Befreit und doch beengt

Dr. Berthold Morschhäuser, Chefredakteur, Foto: Fritz Knapp Verlag GmbH

Eigentlich sollten sich die deutschen Förderbanken in diesem Frühjahr rundum wohl fühlen, denn ihr wichtigstes regulatorisches Anliegen ist auf europäischer Ebene abgesegnet worden. Sie werden wie ihre europäischen Pendants von dem EZB-Regime befreit und kehren unter die regulatorische Kontrolle der nationalen Aufsichtsbehörden zurück, hierzulande also unter die Fittiche der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und der Bundesbank. Die Argumentationslinie aller hiesigen Förderbanken und ihres Verbandes gegenüber der Politik und den Aufsichtsinstanzen auf nationaler und europäischer Ebene hat also Früchte getragen und mündet in einer vernünftigen Regelung. Auch die Klage der L-Bank gegen die EZB-Aufsicht vor dem EuGH und der Widerspruch gegen das dort verkündete Urteil ist damit der Sache nach eher zu einer Randnotiz geworden. Bei Sachkennern dürfte die von dem Gericht noch im Mai dieses Jahres erwartete Verkündung des Grundsatzurteils unter neuen regulatorischen Rahmenbedingungen dennoch Interesse wecken.

Dass viele Förderbanken trotz dieser Erleichterung der regulatorischen Rahmenbedingungen auf einer gewissen Sinnsuche sind, liegt an dem nach wie vor schwierigen geldpolitischen Umfeld. Denn in einer Phase der Niedrigzinsen und einer vergleichsweise üppigen Liquiditätsausstattung am Markt fällt es schwerer als in normalen Zeiten gewohnt, allein mit Zinsvergünstigungen die gewünschten Entwicklungen anzustoßen beziehungsweise ein Marktversagen zu verhindern. Förderbanken müssen ihr Handlungsspektrum über die Bereitstellung günstiger Zinsen hinaus auf die Beratung ausweiten und als Sparringspartner, Netzwerker und Problemlöser auftreten, so hat es kürzlich der Vorstandsvorsitzende einer großen Landesförderbank formuliert. Beratung von Startups oder von Kommunen bei der Entwicklung von Quartieren beziehungsweise Technologieparks, Hilfestellung bei der Suche nach Nachfolgern und/oder Business Angels zur Finanzierung von zukunftsfähigen Geschäftsmodellen gehörten vor einigen Jahren sicherlich nicht zu den vordringlich genannten Betätigungsfeldern für Förderbanken. Heute zählen sie je nach Bedarf und Dringlichkeit bundesweit oder in einzelnen Regionen ganz selbstverständlich zu ihrem Instrumentarium.

Wie wichtig die Förderbanken hierzulande bei der Gestaltung der Bedingungen in den Regionen und im weiteren Sinne für die Schaffung und Aufrechterhaltung gleichwertiger Lebensbedingungen sind, lässt sich exemplarisch an den Koalitionsverträgen der Bundesländer ablesen. Anders als man es aus Bayern vermuten würde, finden allerdings die beiden dortigen Förderbanken LfA sowie Bayerische Landesbodenkreditanstalt darin keinerlei ausdrückliche Erwähnung, ebenso wenig übrigens wie die Bayerische Landesbank. Es wird mit Blick auf die Kreditwirtschaft lediglich recht allgemein für eine Bankenregulierung mit Augenmaß geworben, die den kleineren und mittleren regionalen Banken sowie den Förderbanken Wettbewerbschancen im Geschäft mit der mittelständischen Wirtschaft gibt. Dennoch will die bayerische Landesregierung gestaltend in die Entwicklung der dortigen Wirtschaftsstrukturen eingreifen. Die Schlagworte Digitalisierung und Innovationsförderung tauchen gehäuft auf, angefangen vom Ausbau der Infrastruktur für die Kommunikation und die Effizienzsteigerung von Landesbehörden über die Landwirtschaft bis hin zum Verbraucherschutz.

Im Koalitionsvertrag der hessischen Landesregierung wird die WI-Bank viermal explizit erwähnt, unter anderem bei der Finanzierung von Unternehmenskrediten für Gründer und Kleinunternehmen durch Mikrokredite, bei der Schaffung von günstigen Rahmenbedingungen für Bürgergenossenschaften sowie als Instrument für die Kapitalbeschaffung von nachhaltigen Investitionen. Besonders stolz ist die hessische Landesregierung derzeit zudem auf die Abwicklung des Großprojektes Hessenkasse über die WI-Bank (siehe auch Gespräch des Tages). Dass 179 hessische Kommunen unter haushaltspolitischen Auflagen von der Schuldenlast für Kassenkredite befreit werden konnten, wird nicht zuletzt auf die Einbindung der WI-Bank in die Helaba zurückgeführt, die nach Einschätzung der Verantwortlichen mit ihrem fachlichen Knowhow und den Möglichkeiten der Refinanzierung dieses Vorhaben erst ermöglicht hat. Für größere Landesförderbanken mit eigenem Kapitalmarktantritt wie die L-Bank und die NRW-Bank dürften solche Projekte ebenfalls umsetzbar sein. Letzterer ist im NRW-Koalitionsvertrag ausdrücklich eine eigene Passage gewidmet, die ihr die politische Unterstützung bei der Erfüllung ihres gesetzlichen Auftrags bestätigt.

