Wenn der Gründer loslassen muss

Stabübernahme in einem inhabergeführten Unternehmen

Marion Schäfer, Geschäftsführerin, Miller Leasing Miete GmbH, Bad Homburg v. d. Höhe Quelle: Miller Leasing

Vertrauen und Kontinuität stehen für Marion Schäfer, Geschäftsführerin der Miller Leasing Miete GmbH, im Vordergrund. Die Tochter der Unternehmensgründer Helga und Manfred Miller hat 2013 die Leitung des Bad Homburger Leasing-Unternehmens übernommen. Gemeinsam mit den geschäftsführenden Gesellschaftern Bernd Dambacher und Steffen Miller, ihrem Bruder, lotst sie das Familienunternehmen durch die heutigen Anforderungen. Wie die Unternehmensübernahme gelang und welche Herausforderungen der IT-Leasing-Anbieter heute zu bewältigen hat, belegt der Beitrag.

"Mit intelligenten Finanzierungen zum Erfolg von IT-Projekten beitragen", lautete 1979 die Gründungsidee der Miller Leasing Miete GmbH (Miller-Leasing), Bad Homburg. Und sie trägt noch immer. Wenngleich die heutige Geschäftsführerin Marion Schäfer es mit ganz anderen Herausforderungen zu tun hat als noch ihre Eltern: "Wir finanzieren nicht mehr die einzelnen IT-Objekte, den einzelnen Server im Unternehmen, sondern die ganze IT-Landschaft - entweder bei dem Kunden oder zunehmend im Auftrag der IT-Lösungsanbieter." Daher spricht sie von "lösungsorientierten Leasing-Produkten", die den Finanzierungsfall und den Kundenbedarf analysieren, um umfangreiche IT-Projekte inklusive Lizenzen und Eigenleistungen der investierenden Unternehmen in einem adäquaten Vertrag abbilden zu können.

Was die Miller-Leasing dabei von anderen Gesellschaften unterscheidet, sind ihre individuellen Projektansätze und die Beratung bis zur Umsetzung von umfassenden ERP1) -Finanzierungen. Sowohl die Kundenseite als auch die IT-Managed-Service- oder Systemanbieter zu unterstützen und bei der Projektumsetzung zu begleiten, sei das Selbstverständnis der Miller-Leasing. Dabei weiß die Geschäftsführerin um die Besonderheiten von IT-Projekten.

Noch gut erinnert sich Schäfer an das erste Großprojekt unter ihrer Leitung: eine Storage-on-Demand-Projektierung - umgesetzt trotz der Skepsis ihres Vaters. Der geplante Kundenbedarf, Beschaffungen in der gesamten Vertragslaufzeit von 36 Monaten über sieben Millionen Euro zu tätigen, war bereits nach fünf Monaten ausgeschöpft. Das erfolgreiche Projekt wurde auf mehr als 20 Millionen Euro erweitert. Das erfordert enorme Flexibilität und tiefes Verständnis für die Eigendynamik, die IT-Projekte oftmals entfalten.

Mit Stolz berichtet Marion Schäfer, dass die Banken der Miller-Leasing dieses Know-how bescheinigen und derartige Investitionen selbst nicht finanzieren könnten, sondern einzig auf die Kundenbonität abstellen müssten. Dieses Merkmal unterscheidet das inhabergeführte Leasing-Unternehmen damit deutlich von Banken und auch von bankenabhängigen Leasing-Anbietern, die sich zunehmend ihrer Muttergesellschaft annähern würden, beobachtet Schäfer.

