Libor- und Euribor-Regulierung und bevorstehende Anwendung der Benchmark-Verordnung

Prof. Dr. Oliver Read, CFA, Professur für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre insbesondere Finanzierung, Wiesbaden

Prof. Dr. Oliver Read, CFA, Professur für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre insbesondere Finanzierung, Wiesbaden Business School, Hochschule RheinMain University of Applied Sciences, Wiesbaden - Die Europäische Kommission hat sich vorgenommen, Referenzzinsen und andere Benchmarks auf EU-Ebene umfassend zu regulieren. Der Autor beleuchtet und bewertet die bisher vorhandenen Regulierungen von Euribor und Libor und gibt einen Ausblick auf künftige Gesetzesinitiativen. Besonderes Augenmerk legt er dabei auf die Benchmark-Verordnung (BMVO), die seit dem 30. Juni 2016 formal in Kraft ist, aber die volle Anwendung erst ab dem 1. Januar 2018 findet. Insgesamt sieht er noch Probleme einer Überregulierung mit erheblichem bürokratischem Aufwand, ungeklärte Detailfragen, die zu Unsicherheiten bei Behörden und Marktteilnehmern führen könnten, und die richtige Abschätzung der tatsächlichen Auswirkungen der Eingriffe. (Red.)

Die Manipulation der Referenzzinssätze wie Libor und Euribor war ein Skandal, nicht nur für die betrogenen Marktteilnehmer, sondern für die gesamte Öffentlichkeit. Es offenbarte sich ein eklatantes Fehlverhalten einiger Panelbanken. Fehlende Leitlinien, organisatorische Mängel der Administratoren und eine sträfliche Naivität der Aufsichtsbehörden haben eine Manipulation erst möglich gemacht. Denn bis zum Skandal waren Referenzzinssätze nicht Gegenstand einer spezifischen Finanzmarktregulierung. Die Folgen des Skandals (Abbildung 1) können differenziert werden in:

- die Sanktionen für die Manipulationen durch die Panelbanken,1)

- die marktseitigen Reformen der Referenzzinssätze,2)

- die zeitnahe Einführung einer nationalen Regulierung der Referenzzinssätze,

- die Errichtung eines regulatorischen Rahmens für Financial Benchmarks in der EU.

Nationale Regulierung des Libor seit 2013

Die ersten Ansätze für Reformen und Kontrollen von Referenzzinssätzen leiten sich aus dem Untersuchungsbericht The Wheatley Review of Libor (September 2012) ab.3) Die britische Regierung hat prompt eine neue Regulierung als Bestandteil des Novellierungspakets Financial Services Act 2012 auf den Weg gebracht. Mit einer Änderung des britischen Finanzmarktgesetzes (Financial Services and Markets Act 2000) sollte die Lücke bezüglich Benchmarks gefüllt werden. Die Gesetzesänderung4) The Financial Services and Markets Act 2000 (Regulated Activities) (Amendment) (No. 2) Order 2013 enthält folgende Maßnahmen:

- Auflistung von sogenannten spezifizierten Benchmarks, die zu regulieren sind;

- Einführung eines neuen Straftatbestands der Manipulation einer spezifizierten Benchmark;

- Bestimmung von zwei neuen regulierten Aktivitäten, nämlich die Bereitstellung von Informationen für eine spezifizierte Benchmark (submitter to benchmarks) und die Verwaltung einer spezifizierten Benchmark (benchmark administrator).

Die britische Aufsichtsbehörde Financial Services Authority (FSA) hat Detailaspekte im Policy Statement PS13/6 "The regulation and supervision of benchmarks" von März 2013 geregelt.5) Die Regulierung von Benchmarks ist am 2. April 2013 in Kraft getreten. Zu Beginn bezog sie sich nur auf Libor als einzige spezifizierte Benchmark. Die Financial Conduct Authority (FCA), seit April 2013 Nachfolgerin der FSA, hat folgende Änderungen im FCA Handbook vorgenommen:

- Unter "Business Standards": Im bestehenden Modul "MAR Market Conduct" wurde ein neues Kapitel "MAR 8 Benchmarks" zur Regulierung der Benchmark-Aktivitäten hinzugefügt.6) Im Kapitel "MAR 8 Benchmarks" werden die Anforderungen an Submitter und Administratoren aufgelistet. Dazu gehören organisatorische Rahmenbedingungen, Umgang mit Interessenkonflikten, Meldepflichten bei Manipulationsverdacht und Dokumentationspflichten. Anforderungen an die Nutzer gibt es nicht.

