Redaktionsgespräch mit Felix Hufeld

"Die Relevanz der Auslandsbanken in Deutschland wird nach dem Brexit nicht abnehmen"

Felix Hufeld, Quelle: Schafgans DGPh/BaFin

Anlässlich des 35-jährigen Verbandsjubiläums der Auslandsbanken in Deutschland hat die Redaktion Felix Hufeld zum aktuellen Umfeld der Bankenaufsicht nach dem Brexit-Votum befragt. Der Präsident der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht betont einen aktiven und offenen Dialog mit den ansiedlungswilligen Banken und den britischen Aufsichtskollegen. Er würdigt anhand der Erfahrungen der Aufsichtspraxis der vergangenen Jahre die grundsätzliche Entscheidung, Teile der Aufsicht zu europäisieren. Und er verweist auf eine aufsichtliche Gleichbehandlung von inländischen und ausländischen Instituten. Mit Blick auf die Personalausstattung und die Fachkunde seines eigenen Hauses spricht er von angemessenen Ressourcen zur Erfüllung der Aufgaben, will diesen Status aber auch mittelfristig sichergestellt wissen. (Red.)

Herr Hufeld, die Auslandsbanken in Deutschland haben traditionell ein feines Gespür für ein Level Playing Field. Ist dieses Anliegen der weltweiten Regulierung einigermaßen erreicht oder sehen Sie wesentliche Schlupflöcher für Regulierungsarbitrage, die es abzubauen gilt?

Die Erarbeitung aufsichtlicher Standards hat grundsätzlich auch Auswirkungen auf Wettbewerbsbedingungen. Auch deshalb sind internationale Aufsichtsstandards so wichtig.

Grundsätzlich hat das Thema mindestens drei Facetten. Zum einen geht es darum, faire Wettbewerbsbedingungen zwischen den Jurisdiktionen sicherzustellen. Hierfür haben wir geeignete Instrumente, um den Stand und Grad der Regulierung fortwährend zu überprüfen. Ich denke da zum Beispiel an das RCAP-Prüfverfahren (Regulatory Consistency Assessment Programme) des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht.

Außerdem hat das Level Playing Field aber auch - zumal auf globaler Ebene - damit zu tun, grundsätzlich unterschiedliche Marktstrukturen anzuerkennen. Vereinfacht ausgedrückt: Gleiches muss gleich, Ungleiches ungleich reguliert werden.

Und das führt mich zum dritten Punkt, nämlich zu den Bestrebungen, eine ausreichende Proportionalität der regulatorischen Vorgaben sicherzustellen. Das ist vor allem auf europäischer Ebene eine durchaus sportliche Herausforderung. Mittelgroße und kleinere Institute fordern nicht zu Unrecht faire Wettbewerbsbedingungen. Hier muss künftig sicherlich stärker zwischen den Global Playern und den übrigen Wettbewerbern differenziert werden.

Registrieren Sie seit Anfang des Jahres irgendwelche Fortschritte oder Signale aus den USA hinsichtlich der Finalisierung von Basel III?

Wie Sie wissen, arbeiten die beteiligten Parteien seit Langem an einem Kompromiss und dem sind wir aus meiner Sicht seit Anfang dieses Jahres ein ganzes Stück näher gekommen. Knackpunkte sind nach wie vor Design und Kalibrierung eines Output Floors. Vielleicht lässt sich das langwierige Verfahren damit erklären, dass der mögliche Königsweg den Anspruch eines hohen Detaillierungsgrads hat, zugleich aber sehr unterschiedlichen nationalen Marktstrukturen gerecht werden soll. Ein Kompromiss um jeden Preis kann meiner Meinung nach aber keine Option sein. Was wir nicht zulassen dürfen, ist, die Risikosensitivität als regulatorisches Prinzip de facto aufzugeben.

Alle im Basler Ausschuss vertretenen Staaten haben mehrfach ihre Verhandlungsbereitschaft signalisiert und sind an einem Abschluss interessiert.

