Das Factoring-Geschäft überspringt die 200-Milliarden-Euro-Marke

Umsatz innerhalb von sieben Jahren verdoppelt

Abbildung 1: Entwicklung des Factoring-Umsatzes Quelle: Deutscher Factoring-Verband e.V.; Bundesverband Factoring für den Mittelstand e.V.

Univ.-Prof. Dr. Thomas Hartmann-Wendels - Erst vor sieben Jahren hatte die Factoring-Branche die Umsatzgröße von 100 Milliarden Euro überschritten. Ihr Wachstumsschub blieb seither ungebremst, und im vergangenen Jahr hat sie mehr als doppelt so viel umgesetzt, nämlich 212 Milliarden Euro. Dabei ist die Branche nach wie vor durch eine hohe Konzentration gekennzeichnet, denn der Umsatzanteil der sechs größten Anbieter am Gesamtmarkt beträgt mehr als 75 Prozent.

Wie auch in den beiden vorangegangenen Jahren konnte das Factoring im Jahre 2015 wiederum einen kräftigen Zuwachs realisieren. Gemäß den Angaben, die der Deutsche Factoring-Verband e. V. sowie der Bundesverband Factoring für den Mittelstand e.V. erheben, stieg der Factoring-Umsatz von 192,57 Milliarden Euro im Jahr 2014 um 10,1 Prozent auf nunmehr 212 Milliarden Euro (vgl. Abbildung 1, Seite 163). Den beiden Verbänden gehörten im vergangenen Jahr insgesamt 53 Gesellschaften mit einem geschätzten Marktanteil von mehr als 95 Prozent an. Nachdem 2008 der Factoring-Umsatz zum ersten Mal die 100-Milliarden-Euro-Marke überschritten hat, konnte damit innerhalb von nur sieben Jahren der Umsatz verdoppelt werden. Der tatsächliche Gesamtumsatz dürfte noch etwas höher liegen, da nicht alle Gesellschaften einem der beiden Verbände angehören.

Die durchschnittliche Forderungslaufzeit ist nach dem leichten Anstieg im Jahr 2014 wieder gesunken, sie lag - laut Angaben des Deutschen Factoring-Verbandes - im Jahre 2015 bei 40,5 Tagen. Dies ist vor allem auf eine Verbesserung des Zahlungsverhaltens im nationalen Geschäft zurückzuführen, wohingegen sich die Forderungslaufzeiten im internationalen Geschäft deutlich erhöht haben.

Der Anstieg des Umsatzes lag auch 2015 deutlich über der Steigerungsrate des Bruttoinlandsprodukts, das um erfreuliche 1,7 Prozent zulegte. Die Factoring-Quote stieg daher um weitere 0,4 Prozent-Punkte und hat mit 7,01 Prozent zum ersten Mal die Sieben-Prozent-Marke überschritten. Dieser Wert liegt allerdings immer noch deutlich unter dem EU-Durchschnittswert von 9,87 Prozent.1)

Im europäischen Vergleich liegt das Wachstum des deutschen Factoring-Marktes im Trend, im Zeitraum von 2009 bis 2014 konnte EU-weit ein durchschnittliches jährliches Wachstum von 10,97 Prozent erzielt werden.2) Das Factoring-Volumen in Deutschland hat mittlerweile Italien überholt, wodurch Deutschland nach Großbritannien und Frankreich den drittgrößten Markt repräsentiert. Angesichts der Factoring-Quoten von 15,8 Prozent in UK, 11,3 Prozent in Italien und 10,6 Prozent in Frankreich und Spanien dürfte Factoring auch in Deutschland noch erhebliches Wachstumspotenzial haben. Folglich ist damit zu rechnen, dass der Wachstumstrend noch einige Jahre anhalten wird.