Was vor fast 40 Jahren mit einer weitsichtigen Geschäftsidee und einer Olympia-Schreibmaschine begann, hat sich zu einem etablierten Leasing-Anbieter entwickelt: An zwei Standorten im gediegenen Bad Homburg engagieren sich inzwischen 42 Mitarbeiter und stemmen ein jährliches Neugeschäft von rund 70 Millionen Euro. Die einzelnen IT-Objekte in einem Standardvertrag stehen dabei weniger im Fokus. "Großen Spaß haben wir an komplexen Lösungen. Wir sind weniger der reine Finanzierungspartner, sondern mittendrin in einem Projekt. Das fordert unsere Mitarbeiter, die zumeist über einen akademischen Abschluss verfügen - sei es als Informatiker, Juristen, Betriebs- oder auch Volkswirte", sagt Schäfer. Fünf Vertriebsteams - vom Einzelkämpfer über spezialisierte ERP-Berater - akquirieren neue Projekte und begleiten diese. Eine Zusammenarbeit mit Vermittlern erfolgt nur selektiv, schließlich legt Miller-Leasing für eine optimale Beratung großen Wert auf den direkten Kundenkontakt und die gelebte Kundennähe. Das ist für Geschäftsführerin Schäfer eine entscheidende Frage der Verlässlichkeit, denn schließlich kann sie ihren Geschäftspartnern sagen: "Ich werde auch in fünf Jahren noch Ihr Ansprechpartner sein."

Neue Kultur der Führung und Entscheidung

Doch nicht nur hinsichtlich der Unternehmensgröße unterscheidet sich der Leasing-Spezialist für IT-Projekte damals und heute. Auch die Entscheidungs- und Führungskultur habe sich deutlich gewandelt: Während Unternehmensgründer und Patriarch Miller über sämtliche Vorgänge im Unternehmen aufmerksam wachte, alle Entscheidungen selbst getroffen hat und sein Lebenswerk gemeinsam mit seiner Ehefrau vorantrieb, trägt die unternehmerische Verantwortung inzwischen ein elf-köpfiges Managementteam.

Dies entbindet Schäfer und ihre beiden Geschäftsführer-Kollegen zwar nicht von ihren primären Aufgaben, die sie selbstverständlich weiterhin wahrnehmen. Dennoch sieht sie enorme Vorteile, Verantwortung auf mehrere Schultern zu verteilen: "Zum einen kann ich nicht alle Entscheidungen über meinen Schreibtisch laufen lassen, zum anderen führt die engere Einbindung und Mitbestimmung der Mitarbeiter zu einem höheren Engagement." Das geht soweit, dass das Managementteam beispielsweise eine faire Lösung für die variable Vergütung der Mitarbeiter erarbeitet und umgesetzt hat. Dennoch bleibt die Hierarchie flach, der Austausch mit allen Mitarbeitern erfolgt regelmäßig. Für Schäfer sind "extrem kurze Entscheidungswege Herzenssache". Diese Kriterien zeichnen schließlich das "Schnellboot in der Branche" aus. Und Verantwortung abzugeben und Vertrauen in die "eigene Mannschaft" zu legen, sei aus Schäfers Sicht der richtige Weg.

Prozess der Übergabe

Hingegen konnte Unternehmensgründer Miller nur schwer von seinem Lebenswerk loslassen. Bereits vor etwa 20 Jahren angekündigt, gestaltete sich die Übergabe an die zweite Generation als langwieriger Prozess. "Und er dauert teilweise bis heute an", schmunzelt die Geschäftsführerin. Ihr heute über 80-jähriger Vater sei noch immer sehr an "seinem Unternehmen" interessiert und kann sich nur zögerlich mit der Frage zurückhalten, wie es denn läuft. Das ist verständlich, denn schließlich waren die "Firma und das Geschäftliche sein Hobby, darin ist er aufgegangen, das hat ihm Spaß gemacht". Noch heute vermisse er am meisten die Verkaufsgespräche.

Mit großem Respekt blickt Marion Schäfer auf die Verdienste des Unternehmensgründers und zeigt Verständnis: "Dieses sehr agile Unterwegssein, das ist mein Vater immer gewesen. Deswegen fiel ihm auch das Loslassen so schwer. Er hat das Unternehmen aufgebaut auf seine Art und Weise und konnte sich schwer vorstellen, dass es andere auf andere Art und Weise erfolgreich weiterführen können."

Dies gab immer wieder Anlass zu Diskussionen, dennoch lässt das Unternehmen Manfred Miller bis heute nicht ganz los. Helga Miller - ebenfalls Mitgründerin - fiel dieser Prozess leichter. Mit Blick auf die heutige Geschäftssituation der Gesellschaft zeigen sich beide Unternehmensgründer mächtig stolz.