In kleineren Bundesländern wie dem Saarland (Saarland Kasse) oder Rheinland-Pfalz indes kamen vergleich bare Projekte über ein Diskussionsstadium nicht hinaus. Der Einsatz der jeweiligen Förderbanken für landespolitische Vorhaben - etwa sozialen Wohnungsbau im Saarland oder regionale Wagniskapitalfonds in Rheinland-Pfalz - finden sich allerdings auch dort in den Koalitionsverträgen. In Schleswig-Holstein wird auf die Einbindung der dortigen Investitionsbank in das Projekt WIR.BEWEGEN. SH hingewiesen, die Thüringer Aufbaubank soll laut Koalitionsvertrag mit ihren Förderaktivitäten die Möglichkeiten beim nachhaltigen Bauen und entsprechenden Energieeinsparungen unterstützen.

Keine oder nur spärliche Erwähnung in den Koalitionsverträgen finden das Landesförderinstitut Mecklenburg-Vorpommern sowie die Investitionsbank Sachsen-Anhalt. Letzterer wird zwar eine Bedeutung für die Finanzierung der regionalen Wirtschaft beigemessen aber gleichzeitig auch eine Schärfung des Profils entlang ihrer Kernkompetenzen sowie eine Rückführung von Doppelzuständigkeiten bei Aufsichtsfunktionen gegenüber den Kommunen verordnet. Im Zuge der strategischen Neuausrichtung der Nord-LB ist für beide Förderbanken eine Herauslösung aus der Landesbank vorgesehen. Ohnehin nicht direkt in die Nord-LB eingebunden ist hingegen die niedersächsische N-Bank, der von den dortigen Koalitionären ein großes fachliches Knowhow bescheinigt wird, das nicht zuletzt zur Förderung von Innovationen sowie von Startups durch regionale Existenzgründer genutzt werden soll. Im Zuge der Erarbeitung eines Leitbildes will die Landesregierung in Hannover zudem prüfen, wie sie die N-Bank zu einer vollständigen Förderbank weiterentwickeln kann.

Wie all diese Beispiele aus den Bundesländern zeigen, gibt es mit der Wohnraumförderung, der Schaffung der notwendigen Infrastruktur für ein innovatives Wachstum, der Begleitung der bundespolitisch eingeleiteten Energiewende, der Förderung des Mittelstandes sowie der Schaffung eines innovations- und technologiefreundlichen Klimas zur Entwicklung zukunftsfähiger Produkt- und Dienstleistungsbereiche einen breiten Konsens über sinnvolle Fördermaßnahmen. Zudem herrscht in der Sache vergleichsweise große Einigkeit, die notwendigen (Aus-)Bildungsmöglichkeiten zu fördern, um in all diesen Feldern den qualifizierten Nachwuchs zu sichern - auch wenn es an dieser Stelle Meinungsverschiedenheiten über den richtigen Weg geben mag.

Dass es in einem dezentral und föderal organisierten Land wie Deutschland mit einer sehr stark vom kleinteiligen Mittelstand geprägten Wirtschaftsstruktur besonders wichtig ist, die Grundvoraussetzungen für die Digitalisierung der Unternehmen zu schaffen, ist ohnehin in weiten Teilen der Politik an gekommen. Der flächendeckende Ausbau des Breitbandnetzes steht in vielen Regionen ganz weit oben auf der politischen Agenda der Landespolitik und auch die zuständigen Bundesministerien arbeiten an einem abgestimmten Digitalisierungskonzept.

Vor diesem Hintergrund lenkt Bundeswirtschaftsminister Altmaier (siehe Beitrag in diesem Heft) den Blick ganz bewusst über Deutschland hinaus auf Europa und nennt Forschung und Entwicklung, Innovation, Bildung, Digitalisierung, eine sichere und nachhaltige Energieversorgung sowie eine zukunftsfähige Infrastruktur als zentrale Elemente, um den Wert des Projektes Europa in allen Ländern und Regionen für die Bevölkerung sichtbar und greifbar zu machen - in einem wachstumsfreundlichen Klima von privatwirtschaftlichen Investitionen wo immer sie möglich sind und öffentlicher Investitionstätigkeit wo immer es Marktversagen zu korrigieren gilt.

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