- Unter "Handbook Guides": Hier wurde ein neues Modul "BENCH General guidance on Benchmark Submission and Administration" eingeführt.7) Es handelt sich um eine Anleitung für Submitter und Administratoren über die relevanten Teile des FCA Handbooks.

Regulierung von Benchmarks in Großbritannien

Im Juni 2014 hat die britische Regierung eine Arbeitsgruppe aus HM Treasury (Finanzministerium), Bank of England und FCA zur Erstellung der Studie "The Fair and Effective Markets Review" (FEMR) gegründet. Die Studie sollte die britischen Marktsegmente für Zinsen, Wechselkurse und Rohstoffe, die von Manipulationen betroffen waren, untersuchen. Bereits im August 2014 hat die FEMR-Arbeitsgruppe die Empfehlung abgegeben, die Aufsicht auf sieben weitere Benchmarks auszuweiten. Kreditindizes, Aktienindizes und Indizes für Investmentfonds waren nicht im Fokus.

Die Änderung ist zum 1. April 2015 in Kraft getreten, zwei Monate vor Fertigstellung des Abschlussberichts.8) Tabelle 1 zeigt die spezifizierten Benchmarks, die derzeit national reguliert werden, darunter vier Referenzzinssätze, ein Wechselkurs und drei Rohstoffpreise. Nur Libor wird auf der Basis von fiktiven Sätzen (Expertenmeinungen) ermittelt. Alle anderen Benchmarks basieren auf Transaktionsdaten. Kreditindizes, Aktienindizes und Indizes für Investmentfonds sind nicht dabei.

(Selbst-)Regulierung des Euribor seit 2013

Bis zum Bekanntwerden der Zinsmanipulationen gab es weder Leitlinien noch Richtlinien für Referenzzinsen in der EU. Nun hat sich die Brüsseler Bürokratie vorgenommen, Referenzzinsen und andere Benchmarks auf EU-Ebene umfassend zu regulieren. Bis zur Einführung einer EU-weiten Regulierung vergehen Jahre, aber der Euribor sollte kurzfristig nicht unreguliert bleiben. Für eine nationale Aufsicht des Administrators Euribor-EBF, mit Sitz in Brüssel, wäre die belgische Financial Services and Markets Authority (FSMA) oder die National Bank of Belgium infrage gekommen. Stattdessen hat die Europäische Kommission die Behörden European Securities and Markets Authority (ESMA) und European Banking Authority (EBA) direkt eingeschaltet. Im Herbst 2012 haben die Behörden eine Prüfung beim Administrator vorgenommen, bei der zahlreiche Mängel festgestellt wurden. Als Konsequenz haben ESMA und EBA am 11. Januar 2013 drei Maßnahmen angekündigt:9)

- Die Behörden haben zehn Empfehlungen an den Administrator gerichtet, deren Umsetzung innerhalb von 6 Monaten überprüft werden sollte. Die Empfehlungen, ähnlich wie beim Wheatley Review of Libor, umfassen unter anderem den Wegfall von Laufzeiten, eine Anpassung der Euribor-Definition, organisatorische Änderungen beim Administrator, Maßnahmen zur Identifizierung und zum Management von Interessenkonflikten, Vorkehrungen im Zusammenhang mit den Panelbanken und dem Calculation Agent inklusive Einführung von Verhaltensregeln, Dokumentationspflichten und Pflichten zur internen Revision.

- Die Behörden haben eine Reihe von Empfehlungen an die nationalen Behörden, die für die Aufsicht der Euribor-Panelbanken zuständig sind, übermittelt. So sollten die Panelbanken interne Strukturen schaffen, die eine Zinsmanipulation erschweren.

- Die Behörden haben die Konsultation "ESMA-EBA Principles for Benchmark-Setting Processes in the EU" zur Formulierung von ESMA-EBA-Leitlinien für Benchmarks lanciert, um ein theoretisches Fundament für die obigen Empfehlungen zu bilden.

