für deren Mitarbeiter. Kurzum, das Paket Deutschland ist sehr stimmig.

Haben Sie kurz vor der Bundestagswahl Anregungen für die künftige Bundesregierung?

Wie eben gesagt, halten wir uns mit Forderungen an die Politik zurück, so auch hier. Aus dem gleichen Grund halten wir uns übrigens auch mit Aussagen zur Geldpolitik zurück, obwohl wir natürlich zu all diesen Sachverhalten unsere persönliche Meinung haben.

Welche Bereiche erfordern aus Sicht des VAB am dringlichsten eine Harmonisierung? In welchen Bereichen sieht der Verband das Level Playing Field besonders stark missachtet?

Aus regulatorischer Sicht haben wir in den letzten Jahrzehnten bereits viel harmonisiert, auch wenn die Aufsichtspraxis in der EU sicherlich noch an einigen Stellen divergiert. Aber auch hier sind Fortschritte zu beobachten und die EZB wird sicherlich einen Teil der neuen Banken aus Frankfurt heraus beaufsichtigen. Und es gab ja auch schon Signale, dass sie sich mittelfristig Broker-Dealer anschauen möchte, zumindest, wenn diese in der Eurozone Bilanzen von zweistelligen Milliardenbeträgen aufweisen. Also, im Großen und Ganzen läuft die Entwicklung in die richtige Richtung. Ob wir in steuerlicher Hinsicht Fortschritte machen, ist nicht absehbar, vielleicht aber bei der Harmonisierung des Insolvenzrechts.

Sie haben wiederholt betont, eine Harmonisierung der Aufsichtsregeln bis ins kleinste Jota sei nicht notwendig und haben folgerichtig Abstufungen für kleine Banken gerechtfertigt. Stimmen Sie an dieser Stelle mit den Positionen der beiden hiesigen Verbundgruppen überein?

In der Tat haben auch wir unter unseren Mitgliedern viele kleinere Häuser mit sehr überschaubaren und risikoarmen Geschäftsfeldern. Diese muss man nicht genauso regulieren wie die großen globalen Institute. Man kann durchaus auf verschiedenen Ebenen harmonisieren. Gerade im Reporting bindet die Regulatorik viel Personal und ist sehr teuer geworden. Vieles kann ein kleines Haus gar nicht leisten. Eine kleine Auslandsbank, die hier in Deutschland Korrespondenzgeschäft betreibt und die Industrie ihres Landes begleitet, ist doch anders zu bewerten als eine Bank, die hier große Handelsbücher fährt. Das ist eine Frage der Verhältnismäßigkeit und des jeweiligen Risikoprofils.

Welche Ursache hat der starke Anstieg der Cost Income Ratio unter den Mitgliedsinstituten des VAB? Inwieweit werden diese durch die Ursachen hohe regulatorische Kosten, Einlagensicherung, Aufsichtsgebühren, SSM und Bankenabgabe getrieben?

Der mit weitem Abstand stärkste Treiber der Cost Income Ratio unserer Mitgliedsbanken war in den vergangenen Jahren der Niedrigzinspolitik die rückläufige Ertragsbasis. Auch wenn die angesprochenen Einflüsse aus Regulierung, Einlagensicherung und Compliance rund fünf Prozentpunkte ausmachen, sind fehlende Gewinne schon ein wichtiger Aspekt für die Cost Income Ratio. Hinzu kommen die nicht absetzbare Bankenabgabe sowie die steigenden Aufsichtskosten, die auf die Institute umgelegt wird.

Wie zufrieden oder unzufrieden sind Sie mit der Weiterentwicklung Europas? Drohen die Aktivitäten einzuschlafen oder werden sie nur bis nach den Bundestagwahlen verschoben?

Meinem Eindruck nach wird dieses Thema zurzeit von den Brexit-Verhandlungen schlicht in den Hintergrund gedrängt. Die Prioritäten haben sich verschoben. Das gilt übrigens auch für die Arbeiten an attraktiven Rahmenbedingungen für die Kapitalmarktunion. Wie will man an dieser Stelle weiterkommen, ohne die Ergebnisse der Brexit-Verhandlungen zu berücksichtigen? Wer will heute wissen, wie in zwei bis drei Jahren ein großer integrierter Kapitalmarkt aussehen soll, wenn ein Großteil der Liquidität durch den Brexit verloren geht? Das gilt beispielsweise für die durchaus guten Ansätze in der Mittelstandsfinanzierung über den Kapitalmarkt. Die Politik hat diese Dinge erst einmal zurückgestellt, weil man noch nicht so genau wissen kann, wie der Kapitalmarkt künftig aussehen wird, ob er genügend Liquidität hat, ob die Unternehmensfinanzierung kapitalmarkt- oder bankgetrieben ist.

Sind die Auslandsbanken mit der Investmentsteuerreform zufrieden oder fühlen sich die ausländischen Anbieter immer noch benachteiligt?

Ja, wir sind zufrieden. Die Neuerungen bringen insbesondere durch den Wegfall des sehr aufwendigen Reportings bei Auslandsfonds eine Gleichbehandlung mit Inlandsfonds. Auch bei diesem Thema haben wir für unsere Mitgliedsinstitute gerade eine deutsch-englische Informationsbroschüre erstellt, um die Neuerungen zu erklären.

Wie beurteilen die ausländischen Banken die Marktposition der Deutschen Börse und das Scheitern der Fusion mit der LSE?

Bei der Beurteilung des Fusionsvorhabens haben wir uns als Verband bewusst zurückgehalten. Das obliegt unseren Mitgliedern als größten Handelspartnern. Als Meinung aus der Mitgliedschaft registrieren wir aber: Je mehr Liquidität wir an den Märkten haben, umso besser ist das, übrigens auch beim Euroclearing. Insofern mögen wir das Scheitern der Börsenfusion bedauern, aber es war eine Entscheidung im Markt.

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