Internationales Factoring

Von der zunehmenden Beliebtheit der Finanzierungsalternative profitierte auch das internationale Factoring-Geschäft, das noch stärker zulegte als der Gesamtmarkt. Mit 59,6 Milliarden Euro konnte zum ersten Mal die 50-Milliarden-Grenze deutlich überschritten werden. Insbesondere das Export-Factoring wuchs um beeindruckende 24,2 Prozent, aber auch das Import-Factoring, das in der Vergangenheit eher bescheidene Zuwächse verzeichnen konnte, legte diesmal mit 15,4 Prozent kräftig zu. Insgesamt entfielen auf das

- Export-Factoring 55,8 Milliarden Euro und auf das

- Import-Factoring 3,8 Milliarden Euro.

Damit trug das internationale Factoring ganz entscheidend zum hohen Wachstum der Umsätze bei. Diese Angaben beruhen auf den Meldungen der Mitglieder des Deutschen Factoring-Verbandes.

Das starke Wachstum des internationalen Factorings lässt sich nicht allein mit der gestiegenen internationalen Handelstätigkeit erklären. Sowohl die Exporte als auch die Importe wuchsen mit 6,4 Prozent beziehungsweise 4,2 Prozent deutlich weniger stark an als die Umsätze im internationalen Geschäft. Vielmehr zeigt sich hier ebenfalls ein langfristiger Trend zu einem vermehrten Einsatz von Factoring, um die besonderen Ausfallrisiken, die mit dem grenzüberschreitenden Handel einhergehen, abzusichern.

Im Jahr 2006 lag das Volumen des Export-Factorings bezogen auf den Gesamtexport bei 1,9 Prozent, 2015 betrug diese Quote dagegen 5,0 Prozent. Mit einem Anteil von mehr als 28 Prozent am Gesamtumsatz erreicht das internationale Factoring in Deutschland einen Höchstwert im europäischen Vergleich, im EU-Durchschnitt beträgt der Anteil des grenzüberschreitenden Factorings lediglich 18,4 Prozent.3) Die Gründe für die überdurchschnittliche Bedeutung des grenz überschreitenden Geschäfts sind zum einen die Exportstärke Deutschlands und zum anderen das Bonitätsgefälle zwischen Forderungen an inländischen und ausländischen Debitoren.

Einige Veränderungen gab es im Ranking der wichtigsten Partnerländer. Die - wie auch im Vorjahr - führende Positionen der osteuropäischen Länder resultiert zum einen aus einer intensiven Handelstätigkeit mit Polen, der Tschechischen Republik und mit Russland, zum anderen aber auch aus dem relativ hohen Bonitätsgefälle zwischen Debitoren in Deutschland und in Osteuropa. Die Benelux-Länder konnten ihre seit Jahren starke Position weiter ausbauen, an die dritte Stelle hat sich nun Asien vorgeschoben, das bereits 2014 einen deutlichen Sprung nach vorne getan hat. Hier macht sich die dynamische Wirtschaftsentwicklung in dieser Weltregion deutlich bemerkbar. Frankreich dagegen, das letztes Jahr als Handelspartner Nummer eins von den USA verdrängt wurde, ist auf den vierten Platz zurückgefallen.

Mit einem deutlichen Umsatzplus konnte Österreich aufwarten, das nun an fünfter Stelle liegt. Italien, das in der Vergangenheit schwierige Zeiten durchgemacht hat, konnte wie auch im Jahr davor wieder Boden gut machen und liegt nun wieder vor der Schweiz, das auch Großbritannien vorbei ziehen lassen musste. Stark rückläufig ist das Geschäft mit Griechenland, das nun sogar hinter Afrika rangiert. Ebenfalls stark rückläufig war 2015 das Geschäft mit der Türkei.

