Preispolitik

"Die Zeit der kostenlosen Girokonten ist noch lange nicht vorbei"

Rainer Lindenau, Geschäftsführender Partner, mm1 Consulting Partnergesellschaft, Stuttgart

Im November 2016 beendete die Postbank die Zeit des kostenlosen Girokontos für Millionen ihrer Kunden - denn die nunmehr erforderlichen 3 000 Euro Geldeingang pro Monat werden die meisten Postbank-Kunden nicht haben. Der Sparkassen-Präsident Georg Fahrenschon sieht in Zeiten des Niedrigzinses das Ende des kostenlosen Girokontos ebenfalls gekommen: "Ich erwarte, dass es in einigen Jahren praktisch nirgendwo mehr kostenlose Girokonten geben wird" so Fahrenschon im September 2016. Diese Ansicht teilt auch Michael Kemmer, der Hauptgeschäftsführer des Bankenverbandes: "Die Zeiten einer Kostenlos-Kultur sind wahrscheinlich vorbei, und ich glaube, dass sie das dauerhaft sind", so Kemmer auf dem 21. Deutschen Bankentag im April 2017. Kaum ein Thema beschäftigt die Branche und die Kunden bei den niedrigen Zinsen mehr als die Preise für das Girokonto.

Die Unternehmensberatung mm1 Consulting hat 2016 und 2017 Marktanteilsentwicklung, Kundenzufriedenheit und Kosten bei Filial- und Direktbanken untersucht und sieht das kostenlose Girokonto weiterhin als Erfolgsmodell, dessen Zeit noch lange nicht vorbei ist. Denn für einige Banken ist das kostenlose Girokonto das wichtigste Element für Wachstum und Kundenzufriedenheit - und diese Banken haben sehr niedrige Kosten, sodass sie keine Girokontogebühren brauchen, um wirtschaftlich erfolgreich zu arbeiten.

Martin Hettich, der Vorstandsvorsitzende der Sparda-Bank Baden-Württemberg, ist derselben Meinung: "Wir setzen auch weiterhin auf das gebührenfreie Girokonto und das wird von unseren Mitgliedern honoriert. Seit Jahren bestätigt uns der Kundenmonitor Deutschland, dass wir die zufriedensten Kunden haben. Das gebührenfreie Konto, ausgezeichnete Angebote über alle Kanäle, digital und in unseren Filialen, und die niedrigsten Kosten der Branche je Kunde sind die wesentlichen Elemente der Sparda-BW Wachstumsstrategie der nächsten Jahre."

Bei der Neukundengewinnung liegen die Banken mit kostenfreien Girokonten klar vorne. Die mm1-Studie "Abwanderung der jungen Generation: Sparkassen und Volksbanken verlieren ihre jungen Kunden" aus dem Herbst 2016 zeigte, dass fast alle Jugendlichen mit ihrem Girokonto bei einer Sparkasse oder Volksbank sind. Bis Mitte 30 geht deren gemeinsamer Marktanteil bei Online-Banking-Nutzern jedoch auf weniger als die Hälfte zurück, besonders stark bei Kunden mit höheren Einkommen. Die günstigen Konditionen bei Direktbanken, den Sparda-Banken oder der Commerzbank waren dabei für 70 Prozent der Wechsler der entscheidende Grund. Für Michael Mandel, Vorstand für Privat- und Unternehmerkunden bei der Commerzbank, ist das kostenlose Girokonto die Grundlage für ambitioniertes Wachstum.

Anbieter kostenloser Girokonten mit der höchsten Kundenzufriedenheit

Banken mit kostenlosen Girokonten haben auch die höchste Kundenzufriedenheit, etwa die Direktbanken DKB, ING-Diba und Comdirect sowie die Sparda-Banken oder die BBBank, so eine aktuelle mm1 Studie aus dem Frühjahr 2017. Einige davon liegen in puncto Zufriedenheit auf dem Spitzenniveau von Amazon oder Apple. Am anderen Ende der Skala findet man die Deutsche Bank und die Postbank mit deutlich negativen Zufriedenheitswerten. Im Mittelfeld liegen die Sparkassen und die Volks- und Raiffeisenbanken, die von ihren Kunden beim Preis-Leistungs-Verhältnis die schlechtesten Schulnoten aller Banken erhalten.

Möglich durch niedrige Kosten pro Kunde

Wie können sich einige Banken in der aktuellen Niedrigzinsphase ein kostenloses Girokonto leisten? Weil sie wesentlich niedrigere Kosten als ihre Wettbewerber haben. mm1-Analysen zeigen, dass die operativen Kosten pro Privatkunde bei der ING-Diba oder der Comdirect weniger als 100 Euro im Jahr betragen, bei der Sparda-Bank Baden-Württemberg 160 Euro Um ein Mehrfaches höher liegen die Kos ten bei den Sparkassen und den Volks- und Raiffeisenbanken - die meisten von ihnen haben Kosten von 300 bis 450 Euro pro Privatkunde und Jahr.

Der Zusammenhang ist eindeutig: Banken mit niedrigen Kosten pro Kunde können auf die Einnahmen aus Kontoführungsgebühren verzichten und trotzdem wirtschaftlich arbeiten. Die etablierten Banken und Sparkassen sollten sich nicht darauf verlassen, dass die Zeit der kostenlosen Girokonten bald vorbei ist und der Konkurrenzdruck sich dadurch vermindert. Die Wettbewerber werden ihr Erfolgsmodell aus gebührenfreiem Girokonto, kontinuierlichem Wachstum, höchster Kundenzufriedenheit und niedrigsten Kosten verteidigen. Dies gilt umso mehr, da dieses Modell die Erwartungen der jüngeren Kunden trifft, die mit dem Internet aufgewachsen sind, mit dem Smartphone ihren Alltag organisieren und für die die Filiale immer unwichtiger ist.

Rainer Lindenau, Geschäftsführender Partner, mm1 Consulting Partnergesellschaft, Stuttgart

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