Der Administrator hat die Empfehlungen umgesetzt und hat sich am 20. Juni 2014 in European Money Markets Institute (EMMI) umbenannt, um den Willen zu Reformen zu unterstreichen. Die Zusammenarbeit mit den Behörden kann als Selbstregulierung mit unsanftem Druck gesehen werden. Trotz der Mängel, die Zinsmanipulationen begünstigt haben, wurden dem Administrator keine Sanktionen auferlegt. Ganz anders erging es den manipulierenden Panelbanken.

Benchmark-Verordnung

Der Abschlussbericht zu den ESMA-EBA-Leitlinien für Benchmarks wurde am 6. Juni 2013 veröffentlicht (Gliederung in Tabelle 2).10) Fast zeitgleich wurden die IOSCO-Leitlinien für Financial Benchmarks (Konsultation vom 10. Januar 2013 und Abschlussbericht vom 17. Juli 2013) erarbeitet.11) Bedingt durch den dringenden Handlungsbedarf sind zwei Ungereimtheiten im Prozess festzustellen. Erstens, ESMA und EBA haben Empfehlungen zur (Selbst-)Regulierung des Euribor-Administrators ausgesprochen, obwohl die eigenen Leitlinien noch im Entwurfsstadium waren. Zweitens, die IOSCO-Leitlinien für Financial Benchmarks wurden fast zeitgleich entwickelt, was zwangsläufig Doppelarbeit bedeutet.

Die Europäische Kommission hat im September 2012 eine erste Konsultation zur Regulierung von Benchmarks gestartet, damals noch ohne Leitlinien für Benchmarks. Am 18. September 2013 hat die Kommission ihren Vorschlag für eine EU-Verordnung zusammen mit einer Folgenabschätzung veröffentlicht.12) Eine politische Einigung mit dem Europäischem Parlament und dem Rat der EU wurde am 24. November 2015 erzielt und am 9. Dezember 2015 bestätigt. Am 28. April 2016 erfolgte die Abstimmung in der Plenarsitzung des Parlaments und am 17. Mai 2016 hat der Rat den Text übernommen. Am 29. Juni 2016 erfolgte die Veröffentlichung im Amtsblatt der EU als "Verordnung (EU) 2016/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2016 über Indizes, die bei Finanzinstrumenten und Finanzkontrakten als Referenzwert oder zur Messung der Wertentwicklung eines Investmentfonds verwendet werden ...". Die Benchmark-Verordnung (BMVO), auf Englisch Benchmarks Regulation (BMR), ist seit dem 30. Juni 2016 formal in Kraft, aber die volle Anwendung findet ab dem 1. Januar 2018 statt.

Der Text der Verordnung selbst, als Level-1-Gesetzgebung bezeichnet, lässt diverse Detailaspekte offen. Deshalb ist die Kommission ermächtigt, Normen beziehungsweise Maßnahmen in Form von Delegierten Verordnungen zu erlassen, die die sogenannte Level-2-Gesetzgebung bilden.

Delegierte Verordnungen

Klarstellungen zu technischen Fragen durch Behörden wie die ESMA bilden den Level 3. Seit Februar 2016 hat die ESMA diverse Berichte zu zahlreichen offenen Punkten der Level 2 und 3 der BMVO veröffentlicht, unter anderem:

- Abschlussbericht zum Draft Technical Advice13) vom 10. November 2016: Der Bericht betrifft eine Anfrage der Kommission vom 11. Februar 2016 zu fünf Punkten. Auf der Grundlage des ESMA-Berichts hat die Kommission Entwürfe für vier Delegierte Verordnungen am 29. September 2017 und 3. Oktober 2017 veröffentlicht. Das Parlament und der Rat haben eine Frist von drei Monaten, um zu widersprechen. Wenn kein Widerspruch vorliegt, kann die Kommission die Delegierten Verordnungen erlassen.

- Abschlussbericht zu Draft Technical Standards14) (technische Durchführungsstandards) vom 30. März 2017: Der Bericht betrifft offene Punkte, die planmäßig aus der Level-1-Gesetzgebung abgeleitet wurden. Im Anhang des Berichts befinden sich Entwürfe für 11 Delegierte Verordnungen. Die Kommission hat drei Monate Zeit, um zu widersprechen. Danach haben das Parlament und der Rat ebenfalls drei Monate. Wenn kein Widerspruch vorliegt, kann die Kommission die Delegierten Verordnungen erlassen.