Zuwächse bei Kunden und Debitoren

Immer mehr Unternehmen nutzen den Forderungsverkauf. Dieser seit Jahren anhaltende Trend setzte sich auch im vergangenen Jahr fort. Anders als im Vorjahr übertraf 2015 das Wachstum der Kundenanzahl mit 15,1 Prozent das Umsatzwachstum. Die in einem der beiden Factoring-Verbände organisierten Gesellschaften betreuen inzwischen mehr als 26 000 Kunden. Die tatsächliche Anzahl der Nutzer dieser Finanzdienstleistung dürfte noch erheblich höher liegen, da eine Reihe von Anbietern im Gesundheitswesen keinem der beiden Verbände angehört. Diese Gesellschaften haben zwar nur ein relativ geringes Umsatzvolumen, betreuen aber eine Vielzahl von Kunden.

In der Größenstruktur der Umsatztätigkeit gab es nur geringfügige Veränderungen. Nach wie vor werden mehr als 88 Prozent der Kunden im Umsatzsegment von null bis zehn Millionen Euro bedient. Der Anteil dieser Kundengruppe am gesamten Factoring-Umsatz ist von 44,6 Prozent auf 45,2 Prozent geringfügig angestiegen.

Ebenfalls hat das Big-Ticket-Segment mit Umsätzen von mehr als 50 Millionen Euro an Bedeutung gewonnen. Auf dieses Segment entfallen zwar nur 3,9 Prozent der Kunden (Vorjahr 3,7 Prozent), diese haben aber einen Anteil von 35,8 Prozent am Gesamtumsatz (Vorjahr 34,9 Prozent). Weiter an Bedeutung verloren hat dagegen der mittlere Bereich, zu dem Unternehmen mit einem Umsatz von zehn bis 50 Millionen Euro gehören. Der Umsatzanteil dieser Gruppe ist von 20,5 Prozent in 2014 auf 19,0 Prozent in 2015 gesunken. Diese Angaben beziehen sich auf die Mitglieder des Deutschen Factoring-Verbandes.

Die Anzahl der Debitoren, gegen die die Mitgliedsunternehmen der beiden Verbände offene Forderungen hatten, war leicht rückläufig und lag 2015 bei gut 6,9 Millionen. Dies bedeutet eine Abnahme um 3,8 Prozent. Die tatsächliche Anzahl der Debitoren dürfte allerdings weit höher sein, wenn man die Forderungen der im Gesundheitsbereich tätigen Gesellschaften, die überwiegend nicht in den Verbänden organisiert sind, hinzurechnet.

Konzentration in der Branche

Die Zahl der Anbieter ist weiterhin leicht rückläufig. Die Anzahl der bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) registrierten Factoring-Unternehmen sank gegenüber Ende 2014 von 199 registrierten Anbietern auf 189 Unternehmen Ende 2015, obwohl einige neue hinzukamen. Angesichts der immer umfassenderen Regulierung von Finanzinstituten bleibt abzuwarten, wie lange der Prozess der Marktkonsolidierung und Anbieterbereinigung noch anhält. Einerseits machen die enormen Zuwachsraten Factoring zu einem attraktiven Geschäftsfeld für neue Anbieter, andererseits sind die mit der Regulierung verbundenen Kosten nur durch größere Betriebseinheiten zu stemmen.

Die hohe Konzentration in der Branche lässt sich daran erkennen, dass der Gesamtumsatz der sechs größten Anbieter nach wie vor mehr als 75 Prozent des Umsatzes der Branche insgesamt ausmacht. An der Spitze gab es keine Veränderungen. Nach wie vor ist GE Capital die Factoring-Gesellschaft mit dem höchsten Umsatz, gefolgt von der Postbank Factoring. Coface, als dritte der drei großen Anbieter, gibt keine Umsatzzahlen für das Factoring mehr an, dürfte aber nach wie vor den dritten Platz behaupten. Einen großen Sprung nach vorne machte BNP Paribas Factor; das Unternehmen hat sich mit einem Umsatzplus von 84 Prozent auf den fünften Platz der umsatzstärksten Gesellschaften knapp hinter der Eurofactor vorgeschoben. Leicht rückläufig war dagegen der Umsatz bei der Südfactoring GmbH, wohingegen die HSBC Trinkaus & Burkhardt AG den Wachstumskurs fortsetzen konnte (vgl. Tabelle).

