"Der Staat muss Anreize für ökologisches Wirtschaften schaffen"

Betram Brossardt, Foto: Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e.V.

Herr Brossardt, der von Frau von der Leyen als Präsidentin der EU-Kommission ins Leben gerufene "Green Deal" soll dazu führen, dass insgesamt eine Billion Euro in den Wandel hin zu mehr Nachhaltigkeit und Klimaschutz investiert wird. Ist das für die Realwirtschaft eher eine Chance oder eine Belastung?

Das kommt darauf an, inwieweit die in Aussicht gestellten Mittel die Industrie wirkungsvoll in der Transformation unterstützen. Zu Recht will die EU Klimaschutz als Konjunkturprogramm verstehen. Es muss klar sein, dass die Zukunftsfähigkeit Europas viel mehr ist als ein "Green Deal", dazu gehört eine ebenso ambitionierte und entschlossen umgesetzte Industriestrategie. Nur eine wettbewerbsfähige Industrie kann die notwendigen Investitionen in Klima- und Umweltschutz erwirtschaften.

Befürchten Sie, dass durch den Umschwung zu Green Finance weniger ökologische, aber für die Wirtschaft sehr wichtige Unternehmen in Zukunft in Finanzierungsnöte kommen könnten?

Der aktuelle Kurs erhebt in der Tat den Anspruch, die ökologische Ausrichtung der Realwirtschaft mithilfe der Finanzinstitute mittelbar zu regulieren. Auch wenn im Vergleich zu den Vorstellungen des EU-Parlaments noch extremere Eingriffe verhindert werden konnten, erwarten wir höhere Finanzierungsrisiken und Finanzierungshindernisse für Vorhaben und Unternehmen, die nicht in das Bewertungsschema der Sustainable-Finance-Regulierung passen. Das lehnen wir strikt ab.

Was halten Sie von der EU-Taxonomie? Ist sie hilfreich oder nur ein weiteres bürokratisches Monster, das wachstumshemmend wirken und somit dem Wirtschaftsstandort Deutschland und Europa schaden könnte?

Die Parameter, anhand derer die EU-Taxonomie ökologische Nachhaltigkeit definieren wird, stehen noch nicht fest. Bisherige Überlegungen lassen jedoch befürchten, dass die Messlatten zu hoch angelegt werden. Zusätzlich wird der Umschwung zu Green Finance erheblichen bürokratischen Aufwand nach sich ziehen, trotz der angegebenen Freiwilligkeit für alle Unternehmen. Wichtige international tätige Unternehmen könnten unter solchen Umständen ihre Finanzierung stärker außerhalb der EU suchen, unser Mittelstand kann diesen Weg oft nicht wählen.

Ziel muss es daher sein, zusätzliche Belastungen der Unternehmen zu vermeiden und Wertschöpfungsketten zu erhalten. Nur dann bleibt die Wirtschaft so leistungsstark und wettbewerbsfähig, dass sie zu wirksamem Klimaschutz beitragen kann. Die Ausgestaltung der Taxonomie muss sehr viel praxisgerechter und unter Berücksichtigung der Anliegen der Realwirtschaft ausgestaltet werden, als es bisher der Fall war. Ansonsten schaden wir dem gemeinsamen Ziel einer Finanzierung klimafreundlicher Wirtschaftstätigkeiten mehr, als dass wir ihm helfen.

Wie kann den Unternehmen geholfen werden, dass sie durch die nötigen Investitionen in mehr Klimaschutz nicht überfordert werden?

Für die Unternehmen ist es wichtig, dass der Staat das Investitionsgeschehen nicht mit neuen Auflagen belastet, sondern Anreize für ökologisches Wirtschaften schafft.

Was sind Ihrer Meinung nach die größeren Hürden für den nachhaltigen Wandel? Die Finanzierung der notwendigen Investitionen oder doch bürokratische Hemmnisse - Stichwort Tesla-Gigafactory in Brandenburg.

Die zu hohe Unternehmensbesteuerung und bürokratische Hemmnisse am Standort sind die größten Hürden. Unsere langwierigen Planungs- und Genehmigungsverfahren sind tatsächlich ein Hindernis, aber man muss auch sehen, dass sich eine Protestkultur in und neben diesen Verfahren entwickelt hat, die zusätzlich lähmt. Hier müssen wir zu einem echten gesellschaftlichen Konsens kommen: Klimaschutz wird man auch in der Landschaft sehen, und das müssen wir akzeptieren. Kostenlos und unsichtbar wird der Umbau nicht funktionieren.

Betram Brossardt Hauptgeschäftsführer, vbw - Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e.V., München
 
Bertram Brossardt , Hauptgeschäftsführer, vbw - Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e.V., München
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