Digitale Transformation fordert veränderte Personalkompetenzen

Kommunikation als Treiber im Unternehmen

Karolina Müller

Quelle: Karolina Müller

Die digitale Transformation verändert die Wirtschaft grundlegend. Jedes Unternehmen muss seinen eigenen Weg durch die radikale Veränderung finden. Amazon und Co. haben längst den Handel revolutioniert und sind zum entscheidenden Treiber dieser Entwicklung geworden. Im Alltag zeigt sich der digitale Wandel in Unternehmenskommunikation, Marketing und Personalabteilung. Doch welche Kompetenzen fordert der Schritt zur dialogischen Kommunikation für Unternehmen, deren Mitarbeiter und die Kunden? Fest steht: Neue Mitarbeiterkompetenzen sind gefragt. (Red.)

Im Gespräch mit dem Online-Experten Daniel Gremm wird deutlich, dass gerade mittelständische Unternehmen in Deutschland bei der digitalen Transformation Vollgas geben müssen. "Seit Jahren sind Unternehmen wie Amazon massive Treiber im Markt. Schon heute zeigt sich: Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit. Die digitale Transformation bringt dieses Thema gut auf den Punkt: Es heißt nicht mehr Webseite oder Online-Shop, sondern wie schaffe ich mit meinem Geschäftsmodell das Thema Kundenbindung im digitalen Zeitalter überhaupt noch."1) Die meisten Unternehmen hätten sich schon vor Jahren dieser Entwicklung stellen müssen. Sein Fazit: Wer heute erst mit der Digitalisierung beginnt, ist schon zu spät dran. Gremm unterstützt seit mehr als 17 Jahren mittelständische Unternehmen, ihre wirtschaftlichen Ziele im Internet zu erreichen. Heute arbeitet er bundesweit als Dozent und Ausbilder für das Thema Online-Marketing. Für ihn ist der Begriff Digitalisierung zu kurz gefasst, da dieser die IT-Prozessoptimierung in den Vordergrund stellt. Er spricht eher von der digitalen Transformation. Diese ist vor allem durch die Vernetzung der kompletten Wertschöpfungskette von Produkten gekennzeichnet und verändert somit die gesamte Gesellschaft.

Unternehmen wie Google, Amazon und Facebook sammeln riesige Datenmengen und revolutionieren den gesamten Handel. Das Geschäftsmodell von Amazon hat bereits gravierende Konsequenzen beispielsweise für den Buchhandel, und nun steigt das erfolgreiche Online-Unternehmen in den Lebensmittelhandel ein. Die Suchmaschine Google baut inzwischen selbstfahrende Autos. Damit reißt die digitale Transformation Branchengrenzen ein.

Die Unternehmen müssen sich strukturell verändern. Der Blick sollte dabei über die eigene Branche hinausgehen. Dazu muss sich zunächst die Chefetage aus der Komfortzone verabschieden, sonst ist der Erfolg des Unternehmens gefährdet. Innerbetrieblich können die klassische Personalabteilung - oder "Human Resources" - und die Unternehmenskommunikation bei diesem Führungs- und Kulturthema wichtige Treiber sein. Daniel Gremms Aussagen sind zwar unangenehm, aber unerlässlich. Die Anpassung der Unternehmen an die digitale Transformation ist alternativlos. Der Druck auf die mittelständischen Unternehmensführungen nimmt massiv zu, und die rasante Beschleunigung lässt keine Zeit, in Ruhe neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Umgehend handeln und aus Fehlern stetig dazu lernen heißt die Devise.

Social Media: Der Kunde ist endlich König

Die digitale Transformation führt dazu, dass der Kunde - wie so oft beschworen - jetzt tatsächlich König ist. Bislang erfolgte die Markenbindung aus den Unternehmen heraus. Durch Social-Media-Kanäle gewinnt der Kunde großen Einfluss, den er auch zunehmend nutzt. Gremm geht noch weiter: "Wir können sogar von einer Versklavung dem Kunden gegenüber sprechen. Bislang sehe ich allerdings noch nicht, dass die Unternehmen darauf reagieren. Eine der Ursachen: Wir hatten bis in die 1980er-Jahre überwiegend Verkäufermärkte. Heute haben wir überwiegend Käufermärkte. Im Zeitalter der digitalen Transformation müssen sich deshalb alle Mitarbeiter des Unternehmens gegenüber dem Kunden öffnen und trotzdem als Einheit agieren. Social Media ist Teil von Unternehmenskommunikation und Marketing - das erfordert dialogische Kompetenzen."