Inhouse-Factoring dominiert

Bei den verschiedenen Varianten hat das Inhouse-Factoring, dessen Anteil in den vergangenen Jahren leicht rückläufig war (2014: 73,2 Prozent) wieder deutlich zugelegt und einen Marktanteil von 76,3 Prozent erzielt. Das Full Service-Factoring dagegen war 2015 stark rückläufig und kam auf einen Marktanteil von nur 13,0 Prozent (2014: 18,0 Prozent). Hier bleibt abzuwarten, ob damit eine dauerhafte Trendumkehr eingeleitet worden ist, oder ob es sich um vorübergehende Schwankungen handelt.

Das Fälligkeitsfactoring konnte seinen Wachstumspfad nach einer Pause im letzten Jahr wieder aufnehmen und erzielte einen Marktanteil von 6,7 Prozent (2014: 5,6 Prozent; siehe Abbildung 2, Seite 165). Hohe Zuwachsraten konnten die Factoring-Arten B2C und Reverse-Factoring erzielen, die bislang nur ein Nischendasein führten. Der Verkauf von Forderungen an Privatkunden beziehungsweise Verbraucher (B2C-Factoring) stieg um 17,3 Prozent und kam damit auf ein Umsatzvolumen von 5,8 Milliarden Euro (2,8 Prozent). Das Reverse-Factoring, bei dem der Abnehmer und nicht der Lieferant der Initiator des Forderungsverkaufs ist, steigerte den Umsatz um 105 Prozent und kam auf ein Volumen von 2,7 Milliarden Euro (1,3 Prozent).

Handelsunternehmen sind wichtig

Auch im Jahr 2014 dominierten wiederum die klassischen Branchen: Als Spitzenreiter bei den Factoring-Umsätzen ist weiterhin mit großem Abstand der Bereich Handel und Handelsvermittlung, auf den mehr als ein Viertel des Gesamtumsatzes entfiel. Aufgrund des hohen Warenumschlags eignet sich der Lieferantenkredit für den Handelsbereich besonders gut, um die Zahlungsverpflichtungen aus den Verkaufserlösen der bezogenen Waren zu bestreiten. Entsprechend hoch ist der Anteil der Forderungen aus Lieferungen und Leistungen an der Bilanzsumme bei Handelsunternehmen: Er liegt bei Unternehmen des Großhandels und der Handelsvermittlung bei über 25 Prozent.4) Der Forderungsverkauf stellt damit für diese Unternehmen ein wichtiges Instrument zur Finanzierung des Umlaufvermögens dar.

An die zweite Stelle hat sich der Fahrzeugbau geschoben, der seinen Marktanteil von 7,9 Prozent auf 13,2 Prozent ausbauen konnte. Dahinter folgt die Branche "Herstellung Metallerzeugnisse, Maschinenbau", die letztes Jahr die Dienstleistungsbranche erstmals hinter sich gelassen hatte. Der rückläufige Trend im Dienstleistungssektor hat sich 2015 verstärkt fortgesetzt. Der Abwärtstrend im Ernährungsgewerbe konnte dagegen gestoppt werden, der Marktanteil am Factoring-Umsatz blieb gegenüber 2014 konstant.

Nach vorne geschoben haben sich dagegen die Branchen "Elektronik/ elektronische Bauelemente" und "Metallerzeugung und -verarbeitung. Letztere war ein Jahr zuvor deutlich zurückgefallen und konnte im vergangenen Jahr wieder einiges an Boden gut machen (vgl. Abbildung 3, Seite 166).

Die Branche als Arbeitgeber

Die Mitgliedsunternehmen der beiden Factoring-Verbände beschäftigten Ende 2015 insgesamt 2 449 Leute, einschließlich Auszubildende. Damit hat sich die Beschäftigtenzahl gegenüber dem Vorjahr noch einmal geringfügig erhöht. Angesichts der expandierenden Umsatzzahlen, aber auch in Anbetracht der immer umfangreicheren regulatorischen Anforderungen ist von einem steigenden Bedarf an qualifizierten Fachkräften auszugehen.