- Abschlussbericht zu einem weiteren technischen Durchführungsstandard15) vom 1. Juni 2017: Der Bericht behandelt einen ausstehenden Aspekt, der im Bericht vom 30. März 2017 gefehlt hat.

Auf der Basis der obigen Berichte gibt es zahlreiche Delegierte Verordnungen, die als Teil der Level-2-Gesetzgebung in den kommenden Wochen zu erlassen sind. Die nationale Ausführung der BMVO wird nicht nur Euribor und Libor betreffen (Abbildung 2), sondern sämtliche Benchmarks im Sinne der BMVO. Es ist indes fraglich, ob das reibungslos funktionieren wird. Nationale Behörden müssen jetzt schon Vorkehrungen für das neue Aufsichtsregime treffen, obwohl an vielen Stellen noch Klärungsbedarf herrscht. Daraus resultiert Unsicherheit und Zeitdruck für Aufsicht, Administratoren, Submitter und Nutzer.

Eckpunkte der Benchmark-Verordnung

Die BMVO als Level-1-Gesetzgebung umfasst 59 Artikel und 2 Anhänge (Tabelle 3). Der Begriff Benchmark wurde in der deutschen Fassung der Verordnung mit "Referenzwert" übersetzt, aber in diesem Beitrag wird die englische Bezeichnung Benchmark bevorzugt. Nach Artikel 2 BMVO gilt die Verordnung für die Bereitstellung einer Benchmark, das Beitragen von Eingabedaten zu einer Benchmark und die Verwendung einer Benchmark in der EU. Damit werden folgende Marktteilnehmer reguliert:

- Administratoren und Index-Anbieter,

- Kontributoren (entspricht dem Begriff der Submitters bei IOSCO, FCA und ESMA), und

- Nutzer (zum Beispiel Emittenten von Finanzinstrumenten, Calculation Agents, Vertragsparteien eines Kreditvertrags).

Eine Benchmark im Sinne von Artikel 3 BMVO ist ein Index auf den Finanzinstrumente, Kredite (im Text der Verordnung als "Finanzkontrakte" bezeichnet) und Investmentfonds Bezug nehmen können (Abbildung 3). Die BMVO enthält zudem besondere (das heißt strengere) Bestimmungen für Referenzzinssätze und für Rohstoff-Referenzwerte in Artikel 18-19 BMVO in Verbindung mit Anhang I-II. Im Vergleich zur britischen Regulierung von spezifizierten Benchmarks geht die BMVO bezüglich der betroffenen Marktteilnehmer und der betroffenen Benchmarks viel weiter.

Nach Artikel 34 BMVO muss ein Administrator eine Zulassung beziehungsweise eine Registrierung bei der zuständigen nationalen Behörde beantragen. Mit dem Begriff Zulassung ist eine gründliche Bewertung des Antrags gemeint. Gemäß Artikel 36 BMVO soll die ESMA ein Register der Administratoren und der Benchmarks führen. Jeder EU-Mitgliedsstaat soll nach Artikel 40 BMVO die zuständigen nationalen Behörden benennen und die ESMA soll ein entsprechendes Verzeichnis führen. Gemäß Artikel 29 BMVO können nur Benchmarks von Administratoren, die in der EU angesiedelt sind, durch Nutzer verwendet werden, wenn sie im Register nach Artikel 36 BMVO eingetragen sind.

Kritische, signifikante und nicht signifikante Benchmarks

Der Begriff einer Benchmark im Sinne der BMVO wurde sehr weit gefasst, aber nicht alle Benchmarks sollten gleich streng reguliert werden. Einem Proportionalitätsprinzip folgend wurde in der Verordnung eine dreistufige Kategorisierung festgelegt (Definitionen in Tabelle 4). Die drei Stufen nach Artikel 20-26 BMVO lauten:

(1) Kritische Benchmark (Artikel 20-23 BMVO), (2) Signifikante Benchmark (Artikel 24-25 BMVO), (3) Nicht signifikante Benchmark (Artikel 26 BMVO).

