Optimale Customer Experience im Firmenkundengeschäft

Medienbruchfreie Angebote beim Vertragsabschluss

Dr. Lars Rüsberg Quelle: afb

Nachdem die ersten Finanzdienstleister mit Online-Antragsstrecken für das Privatkundenkreditgeschäft auf dem Markt vertreten sind, wollen nun diejenigen, die bevorzugt im Business-to-Business-Geschäft (B2B) agieren, ihren gewerblichen Kunden ein adäquates Angebot bieten. Der Beitrag zeigt Wege und Möglichkeiten zum digitalen Vertragsabschluss auf. (Red.)

"Time is money", Öffnungszeiten sind begrenzt, und der teure Firmenkundenbetreuer ist mit Aufträgen beschäftigt oder blockiert, die der Kunde viel besser selber abschließen kann oder außerhalb von Öffnungs- und Ansprechzeiten, ohne seinen Berater einzuschalten, erledigen möchte. Dass sich die Effizienz beiderseits steigern lässt, ist offensichtlich. Hinzu kommt, dass derjenige, der als Privatkunde die 24/7-Verfügbarkeit und Ubiquität von Finanzdienstleistungen kennt, sich fragt, warum er als Vertreter eines Unternehmens nicht den gleichen Service bei seinem Finanzdienstleister in Anspruch nehmen kann.

Was also sind die Unterschiede, was die Gemeinsamkeiten im B2B- und B2C-Geschäft? Gibt es sogenannte "Blocking Points", und können sie umschifft werden? Gibt es Funktionalitäten, die sich im B2C-Geschäft bewährt haben und universell auch für das B2B-Geschäft zu nutzen sind? In jedem Fall gilt: Alles, was digitalisiert werden kann, wird digitalisiert.

Dem allgemeinen Trend der Digitalisierung entsprechend prüfen aktuell nahezu alle Finanzdienstleister die sich ergebenden Möglichkeiten1 der verbesserten

- Ansprache neuer Kunden zwecks Erstgeschäften,

- Kommunikation mit ihren bestehenden Kunden zwecks laufender Betreuung und Folgegeschäften sowie

- Abwicklung interner Prozesse, im Idealfall eingebunden in eine Endto-End-Prozesskette zwecks weiterer Automatisierung und Effizienzsteigerung.

Zudem gibt es, wie im Privatkundengeschäft, auch im Firmenkundengeschäft spezifische Fintechs, die die traditionellen Anbieter, Banken, Leasing- und Factoring-Gesellschaften, herausfordern und - vielleicht (noch) mehr als im Privatkundengeschäft - Alternativen aufbauen, ob nur als Intermediäre oder selbst auch als Finanzdienstleister, die als Konkurrenz zu den tradierten Finanzierungsangeboten einzuschätzen sind.

Anders als im Privatkundengeschäft steht jedoch nicht der Kaufwunsch an einem Point of Sale im Vordergrund, sondern ein Kauf im Internet, vom Arbeitsplatz aus, mit dem eine Bestellung aufgegeben wird, die einen bestehenden oder gerade entstandenen (Standard-)Bedarf des Unternehmens deckt.

Auf der dargestellten Grundkonstellation basieren vielfältige Geschäftsmodelle an der Schnittstelle von Kauf und Finanzierung, unter anderem:

- Absatzförderung mittels Absatzfinanzierung durch Hersteller oder Händler selbst,

- Einschaltung herstellerabhängiger Finanzdienstleister (sogenannter Captives, besonders erfolgreich im Segment Automotive Finance),

- klassische private Banken, Sparkassen und Genossenschaftsbanken mit Filialnetzen,

- Direktbanken und weitere spezielle Kreditbanken meist ohne Filialnetze,

- sogenannte API-Banken, die selbst mehr Technologieunternehmen als Bank sind und als Enabler beziehungsweise Finanzdienstleister für Fintechs zunehmend auch im B2B-Geschäft agieren,

- Leasing-Gesellschaften als Objektfinanzierer, die mit ihrem Produkt-Know-how auch die Rücknahmeprozesse im Auge haben und weitere Services anbieten,

- Makler, die Best Advice für die jeweilige Kundensituation bieten,

- weitere Non- und Near-Banks (Zahlungsdiensteanbieter, Lending-Plattformen et cetera), die sich, teils als Intermediäre lenkend, in den Finanzierungsprozess einschalten, darunter

- Fintechs, die sich mit spezifischen, innovativen Funktionalitäten als Partner oder Wettbewerber der Finanzdienstleister gerieren, sowie

- Factoring-Gesellschaften, die auf einen möglichst automatisierten Prozessfluss beim (revolvierenden) Forderungsankauf fokussieren.