Welche Chancen hat die nationale Bankenaufsicht bei der Abwehr von Cyberrisiken? Ist das nicht zwingend ein Feld für eine enge internationale Abstimmung der Aufsichtsinstanzen? Wie weit ist diese Zusammenarbeit?

Cyberrisiken sind in der Tat eine globale Herausforderung, der die Regierungen und die Gemeinschaft der Regulierer auch auf globaler Ebene begegnen müssen. Das Problembewusstsein ist inzwischen vorhanden. Auch die Finanzminister und Notenbankgouverneure der G7 haben sich im vergangenen Oktober in Washington explizit mit den virtuellen Gefahren für die Kapitalmärkte befasst. Cyberrisiken sind zudem im Finanzstabilitätsrat (FSB) ein präsentes Thema. Im Einheitlichen Aufsichtsmechanismus (SSM), der die signifikanten europäischen Institute überwacht, stehen sie ohnehin auf der Agenda. Als deutsche Aufsicht müssen wir aber auch im eigenen Land weiter unsere Aufgaben machen. Wir arbeiten unter anderem intensiv im Nationalen Cyber-Abwehrzentrum mit. Und mit unserem Bonner Nachbarn, dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), kooperieren wir ebenfalls sehr eng.

Welche Bedeutung haben die Auslandsbanken in Deutschland für die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht? In welcher Form und Intensität ist die BaFin in die Beaufsichtigung ihrer Niederlassungen, Filialen oder Repräsentanzen eingebunden? Gibt es für diese Einheiten abgestufte Formen der Aufsicht?

Ausländische Banken spielen auf dem deutschen Finanzmarkt nach wie vor eine wichtige Rolle. Die Kundeneinlagen der Auslandsbanken sind trotz des allgemein rückgängigen Zinsniveaus weiterhin hoch. Angesichts der Struktur des hiesigen Marktes ist aber auch klar, dass der Fokus der Auslandsbanken eher bei Geschäftskunden liegt als bei den Privatpersonen. Und man muss kein Prophet sein, um vorherzusagen, dass die Relevanz der Auslandsbanken nach dem Brexit zumindest nicht abnehmen wird.

Was die Form und Intensität der Aufsicht angeht, gilt: Tochterinstitute ausländischer Banken beaufsichtigen wir - gegebenenfalls gemeinsam mit der Europäischen Zentralbank (EZB) - genauso wie hiesige Institute. Die Intensität der Aufsicht hängt ab von aufsichtlich relevanten Faktoren wie dem Geschäftsmodell, der systemischen Bedeutung oder der Vernetzung des Instituts.

Handelt es sich dagegen um Niederlassungen von Banken, die ihren Sitz in einem Mitgliedsstaat des Europäischen Wirtschaftsraums haben, dann obliegt die Solvenzaufsicht der Aufsichtsbehörde des jeweiligen Mitgliedstaats. Außerdem ist die BaFin bei allen europäischen signifikanten Institutsgruppen im SSM auch an der Solvenzaufsicht über solche Zweigniederlassungen beteiligt.

Inwieweit steht die BaFin bei der Erfüllung ihrer Prüfungsaufgaben bei Auslandsbanken im Austausch mit der Bankenaufsicht der Herkunftsländer?

Wir tauschen uns regelmäßig und intensiv mit den Aufsichtsbehörden der Herkunftsländer aus. Dafür haben wir klare Grundlagen. Bei Drittstaaten sind das Memoranda of Understanding. Innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraumes ist die Zusammenarbeit über die Eigenkapitalrichtlinie CRD geregelt. Die Zusammenarbeit erfolgt anlassbezogen und turnusmäßig unter Beteiligung weiterer Aufsichtsbehörden in Supervisory Colleges.

Hat sich der Prüfungsaufwand in der Gruppe der Auslandsbanken seit der Finanzkrise erhöht? Entwickelt er sich gegebenenfalls im Gleichschritt mit dem Mehraufwand für die Prüfung hiesiger Kreditinstitute?