Es bestand ein breiter Konsens, dass Benchmarks wie die "Referenzwert-Familien" Libor und Euribor sehr streng reguliert werden sollten und deswegen zu den kritischen Benchmarks gehören sollten. Für kritische Benchmarks erhalten die Behörden Befugnisse, um den Administrator (Artikel 21 BMVO) beziehungsweise die Kontributoren (Artikel 23 BMVO) zu verpflichten, ihre Benchmark-Aktivitäten fort zusetzen und zwar bis zu 24 Monaten nach Benachrichtigung der beabsichtigten Einstellung.

Nach Artikel 20 BMVO soll die Kommission in Zusammenarbeit mit der ESMA eine Liste der kritischen Benchmarks erstellen und aktualisieren. Mit der Durchführungsverordnung (DFO) 2016/1368 vom 11. August 2016 hat die Kommission den Euribor als kritisch eingestuft.16) Durch diese frühe Festlegung greift Artikel 23 BMVO, wonach für die Euribor-Panelbanken eine Pflicht zu Datenbeiträgen besteht. Damit soll notfalls ein Exodus der verbleibenden Euribor-Panelbanken verzögert werden. EONIA folgte als kritische Benchmark mit der DFO 2017/1147 vom 28. Juni 2017.17) Die zuständige nationale Behörde für den Administrator EMMI ist die belgische Financial Services and Markets Authority. Es wird erwartet, dass Libor zum 1. Januar 2018 auch als kritische Benchmark eingestuft wird (Tabelle 5).

Artikel 30-33 BMVO regeln die Verwendung der Benchmark eines Administrators mit Sitz außerhalb der EU (das heißt in einem sogenannten Drittstaat).

Verwendung einer Nicht-EU-Benchmark

Die drei Wege für eine Nutzung in der EU: - Gleichwertigkeit (Equivalence) nach Artikel 30-31 BMVO: Betrifft Drittstaaten mit denen die Kommission eine Kooperationsvereinbarung abgeschlossen hat. Zugelassene oder registrierte Administratoren im jeweiligen Drittstaat können die ESMA darüber unterrichten, dass sie einverstanden sind, dass die Benchmark in das Register der ESMA aufgenommen wird. Unter bestimmten Umständen kann die Registrierung entzogen werden.

- Anerkennung (Recognition) nach Artikel 32 BMVO: Ein Administrator eines Drittstaats mit rechtlicher Vertretung in der EU, aber ohne Kooperationsvereinbarung kann unter bestimmten Voraussetzungen die Anerkennung durch eine zuständige nationale Behörde in der EU beantragen.

- Übernahme (Endorsement) nach Artikel 33 BMVO: Ein Administrator mit Sitz in der EU und Zulassung oder Registrierung gemäß Artikel 34 BMVO kann die Verantwortung für die Bereitstellung einer Nicht-EU-Benchmark beantragen.

Die Einhaltung der IOSCO-Leitlinien für Financial Benchmarks wurde in den entsprechenden Artikeln als Bedingung explizit formuliert.

Artikel 51 BMVO enthält die Übergangsbestimmungen. Ab Januar 2018 können keine "neuen" Benchmarks in der EU ohne Zulassung oder Registrierung nach der BMVO aufgesetzt werden. Administratoren mit Sitz in der EU, die Benchmarks vorher bereitgestellt haben, erhalten Zeit bis zum 1. Januar 2020, um eine Zulassung oder Registrierung der "alten" Benchmark unter der BMVO zu beantragen. Details hierzu sind in der Level-2-Gesetzgebung zu regeln.

Eine Nicht-EU-Benchmark, die in der EU für bestimmte Finanzinstrumente, Kredite oder Investmentfonds verwendet wird, darf für genau diese weiter bis zum 1. Januar 2020 verwendet werden. Danach muss für eine weitere Nutzung eine Gleichwertigkeit, eine Anerkennung oder eine Übernahme vorliegen.

