Viel(es in) Arbeit

Dr. Berthold Morschhäuser Chefredakteur

Banksteuerung, Digitalisierung, IT-Technik, Konsolidierung, Marktbearbeitung, Mitarbeiter, Niedrigzinsen, Produktpolitik, Regulierung, Risikomanagement und Vertrieb: Es sind in alphabetischer Reihenfolge, ohne Anspruch auf Vollständigkeit und mit unterschiedlicher Relevanz und Dringlichkeit, immer wieder die gleichen, teilweise eng zusammenhängenden Sachverhalte, Stellschrauben und Einflüsse, an denen sich die Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit der Kreditwirtschaft festmachen lässt. Und oft sieht sich die deutsche Sparkassenorganisation bei der Betrachtung und Bewertung der relevanten Einflussfaktoren im Medienecho und teils auch in der öffentlichen Wahrnehmung als Institutsgruppe eingestuft, die in der schnelllebigen Welt des Internets und immer neuer technischer Errungenschaften ihren Zenit als unbestrittener Marktführer in Deutschland überschritten hat.

An den Marktanteilen indes lässt sich ein Verlust von Wettbewerbsfähigkeit der Sparkassen noch nicht eindeutig ablesen. Zwar mögen die genossenschaftlichen Primärbanken bei der Kreditvergabe an Unternehmen und Selbstständige in den vergangenen Jahren stärker gewachsen sein. Aber auch die Zuwächse der Sparkassen waren gut - insbesondere im Mittelstandsgeschäft, und das alles bei historisch niedrigen Ausfallraten. Bei dem ebenfalls von beiden Verbundgruppen immer wieder betonten Kundenzuspruch auf der Einlagenseite muss man sich fragen, ob das in der Zeit der Niedrigzinsen nicht eher als Strafe, denn als wirklicher Markterfolg zu verbuchen ist. Aber immerhin darf der hohe Mittelzufluss im derzeit für die Kunden wie auch für die Banken wenig attraktiven Einlagengeschäft von beiden Verbundgruppen zu Recht als Vertrauensbeweis gewertet werden. Auf der Grundlage florierender Märkte konnten zudem insbesondere im vergangenen Jahr im Wertpapiergeschäft kräftige Umsatzsteigerungen erzielt und damit auch das Provisionsgeschäft deutlich ausgeweitet werden. Vereinzelt wurden sogar die Rückgänge im Zinsgeschäft mehr als ausgeglichen.

Selbst bei den Digitalisierungsprojekten geht es sichtbar voran. Wer dieser Tage die einschlägigen Nachrichten verfolgt, stößt erstaunlich oft auf Vollzugsmeldungen aus der Sparkassenorganisation. So ist es auf dem so heftig umworbenen Feld des Zahlungsverkehrs inzwischen gelungen, über die Sparkassen-App die Überweisungsfunktion per Smartphone auf den Weg zu bringen. Und - man glaubt es kaum - der Antritt unter dem Markennamen Kwitt wird als gruppenübergreifendes Gemeinschaftsprojekt mit dem Genossenschaftssektor betrieben. Bei der Verteilung des Marktes sind die beiden Verbundgruppen damit recht gut im Rennen. Sie sind lediglich zwei Wochen nach einigen privaten Banken wie der Commerzbank gestartet, die bei der Smartphone-Zahlung auf die Lösung von Google-Pay vertrauen. Und auch das seit gut einem Jahr laufende Angebot der Deutschen Bank mit dem Partner Mastercard hat bislang keineswegs zu einer beängstigenden Marktabschöpfung geführt. Schneller als vor Jahresfrist noch gedacht ist die Sparkassenorganisation auch auf dem Feld der Echtzeitüberweisung in Euro unterwegs. Vor wenigen Tagen wurde das sogenannte Instant Payment freigeschaltet, das innerhalb der 34 Länder des europäischen Zahlungsraums Sepa eine Überweisung auf das Konto des Zahlungsempfängers binnen zehn Sekunden ermöglichen soll. 1 100 (von insgesamt rund 4 200) Zahlungsdienstleister aus 15 Ländern nehmen bereits heute oder perspektivisch an diesem Verfahren teil.

Wie sich die Akzeptanz der Echtzeitzahlung bei Kunden, Banken und Unternehmen beim Online- oder beim Mobile Banking entwickeln wird, ist derzeit zwar noch schwer absehbar. Schließlich müssen die beteiligten Häuser ihre Teilnahme erklären, die eingesetzte Hardware muss mit NFC-fähigen Tools ausgestattet sein und das Vertrauen in die Sicherheit des Verfahrens muss gewährleistet sein. Doch prinzipiell kann die S-Gruppe an dieser Stelle ihren Mitgliedern die Option bieten, diese Verfahren unter freier Abwägung von Kosten und Nutzen zur eigenen Marktbearbeitung einzusetzen.