Entscheidend für den Erfolg eines jeden Geschäftsmodells ist bereits jetzt und künftig verstärkt seine Kundenorientierung ("Customer Centricity") beziehungsweise die Ausrichtung auf die Wünsche des Kunden. Bislang war der Kunde oftmals gezwungen, dem (Kauf-/Finanzierungs-)Prozess der jeweiligen Organisation zu folgen. Heute findet auch der Firmenkunde in der realen und digitalen Welt ein umfassendes Angebot an Alter nativen.

Der bereits aus dem Privatkundengeschäft bekannte Dreiklang "Infomieren, Vergleichen, Abschließen" gelingt somit auch im Firmenkundengeschäft. Die Kundenloyalität sinkt: Selbst in langjährigen Partnerschaften kann sich sowohl der Anbieter (Hersteller oder Händler) als auch der Financier nicht mehr sicher sein, auch beim nächsten Einkauf berücksichtigt zu werden.

Möchte ein Anbieter erfolgreich sein, muss sein (Kauf-/Finanzierungs-)Prozess dem Kunden folgen und nicht umgekehrt. Wechselt ein Firmenkunde seinen Anbieter, so bedarf es zwar einiger zusätzlicher Anstrengungen und neuer (vertraglicher) Regelungen, dafür aber geht dauerhaft ein meist größeres Einkaufsvolumen verloren.

Halbherzig modernisierte Onlineauftritte, die statisch einer digitalen Visitenkarte gleichen, sind daher nicht mehr zeitgemäß. "Alles, was digitalisiert werden kann, wird digitalisiert", formulierte Carly Fiorina, ehemalige Chefin von Hewlett-Packard. Dies trifft auch auf die Customer Journey des Wholesale zu. Dies beginnt bei Produktkonfiguratoren sowie Web shops und trifft auch für die Waren- und Dienstleistungsangebote des B2B-Geschäfts zu. Interaktion steht dabei im Vordergrund. Auch bei den dort vorherrschenden komplexen Produkten, neben Pkw und Nutzfahrzeugen Investitionsgüter wie Maschinen, IT-Ausstattung et cetera, finden sich zwischenzeitlich Preisauszeichnungen und Finanzierungskonditionen über einen auf der Website integrierten Finanzkalkulator.

Weiter wird der smarte Übergang vom Kauf zur Finanzierung durch Vergleichsportale, wie beispielsweise Compeon oder LeasinGo, unterstützt. Diese vereinfachen die Suche nach Finanzierungsangeboten. Nach nur wenigen Angaben zum Unternehmen werden (Kredit-/Leasing-)Angebote angezeigt, die, abhängig vom Finanzierungsobjekt, teils taggleich abgeschlossen werden können.

Das private Einkaufsverhalten prägt nach und nach auch das B2B-Geschäft. Dort wird die Nase vorn haben, wer nahtlos ("seamless") die Welten verbindet und die Kundenbedürfnisse am besten befriedigt. Dies kann zum Beispiel an hand zusätzlicher Services erfolgen, welche die Kundenbindung über die Vertragslaufzeit und mit attraktiven Folgeofferten darüber hinaus oder mit weiteren Produktbündeln fördern.

Medienbruchfreier digitaler Prozess

Da die sogenannte "Customer Journey" heute alle von einem Anbieter gebotenen Kontaktpunkte umfasst, ist es nicht mehr ausreichend, nur mehr als einen Kanal zu bedienen (Multi-Channel). Die hohe Kunst liegt vielmehr darin, das Angebot um einen jederzeitigen Wechsel zwischen allen angebotenen Kanälen zu erweitern (Cross- beziehungsweise Omni-Channel) und den Datenaustausch zwischen allen Vertriebswegen einschließlich der durch sie angebotenen Finanzierungsoptionen zu ermöglichen.

Der Prozess vom Entstehen eines Einkaufsprozesses bis zum (Finanzierungs-)Abschluss stellt bereits in der realen Welt eine Herausforderung dar (siehe Abbildung 1, Seite 85). Denn dieser Weg ist geprägt von Unterbrechungen, Warte- und Liegezeiten durch Vor-Ort-Termine, die Zusendung beziehungsweise Nachreichung von Unterlagen, gegebenenfalls durch das Durchlaufen eines Post-Identverfahrens. Das muss und kann digital besser realisiert werden, mit entsprechend reduziertem Aufwand auf beiden Seiten. Es gilt also, einen potenziellen Kunden auf seiner digitalen Reise zum Abschluss so an genehm zu begleiten, dass er den Prozess ohne Abbruch erfolgreich durchläuft. Ist der Kunde mit dem Prozess zufrieden, wird er diesen Anbieter bevorzugen und im Kreis seiner Geschäftskollegen Empfehlungen geben.

