Betriebliche Altersvorsorge

Klage gegen Pensionssicherungsverein

Fast alle Unternehmen, die eine betriebliche Altersvorsorge anbieten, müssen dem Pensions-Sicherungs-Verein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit (PSVaG) beitreten. Sein Zweck ist, dass im Falle einer Insolvenz eines Mitgliedsunternehmens die betrieblichen Renten seiner Mitarbeiter geschützt sind. Die Beitragshöhe für die PSVaG wird jährlich neu festgelegt und deckt das im selben Jahr entstandene Schadensvolumen.

Im vergangenen Jahr führten eine Reihe von Großinsolvenzen (zum Beispiel Arcandor) dazu, dass der Beitrag für Mitgliedsunternehmen der PSVaG um jeweils 790 Prozent auf insgesamt 4,047 Milliarden Euro (Vorjahr 506 Millionen Euro) angestiegen ist. Unternehmen, die im Jahr 2008 noch 100000 Euro an den PSV zahlen mussten, erhielten für das Kalenderjahr 2009 einen Beitragsbescheid über rund 790000 Euro zugestellt.

Viele Unternehmen aus der Immobilienbranche sind nicht bereit, diese exorbitante Erhöhung widerspruchslos hinzunehmen. Grund dafür ist, dass sich das momentane Sicherungssystem der PSVaG im Krisenfall als zu unflexibel und ungerecht - und damit als nicht zukunftsfähig erwiesen hat. Die Kritik richtet sich dabei auf drei Punkte:

- Eine drastische Beitragserhöhung um 790 Prozent innerhalb eines Jahres ist weder kalkulier- noch planbar und bringt gerade mittelständische Unternehmen völlig überraschend und unnötig in Bedrängnis.

- Die Festsetzung des jährlichen Beitragssatzes ist intransparent, vor allem die Nichtberücksichtigung der in einem Ausgleichsfonds angesparten Reserven von 700 Millionen Euro ist weder nachvollziehbar noch angemessen.

- Gerade Immobilienunternehmen, etwa Bestandshalter, haben ein branchentypisch deutlich geringeres Insolvenzrisiko, müssen aber anteilig die gleichen Beiträge bezahlen. Daher ist eine Reform der Beitragsstruktur im Sinne einer Differenzierung nach Risikogruppen notwendig, um die wirtschaftlich bedeutsamen und gesunden mittelständischen Unternehmen in einer Krise nicht zu schwächen. Zudem wird auch immer wieder der Umstand kritisiert, dass Arbeitgeber, bei denen selbst im Falle einer Insolvenz eine vollständige Eintrittspflicht des PSV faktisch ausgeschlossen ist - da sie die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung über eine Unterstützungskasse oder eine Contractual Trust Arrangement (CTA) erbringen -, die gleichen Beiträge zahlen müssen wie Arbeitgeber, deren betriebliche Altersversorgung über eine Direktzusage abgewickelt wird. Ferner ist im Falle einer Insolvenz die vollständige Einschaltungspflicht des PSV sehr wahrscheinlich.

Alle dargestellten Punkte bieten gute Chancen für einen erfolgreichen und gerichtsfesten Widerspruch gegen die aktuellen Beitragsbescheide aus 2009. Die letzte Forderung hat zudem eine erhebliche politische Dimension. Sie richtet sich daher vor allem an den Reformwillen von Wirtschaftsverbänden und Politik. Für die Autoren als Anwälte, die mehrere Unternehmen verschiedenster Branchen bei einem Widerspruchsverfahren gegen den Beitragsbescheid von 2009 beraten, steht jedoch die rechtliche Überprüfung und weniger die politische Bewertung im Vordergrund.

Weder vorhersehbar noch planbar

Der Beitragssatz für das Kalenderjahr 2009 in Höhe von 14,2 Promille der Bemessungsgrundlage ist der höchste Beitragssatz seit der Gründung des Vereins im Jahre 1975. Der Finanzierung liegt ein grundsätzlich vollständig kapitalgedecktes Beitragserhebungssystem zugrunde. Anders als in der gesetzlichen Renten-, Arbeitslosen- oder Krankenversicherung bestreiten die (Zwangs-)Mitglieder des PSV mit ihren Beiträgen nicht die gegenwärtig vom PSV zur Auszahlung zu bringenden Betriebsrenten. Vielmehr wird mit den Beiträgen gemäß § 10 BetrAVG ein Kapitalstock aufgebaut, aus dem die zu einem späteren Zeitpunkt fälligen Betriebsrenten bedient werden. Das System der Ausfinanzierung von Risiken in dem Jahr, in dem sie entstanden sind, kann systembedingt zu (starken) Schwankungen der Beitragshöhen führen.

Unserer Auffassung nach kommt der Höhe der prozentualen Steigerung des Beitragssatzes eine maßgebliche Bedeutung zu, denn Beitragslasten müssen für die Schuldner grundsätzlich planbar und vorhersehbar sein. Ob dies bei einer Beitragssteigerung von rund 790 Prozent innerhalb eines Kalenderjahres noch der Fall ist, erscheint zumindest fraglich.