Nationale Libor- und Euribor-Regulierung ab 2018

Der Beginn der nationalen Euribor-Regulierung ab Januar 2018 sollte zumindest für den Administrator und die Panelbanken vergleichsweise reibungslos verlaufen. Schließlich wurde die bisherige Selbstregulierung dieser kritischen Benchmark seit 2013 quasi als "Pilotprojekt" der BMVO zwischen den Behörden und dem Administrator sehr eng abgestimmt.

Ganz anders ist die Situation bezogen auf Libor und andere Benchmarks in Großbritannien. Fest steht, dass der EU-Mitgliedsstaat die EU am 29. März 2019 verlässt ("Brexit") und somit selbst zum Drittstaat wird. Für die 15 Monate vom 1. Januar 2018 bis zum Austrittsdatum wird die BMVO auch in Großbritannien Anwendung finden. Die FCA befasst sich derzeit damit, welche Elemente der BMVO für britische Administratoren und Kontributoren relevant sind. Am 22. Juni 2017 hat die FCA das Konsultationspapier CP17/17 veröffentlicht. Hier befinden sich Vorschläge zu den Änderungen des FCA Handbook, um die Anforderungen der BMVO zu berücksichtigen.18)

Die Konsultation wurde am 22. August 2017 abgeschlossen und die Veröffentlichung eines FCA Policy Statement sollte bald erfolgen. Die FCA geht davon aus, dass nach dem 1. Januar 2018 britische Administratoren keine neuen Benchmarks bereitstellen dürfen und Nutzer keine neuen Benchmarks verwenden dürfen, es sei denn, der Administrator ist zugelassen oder registriert nach der BMVO. Die FCA nimmt vorläufige Anträge auf Zulassung beziehungsweise Registrierung an, obwohl die Level-2-Gesetzgebung noch nicht erlassen worden ist. Anträge dürfen erst ab Januar 2018 eingereicht werden. Die Tabelle 6 differenziert Aspekte der Libor- und Euribor-Regulierung.

Das Ende des Libor in Sicht?

In London gab es eine dramatische Wendung. Am 27. Juli 2017 hat Andrew Bailey, Chief Executive der FCA die Rede "The future of Libor" beim Datenanbieter Bloomberg gehalten.19) Er hat angekündigt, dass die Bemühungen, die Ermittlung des Libor von Expertenmeinungen auf Transaktionsdaten umzustellen, de facto gescheitert sind. Es gebe nicht genügend relevante Transaktionen am Geldmarkt, deshalb stelle sich die Frage nach der Nachhaltigkeit dieser Benchmark. Es müsse aber zu Kenntnis genommen werden, dass zahlreiche Finanzinstrumente an Libor gekoppelt sind. Darum habe die FCA mit dem Administrator und den Panelbanken vereinbart, dass Libor weiterhin als nichttransaktionsbasierter Referenzzinssatz einige Jahre zur Verfügung gestellt wird. Auf freiwilliger Basis soll Libor voraussichtlich zum Ende des Jahres 2021 geordnet auslaufen.

Mit einem Datum vor Augen erwartet die FCA, dass eine ernsthafte Planung für den Übergang zu alternativen transaktionsbasierten Benchmarks beginnt. Es ist in der Tat sehr wichtig für die Finanzmärkte, dass ein adäquater Ersatz für Libor, als Referenzzinssatz für 5 Währungen und 7 Laufzeiten, entwickelt wird. Schätzungsweise sind weltweit Instrumente mit einem Bruttonennwert von 220 Billionen US-Dollar betroffen. In wenigen Jahren ist mit einer Welle von Umstellungen zu rechnen, die dann hoffentlich kontrolliert abläuft.

Auch die europäischen Behörden sind aktiv, wobei eine Abschaffung von Euribor und EONIA nicht explizit ins Spiel gebracht wird. Am 21. September 2017 haben FSMA, ESMA, ECB und die EU-Kommission, die Bildung einer neuen Arbeitsgruppe zur Identifizierung eines risikolosen overnight Zinssatzes als Alternative angekündigt.

