Zweitmeinung vom Controller

Dr. Berthold Morschhäuser, Chefredakteur

Wenn sich Mitte September 2018 die Pleite von Lehman Brothers zum zehnten Mal jährt, markiert das rückblickend für das weltweite Asset Management und den gesamten Finanzsektor eine Zäsur. Denn die sich unmittelbar anschließende konzertierte Aktion der weltweiten Flutung der Geldmärkte mit Liquidität durch die Notenbanken mündete in die immer noch anhaltende expansive Geldpolitik mit ihren vielen unkonventionellen Maßnahmen bis hin zu den Programmen zum Ankauf von Staats- und Unternehmenspapieren.

In den USA lag der Leitzins seit Ende 2009 fast sieben Jahre lang knapp über der Nulllinie, bevor die Ende 2015 eingeleitete Zinswende in den Korridor von 1,75 bis 2 Prozent führte (Stand Anfang August 2018). Schon seit der Jahrtausendwende liegt der Leitzins in Japan in einem Band leicht über oder unter Null. In der Eurozone rückte der Hauptrefinanzierungssatz in der zweiten Jahreshälfte 2014 in die Nähe und 2016 auf die Null-Prozent-Marke. Parallel und flankierend zu der Niedrigzinspolitik griffen viele Staaten mit hohem finanziellem Aufwand direkt oder über Garantieversprechen in die Strukturen der nationalen Bankensysteme ein. Und nicht zuletzt wurde der Erhalt des Finanzgefüges weltweit durch neue regulatorische Maßnahmen abgesichert, um die Finanzkrise zu bewältigen und künftige Verwerfungen dieser heftigen Art möglichst zu vermeiden.

Für die Ausrichtung der Produktpolitik der hiesigen Fondsbranche insgesamt bedeutet diese Geldpolitik in Kombination mit einem strengeren Aufsichtsregime einen enormen Anpassungsbedarf. Konnte hierzulande in den ersten Jahren der Krisenpolitik mit lang laufenden Staatspapieren wie den Bundesanleihen wenigstens noch ein - wenn auch bescheidener - risikoloser Zinssatz erwirtschaftet werden, ist dieser im Zuge der Nullzinspolitik zuletzt nahezu verschwunden. Wer in diesem Umfeld seine Renditevorstellungen auch nur einigermaßen aufrechterhalten will, muss der Tendenz nach höhere Risiken eingehen und/oder kalkulierbare Verluste hinnehmen.

Viele der hiesigen Privatanleger nehmen seither mit dem Festhalten an den Kundeneinlagen ein Abschmelzen ihrer Vermögenswerte in Kauf. Zwar konnte in guten Wertpapierjahren wie zuletzt 2017 auch das Aktiensparen merklich ausgeweitet werden und die Bereitschaft zu Sparplänen hat einen messbaren Aufschwung erfahren, doch die Deutschen sind keineswegs zu einem Volk von Aktionären geworden und haben auch keinen ausgeprägten Hang dazu entwickelt, ihren privaten Depots sonstige risikobehaftete Anlageklassen beizumischen. Bei den institutionellen Anlegern ist das zumindest graduell anders. Zwar neigen auch dort gerade die Altersvorsorgeeinrichtungen und die Versicherungsbranche als die mit Abstand wichtigsten Anlegergruppen nicht zu ausgeprägter Risikofreude, aber sie haben sich im vergangenen Jahrzehnt ebenso wie Stiftungen, kirchliche Organisationen, Unternehmen und Kreditinstitute doch immer mehr für differenziertere Anlagestrategien geöffnet und gehen mehr ins Risiko, um bei kalkulierbaren Wagnissen ihren Renditezielen wenigstens einigermaßen nahezukommen.

Dabei halten all diese Anlegergruppen sehr wohl die Gesamtrisiken ihrer Portfolios im Blick und erwarten von ihren Asset Managern eine stetige Verfeinerung der Methoden der Risikomessung, eine größere Transparenz in der Risikoberichterstattung und die Bereitstellung von detaillierten Analysedaten rund um das eigene Portfolio einerseits zur Auswertung für die hausinterne Steuerung und andererseits für das aufsichtliche Meldewesen.