Einen wesentlichen Beitrag zu diesem optimierten Prozess liefern die Benutzerführung und grafische Oberfläche der digitalen Antragsprozesse. Im Optimalfall ist das "Look-and-feel" im Corporate Design des Unternehmens gehalten und wird über alle genutzten Devices hinweg einheitlich dargestellt. Durch Responsive Design nutzt die Anwendung die jeweils verfügbare Bildschirmgröße ohne Scrollen optimal mit bester Übersichtlichkeit aus. Entscheidend sind zudem die richtige Ansprache sowie die Akzeptanz des Nutzers. Diese kann unterstützt werden durch

- eine personalisierte Ansprache entsprechend seiner Bedürfnisse (Personalised Marketing),

- Nutzung des bestehenden Wissens über seine Bedürfnisse (Customer Insights),

- das schnelle Erreichen seines Ziels (Digital Experience mit hoher Conversion Rate).

Weiterentwicklungen beziehungsweise Innovationen von Geschäftsmodellen werden daher künftig verstärkt basieren auf

- der Auswertung von Daten (Big Data),

- der Nutzung kognitiver Systeme, die anders als "reine" künstliche Intelligenz auch die menschliche Komponente mit Intuition und Emotion einbeziehen und

- der kundenindividuellen Ausprägbarkeit hoch automatisierbarer Prozesse.

Modularer Online-Vertragsabschluss

Das medienbruchfreie digitale Abschließen von Verträgen ist heute noch nicht an der Tagesordnung, insbesondere nicht im B2B-Geschäft. Einerseits gilt es, die höhere Komplexität des Geschäfts sachgerecht und juristisch einwandfrei zu erfassen. Andererseits decken historisch gewachsene IT-Kernanwendungen die aktuellen Marktanforderungen oft nicht ab.

Gefragt sind daher Anwendungen, die sich schnell und flexibel an neue Anforderungen anpassen lassen. Dieser scheinbare Widerspruch lässt sich durch eine sogenannte hybride IT beziehungsweise IT der zwei Geschwindigkeiten lösen.2 Altbewährte Legacy-Systeme tun weiterhin ihren Dienst, werden aber durch innovative Lösungen ergänzt und liefern die dringend benötigte Agilität und Flexibilität (siehe Abbildung 2).

Auf Basis einer serviceorientierten Architektur lassen sich bestehende IT-Landschaften einfach und schnell um innovative Funktionen erweitern. Die Business Services verbinden sich per "Enterprise Service Bus" mit bestehenden Systemen per "Fast Integration". So können einzelne Module zu einem spezifisch-orchestrierten Prozess kombiniert werden und das bisherige Core System optimal ergänzen. Die Konfiguration der Services erfolgt online, Workflows und Regeln können durch die Fachabteilungen gestaltet und angepasst werden. Das garantiert maximale Individualität und Agilität.

Vorteile des modularen Einsatzes von Business Services, die sich um das bestehende Kernsystem gruppieren, sind

- die einfache Integration in bestehende Strukturen und Anwendungslandschaften durch gekapselte, leichtgewichtige, agile Lösungen,

- die flexible Abbildung auch komplexer Geschäftsprozesse für unterschiedliche Zielgruppen,

- kurze Umsetzungs- und Bereitstellungszyklen mit entsprechenden Time-to-Market-Vorteilen,

- eine geringere Belastung der Ressourcen der IT-Abteilungen,

- ein "Continuous Delivery", wie aus der Welt der Apps bekannt, mit schnellen Erfolgen und kontinuierlichen funktionalen Erweiterungen.

Ein typischer B2B-Prozess könnte end-to-end folgende Module umfassen (siehe Abbildung 3, Seite 88):

- Customer Administration Management,

- Pre-Approval-Check,

- Online-Legitimation,

- Early-Scan-Digitalisierung und

- Elektronische Unterschrift.

Entsprechend der sogenannten "Pain Points" des Anbieters kann mit einzelnen Funktionalitäten begonnen werden, die gesamte Prozessstrecke kann nach und nach entstehen und später um neue Funktionalitäten ergänzt oder um Features, die sich nicht bewährt haben oder nicht mehr erforderlich sind, bereinigt werden. So werden Großprojekte beim Anbieter vermieden, dem Kunden kann vermittelt werden, dass in kurzen Zyklen Fortschritte erreicht werden, die ihn der optimalen Customer Experience sukzessive näherbringen.