Über diese besonders öffentlichkeitswirksamen Vorzeigeprojekte hinaus arbeiten die Dienstleister der S-Gruppe an diversen Lösungen, die zwar für sich genommen allesamt unspektakulär klingen, aber in Summe doch dazu beitragen können, durch Effizienzsteigerung die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen und auch eine gute Basis für eine gezielte Kundenansprache zu geben. So durfte der Deutsche Sparkassenverlag Ende Juni auf die im April erfolgte Umstellung auf einen neuen medienbruchfreien Übertragungsstandard für den Digitalen Finanzbericht hinweisen, über den die Firmenkunden der Sparkassen künftig ihre elektronischen Jahresabschlüsse und Einnahmeüberschussrechnungen direkt in das sparkasseneigene Analysesystem (EBLI) übertragen können. Derzeit haben rund 140, also ein gutes Drittel, der Sparkassen bereits die Teilnahme an diesem Projekt zur Prozesseffizienz im Firmenkundengeschäft angemeldet.

Im Privat- wie im Firmenkundengeschäft arbeiten viele Sparkassen bereits mit dem Elektronischen Safe, einer nur für die Kunden zugänglichen Erweiterung des Elektronischen Postfachs. Demnach können die Kunden wichtige Ausweispapiere wie Pässe und Führerschein, aber auch Kaufverträge, Versicherungspolicen, Zeugnisse und andere Dokumente mit dem Tablet oder Smartphone abfotografieren, in den E-Safe hochladen und von internetfähigen Geräten weltweit abrufen. Auch dies ist zwar kein Alleinstellungsmerkmal im Wettbewerb, auch eine Deutsche Bank und andere bieten den E-Safe an. Aber solche Services geben den Sparkassen ein willkommenes Add on bei der Kundenansprache an die Hand.

Von noch grundsätzlicherer Natur sind die Maßnahmen der technischen Dienstleister zur Prozessoptimierung. Dazu zählt insbesondere das ambitionierte Projekt des Integrierten Datenhaushalts der Finanz Informatik. Es geht um die Frage, wie sich für die Sparkassenorganisation unter den Nebenbedingungen einer Datenkonsistenz, guter Datenqualität und eines hohen Automatisierungsgrads ein Datenpool aufbauen lässt, aus dem sich die Anforderungen an das Meldewesen der Bankenaufsicht wie auch der bankwirtschaftlichen Steuerung und der Marktbearbeitung der Ortsbanken gleichermaßen und möglichst ohne allzu aufwendige Anpassungsschritte erfüllen lassen. Allein die Aussicht mittels Data Analytics umfassende Erkenntnisse aus den Daten von mehr als 50 Millionen Sparkassenkunden zu gewinnen und bei der Marktbearbeitung einzusetzen, ist bei Erfolg des Projektes gewiss eine reizvolle Option für die Gruppe.

Über solche große und kleinere Maßnahmen zur Effizienzsteigerung hinaus tangieren auch die in der ZfgK wiederholt skizzierten und kommentierten Konsolidierungsbestrebungen im Landesbankenbereich, unter den Landesbausparkassen, den öffentlichen Versicherern sowie sonstiger S-Dienstleister maßgeblich die Wettbewerbsfähigkeit. Auch an dieser Stelle gibt es durchaus Bewegung, angefangen von der Privatisierung der HSH Nordbank über die strategischen Überlegungen rund um die Nord-LB und die Annäherungsübungen der beiden Versicherer in Nordrhein-Westfalen bis hin zu zwei Transaktionen, die dieser Tage abgeschlossen wurden. Die Fusion der Dienstleister Mehr Wert Servicegesellschaft mbH (MWSG), Düsseldorf und der S-Direkt-Marketing GmbH & Co. KG (S Direkt) sowie die vollständige Integration der Saarland Lebens- und Feuerversicherung in den Konzern der Versicherungskammer Bayern (siehe Bankenchronik in diesem Heft) zeigen, dass es auch an dieser Stelle vorangeht - langsam zwar, aber in die richtige Richtung.

Je mehr der S-Verbund allerdings zusammensteht, je mehr gemeinsame Lösungen entwickelt werden, je stärker sich die Produktpolitik angleicht, desto mehr rückt er in die Nähe von Konzernunternehmen mit allen Folgen für die aufsichtrechtliche und die wettbewerbsrechtliche Einstufung als gemeinsame Risikoeinheit. Die bislang so gerne beschworene Vielfalt selbstständig agierender Einzelunternehmen, die eigenständige Entscheidungen treffen und in der Summe der falschen und richtigen Ausrichtung wieder einen gewissen Korrekturfaktor aufweisen, geht verloren, je mehr der Verbund in seinem faktischen Tun zusammengeschweißt wird. Insofern ist es kein Zufall, dass die Monopolkommission in ihrem jüngsten Hauptgutachten ankündigt, genau im Auge behalten zu wollen, ob der Sparkassenverbund sich in seiner Gesamtheit oder in Teilen weiter in Richtung eines einheitlichen Unternehmens entwickelt (siehe auch Gespräch des Tages).

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