Wie schon gesagt: Auslandsbanken werden aufsichtlich nicht anders behandelt als hiesige Institute.

Welche Erfahrungen hat die BaFin mit den Joint Supervisory Teams gemacht? Tragen diese Ihrem Eindruck nach zu einer Harmonisierung der Aufsichtskultur in Europa bei?

Nach den nun fast drei Jahren, in denen wir in der Welt des SSM leben, kann man sagen, dass es richtig war, Teile der Aufsicht zu europäisieren. Die beteiligten Akteure der Joint Supervisory Teams (JSTs) arbeiten weitgehend auf einer soliden und vertrauensvollen Basis zusammen. Der BaFin eröffnet dies die Chance, ihre Erfahrung und Kompetenz als nationale Aufsichtsbehörde in einen internationalen Kontext einzubringen. Es liegt in der Natur der Sache, dass es hier und da noch Verbesserungsbedarf gibt, etwa was Abstimmungsprozesse und Informationsflüsse angeht. Ich bin aber optimistisch, dass sich solche Dinge im Laufe der Zeit weiter einspielen werden. Mancher Weg entsteht eben erst so richtig beim Gehen.

Mindestens genauso wichtig wie eine europäische Aufsichtsstruktur ist aber, Sie sprechen es an, eine gemeinsame europäische Aufsichtskultur. Eine solche - in Vielfalt geeinte - Kultur kann erst entstehen, wenn es uns Aufsehern gelingt, neben unserer nationalen eine europäische Identität zu entwickeln. Erst dann werden grenzüberschreitendes Denken und Arbeiten zur Selbstverständlichkeit. Aber bis das erreicht ist, wird noch einiges an Wasser den Rhein und den Main herunterfließen.

Geben die gemischten Teams Impulse für die Prüfungspraxis in den deutschen Instituten?

Selbstverständlich erhalten wir in diesen Teams wertvolle Anregungen von unseren europäischen Kollegen. Genauso können auch sie von unseren Erfahrungen und Kenntnissen als deutsche Aufseher profitieren. Gemischte Teams bedeuten schließlich unterschiedliche Sichtweisen und Erfahrungshintergründe. Wer sie klug managt, kann dabei nur gewinnen.

Hat sich die Relevanz der ausländischen Banken in Deutschland seit dem Brexit-Votum in Großbritannien erhöht? Welche konkreten (organisatorischen) Maßnahmen hat die BaFin seit dem Brexit-Votum getroffen?

Für die BaFin hat sich die Relevanz ausländischer Banken seit dem Brexit mit Sicherheit nochmals erhöht. Das Thema nimmt seit mehreren Monaten einen sehr hohen Stellenwert bei uns ein. Wir haben hier von Anfang an einen aktiven und offenen Dialog mit den Banken und unseren britischen Aufsichtskollegen geführt.

Der Brexit bringt durchaus einen gewissen Mehraufwand mit sich. Wir haben daher zunächst auf die bewährten Strukturen gesetzt und diese durch Projektstrukturen ergänzt. Nachdem nun die ersten Erlaubnisanträge konkret werden, gehen wir in einigen Geschäftsbereichen den zweiten Schritt und etablieren eine neue, virtuelle Struktur mit dedicated teams. Das bedeutet, dass wir feste Ansprechpartner für das Erlaubnisverfahren eines Instituts bestimmt haben.

Der Brexit hat uns übrigens die Vorteile einer integrierten Aufsichtsbehörde nochmals sehr anschaulich vor Augen geführt. Ganz gleich, ob es um Fragen des Bank- oder Versicherungswesens geht oder um die - sehr stark die Wertpapieraufsicht betreffenden - Fragen eines broker dealers, die BaFin ist in der Lage, alles aus einer Hand anzubieten.

Gibt es neue Informationsangebote für Rat suchende Banken? Und wie wurden/werden diese gegebenenfalls in Anspruch genommen?

