70 Jahre ZfgK und mehr

Philipp Otto Chefredakteur

"Moderne Gesellschaften sind Wissensgesellschaften. Wissen ist ihr wichtigster Rohstoff - und ihr wichtigstes Produkt. Hoch spezialisierte Wissenschaftssysteme generieren die Ideen, die unsere Wirtschaft antreiben und unseren Wohlstand tragen." So schrieb es unser Mitherausgeber Herbert Walter uns zum 60. Geburtstag.

Wissen ist Macht!?

Einer aktuellen Untersuchung des Bundesverbandes deutscher Banken nach sind 71 Prozent der Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Deutschland unzufrieden, dass sie in der Schule "nicht viel" bis "so gut wie gar nichts" über Wirtschaft lernen beziehungsweise gelernt haben. 84 Prozent der jungen Leute wünschen sich laut der BdB-"Jugendstudie" mehr Informationen über wirtschaftliche Zusammenhänge, zwei Drittel fordern sogar die Einführung eines eigenen Unterrichtsfachs Wirtschaft. Das scheint, so vermitteln die Ergebnisse, auch nötig zu sein. 82 Prozent der Befragten wissen nicht, wie hoch zurzeit die Inflationsrate in Deutschland ist. 53 Prozent der Jugendlichen und jungen Erwachsenen können nicht erklären, was "Rendite" bedeutet. 67 Prozent geben an, keine Ahnung davon zu haben, was an der Börse passiert.

Aber braucht es dafür noch die Schulen? Erreicht man mit Schulen überhaupt wesentliche Teile der Bevölkerung? In den Industriestaaten bestimmt. Aber wie ist es in den vielen islamischen Staaten, in den Mädchen immer noch nicht zur Schule gehen dürfen? Wie ist es in Afrika, in Südamerika, in Teilen Asiens? Übernehmen nicht vielmehr heute das Internet, die Wikipedias und die sozialen Medien längst schon jene Informationsfunktion, für die früher ausgebildete Lehrer verantwortlich waren? Mit all den Gefahren ausgeprägten Halbwissens, falscher Informationen, gezielter Interessenverbreitung und bewusster Steuerung natürlich, die in anonymen Netzwerken ohne Gesichter einfacher erscheint, als von Angesicht zu Angesicht. Vielen geht es sicherlich nur um die guten Dinge, die Vermittlung von Wissen, eine bessere Ausbildung, bessere Chancen und damit mehr Wohlstand für das Individuum und die Gesellschaft. Vielen aber auch nicht. Die Hackerskandale häufen sich, an unterschiedlichsten Stellen und in unterschiedlichsten Lebensbereichen: der Finanzwirtschaft, der Gesundheit, der Politik. Wenn Elon Musk, der längst nicht mehr unumstrittene Heilsbringer der modernen Welt und amtierende Chef von Tesla, ankündigt, mit 12 000 Satelliten weltweit ein Breitbandnetz "für alle" zu schaffen, darf man sich für die freuen, die bislang kein und kaum Internet haben. Aber man sollte nicht nur den Wohltäter sehen und auch ungute Gefühle hegen. Denn Daten sind die Währungen von morgen. Und wer das Netz kontrolliert, kontrolliert die Daten.

"Dinge zu bezweifeln, die ganz ohne weitere Untersuchung jetzt geglaubt werden, das ist die Hauptsache überall." Das wusste der deutsche Physiker Georg Christoph Lichtenberg schon vor mehr als zweihundert Jahren. Und eben dieses Anzweifeln ist eine der größten Aufgaben und eine der Herausforderungen für Politik und Gesellschaft, für Wirtschaft und Wissenschaft, für Menschen und Medien in der "modernen neuen" Welt. Man findet nahezu alles im Internet. Nur muss man das auch wollen. Natürlich ist es wunderbar, einfach mit "copy and paste" vermeintlich kluge und richtige Darstellungen und Formulierungen zu übernehmen. Aber sich damit zu beschäftigen, die Quellen und Aussagen zu hinterfragen, die Möglichkeiten der Querrecherche und des Gegencheckens, die zweifelsohne dank der Fülle an Informationen mehr denn je gegeben sind, kommt mitunter in einer immer schnelllebigeren Zeit zu kurz.