Eine zentrale Funktion nimmt Social Media zunehmend in der Kommunikation mit dem Kunden ein. Es handelt sich dabei nicht um ein Kommunikationsinstrument im eigentlichen Sinne, sondern vor allem um die Fähigkeit, Gespräche führen zu wollen und zu können - dialogische Kommunikation in Reinform. "Dialogische Kompetenz finden Sie auch heute schon in den Unternehmen im Bereich der Kundenberatung", weiß Gremm. Für ihn ist eine künstliche Trennung der zentralen Schnittstellen zum Markt in Kommunikation, Marketing und Vertrieb nicht mehr zielführend. Diese Bereiche müssen sich zukünftig kundenzentriert aufstellen. Das Silodenken in den verschiedenen Disziplinen funktioniert in der neuen Welt nicht. Es kann nur eine integrativ aufgestellte Unternehmensstruktur im digitalisierten Zeitalter überleben.

Digital Fitness in Marketing und Kommunikation

Wie fit sich Unternehmenskommunikatoren selbst für die digitale Revolution fühlen, belegt eine aktuelle Studie der Düsseldorfer PRCC Personal- und Unternehmensberatung GmbH in Zusammenarbeit mit Lautenbach Sass, Frankfurt am Main.2) Die auf Kommunikation spezialisierten Beratungsunternehmen haben sich dabei mit folgenden Herausforderungen beschäftigt: Welchen Reifegrad der Digitalisierung bescheinigen die Kommunikatoren dem eigenen Unternehmen? Welche Veränderungen gehen mit dieser Entwicklung für die Unternehmenskommunikation einher? Wie verändern sich die Rollen im Unternehmen und wie müssen sich Strukturen und Prozesse anpassen? Das mündet schließlich in der zentralen Frage: Wie verändern sich die Kompetenzprofile in der Unternehmenskommunikation und welcher Kommunikationsbedarf entsteht im Unternehmen?

Ein bemerkenswertes Ergebnis der Studie ist, dass sich nur gut ein Drittel der befragten Kommunikatoren für sogenannte "Fast Follower" der Digitalisierung halten. Hingegen 41 Prozent sehen es als notwendig an, die Unternehmenskommunikation in Richtung Digitalisierung zu formen, halten aber die Organisation dafür noch nicht hinreichend entwickelt.

Die Digitalisierung verändert die Unternehmen, doch die Unternehmensbereiche sind heute noch sehr unterschiedlich involviert. Viele Kommunikatoren sehen die IT-Abteilung als Speerspitze der Digitalisierung.

Die IT schafft indes die Infrastruktur für den Wandel. Die Unternehmensstrategie und die daraus abgeleiteten Ziele für die Kommunikation und das Marketing geben jedoch den Weg vor und wählen zielgerichtet die Instrumente aus, die den Geschäftsprozess unterstützen.

Als wichtigste Anforderung an die Unternehmenskommunikation sehen die meisten Befragten ein angemessenes Digital-Know-how. Zudem sind eine klare Vision und Strategie wichtig. Jedoch ist bei beiden zentralen Anforderungen der Abstand zur tatsächlichen Erfüllung sehr groß (siehe Abbildung).

Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die Kommunikatoren dem digitalen Wandel positiv gegenüberstehen, aber in der eigenen Weiterentwicklung noch erheblicher Handlungsbedarf liegt. So sieht die Mehrzahl der Befragten die größte Herausforderung im Aufbau von Digitalkompetenz in der Kommunikation - zugleich gilt dies als entscheidender Erfolgsfaktor.

Digitalisierung: Führungs- und Kulturthema

Kommunikation und Marktauftritt sind die Visitenkarte eines jeden Unternehmens. In der klassischen Monologkultur war es ein Top-Down-Modell mit einer One-Voice-Policy und hierarchischen Abstimmungsschleifen für die Unternehmenskommunikation. Den Wandel von einer kanalorientierten zu einer themenorientieren Arbeitsweise über die Kommunikationskanäle hinweg sehen die Kommunikatoren als weitere Erfolgsfaktoren.