Marion Schäfer ihrerseits hat 2001 beim Eintritt in die Geschäftsführung ein florierendes Unternehmen mit damals 14 Mitarbeitern vorgefunden. "Ich bin super dankbar. Wir haben ein ganz tolles Unternehmen übernommen, mein Bruder und ich. Natürlich hat es sich inzwischen weiterentwickelt", sagt sie. Großer Verdienst des Vaters war dabei die Aufbauarbeit des Unternehmens in den ersten 20 Jahren. Der Name Miller sei eng mit seiner Person verknüpft. "Die gegenseitigen Leistungen müssen wir anerkennen. Und das tun wir auch."

Gegenseitige Leistungen anerkennen

Dabei war der Wunsch des Vaters nicht unbedingt der vorgezeichnete Berufsweg der agilen Bank- und Diplom-Kauffrau Schäfer. Bei einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft hatte sie spannende Berufserfahrungen gesammelt und war in der Aufbauphase in den neuen Bundesländern unterwegs. Dennoch fehlte ihr an der damaligen Aufgabe das Vorausschauende, das Gestalterische. Daher hat sie 1993 "probeweise" den Einstieg in das Familienunternehmen gewählt und die Vertriebsleitung übernommen - und ist bis heute geblieben.

Die Übernahme der Geschäftsführung war dennoch kein leichter Weg, wenngleich Gründervater Miller schon zum damaligen Zeitpunkt begonnen hatte, sich aus dem operativen Geschäft zurückzuziehen. Dies lag bereits in den Händen der Tochter. Daher war auch kein umfassender Umbau des Unternehmens erforderlich. Vielmehr legte Nachfolgerin Schäfer großen Wert auf Kontinuität, zumal sie bereits im Unternehmen bei den Mitarbeitern und bei den Geschäftspartnern wie Kunden und Banken etabliert war. Und sie würde diese Entscheidung heute wieder treffen. "Sicherlich hätten wir das ein oder andere in der Übergabe aus heutiger Sicht anders machen können. Ob es besser geworden wäre, weiß man nicht. Aber was nützt der Blick zurück", resümiert Nachfolgerin Schäfer.

Vielmehr müsse man aus heutiger Sicht darauf achten, was passiert mit der Leasing-Branche überhaupt, "welche Daseinsberechtigung hat in zehn Jahren ein Leasing-Unternehmen wie das unsere". Diese Fragen müsse sich ein Unternehmer allerdings immer stellen. Schließlich sind die allgemeinen Herausforderungen der Branche wie Niedrigzinsen, Digitalisierung und regulatorische Anforderungen auch für Miller-Leasing spürbar.

Auf Nutzungsüberlassung besinnen

Der Margendruck spielt für die nicht-bankenabhängige Leasing-Gesellschaft ebenfalls eine Rolle. Wenngleich das Unternehmen gut kapitalisiert ist und einen Großteil der Gewinne seit jeher im Unternehmen belassen hat, erfolgt ein Teil der Refinanzierung bei den Banken. Entscheidend sei daher, eine "Antwort darauf zu finden, weshalb Kunden das Geschäft lieber mit Miller-Leasing abschließen sollten als mit den Banken", so Schäfer. Vision für den IT-Spezialisten ist daher, als "derjenige wahrgenommen zu werden, der für Spezialthemen steht.

Damit steht die selbsternannte "Leasing-Boutique" für "etwas Spezielleres, nicht für den Massenmarkt." Geschäftsführerin Schäfer ist überzeugt, dass es "dafür immer wieder Bereiche geben wird. Die Kunst ist es, uns so aufzustellen, dass wir sie bedienen können und dafür das richtige Ertrags-Aufwands-Verhältnis zu finden". Als vergleichsweise kleine Leasing-Gesellschaft muss das Geschäftsmodell immer an der Nutzungsüberlassung ausgerichtet sein, das sei der wesentliche Unterschied zu den bankenorientierten Gesellschaften. "Und das können Sie nur, wenn Sie vom Objekt etwas verstehen", ergänzt Schäfer. Diesen Aspekt betont sie regelmäßig und erinnert zugleich die Branche an ihre Eigenheit und ihr Alleinstellungsmerkmal gegenüber den Banken.