Umso größer ist die Bedeutung der Medien, die natürlich nach wie vor Informationslieferant sein müssen. Und das sekündlich, minütlich, stündlich. Aber sie müssen wertneutral analysieren und bewerten, betrachten und einordnen, loben und kritisieren, aufdecken und manchmal auch verschweigen. Das ist es auch in der globalen und digitalen Welt, was ein gutes Medium ausmacht. Ob das nun über gedruckte Ausgaben, E-Paper, Twitter-Nachrichten oder Flugblätter erfolgt, ist für eine solche Qualitätseinschätzung, ist für die Erfüllung des eigentlichen Auftrags nicht von Bedeutung. Wie mächtig und bedrohlich aufklärende Medien politisch Verantwortlichen immer noch erscheinen, zeigen die aktuellen, sicherlich als höchst bedenklich zu bewertenden Entwicklungen in der Türkei.

In diesem Umfeld mit all seinen Herausforderungen für die Medienlandschaft ebenso wie ihre Hauptzielgruppe, die Banken und Sparkassen dieser Republik, muss sich auch die Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen bewegen. Als sie vor siebzig Jahren gegründet wurde, standen naturgemäß andere, aber in der Sache doch ähnliche Probleme und Hürden vor dem Verleger Fritz Knapp und dem Chefredakteur Volkmar Muthesius. Die Jahre zuvor waren geprägt von Mangel, von Inflation und Unberechenbarkeit, von einer durch die Nationalsozialisten auf den Krieg ausgerichteten Wirtschaftspolitik, die in einer kaum vorstellbaren Fülle von Kartellen gipfelte. Diese Jahre beendete Ludwig Erhard mit der Wirtschafts- und Währungsreform 1948. "Meine Politik ist getragen von dem Vertrauen in die Kraft der Persönlichkeit und von der menschlichen Freiheit als höchstem Wert." Es galt in diesen Jahren, wieder Vertrauen zu schaffen. Ludwig Erhard ist dies mit Nachhaltigkeit und auch unpopulären Maßnahmen wie dem Währungsschnitt gelungen. Sein Konzept der sozialen Marktwirtschaft sollte fortan zum Wirtschaftswunder in Deutschland beitragen, die vielen guten Jahre bis hin zur Wiedervereinigung prägen und auch in all den Spannungen eines hin- und hergerissenen Europas zwischen einem sich wandelnden Machtgefüge in der Welt maßgeblich sein. Eine entscheidende Rolle spielte dabei das Geld, das stabile, das gute Geld. Eine "monetäre Betrachtungsweise" geht weit über das reine Fachwissen vom Gelde hinaus, wie Volkmar Muthesius in der Erstausgabe der ZfgK anmerkte: "Das gute Geld manifestiert seine soziale Bedeutung nicht nur in der von ihm geschaffenen Möglichkeit des Sparens und der richtigen Zurechnung des Einkommens zur vom Individuum dargebotenen Leistung, also in der rechenhaft-äquivalenten Erstattung seines Beitrags zum Sozialprodukt, sondern die soziale Bedeutung des guten Geldes geht weit darüber hinaus. Die Rechenhaftigkeit des Lebens, seine Kommerzialisierung, die nur mit einem guten, das heißt mit relativ knappem Gelde denkbar ist, bietet eine einzigartige Möglichkeit der gesellschaftlichen Integration, der Applanierung aller Klippen des Zusammenlebens, der Entgiftung aller menschlichen Beziehungen und der Intensivierung von Arbeitsteilung und Wettbewerb als wohlstandsmehrende Prinzipien." Oder um es mit Ludwig von Mises zu sagen: "Mit der Rechenhaftigkeit der Geldwirtschaft steigt die Freiheit aus dem Reich der Träume in das der Wirklichkeit herunter."

Ihre Grundauffassung, dass der freie Markt der staatlichen Lenkung stets vorzuziehen ist und die Freiheit des Individuums nicht durch Gesetze, sondern nur aus sich selbst heraus durch die persönliche Verantwortung begrenzt werden kann, hat die ZfgK in den vergangenen 70 Jahren stets mit Nachdruck vertreten. Diese Werte gelten auch und vielleicht mehr denn je in einer digitalisierten und globalen Welt.

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