Customer Administration Management

Startet nicht nur ein Einkaufs-, sondern auch ein Finanzierungsprozess auf Seiten des gewerblichen Käufers, so steigen Komplexität und formale Anforderungen an die Datenqualität und Prozesse. Sofort ergibt sich im B2B-Geschäft eine Vielzahl von Fragen, da der Besteller nicht auf eigene Rechnung kauft und für die Zahlung haftet, sondern das Unternehmen, für das er handelt - und hoffentlich mit entsprechenden Kompetenzen vertretungsberechtigt ist:

- Wer ist der Besteller? Ist er bereits bekannt oder handelt es sich um einen neuen Mitarbeiter?

- Darf der Besteller einen Kauf für das Unternehmen tätigen? Wie ist die Vertretungsberechtigung?

- Was darf bis zu welcher Betragshöhe der Besteller allein oder zusammen mit anderen Mitarbeitern oder Geschäftsführern im Namen des Unternehmens kaufen? Welche Kompetenzen für Objekt und Anschaffungspreis liegen vor - einzeln oder gemeinschaftlich?

- Unter welchen Voraussetzungen kann der Besteller eine Finanzierung neu begründen oder die Ausschöpfung einer Finanzierungslinie verantworten? Wie sehen zentrale oder dezentrale, regelbasierte Entscheidungen aus?

- Wie soll der Kauf beglichen werden? Welche Finanzierungsprodukte wie Kredit, Leasing oder Factoring zu welchen Konditionen und Laufzeiten sind zulässig?

Anders als im Privatkundengeschäft ist eine Bargeldzahlung in der Regel nicht die Alternative. Der Kauf auf Rechnung ist die erste Kreditentscheidung, die ein Anbieter in der Beziehung zu seinem Kunden zu treffen hat.

Die Nutzung einer Finanzierungsoption ist dann nur der nächste Schritt auf einem Kontinuum:

- Handelt es sich um eine Kaufpreiszahlung (Zahlung auf Rechnung) oder um eine Finanzierungsoption mit Rückzahlung ganz oder in Raten zu einem oder mehreren Zeitpunkten in der Zukunft, gegebenenfalls verknüpft mit weiteren Services?

- Übernimmt die Kreditierung der Verkäufer (Hersteller oder Händler) selbst im Sinne eines Kaufs auf Ziel beziehungsweise (Online-) Ratenkaufs oder wird ein Finanzdienstleister eingeschaltet?

- Handelt es sich um ein einzeln zu genehmigendes Geschäft oder um eine neue beziehungsweise bestehende Geschäftsbeziehung, für die aufgrund einer künftigen Vielzahl von Transaktionen ein (Rahmen-) Limit einzuräumen ist?

Service Provider, die einen Hersteller oder Händler dabei begleiten und absichern, gibt es viele und offensichtlich funktioniert es auch. Denn das Geschäft, intern auf Seiten des Verkäufers über das Credit Risk Management oder den CFO gesteuert, floriert.

Wird ein Finanzdienstleister eingeschaltet, ist das Wissen über zu finanzierende Kunden und Objekte abhängig davon, in welcher Beziehung er zum Anbieter und seinem Kunden steht:

- fester Finanzierungspartner des Anbieters, zum Beispiel beauftragte Spezialbank im Rahmen eines Absatzförderungsprogramms und Absatzfinanzierungsprogramms3 ,

- fester Finanzierungspartner des Käufers, zum Beispiel seine Hausbank,

- (einmalig) vermittelter Finanzierungspartner, zum Beispiel durch einen Makler oder Auswahl in einem Vergleichsportal.

Bei einem Firmenkunden, der für den Kauf von Waren und/oder Dienstleistungen einen Finanzdienstleister erstmals in Anspruch nehmen möchte, gilt es, einen Rahmen zu definieren. Dieser sollte die oben aufgeführten Fragen zum Besteller und zum zu finanzierenden Objekt in Abhängigkeit von der Kreditrisikostrategie des Herstellers oder Händlers beziehungsweise seines Finanzdienstleisters klar beantworten.

Somit bedarf es, abgesehen von kleineren Einzelgeschäften, die unter Risikogesichtspunkten zu vernachlässigen sind, üblicherweise zunächst eines persönlichen Kontakts, in dem die Leitplanken einer Geschäftsbeziehung gesetzt werden. Wird dieser Rahmen traditionell seitens des Finanzdienstleisters mit den Unternehmensvertretern geschaffen und durch entsprechende Unterlagen, wie zum Beispiel Handelsregisterauszüge und Kompetenzregelungen, fixiert, ist für Standardgeschäftsvorfälle, wie zum Beispiel die Erweiterung oder Ersatzbestellung eines Firmen-Pkw im Rahmen des Fuhrparkmanagements, ein strukturiert-schematisches Vorgehen vorstellbar.