Spannend ist insoweit, dass das für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit von Beitragsbescheiden des PSV zuständige Oberverwaltungsgericht NRW bereits in einer Entscheidung vom 28. April 2008 (Aktenzeichen 12 A 2039/06), der eine deutlich geringere Beitragssteigerung als im Kalenderjahr 2009 zugrunde lag, ausgeführt hat:

"Die Behauptung, dass aber in Zukunft ein starker Anstieg der Beiträge zu befürchten sei - aufgrund des als strukturell fehlerhaft bewerteten Finanzierungssystems, aufgrund steigender Insolvenzen, wegen des Ausweichens der Arbeitgeber in andere Durchführungswege der betrieblichen Altersversicherung, die nicht versicherungspflichtig seien und wegen der sich wandelnden Struktur der Mitglieder und der Beiträge - könnte allenfalls geeignet sein, eine künftige aufgrund (stark) veränderter Verhältnisse eintretende Verfassungswidrigkeit der Norm zu belegen."

700 Millionen Euro nicht verwendete Mittel des Ausgleichsfonds

Der PSV verfügt über einen Ausgleichsfonds, der dazu gedacht ist, im Falle des Eintritts besonderer Ereignisse die Spitzen ungewöhnlich starker Beitragsschwankungen abzufedern. Über diesen Ausgleichsfonds kann der Verein mit Genehmigung der zuständigen Aufsichtsbehörde verfügen. Nach unserer Kenntnis der Sachlage hat der PSV im Jahr 2009 trotz Vorliegen des höchsten Beitragssatzes in der 34-jährigen Geschichte des Vereins nicht auf die fast 700 Millionen Euro betragenden Reserven des Ausgleichsfonds zurückgegriffen, um den Beitragssatz wenigstens in der Spitze abzufedern. Die Gründe, warum der PSV dies nicht getan hat, sind uns nicht bekannt.

Bei der Bewertung der Frage, ob der Beitragsbescheid des Pensionssicherungsvereins für das Kalenderjahr 2009 rechtswidrig war, kommt somit dem Umstand besondere Bedeutung zu, dass der Pensionssicherungsverein in der Vergangenheit immer dann, wenn das Schadensvolumen eine neue Rekordhöhe erreicht hat, zur Minimierung der Beitragslasten der Arbeitgeber den Ausgleichsfond in Anspruch genommen hat. Dies ist in den Jahren 1982, 1993, 1996 und 2002 geschehen. Aus der Grafik ist ersichtlich, dass in diesen Jahren sowohl das Schadensvolumen als auch die Höhe der Beitragssätze deutlich geringer waren als im Kalenderjahr 2009.

Bei der Frage, ob der PSV insoweit rechtmäßig oder rechtswidrig gehandelt hat, ist zugunsten des PSV zu berücksichtigen, dass er nicht tatenlos geblieben ist, sondern die Fälligkeit der Beiträge für das Kalenderjahr 2009 auf den Zeitraum von 2009 bis 2013 verteilt hat. Auch wenn dies den beitragspflichtigen Unternehmen für das Kalenderjahr 2009 bilanziell nicht hilft, führt es jedoch zunächst zu einer Entlastung im Cash-Flow für das Kalenderjahr 2009.

Mitglieder müssen klagen

Gewichtige Gründe sprechen für die Rechtswidrigkeit der vom PSV für das Kalenderjahr 2009 erlassenen Beitragsbescheide. Ob diese Gründe von den im Ergebnis über die Rechtmäßigkeit des Beitragsbescheides entscheidenden Richtern am Bundesverwaltungsgericht beziehungsweise am Bundesverfassungsgericht als so gewichtig angesehen werden, dass die Beitragsbescheide für das Kalenderjahr 2009 ganz oder teilweise aufgehoben werden, kann gegenwärtig niemand voraussagen.

Unserer Einschätzung nach stehen die Chancen hierfür gut. Das Finanzierungssystem des PSV steht seit vielen Jahren in der Kritik. Kritisiert wird insbesondere, dass weniger insolvenzgefährdete Arbeitgeber die gleichen Beiträge zu entrichten haben als insolvenzgefährdete Arbeitgeber. Die Frage, ob die Beitragsbescheide des Pensionssicherungsvereins für das Kalenderjahr 2009 rechtswidrig sind, hat deshalb auch eine politische Dimension.

Dies sollte Arbeitgeber, die aufgrund des Beitragsbescheides des Pensionssicherungsvereins für das Kalenderjahr 2009 finanziell stark belastet sind, jedoch nicht abschrecken, Rechtsmittel gegen den Beitragsbescheid einzulegen. Nur wer Rechtsmittel gegen den Beitragsbescheid des PSV einlegt, kann sich sicher sein, im Falle der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Beitragsbescheide zu Unrecht gezahlte Beiträge zurückzuerhalten. Die Kosten für ein Gerichtsverfahren stellen sich für den einzelnen Arbeitgeber gerade dann als sehr überschaubar dar, wenn sich mehrere Arbeitgeber faktisch oder rechtlich zusammenschließen und "gemeinsam" gegen Beitragsbescheide des PSV vorgehen. Dies kann in der Form geschehen, dass mehrere Arbeitgeber sich gemeinsam von einem Rechtsanwalt vertreten lassen oder sich auf die Führung eines Musterprozesses mit dem PSV verständigen.

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