Es gibt derzeit keine Hinweise darauf, dass der seit Jahren anhaltende Trend wachsender Factoring-Umsätze zum Ende käme. In Deutschland besteht noch ein erhebliches Wachstumspotenzial, wie ein Vergleich der Factoring-Quoten mit anderen Ländern zeigt.

Ungebrochene Nachfrage

Eine vom Bundesverband Factoring für den Mittelstand (BFM) durchgeführte Studie, bei der 1 555 kleine und mittlere Unternehmen befragt wurden, bestätigt das zunehmende Interesse der Unternehmen an der Nutzung von Factoring. Demnach planen 15 Prozent der befragten Unternehmen, den Forderungsverkauf künftig strategisch einzusetzen. Bei einer ähnlichen Studie im Jahr 2012 waren es dagegen nur zehn Prozent, die einen verstärkten Einsatz von Factoring planten. Hintergrund des gestiegenen Interesses ist die wachsende Bedeutung, die der Unternehmensfinanzierung beigemessen wird.

Im Vordergrund der Überlegungen steht dabei, die Unternehmensfinanzierung auf eine breitere Basis zu stellen, die neben den klassischen Finanzierungsinstrumenten wie Eigenfinanzierung und Bankkredit auch Leasing und Factoring umfasst. Mit einem ausgewogenen Finanzierungsmix sollen die Abhängigkeit von der Kreditvergabebereitschaft der Banken reduziert und zusätzliche Liquiditätsspielräume geschaffen werden. Der Forderungsverkauf ermöglicht eine umsatzkongruente Finanzierung und entlastet das Unternehmen von dem Forderungsausfallrisiko, was Factoring besonders attraktiv macht.

Gerade für kleine Unternehmen können einzelne Ausfälle existenzbedrohend sein. Die Vorteile des Geschäftsmodells scheinen damit auch immer mehr in kleineren und mittleren Unternehmen wahrgenommen zu werden. Insgesamt bestätigt die vom BFM durchgeführte Studie die Ergebnisse, die eine frühere umfangreiche Befragung, die auf Initiative des Deutschen Factoring-Verbandes durchgeführt wurde, erbracht hat.5)

Wirtschaftliche Entwicklung 2016

Inwieweit sich das zunehmende Interesse an Factoring auch in einem Umsatzwachstum niederschlägt, hängt vor allem von der weiteren Konjunkturentwicklung ab. Die Konjunkturaussichten für 2016 werden von der Bundesregierung und den Wirtschaftsforschungsinstituten verhalten günstig eingeschätzt. So erwartet die Bundesregierung ein Wachstum des Bruttoinlandprodukts von 1,7 Prozent; die Wirtschaftsforschungsinstitute gehen von einem Wachstum von 1,6 Prozent aus. Aufgrund des hohen Exportanteils hängt die Entwicklung des Factoring-Umsatzes allerdings nicht nur von der Entwicklung in Deutschland ab, sondern wird auch von der wirtschaftlichen Erholung in den wichtigsten Partnerländern beeinflusst.

Hier werden durchaus Risiken gesehen. Dennoch schauen die Mitglieder der beiden Branchenverbände überwiegend optimistisch in die Zukunft und erwarten mit großer Mehrheit eine zumindest zufriedenstellende Geschäftsentwicklung für 2016.