Die handelnden Personen zu identifizieren, ist das kleinere Problem. Doch die Rolle desjenigen, der im Namen eines Unternehmens anfragt, bestellt und eine Finanzierungsoption wahrzunehmen wünscht, bedarf einer zum jeweiligen Geschäftskontext passenden, flexiblen Abbildung. Diese ist zur Prüfung und Genehmigung sowie zur anschließenden Valutierung heranzuziehen. Gegen diese kann, im Idealfall voll automatisiert, durch die eingebundene "Credit Decision Engine" entschieden werden.

Je besser die Vorstrukturierung der zu klärenden Fragen, je flexibler die Abbildung von Rollen, Kompetenzen und Regeln in einem Customer Administration Management, desto größer ist die Chance auf eine automatische Entscheidung und Aufwandsreduktion auf Seiten des Finanzdienstleisters.

Ein passendes System hierzu ist ein "Customer Administration Management Modul". Im Idealfall ist dies ein Sammelbecken aller Daten der bestellenden oder finanzierenden Unternehmenskunden und aller relevanten Mitarbeiter, das zugleich den juristischen Bestand repräsentiert und mit allen Datenquellen des Unternehmens, wie zum Beispiel Kundendaten des Core- sowie des Customer-Relationship-Systems, synchronisiert ist. Dieses Modul korrespondiert mit den später im Prozessfluss auftretenden Schritten Scoring und Entscheidung und ermöglicht, bei Vorliegen aller relevanten Daten, eine automatische Entscheidung durch die "Credit Decision Engine".

Pre-Approval-Prozess

Klassische Prozesse in der Anbahnung eines Kaufs beziehungsweise einer Finanzierung lassen sich mit modernen Services neu denken. Der Pre-Approval-Prozess kommt insbesondere dann zum Einsatz, wenn es sich um einen Neukundenkontakt handelt und entsprechend noch keine Informationen über das Unternehmen und seine handelnden Personen vorliegen. Die Finanzierbarkeit eines Investitionsvorhabens wird auf Basis eines reduzierten Sets an Daten zum Unternehmen und dem Besteller sowie weiteren spezifischen, risikoorientierten Informationen überprüft.

Mit der Eingabe der Daten erfolgt eine Validierung in Echtzeit im Hintergrund. Die Kunst besteht darin, von vornherein solche Anfragen auszuschalten, die bei einem Ampelsystem im Rahmen eines Genehmigungsverfahrens ein Rot (Ablehnung, zum Beispiel bei mangelnder Bonität, aber auch aufgrund von Compliance und Geldwäsche-Kriterien, zum Beispiel Eintrag in einer PEP- oder Black-List) oder maximal ein Gelb (Genehmigung nur unter Auflagen, zum Beispiel unter Beibringung weiterer Sicherheiten) erreichen.4

Auch kann im Rahmen eines Pre-Approval eine erste Bonitätseinschätzung auf Basis der verfügbaren steuerlichen E-Bilanzen erfolgen, die seit 2018 als digitaler Finanzbericht medienbruchfrei zur Verfügung stehen. Bei Einsatz einer leistungsfähigen "Credit Decision Engine" erfolgt die Beurteilung der Kreditwürdigkeit in Bruchteilen von Sekunden auf Basis der vom Finanzdienstleister definierten Scorecards, gegebenenfalls dann unter automatischer Hinzuziehung weiterer Auskünfte. Die Finanzierungszusage kann noch während des Kaufprozesses übermittelt werden, zum Beispiel während des Check-out-Vorgangs oder an einem Point of Sale.

Insbesondere in dem Fall einer negativen Kreditentscheidung empfiehlt sich ein Verweis auf einen weiteren Kommunikationskanal wie die Kontaktaufnahme mit einem Berater. Dieser hat die Möglichkeit, Fehleingaben zu korrigieren oder alternative Finanzierungsoptionen aufzuzeigen. Bereits erfasste Datensätze sollten dem Berater im Sinne des Cross Channel Managements zur Verfügung stehen, um eine Doppelerfassung zu vermeiden.

Online-Legitimation

Im Rahmen des Onboardings eines neuen Kunden ist das "Know-Your-Customer-Prinzip" (KYC) zu beachten. Insbesondere zur Verhinderung von Geldwäsche muss eine Legitimationsprüfung erfolgen, nach der zu prüfen ist, wer der Kunde ist, wie sein Geschäftsmodell aussieht und woher seine Finanzströme stammen.