Thomas Lüdeke, Geschäftsführer der PRCC Personalberatung, fasst die Entwicklung für den Bereich Unternehmenskommunikation zusammen: "Die Digitalisierung ist vor allem ein Kultur- und Kommunikationsthema. Kulturthema, weil sie gewohnte Abläufe im Unternehmen auf den Kopf stellt und sich neue Prozesse erst einmal einstellen müssen. Und das in einer ungewohnt hohen Geschwindigkeit. Ein Kommunikationsthema ist sie, weil die Komplexität immer wieder neu erklärungsbedürftig ist. Um Mitarbeiter auf diesem Weg mitnehmen zu können, ist es die Aufgabe der Kommunikation, sie zu informieren und ihnen die Digitalisierung zugänglich zu machen - wahrlich keine einfache Aufgabe."

Lüdeke spricht über die veränderten Kommunikationsanforderungen: "Der Wandel erfordert Kompetenzen, die bisher nicht überall vorhanden waren oder sind. Insbesondere müssen alle Beteiligten ein möglichst tiefes Verständnis technischer Zusammenhänge mitbringen. Man muss sicher nicht zum Programmierer werden. Aber man sollte verstehen, was dieser macht - um ein Beispiel zu nennen."

Treibende Kraft Human Resources

Ohne Human Resources (HR) funktioniert die digitale Transformation demnach im Unternehmen nicht. Die digitalen Kompetenzen der Mitarbeiter und Bewerber werden zum entscheidenden Wettbewerbsfaktor für die Unternehmen. Wie Human Resources diese Transformation schafft, untersucht eine Studie der Unternehmensberatung Promerit.3) Brisantes Ergebnis der Studie ist erneut die Aussage, dass Unternehmen in einigen Jahren die digitale Transformation entweder geschafft haben oder vom Markt verschwunden sind.

Der Studie folgend ist sich Human Resources seiner Verantwortung heute jedoch kaum bewusst. So sehen 82 Prozent der befragten HR-Verantwortlichen die Treiberrolle bei der IT. Diese Aussage deckt sich mit der Befragung der Kommunikatoren, die ebenfalls IT diese Rolle zusprechen. Immerhin 74 Prozent der HR-Verantwortlichen sehen die Hauptverantwortung bei der Geschäftsleitung.

Um das Digitalisierungspotenzial voll ausschöpfen zu können, braucht es eine Digitalisierungsstrategie auf Unternehmensebene und eine gewollte Implementierung der Digitalisierung als wichtigstes strategisches Element in HR. Auch die Rolle von Human Resources muss sich entscheidend ändern. Laut Promerit-Studie entfallen noch immer 43 Prozent der HR-Leistungen auf die Administration, erst dann folgen im Abstand die Kernleistungen wie Talent Management, Recruiting und strategische Beratung.

Die Studie identifiziert zwei zentrale Hebel: Zunächst geht es um die Digitalisierung von HR-Prozessen. Effizienzsteigerung und Anwenderzentrierung bilden die entscheidenden Stellgrößen. So werden HR-Services immer stärker durch Cloud-basierte Lösungen und die Anwendung von Apps zur Eigenanwendung für Mitarbeiter und Führungskräfte. Eine mobile Anwendung hat absolute Priorität: Plattformen müssen über mobile Endgeräte bequem und einfach erreichbar sein.

Durch die Prozessoptimierung werden immer mehr Daten gesammelt, die dem Bereich People Analytics nutzen. So werden zukünftig datenbasierte Vorhersagen im Performance Management, Talent Management und Recruiting möglich. Während deutsche Unternehmen mit Analyse und Nutzung dieser Daten noch weit zurückliegen, werden beispielsweise in den USA bereits Burn-Out-Gefährdungen prognostiziert.

Digitale Kompetenzen

Eine weitere Handlungsebene befasst sich mit der sogenannten "Human Digitalization" im Unternehmen. Dabei geht es vor allem darum, bei einem großen Mitarbeiterkreis digitale Kompetenzen auszubilden. Unternehmenskultur und -führung müssen dafür den ersten Schritt in diese Richtung unternehmen. Veränderungsbereitschaft hin zu einer agilen Unternehmenskultur ist die Basis für den Weg in die digitale Organisation. Der Trend geht dabei weg von der individuellen Zielerreichung hin zu Team- und Bereichszielen. Das neue Führungsverständnis, "Digital Leadership", wie es in der Promerit-Studie genannt wird, macht aus disziplinarischen Vorgesetzten Coaches, die ihren Mitarbeitern mehr Gestaltungsfreiraum schaffen. Das ermöglicht neue Lösungen durch Experimentierfreude und Verantwortungsübernahme.