Die andauernden Veränderungen in der Bankenregulierung werden auch auf das Factoring ausstrahlen. Dabei gibt es sowohl gute als auch schlechte Nachrichten für die Branche. Die Tatsache, dass durch die delegierte Verordnung zur Liquidity Coverage Ratio (LCR) Factoring-Unternehmen von der Kappungsgrenze der Liquiditätszuflüsse auf maximal 75 Prozent der Gesamtliquiditätsabflüsse ausgenommen wurden, ist positiv zu bewerten.6)

Zusätzliche Belastungen dürfte die im Laufe des Jahres zu erwartende Novelle der Mindestanforderungen an das Risikomanagement mit sich bringen. Die Bestrebungen des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht, die Vorschriften zur Eigenkapitalunterlegung weniger risikosensitiv zu gestalten, sind im Hinblick auf die Branche kritisch zu sehen. Wie eine Untersuchung der europäischen Vereinigung der nationalen Factoring-Verbände gezeigt hat, ist Factoring deutlich risikoärmer als die Kreditfinanzierung.7) Die allerdings nur auf einer begrenzten Datenbasis ermittelten bilanzbezogenen Wertberichtigungsquoten im Factoring liegen in einer Bandbreite zwischen 0,09 Prozent und 0,43 Prozent mit einem Durchschnitt von 0,26 Prozent. Die am ehesten vergleichbaren Wertberichtigungsquoten für Bankkredite liegen deutlich höher, sie bewegen sich in einer Bandbreite zwischen 0,32 Prozent und 1,60 Prozent. Die Gründe für den niedrigeren Wertberichtigungsbedarf sind: Der Factor wird relativ frühzeitig gewahr, wenn Zahlungsausfälle bei einem Debitor drohen, weil er dessen Zahlungsverhalten beobachten kann.

Darüber hinaus sind die Verlustquoten schlagend gewordener Ausfallrisiken beim Factoring deutlich geringer als beim Kredit. Um Factoring nicht zu benachteiligen und auch um keine Fehlanreize zu setzen, sollte der niedrigere Risikogehalt dieses Geschäfts sich auch in einer entsprechend niedrigeren Eigenkapitalanforderung niederschlagen.

1) Vgl. EU Federation Factoring and Commercial Finance: Factoring and Commercial Finance: A Whitepaper, 2016: www.euf.eu.com. Die Werte für die EU beziehen sich auf 2014.

2) Vgl. EU Federation Factoring and Commercial Finance: Factoring and Commercial Finance: A Whitepaper, 2016: www.euf.eu.com

3) Vgl. EU Federation Factoring and Commercial Finance: Factoring and Commercial Finance: A Whitepaper, 2016. www.euf.eu.com.

4) Vgl. Deutsche Bundesbank: Die Bedeutung von Handelskrediten für die Unternehmensfinanzierung in Deutschland - Ergebnisse der Unternehmensabschlussstatistik, in: Monatsbericht 2012, S. 56.

5) Die Studie kann über den Deutschen Factoring-Verband bezogen werden. Vgl. auch Hartmann-Wendels, Thomas: Factoring - Ein Finanzierungsinstrument mit Wachstumspotenzial. Ergebnisse einer Befragung deutscher Unternehmen, in: FLF, 1/2012, S. 14-19.

6) Delegierte Verordnung vom 10.10.2014 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 in Bezug auf die Liquiditätsdeckungsanforderung an Kreditinstitute, Nr. 137.

7) Vgl. EU Federation Factoring and Commercial Finance: Factoring and Commercial Finance: A Whitepaper, 2016. www.euf.eu.com., S. 25.

DER AUTOR:

Univ.-Prof. Dr. Thomas Hartmann-Wendels, Köln, ist seit 1999 Direktor des Seminars für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Bankbetriebslehre an der Universität zu Köln und außerdem geschäftsführender Direktor des Instituts für Bankwirtschaft und Bankrecht sowie des Forschungsinstituts für Leasing. Er lehrte an den Universitäten in Osnabrück, Aachen und Köln Finanzierungs- und Bankbetriebslehre.E-Mail: hartmann-wendels[at]wiso.uni-koeln[dot]de

Univ.-Prof. Dr. Thomas Hartmann-Wendels , Direktor, Seminar für ABWL und Bankbetriebslehre, Universität zu Köln, Köln, geschäftsführender Direktor, Institut für Bankwirtschaft und Bankrecht, Forschungsinstitut für Leasing

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