Seit 2014 sind Videoidentifizierungsverfahren ein wesentlicher Baustein eines medienbruchfreien Online-Vertragsabschluss-Prozesses. Die mit erneutem Rundschreiben der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zu beachtenden Regelungen beziehungsweise Verschärfungen traten zum 15. Juni 2017 in Kraft und führen zu einer Klarstellung beziehungsweise Aufrechterhaltung eines hohen Qualitätsstandards der Online-Legitimation (siehe Abbildung 4).

Die etablierten Verfahren entwickeln sich kontinuierlich weiter und werden zwischenzeitlich nicht nur für Privatkunden angeboten. Mit entsprechend erweitertem Prüfungsumfang finden sie ebenso Anwendung für die Legitimation von Unternehmen und deren vertretungsberechtigten Mitarbeitern.

Eine Fern-Identifikation kann dabei nicht nur durch etablierte Verfahrensanbieter erfolgen, sondern auch durch autorisierte Dritte, die nicht Teil der Organisation des Finanzdienstleisters sein müssen. Dazu zählen neben eigenen Mitarbeitern beispielsweise Verkäufer, Vertriebs- und Außendienstmitarbeiter von Herstellern, Handel oder sonstigen Serviceprovidern. Auf Basis von Prozessvorgaben ist es möglich, vor Ort Daten zu erfassen, Sicherheitsmerkmale zu prüfen und Prüfprotokolle beziehungsweise Ident-Zertifikate anzulegen. Dies vereinfacht die Prozesse im Cross-Channel-Vertrieb. Vorteile dieser Legitimationsprüfung sind die Identifikation im direkten Gespräch, die sofortige Anwendung des Prüfungsergebnisses in Echtzeit sowie das Entfallen zusätzlicher Kosten für Serviceprovider oder Hardware.

Early-Scan-Digitalisierung

Wenngleich Verfahren wie der "Digital Bank Account Check" dazu beitragen, dass im Rahmen eines (Privatkunden-)Finanzierungsantrags weitgehend auf die Einreichung von Dokumenten, wie beispielsweise Gehaltsnachweis, verzichtet werden kann, verbleiben insbesondere im B2B-Geschäft einzureichende Unterlagen, wie Verträge, (Objekt-)Beschreibungen, Präsentationen, Analysen oder Auswertungen.

Bereits heute bedienen sich dokumentenbasierte Geschäftsprozesse beim Finanzdienstleister in der Regel optischer Kopien dieser Dokumente. Diese werden nach postalischem Eingang mit Hilfe von Scannern erstellt und den jeweiligen Vorgängen zugeordnet. Die digitale Verarbeitung der Daten führte bereits zu deutlichen Effizienzsteigerungen. Dennoch verhindern Postlaufzeit und Scanvorgang eine Real-Time-Verarbeitung einzureichender Unterlagen und somit einen schnellen Vertragsabschluss. Im Falle von falschen, fehlenden oder unleserlichen Informationen oder Dokumenten wiederholen sich die Bearbeitungsschritte. Die nur teilweise Digitalisierung der Geschäftsprozesse führt zu papierhaften Schattenakten.5 Digitalisierung und Automatisierung sind zudem noch vielfach mit manuellen Arbeitsschritten verbunden:

- Erstellung und Versand beim Einreicher,

- Dokumentenscan,

- Indizierung und Zuordnung,

- Inhaltsprüfung,

- Inhaltsextraktion,

- Ablage und Verwaltung,

- Suchen und Wiederauffinden.

Der technische Fortschritt kann den Prozess weiter optimieren und den heute existierenden Late-Scanin einen Early-Scan-Prozess (siehe Abbildung 5) verwandeln: Multifunktionsgeräte mit Scanfunktion, Scanner-Devices und Smartphones mit Kamerafunktion sind zum Standard geworden. Moderne Digitizer-Apps helfen mit ihrer Ausrichtungskorrektur beim Abfotografieren von Dokumenten. Diese überzeugen durch hohe Sicherheitsstandards und qualitative Ergebnisse nach DIN-Norm, selbst bei kaum ausreichendem Licht und aus fast jeder Perspektive.

Gehen die einzureichenden Unterlagen beim Finanzdienstleister digital als Scan, als Upload oder als Mail in einem modernen (Antrags-)Dokumentenportal ein, das dem Dokumenten-Management-System (DMS) vorgeschaltet ist, so ergeben sich weitere Vorteile.

Die Entgegennahme, Strukturierung und Prüfung der eingereichten Unterlagen wird workflow-basiert unterstützt. Die qualitative Aufbereitung und Inhaltsextraktion aus Bilddaten durch OCR-Lösungen6 verbessert die Datenqualität bei Übernahme in das Kernsystem. Prüfroutinen helfen, Dubletten zu vermeiden. Die weitere Bearbeitung wie Sichtung, Bearbeitung, Genehmigung, Freigabe und Überstellung in das DMS erfolgt mit Logfunktion.