Soll der digitale Wandel gelingen, muss sich Human Resources mit der zentralen Frage beschäftigen, welche Kompetenzen für eine erfolgreiche digitale Transformation des Unternehmens notwendig sind - welche davon vorhanden sind und welche rekrutiert werden müssen. Wie können die Führungskräfte fit gemacht werden, die Mitarbeiter bei dem Kulturwandel zu unterstützen und selbst ein neues Rollenverständnis zu entwickeln? Welche Maßnahmen helfen, die Kultur zu gestalten? Die Einbindung der externen und internen Kommunikation ist für die digitale Transformation unerlässlich, um alle Mitarbeiter auf diesem Weg mitzunehmen.

Jede Branche und jedes Unternehmen muss diese Fragen individuell beantworten, wenn der Wandel gelingen soll. Der Ausgang dieser Entwicklung ist für viele Unternehmen heute ungewiss. Umso wichtiger ist es, den Dialog zu diesen Fragen möglichst schnell zu beginnen und voneinander zu lernen.

Die Beschäftigung mit der digitalen Transformation ist bereits seit Jahren Pflichtprogramm der Beratungsbranche. So hat beispielsweise A. T. Kearney im Rahmen seiner Initiative "Deutschland 2064 - Die Welt unserer Kinder" gemeinsam mit Politikern und Unternehmen die Welt in 50 Jahren beschrieben4) und den Bestsellerautor und Historiker Martin Walker dafür gewonnen, die Ergebnisse der Studien und Gespräche in einem Roman zu verarbeiten5) . Eine inspirierende, aufklärende und zeitweise verstörende Lektüre für alle, die sich dem Thema digitale Transformation als Gesellschaftsszenario nähern wollen.

Die digitale Transformation holt jeden aus der Komfortzone. Als konsequente Vernetzung der gesamten Wertschöpfungskette gilt sie in den Unternehmen vor allem als Kultur- und Führungsthema. Unternehmerisches Handeln wird neu definiert und die Unsicherheit wird ständiger Begleiter der Unternehmensführung. Patentrezepte gibt es nicht. Jedes Unternehmen muss seinen eigenen Weg entwickeln und ist gut beraten, dies schnell zu tun. Eine erfolgreiche Unternehmensführung lebt den Wandel vor in Richtung einer radikalen Hinwendung zu marktorientiertem Verhalten. Das bedeutet eine konsequente Abkehr von hierarchisch und machtpolitisch geprägten Denkmustern und Organisationsstrukturen. Schließlich erfordert dieser radikale Wandel die Rekrutierung und Ausbildung dialogischer Kompetenzen im Unternehmen.

Human Resources sowie Kommunikation und Marketing sind wertvolle Treiber dieser Entwicklung im Unternehmen. Soll der Wandel jedoch erfolgreich und nachhaltig sein, ist die Unternehmensführung gefordert. Anders lässt sich der Wandel nicht bewältigen oder gar überleben.

1) Telefoninterview mit Daniel Gremm, Experte für Online-Marketing, Dozent und IHK-Ausbilder.

2) Vgl. Digital Fitness, "Ist die Unternehmenskommunikation fit für die digitale Transformation", PRCC Personal- und Unternehmensberatung GmbH, Düsseldorf, und Lautenbach Sass Unternehmensberater für Kommunikation PartG, Frankfurt am Main, 2016.

3) Vgl. Benchmarking HR Digital, (Wie) schafft HR die Transformation, Studie der Promerit AG in Zusammenarbeit mit der Lufthansa Group, TNS Infratest, Universität Liechtenstein, Juni 2016.

4) Vgl. A. T. Kearny: "361 Grad, Ändern oder untergehen, eine Begegnung mit der Wertschöpfung von morgen, Deutschland 2064 - Die Welt unserer Kinder."

5) Martin Walker: "Germany 2064", 2016.

DER AUTORIN: Karolina Müller, Düsseldorf, ist als Fach- und Führungskraft langjährig für die Unternehmenskommunikation in der Banken-, Immobilien- und Leasing-Branche tätig. E-Mail: karolina.mueller[at]gmx[dot]de

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