Beim Stichwort Regulatorik weiß Schäfer, dass andere Gesellschaften davon stärker betroffen sind. Sie sei zwar belastend, allerdings mit Augenmaß in enger Abstimmung mit dem Wirtschaftsprüfer zu bewältigen. Daher stellt sie fest: "Es ist nichts, was man gern macht. Wir kommen im Augenblick damit klar, es sollte aber nicht noch mehr werden." Die Miller-Leasing hat die Themen wie Interne Revision, Geldwäsche oder Compliance auf die Geschäftsführer und verschiedene Mitarbeiter verteilt. Unterstützend sind dabei auch die Informationen und Arbeitskreise des Bundesverbands Deutscher Leasing-Unternehmen e. V. (BDL). Und schließlich sei "im Augenblick in diesen Themen ein bisschen Ruhe eingekehrt".

Interessenvertretung für kleinere Gesellschaften

Seit etlichen Jahren im BDL engagiert, wurde Marion Schäfer im November 2016 in den BDL-Vorstand gewählt und hat das Thema Mittelstand übernommen. Als Vertreterin der vergleichsweise kleineren Mitgliedsgesellschaften ist sie nun intensiver in die Themen involviert und erfährt Einblicke beispielsweise in die Lobbyarbeit des BDL auf deutscher und europäischer Ebene. Sie versteht ihre Rolle darin, mit ihrer pragmatischen Sichtweise die Dinge kritisch zu hinterfragen und den Blickwinkel der kleineren Gesellschaften einzunehmen.

Ein Thema, das den BDL umtreibt, betrifft ebenfalls die Miller-Leasing - die Mitarbeiter- und Nachwuchsgewinnung. "Gerade für ein mittelständisches Unternehmen ist dies ein herausfordernder Bereich", berichtet Schäfer. Allerdings lässt sich diese Aufgabe nicht standardisieren, da Mitarbeiter nicht regelmäßig gesucht werden - und dann typischerweise mit jeweils unterschiedlichen Anforderungsprofilen. Vielmehr ergreift Miller-Leasing die Chancen, die sich bieten, und schaut intensiv, ob der potenzielle Mitarbeiter zum Unternehmen passt. Angesichts der Unternehmensgröße lässt sich die Suche nicht so weit durchstrukturieren, wie dies zum Beispiel für eine Zusammenarbeit mit Hochschulen erforderlich wäre. Was Bewerber an der Miller-Leasing attraktiv finden, sind die klaren Unternehmenswerte Respekt, Offenheit und Leidenschaft. Laut Aussage der Geschäftsführerin zieren diese Begriffe nicht nur die Geschäftsräume des Unternehmens, sondern werden tagtäglich gelebt. Und schließlich ist für sie selbst eine offene und ehrliche Kommunikation Grundvoraussetzung für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit.

Auch in Zukunft will die Leasing-Gesellschaft an ihre Tradition anknüpfen und die moderate Wachstumsstrategie fortsetzen: Bis zum Jahr 2020 wird die Neugeschäftsmarke von 100 Millionen Euro angestrebt. Das will die Miller-Leasing aus eigener Kraft erreichen. Zukäufe kämen nicht in Frage, bekräftigt Marion Schäfer. Zudem werde man seinem Geschäftsmodell treu bleiben. Es habe zwar "Ausflüge in andere Geschäftsbereiche" gegeben, diese seien inzwischen wieder beendet worden. "Unser Geschäftsmodell muss dort bleiben, wovon wir etwas verstehen und das ist die IT". Dennoch hält Marion Schäfer die Option offen, dass "zu irgendeinem Zeitpunkt ein spannender Geschäftsbereich dazukommt". "Es geht nicht darum, schneller größer zu werden." Genau diese Einstellung passt zur Bodenständigkeit einer Miller-Leasing und spricht für anhaltende Kontinuität.

1) ERP = Enterprise Resource Planning

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