Entstehen nun Verträge, die rechtsgültig zu unterschreiben sind, bedarf abschließend auch der Prozessschritt der Unterzeichnung einer digitalen Lösung.

Elektronische Unterschrift

Mit der europäischen Verordnung 910/2014 für Vertrauensdienste (eIDAS) wurde die Grundlage dafür geschaffen, dass ein elektronisches Dokument den gleichen Stellenwert erhält wie ein analoges und so auch digital der vorgeschriebenen Schriftformerfordernis für Kreditverträge entsprochen werden kann.

Vertragsdokumente können unabhängig von Öffnungszeiten und ohne Zeitdruck gegengelesen und unterzeichnet werden. Sogar der Postversand des Dokuments kann entfallen, da dieses unveränderbar hinterlegt und trotzdem von allen Vertragspartnern jederzeit eingesehen werden kann.

Die Verfahren beruhen grundsätzlich auf den folgenden Schritten (siehe Abbildung 6):

- Das zu unterschreibende Dokument wird vom Finanzdienstleister an seinen Vertrauensdiensteanbieter (VDA) übergeben, der die Gültigkeit der Legitimation prüft,

- das zu unterschreibende Dokument wird den zur Unterzeichnung berechtigten Unternehmensvertretern angezeigt,

- die digitale/n Unterschrift/en wird/ werden per Mobile-TAN zertifiziert,

- der VDA leitet das rechtlich gültig signierte Dokument zurück an den Finanzdienstleister.

Das Ziel einer verbindlichen, medienbruchfreien Vertragsunterzeichnung ist damit, zumindest technisch, erreicht. Der Teufel steckt jedoch im Detail: Im Idealfall ergeben sich aus dem Customer Administration Management Modul die Prozessvorgaben, beispielsweise das (wiederholte) Procedere, wenn nicht ein Mitarbeiter allein zeichnungsberechtigt ist.

"Make or buy"

Im 27. Oktober 2017 wurde von der BaFin die finale Fassung der Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk) veröffentlicht. Ein Fokusthema betrifft - neben einer Vielzahl weiterer Änderungen - die sogenannte "Auslagerung" von Software und (IT-)Dienstleistungen. In AT 9 der MaRisk wurde der Begriff der Auslagerung stärker gegenüber dem "sonstigen Fremdbezug von Leistungen" abgegrenzt. Darüber hinaus wurden verschiedene neue Anforderungen an das Auslagerungsmanagement, Exit-Prozesse und die Weiterverlagerungen aufgenommen, die ab November 2018 Gültigkeit erlangen.7

Die sich aus AT 9 ergebenden Auswirkungen der MaRisk-Novelle 2017 (siehe Abbildung 7) führen für die betroffenen Finanzdienstleister zu einer (noch) größeren Stringenz und weiteren Aufgaben in ihrer Dienstleistersteuerung, für die sich zudem weitere ergänzende und nicht immer widerspruchsfreie Konkretisierungen in den "Bankaufsichtlichen Anforderungen an die IT" (BAIT) und weiteren aufsichtlichen Leitlinien von CEBS und EBA finden.8

Lösung kann aber nicht sein, auf bewährte Dienstleister zu verzichten und alles mit eigener IT zu entwickeln. Vielmehr sollte auf Anbieter zurückgegriffen werden, die sich ganz im Sinne eines "Business Integration und Transformation Partners" (BITP) als professionelle Gesamtdienstleister und Integratoren ver stehen. Eine Umsetzung der sogenannten Digitalisierung wird nicht durch monolithische Produkte gelingen, sondern mit einer modularen Angebotssuite, aus der individuell und zielgruppenspezifisch "Best-of-breed"-Bausteine herausgegriffen und über einheitliche Integrationsschichten an bestehende oder zu erneuernde Kernsysteme angebunden werden.

Dies eröffnet zugleich die Möglichkeit, die eine oder andere Fintech-Lösung zu integrieren und nicht nur den Kundenanforderungen hinterherzulaufen, sondern selbst markante Zeichen zu setzen. Dies würde bei direkter Kontrahierung für manchen Finanzdienstleister die Diskussion um operationelle Risiken und die entsprechend notwendige Eigenkapitalunterlegung erhöhen, ist doch nicht abzusehen, welches Fintech-Geschäftsmodell sich im Wettbewerb durchsetzt und nachhaltig trägt.

