Versicherungsombudsmann

Digital beworbene Massenklagen lassen Eingaben beim Schlichter steigen

Mit 14 659 Beschwerden hat der Versicherungsombudsmann im vergangenen Jahr so viele Eingaben wie noch nie zuvor zur Bearbeitung angenommen. Das geht aus dem Tätigkeitsbericht für 2016 hervor. Dieser Anstieg hat zwei Gründe:

- Zum einen ist die Anzahl der Beschwerden, die wegen Nichtzuständigkeit nicht angenommen werden konnte, gegenüber dem Vorjahr um ein Drittel auf 4 225 gesunken, weil Versicherte offenbar besser darüber informiert sind, an wen sie sich wenden müssen.

- Zudem gab es im Bereich der Rechtsschutzversicherungen zum zweiten Mal in Folge einen kräftigen Anstieg. 3 807 Eingaben zu dieser Versicherungssparte waren 2016 zu verzeichnen. Die Zahl der bearbeiteten Fälle ist damit im Vergleich zum Vorjahr um 36 Prozent gestiegen. Und das wiederum führte dazu, dass zum ersten Mal seit Gründung der Schlichtungsstelle nicht die Lebensversicherungen (3707 angenommene Beschwerden), sondern die Rechtsschutzversicherungen im Ranking der häufigsten Fälle nach Sparten den Spitzenplatz belegten.

In diesen Zahlen spiegeln sich nicht nur die gestiegenen Kosten für die Rechtsschutzversicherer wieder, die nach Angaben des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) im Jahr 2016 insgesamt sechs Prozent mehr für Rechtsstreitigkeiten ihrer Kunden ausgegeben haben. Sondern der Anstieg rührt vor allem aus strukturellen Veränderungen im juristischen Geschäft.

Dass sich ein unzufriedener Kunde einen Rechtsanwalt sucht und daraufhin eine Deckungsanfrage mit einer ausgearbeiteten Klageschrift bei einem Rechtsschutzversicherer eingereicht wird, scheint mehr und mehr der Vergangenheit anzugehören. Stattdessen sprechen spezialisierte Kanzleien per Online-Anzeige potenzielle Kläger im Internet an.

Als Beispiel nennt Versicherungsombudsmann Prof. Günther Hirsch den Widerruf von Lebensversicherungen. Hier nutzen Kanzleien eine höchstrichterliche Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), um mit standardisierten Verfahren im Internet nach potenziellen Klägern zu suchen. "In weniger als fünf Minuten erhalten Sie auf solchen Webseiten eine kostenlose, kurze sowie präzise rechtliche Einschätzung und können eine unverbindliche Überprüfung ihres eigenen Lebensversicherungsvertrages einleiten", hat Hirsch im Selbstversuch recherchiert. Binnen 24 Stunden schickt die Kanzlei eine juristische Einschätzung; oft können Nutzer dann gleich ihre Rechtsschutzvertragsdaten eingeben und den Anwalt online mandatieren. Auf diesem Weg könnten Rechtsprobleme über das Internet schnell zum Massenphänomen werden.

Die standardisierten Klagen ändern jedoch wenig am Ausgang von Schlichtungsverfahren des Ombudsmanns: In 46,9 (im Vorjahr 44,3) Prozent aller abgeschlossenen Fälle im Jahr 2016 - ohne den Bereich Lebensversicherung - hatten die Kunden Erfolg mit ihrer Beschwerde. Die Schlichtungsstelle hat dann entweder ganz zugunsten der Versicherten entschieden oder wenigstens eine deutliche Besserstellung erreicht. In Sachen Lebensversicherungen waren es wie üblich weniger, nämlich 23,2 (im Vorjahr 24,1) Prozent. Red.

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