Wir haben mit Blick auf den Brexit sehr schnell zahlreiche Kommunikationsangebote für interessierte Banken eingerichtet. Auf unserer Internetseite bündeln wir die Informationen, die sich an alle Unternehmen richten, die in Deutschland aufsichtspflichtigen Tätigkeiten nachgehen oder ihren Sitz hierher verlegen möchten. Selbstverständlich kann man mit uns in englischer Sprache kommunizieren - mündlich und schriftlich. Auch auf unserer Webseite sind die relevanten Informationen auf Englisch eingestellt. Außerdem haben wir mehrere Workshops mit interessierten Instituten zu spezifischen Brexitbezogenen Themen durchgeführt. Alle Beteiligten haben diese Veranstaltungen als äußerst positiv empfunden.

Welche neuen Aufgaben kommen möglicherweise auf die BaFin zu?

Banken, die ihren Sitz von UK nach Deutschland verlagern, müssen natürlich angemessen beaufsichtigt werden. Auch wenn das eine oder andere Institut bereits heute in Deutschland tätig ist, klar ist: Die Aufsichtsintensität wird künftig eine andere sein. Bisher durften wir uns beispielsweise bei Zweigstellen im Wesentlichen auf die Aufsicht unserer Kollegen bei der britischen PRA verlassen. Nach dem Austritt aus der EU wird dies nicht mehr möglich sein. Damit kommen unweigerlich neue Aufgaben auf uns zu, zumal wir schon immer Briefkastenmodellen die rote Karte gezeigt haben und es in Deutschland keine Aufsicht der leichten Hand geben wird.

Registriert die BaFin im Standortwettbewerb der EU-Länder um möglicherweise abwanderungswillige ausländische Finanzdienstleister aus London unfaire Versprechungen oder läuft alles in Bahnen eines sportlichen Wettstreits?

Dass sich jedes Land in einer solchen Situation von seiner besten Seite zeigen möchte, versteht sich von selbst. Und auch Deutschland hat hier schließlich viel zu bieten. Die BaFin allerdings ist Aufsichtsbehörde und agiert - auch im Zusammenhang der Brexit-Diskussion - als solche. Ein Absenken aufsichtlicher Standards wird es mit uns daher nicht geben.

Ist die BaFin personell und für die Lizensierung ausländischer Banken in Frankfurt oder anderen deutschen Standorten gerüstet?

Wir verfügen über angemessene Ressourcen, um die aktuellen und künftigen Erlaubnisverfahren ausländischer Banken adäquat bearbeiten zu können.

Klar ist aber, dass deutlich mehr Mitarbeiter als bisher mit Erlaubnisverfahren beschäftigt sind und manch andere Aufgabe deshalb nicht unbedingt Priorität eins hat. So etwas kann vorübergehend gut funktionieren. Mittelfristig müssen wir allerdings sicherstellen, dass wir über ausreichend fachkundiges Personal verfügen, um unserer laufenden Aufsicht in der bewährten Qualität nachkommen zu können. Wichtig zu wissen ist auch, dass die durch den Brexit entstehenden Mehrkosten aufwandsgerecht auf die neuen Institute verteilt werden. Für die bisher in Deutschland tätigen Institute entstehen nach ersten Berechnungen keine zusätzlichen Kosten.

Würde es für die BaFin Vorteile in den Abläufen bringen, wenn die EBA in Frankfurt angesiedelt würde?

Über den Standort der EBA entscheidet die Politik. Wir können und werden mit jeder Entscheidung umgehen. Schon jetzt kommunizieren wir sehr intensiv mit der EBA - sei es vor Ort oder mithilfe der modernen Kommunikationstechnik. Abgesehen davon wären aber kurze Dienstwege - vor allem auch zwischen EBA und EZB in Frankfurt - sicher nicht von Nachteil.

Die komplette Rede von Felix Hufeld anlässlich des Sommerempfangs des Verbands der Auslandsbanken in Deutschland finden Sie hier.

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