Wie wichtig für Investoren und Asset Manager über das vergangene Jahrzehnt hinweg eine effizientere Portfolioverwaltung geworden ist, lässt sich sehr gut an dem Aufschwung des Konzeptes der Master-KAG und dessen Einfluss auf die Entwicklung der Rangliste der größten Wettbewerber ablesen. Zwar hat sich die Allianz gemessen an dem betreuten Vermögen ziemlich unangefochten an der Spitze gehalten. Aber dahinter sind eindeutig jene Unternehmen nach vorne gerückt, die teils schon mit Beginn der neunziger Jahre auf den Masterfonds und später auf die Master-KAG mit ihren Kompetenzen rund um Verwaltungsaufgaben wie Fondsbuchhaltung und Berichtswesen gesetzt haben, darunter die Universal Investment, HSBC Inka, die Helaba Invest und die Bayern Invest. Deren Dienstleistungen rund um das Risikomanagement und das Meldewesen ermöglichen es den Investoren, viel kleinteiliger und flexibler als früher auf Sonderentwicklungen auf Teilmärkten und in Teilregionen zu reagieren und die sich dort ergebenden Renditechancen zu nutzen - mit Erfolg, wie die Abbildung exemplarisch zeigt.

Die differenziertere Ausschöpfung der Marktchancen, die sich sowohl in den allgemeinen wie an den speziellen Themen widerspiegelt, wird seit vielen Jahren regelmäßig Mitte August bei dem traditionellen Blick der ZfgK auf das institutionelle Asset Management betrachtet. Das fängt an bei diversen Overlay- und Multi-Asset-Strategien, reicht über die Verknüpfung von Gesamtbanksteuerung und Asset-Allokation, Core-Satellite-Ansätze und Low-Beta-Strategien als Alternative für die risikooptimierte Aktienanlage bis hin zur Betrachtung von interessanten Marktsegmenten wie Wandelanleihen, Unternehmensanleihen und Small Caps, dem Einsatz von Senior Loans, Kreditfonds, CDS-Indices und hochliquiden Aktiva (High Quality Liquid Assets). Auch die Beimischung von Exchange Traded Funds und Alternativer Investments (einschließlich Immobilien- und Infrastrukturinvestments) in die Portfolios hat sich seit der Finanzkrise messbar verstärkt. Und im laufenden Heft wird der Blick auf alternative Risikoprämien sowie die Anlageklasse der US-Kommunalanleihen gelenkt.

Neben der Ausnutzung solcher Chancen von aktuellen Marktbewegungen muss das Portfoliomanagement allerdings auch die großen Trends im Auge behalten. Und dazu zählt schon seit einigen Jahren die Nachhaltigkeit. Dass dieses Kriterium gerade für die institutionellen Anleger eine immer größere Bedeutung erlangt, gehört ebenfalls schon lange zum Themenspektrum dieser Zeitschrift (siehe etwa ZfgK 16-2011 und 16/17-2016). Ein zunehmendes Interesse der Investoren an solchen Anlagen lässt sich schon seit Jahren am Markt beobachten. Und auch die Renditeerwartungen können in einem rasant wachsenden Markt durchaus mit anderen Investments mithalten, das haben inzwischen auch viele Marktstudien gezeigt. Nachhaltige Anlagen aber auch regulatorisch, sprich bei der Eigenkapitalunterlegung durch einen Green Supporting Factor zu begünstigen, steht erst neuerdings ernsthaft zur Debatte. Die Vorstellung einer Lenkung von Finanzströmen hin zu umweltfreundlichen Sektoren mag dabei durchaus politisch gewünscht sein. Und es ist sicherlich auch vernünftig, die Märkte dazu anzuregen, die Umweltrisiken umfassend zu berücksichtigen. Aber wieso sollen umweltfreundliche Investitionen per se mit verminderten Risiken einhergehen, die eine regulatorische Begünstigung rechtfertigen?

Die Idee einer Verknüpfung der Nachhaltigkeit mit der Bankenregulierung passt freilich nahtlos zu einem allgemein zweifelhaften Trend. Wenn die Controller bei immer mehr Anlageentscheidungen mit am Tisch sitzen müssen, um die regulatorischen Nebenwirkungen einschließlich des Aufwands für das Meldewesen zu berücksichtigen, mag das zwar Teil einer seriösen Gesamtbetrachtung sein, aber es erschwert die Arbeit der Portfoliomanager und im Extremfall verzerrt es die Märkte.

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