Eine harmonisierte und strenge Regulierung der Referenzzinssätze Libor und Euribor auf EU-Ebene mit der bevorstehenden Anwendung der BMVO ist zweifelsohne ein positiver Schritt fünf Jahre nach Aufdeckung der Manipulationen (siehe Rückblick und Ausblick in Abbildung 4). Allerdings, durch den umfassenden Geltungsbereich der BMVO droht trotz Proportionalitätsprinzip eine Überregulierung mit erheblichem bürokratischem Aufwand für zahlreiche Benchmarks. Außerdem, Detailfragen auf Level 2 und 3 der BMVO sind so kurz vor der Anwendung noch offen, was zu Unsicherheit bei Behörden und Marktteilnehmern führt. Insbesondere die breite Gruppe der Nutzer kann die tatsächlichen Auswirkungen noch nicht richtig einschätzen. Fortsetzung folgt für die Regulierung von Benchmarks.

Quellen

Beisser/Read (2016): Libor- und Euribor-Skandal und erste Konsequenzen, in: Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen, Heft 5-2016, S. 17 bis 22.

ESMA/EBA (2013a): ESMA and the EBA take action to strengthen Euribor and benchmark rate-setting processes, press release, 11 January 2013, URL: www.esma.europa.eu

ESMA/EBA (2013b): ESMA-EBA Principles for Benchmark-Setting Processes in the EU, Final Report, 6 June 2013, document 2013/658, URL: www.eba.europa.eu

ESMA (2016): Technical advice under the Benchmarks Regulation, Final Report, 10 November 2016, document ESMA/2016/1560, URL: www.esma.europa.eu.

ESMA (2017a): Draft technical standards under the Benchmarks regulation, Final Report, 30 March 2017, document ESMA70-145-48, URL: www.esma.europa.eu

ESMA (2017b): Draft regulatory technical standards on cooperation arrangements with third countries under the Benchmarks Regulation, Final Report, 1 June 2017, document ESMA70-145-81, URL: www.esma.europa.eu

European Commission (2013): Proposal for a Regulation of the European Parliament and of the Council on indices used as benchmarks in financial instruments and financial contracts, 18 September 2013, document COM(2013) 641, URL: eur-lex.europa.eu

FCA (2017): Handbook changes to reflect the application oft he EU Benchmarks Regulation, Consultation Paper CP17/17, June 2017, URL: www.fca.org.uk/publication

FSA (2013): The regulation and supervision of benchmarks, Policy Statement PS13/6, March 2013, URL: www.fca.org.uk/publication

HM Treasury (2012): The Wheatley Review of LIBOR: final report, September 2012, URL: www.gov.uk/government/uploads/

HM Treasury/Bank of England/FCA (2015): Fair and Effective Markets Review, June 2015, URL: www.bankofengland.co.uk/markets/

IOSCO (2013): Principles for Financial Benchmarks - Final Report, July 2013, URL: www.iosco.org

Read (2017): Der Weg zur Libor- und Euribor-Reform mit Transaktionsdaten, in: Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen, Heft 15-2017, S. 29 bis 34.

Fußnoten

1) Vgl. Beisser/Read (2016)

2) Vgl. Read (2017)

3) Vgl. HM Treasury (2012)

4) www.legislation.gov.uk

5) Vgl. FSA (2013)

6) www.handbook.fca.org.uk

7) www.handbook.fca.org.uk

8) Vgl. HM Treasury/Bank of England/FCA (2015)

9) Vgl. ESMA/EBA (2013a)

10) Vgl. ESMA/EBA (2013b)

11) Vgl. IOSCO (2013)

12) Vgl. European Commission (2013)

13) Vgl. ESMA (2016)

14) Vgl. ESMA (2017a)

15) Vgl. ESMA (2017b)

16) Vgl. Commission Implementing Regulation (EU) 2016/1368 of 11 August 2016 establishing a list of critical benchmarks used in financial markets pursuant to Regulation (EU) 2016/1011 of the European Parliament and of the Council, URL: http://eur-lex.europa.eu

17) Vgl. Commission Implementing Regulation (EU) 2017/1147 of 28 June 2017 amending Implementing Regulation (EU) 2016/1368 establish ing a list of critical benchmarks used in financial markets pursuant to Regulation (EU) 2016/1011 of the European Parliament and of the Council, URL: http://eur-lex.europa.eu

18) Vgl. FCA (2017)

19) www.fca.org.uk/news/speeches/

Prof. Oliver Read , CFA, Professor für Finanzierung und Prodekan, Hochschule RheinMain, Wiesbaden

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