Wenn das BITP-Konzept die Qualität von Geschäfts- und IT-Prozessen verbessert, so kann dies nun von entsprechenden Anbietern in einem fachlich und IT-technisch einwandfreien Prozess, der auch hinsichtlich Customer Experience und IT-Sicherheit als optimal anzusehen ist, unter Beweis gestellt werden. Gleichzeitig reduzieren sich die Aufwände der Dienstleistersteuerung für den beauftragenden Finanzdienstleister, da nur einer statt mehrerer Vertragspartner mit einem Vertragswerk und einheitlichen Service Level Agreements (SLAs) über alle Funktionalitäten zu managen ist. Greift der Gesamtdienstleister auf bewährte Bausteine zurück, kann er seinerseits operationelle Risiken, die beispielsweise aus der Zusammenarbeit mit innovativen, aber noch nicht etablierten Fintech-Unternehmen resultieren können, abfedern, ohne dass dies den beauftragenden Finanzdienstleister belastet.

Konkrete Schritte

Erfolgreiche Unternehmen werden sich auch künftig über ihre Produkt- und Servicepalette differenzieren und sich agil den veränderten Kundenbedürfnissen anpassen. Zentrale Erfolgsfaktoren sind jederzeit und überall verfügbare beziehungsweise medienbruchfrei abschließbare Angebote, zunehmend auch im B2B-Geschäft. Mit ihnen gelingt die digitale Transformation an der Kundenschnittstelle ebenso wie eine kostengünstige Produktion auf Basis einer End-to-End-Optimierung der gesamten Prozesskette bis ins Backend.

Wer bei der Digitalisierung seines Geschäftsmodells, seines Leistungsangebots und bei der Marktbearbeitung zu zögerlich agiert und strategische Entscheidungen auf die lange Bank schiebt, läuft Gefahr, von neuen innovativen Playern im Markt verdrängt zu werden.

Interaktive Kundennähe und Agilität in Bezug auf die Umsetzung einer zielgerichteten, integrierten Customer Journey mit dem Ziel höherer Abschlusswahrscheinlichkeiten setzen aber eine Standortbestimmung voraus. Ein sogenannter "Digital Capability Check-up" liefert eine aussagekräftige Grundlage zur Entwicklung einer ganzheitlichen digitalen Strategie sowie der damit verbundenen Umsetzungs-Roadmap.

1) Die größeren Player, insbesondere die internationalen Finanzkonzerne, setzen jenseits ihrer eher traditionellen Unternehmenskultur und -strukturen sogenannte Innovation Labs auf, in denen sie erste Erfahrungen sammeln und die Übertragbarkeit ins Tagesgeschäft verproben. Damit investieren sie bewusst in ihre Zukunft; aktuell bieten die noch kleinen Zielgruppen im Vergleich zu den notwendigen Investitionen keine ausreichende Rentabilität.

2) Dabei gilt es, die IT nicht in die Gruppen "alt und langsam" und "innovativ und schnell" zu teilen, sondern die Notwendigkeit und das konstruktive Miteinander beider Teile zu betonen.

3) Wie im Privatkundengeschäft bieten sich dem Anbieter durch eine Absatzfinanzierung erweiterte Möglichkeiten der Absatzförderung. Das Angebot einer Finanzierung rundet das Service Portfolio ab und eröffnet vielleicht neue Marktchancen durch innovative Produktbündel. Will er nicht das potenzielle Ausfallrisiko tragen, das sich aus einer Finanzierung ergeben kann, steht die Auswahl eines spezialisierten Finanzierungspartners an.

4) Zur wirtschaftlichen Verbesserung der Prozesse ist anzustreben, kostenträchtige Informationen, beispielsweise durch die Einholung von kostenintensiven Auskünften, in die späteren Prozessschritte zu verlagern.

5) Vgl. Moritz, E./Preitsameter, M. (2017). Dokumenten-Management und Digitalisierung im Daten-Onboarding. In FLF 3/2017, S. 116-120.

6) OCR steht für Optical Character Recognition und meint eine optische Zeichen- oder Texterkennung.

7) Vgl. BaFin (2017). Rundschreiben 10/2017 (BA) - Bankaufsichtliche Anforderungen an die IT (BAIT) vom 6. November 2017. Abrufbar unter www.bafin.de

8) CEBS = Committee of European Banking Supervisors, EBA = European Banking Authority.

DER AUTOR: Dr. Lars Rüsberg, München,betreut für die afb Application Services AG, Business Innovation und Transformation Partner, das Neukundengeschäft und koordiniert das Partnernetzwerk.E-Mail: ruesberg.lars[at]afb[dot]de
Dr. Lars Rüsberg , Gründer und Inhaber von Innovating Innovators, München, und leitet die Interest Group Finance and Insurance der Mindsphere World e.V.

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